L 5 KR 377/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 16 KR 154/21
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 377/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Falls die Kassenärztliche Vereinigung den Versicherten keinen für ihren Fall geeigneten und zugelassenen Leistungserbringer benennen kann, ist damit ein Systemversagen hinreichend nachgewiesen.

 

I.     Auf die Berufungen des Klägers sowie der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.07.2022 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Maßnahmen der Kryokonservierung ab dem 22.02.2021 zu erstatten sowie den Kläger künftig von den Kosten für Maßnahmen der Kryokonservierung freizustellen, längstes bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers.

II.     Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

III.     Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

IV.     Die Revision wird zugelassen.

 

T a t b e s t a n d :

Die Beteiligten streiten um die Kryokonservierung von Samenzellen.

Der im Jahr 1992 geborene, verheiratete Kläger ist gesetzlich krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Im Rahmen einer urologischen Untersuchung am Freitag, dem 18.02.2021 ergab sich bei ihm ein Verdacht auf einen Tumor im rechten Hoden, der sich am folgenden Tag bei einer Untersuchung im Krankenhaus bestätigte. Ein Operationstermin wurde für den 24.02.2021 vereinbart.

Am Dienstag, dem 22.02.2021 wurde um 9 Uhr die Kryokonservierung von Samenzellen des Klägers im MVZ K R durchgeführt. Hierfür entstanden Kosten i.H.v. 450 Euro. Die Rechnung wurde vom Kläger am 22.02.2021 beglichen. Die Lagerung des Materials wurde seitdem durch die G in R mbH (Geschäftsführer S) übernommen. Hierfür fielen ab dem 22.02.2021 weitere Kosten i.H.v. halbjährlich 145 Euro an (Rechnung vom 22.02.2021 für die Zeit vom 22.02.2021 bis 22.08.2021, Rechnung vom 28.07.2021 für die Zeit vom 22.08.2021 bis 22.02.2022 und Rechnung vom 31.01.2022 für die Zeit vom 22.02.2022 bis 22.08.2022). Die jeweiligen Rechnungen enthielten den Hinweis, dass bei Ausgleich innerhalb eines Monats der Vertragsverlängerung um ein halbes Jahr zugestimmt werde. Eine Kündigung bedürfe der schriftlichen Form mit den Unterschriften beider Partner.

Am 24.02.2021 wurde nach intraoperativer pathologischer Bestätigung der Verdachtsdiagnose der tumorbefallene rechte Hoden des Klägers sowie der rechte Nebenhoden im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Klinikum L entfernt. Am Freitag, den 26.01.2021 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.

Am Montag dem 01.03.2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Kryokonservierung der Spermien. Es wurde der entsprechende Behandlungsplan des MVZ K eingereicht mit angegebenen geschätzten Gesamtkosten i.H.v. ca. 600 Euro.

Mit Bescheid vom 02.03.2021 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Aufgrund der aktuellen rechtlichen Lage würden keinerlei Kosten für die Kryokonservierung übernommen werden können, da diese noch keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle.

Hiergegen legte der Kläger form- und fristgerecht Widerspruch ein. Die Kryokonservierung sei aufgrund des bestätigten Verdachts von Hodenkrebs erforderlich gewesen, um die Chance eines Kinderwunschs aufrechtzuerhalten. Beigefügt war der Operationsbericht des Klinikums L.

Am 23.04.2021 wurde auch der linke Hoden des Klägers operativ entfernt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Richtlinie zur Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder Keimzellgewebe sei am 20.02.2021 in Kraft getreten. Erst, wenn die Vergütungsregelungen und Abrechnungsziffern im Bewertungsausschuss zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbart seien, könne die ambulante Kryokonservierung zur Erhaltung der Fertilität bei einer Krebserkrankung als Sachleistung durch die GKV zur Verfügung gestellt und über die elektronische Gesundheitskarte abgerechnet werden. Die Kryokonservierung sei noch keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Erst ab dem Tag des Inkrafttretens der Vergütungsregelung (Aufnahme in den EBM) bestehe im konkreten Einzelfall Anspruch auf die Kryokonservierung und die dazugehörigen Maßnahmen für jene Teilleistungen, die nach diesem Zeitpunkt anfallen. Dies bedeute, dass Leistungen, die vor der Aufnahme in den EBM bereits durchgeführt wurden, nicht erstattet werden können.

Am 13.10.2021 reichte der Kläger bei der Beklagten eine Kopie der Rechnung vom 28.07.2021 betreffend die Lagerkosten für die Zeit vom 22.08.2021 bis 22.02.2021 i.H.v. 145 Euro ein und beantragte die Erstattung der Kosten.

Mit Bescheid vom 25.10.2021 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin die Übernahme der Lagerungskosten für die Zeit ab dem 01.07.2021. Die Abrechnung der Lagerungskosten erfolge über die elektronische Gesundheitskarte und sei möglich, wenn die Kryokonservierung aus medizinischen Gründen erforderlich sei. Der Arzt entscheide, ob eine medizinische Notwendigkeit vorliege. Sofern die Lagerungsgebühr bereits im Voraus, also über den 30.06.2021 hinaus, bezahlt worden sei, seien die entstandenen Kosten vom Leistungserbringer in voller Höhe zu erstatten. Die Kostenübernahme der Lagerungskosten sei aber nur bei einem Leistungserbringer nach § 6 Kryo-RL oder einer Kryobank mit einer Kooperation möglich.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger form- und fristgerecht Widerspruch ein. Es sei bereits für die Zeit vor dem 01.07.2021 ein Kostenübernahmeanspruch gegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2022 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 7 Kryo-RL könnten in Übergangsfällen, in denen Versicherte aufgrund einer Erkrankung und deren Behandlung mit einer keimzellenschädigenden Therapie ihre Ei- oder Samenzellen bereits vor dem 01.07.2021 auf eigene Kosten haben kryokonservieren lassen, Kosten ab dem Tag des Inkrafttretens der Umsetzung der Richtlinie im EBM übernommen werden. Hier handele es sich um einen solchen Übergangsfall. Die Kosten der Lagerung würden ab dem 01.07.2021 übernommen. Die Abrechnung der Lagerungskosten von zugelassenen Leistungserbringern erfolge bei medizinisch notwendiger Kryokonservierung über die elektronische Gesundheitskarte. Sofern der Kläger Lagerungskosten bereits im Voraus über den 30.06.2021 hinaus bezahlt habe, seien ihm die entstandenen Kosten vom Leistungserbringer in voller Höhe zu erstatten. Kosten, die vor dem 01.07.2021 entstanden seien, würden weder von ärztlichen Leistungserbringern über die elektronische Gesundheitskarte abgerechnet werden können, noch würden diese von der Krankenkasse erstattet werden können.

Bereits am 21.05.2021 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut gegen den Widerspruchsbescheid vom 05.05.2021 erheben lassen. Es seien die schwere Erkrankung des Klägers und der Schutzzweck der Regelung nach den SGB V-Vorschriften zu berücksichtigen. Es werde auf die vorliegenden ärztlichen Unterlagen verwiesen. Diese Klage ist bei Gericht mit dem Az. S 16 KR 154/21 erfasst worden.

Am 11.02.2022 hat der Kläger sodann auch Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.02.2022 erheben lassen, welche bei Gericht mit dem Az. S 16 KR 51/22 erfasst worden ist.

Mit Beschluss vom 21.02.2022 hat das Gericht die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) zum Verfahren beigeladen. Mit Beschluss vom 28.07.2022 hat das Gericht zudem die beiden Verfahren mit dem Az. S 16 KR 154/21 und dem Az. S 16 KR 51/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. S 16 KR 154/21 fortgeführt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass erst ab dem Tag des Inkrafttretens der Vergütungsregelung (Aufnahme in den EBM) im konkreten Einzelfall Anspruch auf die Kryokonservierung und die dazugehörigen Maßnahmen für jene Teilleistungen bestehe, die nach diesem Zeitpunkt anfallen. Das bedeute, dass Leistungen, die vor der Aufnahme in den EBM bereits durchgeführt wurden, nicht erstattet werden könnten. Die Leistung sei zum 01.07.2021 in den EBM aufgenommen worden. Ab diesem Zeitpunkt könne die Kryokonservierung für über 18-jährige über die elektronische Gesundheitskarte abgerechnet werden. Der Kläger sei bereits darüber informiert worden, dass die Lagerungskosten, die nach der Aufnahme der Kryokonservierung in den EBM anfallen, als Sachleistung über die elektronische Gesundheitskarte abgerechnet werden könnten. Eine Kostenerstattung der bis dahin angefallenen, selbst getragenen Kosten der Kryokonservierung sei aus den dargestellten Gründen nicht möglich. Bereits entstandene Kosten für die Lagerungsgebühr ab dem 01.07.2021 seien in voller Höhe vom Leistungserbringer zu erstatten.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger eine Bestätigung der G in R mbH vom 18.01.2022 vorgelegt, wonach die Abrechnung der Lagerungsgebühr von tiefgefrorenen Keimzellen über die Chipkarte momentan nicht möglich sei, da die Gesellschaft hierfür keine Kassenzulassung besitze. In allen bayerischen Kinderwunschzentren liege keine Kassenzulassung für die Lagerungsgesellschaften vor, sodass diese Leistung noch privat in Rechnung gestellt werden müsse.

Der hat Kläger vorgetragen, dass eine Abrechnung der laufenden Lagerungskosten über die Gesundheitskarte nicht funktioniere und er die Kosten weiter selber übernehmen müsse. Seines Wissens gebe es in Bayern keine Lagerstätte, welche zugelassen sei für die Abrechnung mit der Krankenkarte. Die Beklagte und die Beigeladene haben auf bestehende Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Vorgaben der Kryokonservierungs-Richtlinie hingewiesen (u.a. aufgrund versicherungsrechtlicher Problematiken).

Das SG hat mit Urteil vom 28.07.2022die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2021 und des Bescheides vom 25. Oktober 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2022 verurteilt, die Kosten des Klägers für die Kryokonservierung einschließlich Lagerungskosten für die Zeit ab dem 01. Juli 2021 zu übernehmen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass erst mit Inkrafttreten des EBM ein Leistungsanspruch entstanden sei. Ab diesem Zeitpunkt bestehe dieser aufgrund eines Systemversagens.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten sowie des Klägers.

Die Beklagte trägt insbesondere vor, dass die Kryokonservierung aufgrund der Kryo-Richtlinie dem Arztvorbehalt unterliege. Die Lagerung des Materials durch die G in R mbH (Geschäftsführer S) entspreche dem nicht. Es liege auch kein Systemversagen vor. Der Kläger hätte sich umfassend, auch außerhalb Bayerns, um einen zugelassenen Leistungserbringer bemühen müssen. Dies habe er unterlassen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass auch ohne eine Abrechnungsziffer im EBM die Leistung von der Beklagten zu erbringen gewesen wäre.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Abfolge der Ereignisse wie folgt geschildert: Am Freitag den 19.02.2021 sei im Krankenhaus per Ultraschall die Verdachtsdiagnose auf Hodentumor bestätigt worden. Ob und welche Maßnahmen zu ergreifen waren, sei dann am folgenden Mittwoch, dem frühestmöglichen Operationstermin, während der Operation entschieden worden. Es sei ein Schnellschnitt getätigt worden, so dass nach Analyse des Gewebes die vorzunehmende Behandlungsmethode festgelegt werden konnte. Die Keimzellenentnahme habe noch am Montag stattgefunden, weil nicht sicher gewesen sei, welche Behandlungsmethode schlussendlich Anwendung finden würde.
Im Krankenhaus sei ihm mitgeteilt worden, dass es zwei Möglichkeiten gebe, die Kryokonservierung durchzuführen, nämlich entweder in M oder im Kinderwunschzentrum K in R.

Der Vertreter der Beigeladenen hat erklärt, dass derzeit als zugelassener Arzt zum Beispiel K1 in A für Eigenpatienten d.h. Kinderwunschpatienten die Kryokonservierung anbiete. Die Beigeladene hat weiter erklärt, dass sie sich auch derzeit schwertue, eine Praxis für die Lagerungsleistung zu benennen, insbesondere in der vorliegenden Konstellation, bei der Ausgangspunkt nicht eine Kinderwunschbehandlung ist.

Die Beklagte hat erklärt, dass in den Universitätskliniken in M (LMU), in E und in W Kryokonservierungsleistungen erbracht werden; allerdings auch dort ausschließlich für Eigenpatienten zur Kinderwunschbehandlung.
Die Beigeladene hat sodann erklärt, dass von ihrer Seite kein zugelassener Leistungserbringer benannt werden könne.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss die Berufung des Klägers auch für den Zeitraum 22.02.2021 bis 30.06.2021 zugelassen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.07.2022 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.07.2022 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2021 zu verurteilen, die Kosten für Kryokonservierung einschließlich Lagerungskosten auch in der Zeit ab dem 22.02.2021 zu erstatten sowie künftig den Kläger von den entsprechenden Kosten freizustellen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist ebenso wie die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten zulässig. Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten die Berufung des Klägers mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung zugelassen, da der Beschwerdewert unter 750 € liegt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Rechtssache ist von grundsätzlicher Bedeutung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

2. Auf die Berufungen des Klägers sowie der Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.07.2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Maßnahmen der Kryokonservierung ab dem 22.02.2021 zu erstatten sowie den Kläger künftig von den Kosten für Maßnahmen der Kryokonservierung freizustellen, längstes bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers. Im Übrigen waren die Berufungen zurückzuweisen.

a) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Kryokonservierung seiner Keimzellen gem. § 27a SGBV iVm § 4 Kryo-RL. Es steht nach der aktenkundigen medizinischen Dolumentation fest, dass der Kläger an Hodenkrebs erkrankt ist und im Frühjahr 2021 beide Hoden operativ entfernt werden mussten. Weiter steht fest, dass zur Ermöglichung eines späteren Kinderwunsches des Klägers, dessen Keimzellen kryokonserviert werden mussten, denn durch die erforderliche medizinische Behandlung stand konkret und unaufschiebbar zu erwarten, dass die Zeugungsfähigkeit des Klägers verloren geht, was schließlich auch so eingetroffen ist. Die medizinische Notwendigkeit der streitgegenständlichen Leistung ist belegt mit der Bescheinigung des behandelnden Urologen S1 vom 26.02.2021 und 24.04.2021 sowie des S vom 04.10.2021 (auf Bl. 167 - 174 der SG-Akte wird Bezug genommen). Die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme ist zwischen den Beteiligten zudem nicht streitig.

b) Der Kläger durfte die Leistung in Anspruch nehmen, ohne zuvor bei der Beklagten einen Antrag zu stellen.
Gem. § 13 Abs. 3 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine unaufschiebbare Leistung. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen ... und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 13 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23). Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder zB wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 18; BSG, Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 15, juris).

Der zeitliche Ablauf gestaltete sich wie medizinisch dokumentiert und vom Kläger überzeugend geschildert folgendermaßen:

- Donnerstag 18.02.2021 Verdachtsdiagnose Hodentumor
- Freitag 19.02. Bestätigung der Verdachtsdiagnose im Krankenhaus, , Vereinbarung eines OP-Termins für 24.02.2021, Narkoseaufklärung, OP-Aufklärung unter Hinweis auf drohenden Verlust der Zeugungsfähigkeit, Vermittlung des Termins zur Kryokonservierung
- Montag 22.02.2021 9:00 Uhr Kryokonservierung
- Mittwoch 24.02.2021 Operation mit Hodenentfernung re, (Aufnahme 6:00 Uhr)
- 23.04.2021 Hodenentfernung li.

Bei diesem zeitlichen Ablauf lag eine Unaufschiebbarkeit der Leistung vor. Der Kläger musste noch am Freitag, dem 19.02.2021 einen Termin zur Kryokonservierung bestimmen, um sicherzustellen, dass diese rechtzeitig vor der unaufschiebbaren Operation am 24.02.2021 erfolgt. Die streitgegenständliche Leistung war am 22.02.2021 so dringlich, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr bestand, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse zu beantragen sowie abzuwarten.

c) Der Kläger hatte bereits ab dem 22.02.2021 einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Kryokonservierung.

aa) Der Gesetzgeber hatte mit Gesetz vom 06.05.2019 (TSVG, BGBl. I S. 646) mit Wirkung zum 11.05.2019 in § 27a SGB V den Absatz 4 eingeführt, der wie folgt lautet: "Versicherte haben Anspruch auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe sowie auf die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen, wenn die Kryokonservierung wegen einer Erkrankung und deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden Therapie medizinisch notwendig erscheint, um spätere medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach Absatz 1 vornehmen zu können."

bb) Der Gesetzgeber schuf mit dieser Vorschrift eine Rechtsgrundlage, nach der gesetzlich Versicherte Leistungen auf Kryokonservierung von ihrer Krankenkasse als gesetzliche Leistung beanspruchen können. Bei § 27a Abs. 4 SGB V handelt es jedoch nicht um eine konstitutive Regelung des Leistungsanspruchs, auf Grund der allein Versicherte eine Leistung beanspruchen kann. Die Bestimmung enthält zwar die wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen, Anspruch und Anspruchsinhalt waren jedoch zunächst durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu konkretisieren, die gemäß § 27a Abs. 5 SGB V i.V.m. § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen bestimmen soll. Somit konkretisierte sich der gesetzliche Leistungsanspruch aus § 27a Absatz 4 SGB V erst mit Erlass der Richtlinie zu einem durchsetzbaren Individualanspruch der Versicherten (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.10.2022 - L 16 KR 256/21, Rn. 24 - juris, mwN; SG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2023 - S 56 KR 1851/21 -, Rn. 24 - 26, juris). Die Richtlinie des G-BA zur Ausgestaltung des Anspruchs aus § 27a Abs. 4, 5 SGB V (Kryo-RL) vom 16.07.2020 und weiteren Regelungen vom 17.12.2020 ist am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 19.02.2021 und damit vor der streitgegenständlichen Maßnahme in Kraft getreten.

cc) Zwar fehlte es zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Maßnahme noch an der EBM-Ziffer zur Abrechnung der Leistung. Nach § 7 der Kryo-RL sollte der Anspruch für Übergangsfälle erst ab Inkrafttreten der Umsetzung und Schaffung einer EBM-Ziffer entstehen. Die EBM-Ziffer wurde schließlich erst zum 01.07.2021 geschaffen. Das Inkrafttreten der EBM-Ziffer stellt jedoch keine Voraussetzung für das Bestehen eines Sachleistungsanspruchs nach § 27a Abs. 5 SGB V i.V.m. der Kryo-RL dar. Der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) bildet die Grundlage für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen und definiert den Inhalt der abrechnungsfähigen vertragsärztlichen Leistungen. Nach § 87 Abs. 5b S. 2 SGB V ist der EBM für ärztliche Leistungen innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinienbeschlüsse des G-BA anzupassen. Zweck dieser Regelung ist die beschleunigte Umsetzung der Richtlinienbeschlüsse (BT-Drs. 14/4095, S. 95; Sproll in: Krauskopf, Werkstand 117. EL 2022, § 87 SGB V, Rn. 89). Aus § 87 Abs. 5b SGB V ergibt sich allerdings nicht, dass die Anpassung des EBM Voraussetzung für den Sachleistungsanspruch ist. Dies legt auch die Gesetzesbegründung zu § 87 Abs. 5b SGB V nahe. Dort heißt es "mit der Länge der Beratungszeit steigt zudem die Unsicherheit, inwieweit die bereits vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden können" (BT-Drs. 14/4095, S. 95).

Insbesondere aber war G-BA vom Gesetzgeber nicht ermächtigt, die Geltung des gesetzlichen Anspruchs der Versicherten auf Kryokonservierung vom formalen Akt der Umsetzung im EBM abhängig zu machen. Nach § 27a Abs. 5 SGB V ist der G-BA nur dazu ermächtigt, "in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 zu regeln". Dies zeigt, dass durch den G-BA ausschließlich die medizinischen Voraussetzungen und Inhalte der Maßnahme festzulegen sind (vgl. auch Wagner in: Krauskopf, 117. EL, § 27a SGB V, Rn. 36). Die Festlegung einer Vergütung im EBM hingegen gehört nicht zu den medizinischen Einzelheiten in Bezug auf die Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahme (so auch SG Duisburg, Urteil vom 15. März 2022 - S 60 KR 1074/21 -, Rn. 1, juris; BeckOK-Knispel, 69. Edition, Stand 01.06.2023, § 27a SGB V, Rn. 32c) und ist damit auch nicht von der Ermächtigung des G-BA umfasst.

Dieser Auffassung steht auch nicht entgegen, dass die Rechtsprechung bei einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur dann ein Leistungsanspruch der Versicherten annimmt, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des EBM gemacht hat (BSG, Urteil vom 02.09.2014 - B 1 KR 11/13 R, Rn. 13 - juris mwN). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die erst durch Empfehlung des G-BA in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden. Hinsichtlich der Kryokonservierung hat jedoch der Gesetzgeber selbst mit Einführung des § 27a Abs. 4 SGB V bestimmt, dass die Kryokonservierung vor einer keimzellenschädigenden Therapie Teil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Der G-BA ist deshalb gem. § 27a Abs. 5 SGB V nur für die Konkretisierung der medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen zuständig, nicht jedoch für die Bewertung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der Kryokonservierung an sich. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür und ist auch nicht von der Beklagten vorgetragen worden, dass die bei dem Kläger angewandte Methode der Kryokonservierung eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode sei, die erst noch durch den G-BA gem. § 135 SGB V geprüft werden müsste. Insoweit ist auch die Rechtsprechung des BSG zur intracytoplasmatische Spermainjektion (ICSI) (BSG, Urteil vom 03.04.2001 - B 1 KR 22/00 R - juris) nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da es in dieser Entscheidung ausdrücklich um eine neue Methode der künstlichen Befruchtung ging, deren Prüfung durch den G-BA noch nicht abgeschlossen war (vgl. auch SG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2023 - S 56 KR 1851/21 - Rn. 27 - 31, juris).
Es wäre daher Aufgabe des Bewertungsausschusses gewesen, rechtzeitig nach Inkrafttreten des TSVG eine Einigung über das EBM-Honorar zu erzielen. Hierfür hätte es der Kryo-RL nicht bedurft, da die Kryokonservierung seit mehr als 45 Jahren (https://www.springermedizin.de/emedpedia/detail/reproduktionsmedizin/kryokonservierung?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-55601-6_24) im Rahmen der Fortpflanzungsmedizin eine übliche Maßnahme darstellt und daher Zeit- und Kostenaufwand längst bekannt waren. Dass dies nicht rechtzeitig erfolgt ist, geht nicht zu Lasten der Versicherten. Sie haben bis zur Schaffung einer Gebührenziffer im EBM einen Anspruch auf die Leistung gegen Kostenerstattung (vgl. hierzu eingehend BSG, Urteil vom 2. September 2014 - B 1 KR 11/13 R -, BSGE 117, 10-21, SozR 4-2500 § 13 Nr 32, SozR 4-2500 § 31 Nr 24, Rn. 22). Der Senat folgt daher nicht der insoweit abweichenden Ansicht des LSG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 12.07.2022 (L 11 KR 98/22).

d) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Leistung eines nicht zugelassenen Leistungserbringers aufgrund Systemversagens.

aa) Grundsätzlich erbringt die Krankenkasse den Versicherten vertragsärztliche Leistungen (wie auch die Kryokonservierung von Keimzellen), indem sie in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen ( § 73 Abs 2, § 75 Abs 1 S 1 und 2 SGB V) - diesen eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 29). Die Versicherten erhalten die zu beanspruchenden Leistungen in der Regel dementsprechend nicht unmittelbar von der Krankenkasse in Natur, sondern von Leistungserbringern. Die Krankenkassenn bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl § 2 Abs 2 S 3 SGB V idF durch Art 4 Nr 1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022; zuvor § 2 Abs 2 S 2 SGB V). Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung Zugelassenen (Ärzte etc) frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs 1 S 1 und 2 SGB V).

bb) Dem Wahlrecht der Versicherten entsprechen die ihnen erwachsenden Obliegenheiten, um Naturalleistungen zu erhalten. Sie haben regelmäßig einen der zugelassenen Ärzte etc auszuwählen und zur Behandlung unter Vorlage der Krankenversicherungskarte aufzusuchen. Dabei ist den Versicherten geläufig, dass sie die Leistungen abgesehen von gesetzlichen Zuzahlungen kostenfrei erhalten. Wenn sie dagegen eine Leistung außerhalb des Naturalleistungssystems in Anspruch nehmen wollen, etwa weil die Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern vermeintlich nicht sichergestellt ist, müssen sie grundsätzlich vorher die Krankenkasse kontaktieren, um ihr zu ermöglichen, die angebliche Versorgungslücke zu überprüfen. Die Prüfung der Krankenkasse ist auf das Vorhandensein einer Versorgungslücke beschränkt, die aus dem konkreten ärztlich festgestellten Bedarf erwächst, und erstreckt sich lediglich auf die Möglichkeiten, sie zu schließen (vgl zum Ganzen BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 32 ff mwN).

 In dem hier vorliegenden Einzelfall war es dem Kläger infolge der besonderen Eilbedürftigkeit der Maßnahme nicht möglich, vorher die Krankenkasse zu kontaktieren. Wie dargestellt musste die Kryokonservierung nämlich unverzüglich erfolgen. Es war daher auch nicht möglich, zuvor eine Vielzahl von möglichen Leistungserbringern anzufragen, wie dies die Beklagte vom Kläger einfordert. Zudem erübrigt sich im vorliegenden Fall eine weitere Suche nach leistungsbereiten zugelassenen Leistungserbringern, da noch nicht einmal die Kassenärztliche Vereinigung Bayern im Stande war und noch immer ist, dem Kläger auch nur einen einzigen zugelassenen Leistungserbringer für die Kryokonservierung in seinem Leistungsfall zu benennen. Die Forderung nach dem Nachweis einer Vielzahl von vergeblich angefragten zugelassenen Leistungserbringern wird abgeleitet § 21 Abs. 2 SGB X. Dieser regelt Folgendes: "Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist." Abgesehen davon, dass sich mit dieser Vorschrift die Verpflichtung, vor Inanspruchnahme einer gesetzlich geschuldeten Leistung außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung nachweisbar vergeblich eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern anfragen zu müssen, nur schwer begründen lässt, führte diese Forderung den vorliegenden Fall ad absurdum. Denn der Nachweis des Systemversagens ist bereits durch die Aussage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern im Verhandlungstermin am 30.01.2024 erbracht, dass diese noch immer keine zugelassenen Leistungserbringer benennen kann.

cc) Fehlt es - wie vorliegend - an einem Angebot von zugelassenen Leistungserbringern, um Versicherten die gebotenen Leistungen in der dargelegten Weise zu verschaffen, müssen die Krankenkassen hierfür durch Vorkehrungen außerhalb des Naturalleistungssystems Sorge tragen. Hierzu dient die Rechtsgrundlage des § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Es genügt in diesem Sinne für den Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Kostenfreistellung aus § 13 Abs. 3 S 1 Fall 2 SGB V, dass der Versicherte zwar keinen Natural- oder Sachleistungsanspruch nach Maßgabe des Leistungserbringungsrechts hat, wohl aber einen sachleistungsersetzenden Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch wegen Systemversagens. Der Anspruch sichert, dass Versicherte ihren Individualanspruch trotz der Mängel im System der Leistungserbringung verwirklichen können (BSG, Urteil vom 2. September 2014 - B 1 KR 11/13 R -, BSGE 117, 10-21, SozR 4-2500 § 13 Nr 32, SozR 4-2500 § 31 Nr 24, Rn. 17 - 19).

Dem Kostenerstattungs- und Freistellunganspruch des Klägers steht insoweit auch nicht entgegen, dass die Leistung entgegen § 6 Kryo-RL nicht von einem Arzt bzw. einer Einrichtung mit Kooperationsvereinbarung erbracht wurde. Selbst die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Bayern konnte keinen einzigen zugelassenen Leistungserbringer in Bayern benennen. Der Leistungsanspruch des Klägers liefe jedoch vollständig ins Leere, wenn formal daran angeknüpft würde, ob der Leistungserbringer ein Arzt ist. Ausreichend muss es daher vorliegend sein, dass der (nicht zugelassene) Leistungserbringer die notwendigen fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Die hier vom Kläger in Anspruch genommene Kryobank ist zwar als GmbH ins Handelsregister R eingetragen unter HRB 7691, gegründet mit Gesellschaftsvertrag vom 23.05.2019, jedoch werden nach dem Internetauftritt des "K" in R die Leistungen unmittelbar im Rahmen des MVZ erbracht. Der Leiter des MVZ und der Kryobank waren jahrelang personenidentisch. S ist FA für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie, und Reproduktionsmedizin (k....de)

Die vertragliche Vereinbarung der Kryokonservierung fand mit dem K statt (vgl hierzu Bl der 26 ff SG-Akte). Zudem wurden die Maßnahmen vom 22.02.2021 vom K erbracht und auch in Rechnung gestellt. Die Lagerungskosten für die ersten 6 Monate berechnete die Kryobank, deren Geschäftsführer S ist. Dieser bat schließlich mit Schreiben vom 04.10.2021 auf dem Briefbogen des MVZ K die Beklagte um Übernahme der Kosten der Kryokonservierung. Wenn auch keine förmliche Kooperationsvereinbarung auf der Website des MVZ erwähnt ist, besteht hier dennoch offensichtlch eine faktische Kooperation vor zwischen dem MVZ und der Kryobank mit Identität der medizinisch handelnden Personen.

dd) Aber auch unabhängig von der vorliegenden faktischen Kooperation zwischen dem K und der Kryobank steht die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der Kryobank als GmbH dem streitgegenständlichen Anspruch des Klägers nicht entgegen. Der Arztvorbehalt in § 15 SGB V iVm § 6 Kryo-RL dient insbesondere der Qualitätssicherung im Sinne des wissenschaftlichen Standards. Dieser ist nicht abhängig von der Rechtsform, in der die ärztliche Tätigkeit entfaltet wird. Die Erbringung ärztlicher Leistungen durch medizinische Versorgungszentren wird ebenfalls von § 15 Absatz 1 Satz 1 SGB V erfasst, da es sich hierbei gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V um ärztlich geleitete Einrichtungen handelt, in denen Ärzte als angestellte Ärzte oder Vertragsärzte tätig sind (Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 15 SGB V Rn. 20). Die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung bleibt wegen des Arztvorbehalts den Ärzten oder Zahnärzten vorbehalten, dh den Personen mit staatlicher Approbation als Arzt oder Zahnarzt entsprechend dem ärztlichen Berufsrecht (BÄO, Approbationsordnung für Ärzte). "Arzt" im Sinne des Abs. 1 S. 1 ist nur der approbierte Heilbehandler. Bei diesen ist in generalisierender Betrachtungsweise davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung und der Ablegung staatlicher Prüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive, den Wirtschaftlichkeitsmaximen der GKV entsprechende Krankenbehandlung erforderlich sind. Wer den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf nach § 2 Abs. 1 BÄO der Approbation. Die für die Approbation erforderlichen Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Berufsrechts dienen dazu, alle Patienten vor fachlich oder persönlich ungeeigneten Behandlern zu schützen und möglichen, sich daraus für die Gesundheit der Patienten und die finanziellen Mittel der Kostenträger ergebenden Gefahren vorzubeugen. (BeckOGK/Schifferdecker, 15.11.2023, SGB V § 15 Rn. 12, 13). S ist auch Arzt im MVZ und verfügt über eine kassenärztliche Zulassung, den Zielen des Arztvorbehaltes ist damit vorliegend Genüge getan.

f) Die vorgelegten Rechnungen über die Kryo-Lagerung sind folgerichtig nicht nach GOÄ erstellt worden, da die streitgegenständliche Leistung von einer GmbH erbracht wurde und auch künftig erbracht werden wird. Eine Rechnung nach GOÄ ist für einen Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch in der vorliegenden Konstellation aber nicht erforderlich. Um den Leistungsanspruch des Klägers zu gewährleisten, genügt es, wenn die unter ärztlicher Leitung stehende Kryobank ihre Leistung in Rechnung stellt, denn die GOÄ findet auf sie keine Anwendung.

4. Der streitgegenständliche Anspruch war gem. § 27a Abs. 4 S. 2 iVm Abs. 3 S. 1 SGB V zu beschränken längstes bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers. Insoweit war die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern, da diese einen zeitlich unbeschränkten Anspruch zugesprochen hatte.

Die Berufung des Klägers hat damit im Wesentlichen Erfolg, während der Berufung der Beklagten kein Erfolg beschieden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
Saved