L 6 VK 798/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 VE 1809/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 798/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 7. Februar 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG).

Die 1934 geborene Klägerin ist verwitwet und Mutter zweier Söhne. Sie war ab dem 1. September 1975 als Sportlehrerin an der C1-Gesamtschule in K1 beschäftigt und wurde nach der Vergütungsgruppe VI b Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) bezahlt. Zum Wintersemester 1977/78 nahm sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit das Studium der Sprachheilpädagogik und Kunsterziehung an der Pädagogischen Hochschule R1 auf, die 1980 in die Technische Universität D1 eingegliedert wurde. Das Arbeitsverhältnis als Lehrerin wurde mit Wirkung zum 31. März 1982 beendet (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 2016 – L 6 VK 2097/15 –, n. v.).

Das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Versorgungsamt S1 erließ in Ausführung des zwischen der Klägerin und dem Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen im Verfahren S 16 V 129/77 beim Sozialgericht Dortmund geschlossenen Vergleichs den Bescheid vom 29. Oktober 1981. In diesem Vergleich hatte sich das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen verpflichtet, ab dem 1. März 1975 anzuerkennen, dass die Gesundheitsstörung „Neurose (abnorme Erlebnisreaktion)“ durch schädigende Einwirkungen i. S. d. § 1 BVG hervorgerufen wurde, und der Klägerin Versorgungsbezüge nach § 30 Abs. 1 BVG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (v. H.) zu gewähren.

In Ausführung eines weiteren Vergleichs zwischen der Klägerin und dem Landesversorgungsamt Baden-Württemberg erging der Bescheid vom 2. April 1987, durch den eine MdE um 60 v. H. ab dem 1. Oktober 1979 festgestellt wurde. Die MdE enthielt eine mit 10 v. H. berücksichtigte besondere berufliche Betroffenheit (bbB). Im Weiteren wurde festgestellt, dass ab dem 1. Oktober 1979 ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich (BSA) dem Grund nach bestehe. Als Vergleichseinkommen sei die Vergütungsgruppe VI b BAT maßgebend gewesen.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2022 passte das LRA die Versorgungsbezüge rückwirkend zum 1. Juli 2022 auf 1.062,00 € an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Änderung aufgrund der 27. KOV-AnpV 2022 eingetreten und der Leistungsanspruch neu festzustellen sei.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Bescheid vom 6. September 2023 wurden die Leistungen rückwirkend zum 1. Juli 2023 auf 1.108,00 € angepasst. Durch die 28. KOV-AnpV 2023 seien die Leistungen neu zu berechnen gewesen.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. September 2023 wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2023 zurück. Mit dem angefochtenen Bescheid seien die ab 1. Juli 2023 zu gewährenden Versorgungsbezüge festgestellt worden. Die Berechnungen seien nicht zu beanstanden, eine andere Berechnungsgrundlage sei aus den Akten nicht ersichtlich.


Am 3. November 2023 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben und beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Berechnung der monatlichen Bezüge vom 1. Juli 2022 unrichtig ist und sich die monatlichen Bezüge auf 6.901,00 € netto belaufen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung der monatlichen Bezüge vom 1. Juli 2023 unrichtig ist und sich die monatlichen Bezüge auf 7.016,00 € netto belaufen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass Streitgegenstand nur die Neuberechnungen nach der 27. und 28. KOV-AnpV seien. Das Vorbringen der Klägerin, dass die Berechnung des BSA nach dem Vergleichseinkommen eines Lehrergehaltes nach A 13 BAT zu erfolgen habe, sei nicht entscheidungsrelevant. Die Voraussetzungen des Grundanspruchs seien bestandskräftig festgestellt, dazu gehöre auch die Eingruppierung in die maßgebliche Vergleichsgruppe.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2024 abgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2022 sei unzulässig, da das Widerspruchsverfahren nicht abgeschlossen sei. Hinsichtlich des Bescheides vom 6. September 2023 sei die Klage unbegründet. Mit dem angefochtenen Bescheid habe der Beklagte die Änderung aufgrund der 28. KOV-AnpV ab dem 1. Juli 2023 umgesetzt. In der standardmäßigen Erhöhung der Versorgungsbezüge liege keine Entscheidung zu den Grundlagen des BSA und der Einstufung in eine Vergütungsgruppe. Fehler seien nicht ersichtlich.

Im Übrigen sei die Einstufung des Vergleichseinkommens schon mehrfach gerichtlich überprüft worden (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2000 – L 11 V 1434/98). Seit diesen Entscheidungen habe sich die für die Einstufung maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht wesentlich geändert. Darüber hinaus beruhe die Eingruppierung auf einem Vergleich, den die Beteiligten am 20. Februar 1987 vor dem SG Konstanz geschlossen hätten. Darin sei ausdrücklich vereinbart, dass als Vergleichseinkommen die Vergütungsgruppe VIb BAT herangezogen werde. An die Regelungen in dem Vergleich als öffentlich-rechtlichen Vertrag seien die Klägerin und der Beklagte gebunden. Dass dieser Vergleich wirksam sei und sich die Klägerin davon nicht einseitig lösen könne, sei bereits gerichtlich bestätigt worden (Verweis auf SG Konstanz, Urteil vom 25. März 1988 – S 2 V 327/87), sodass auch dies einer anderweitigen Einstufung entgegenstehe.

Zudem habe die Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung des SG Konstanz vom 26. August 2020 außer Streit gestellt, dass das bislang berücksichtigte Vergleichseinkommen zur Berechnung des BSA zutreffend sei. Vor diesem Hintergrund erweise sich ihr weiterhin verfolgtes Begehren als rechtsmissbräuchlich.

Am 5. März 2024 hat die Klägerin Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Versorgungsbezüge seien unrichtig, die monatlichen Zahlungen einzubehalten, sei Unrecht gewesen. Die Versorgungsbezüge seien nach den Rentenbezügen prozentual anzuheben, die Einstufung sei auf Grundlage eines Lehrergehaltes vorzunehmen, die Ortszuschläge zu berücksichtigen und das Dienstalter anzuheben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2024 hat der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2022 zurückgewiesen. Mit dem Bescheid seien die Versorgungsbezüge auf Grundlage der 27. KOV-AnpV berechnet worden. Die Umsetzung sei korrekt erfolgt, der Grundanspruch sei nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und nicht zu prüfen.

Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,

den Bescheid vom 21. Oktober 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2024 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr höhere Versorgungsleistungen ab dem 1. Juli 2022 zu gewähren,
den Bescheid vom 6. September 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2023 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr höhere Versorgungsleistungen ab dem 1. Juli 2023 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, nachdem mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 7. Februar 2024, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Gewährung höherer Versorgungsleistungen unter Abänderung des Bescheides vom 21. Oktober 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 18. März 2024 sowie des Bescheides vom 6. September 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2023 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Soweit das SG eine teilweise Unzulässigkeit der Klage gesehen hat, besteht diese jedenfalls nicht fort, da der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2024 über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2022 entschieden hat. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat lag der Widerspruchsbescheid somit vor (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1961 – 4 RJ 183/59 – BeckRS 1961, 105676; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 78 Rz. 3) und das fehlende Vorverfahren steht der Zulässigkeit nicht (mehr) entgegen.

Die Bescheide vom 21. Oktober 2022 und 6. September 2023 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. März 2024 und 5. Dezember 2023 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat der Beklagte die Versorgungsleistungen zutreffend angepasst, sodass das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.


Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht eine wesentliche Änderung deshalb angenommen, weil die Versorgungsleistungen aufgrund der 27. und 28. KOV-AnpV zu erhöhen gewesen sind. Hierauf beschränkt sich der Regelungsgehalt der Bescheide. Derartige Anpassungsbescheide betreffen nur die Berechnung des aktuellen Zahlbetrages und lassen die weiteren Berechnungsfaktoren unberührt (vgl. zu Rentenbescheiden nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]: BSG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – B 13 R 54/17 B –, juris, Rz. 9; BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 4 RA 41/98 R –, juris, Rz. 33).

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Erhöhungen unzutreffend durchgeführt hat, bestehen nicht und sind von der Klägerin auch nicht aufgezeigt worden. Ein „Einbehalt“ von Leistungen, auf den die Klägerin verweist, ist in den Bescheiden nicht verfügt worden. Soweit die Anpassungen zeitlich versetzt erfolgt sind, hat der Beklagte die Leistungen nachgezahlt, sodass die Klägerin hierdurch nicht beschwert ist. Dass die von ihr nachhaltig vertretene Auffassung, dass die Berechnungsgrundlagen unrichtig seien, nicht entscheidungserheblich ist, haben sowohl der Beklagte in den Widerspruchsbescheiden als auch das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend aufgezeigt, ohne dass sich die Klägerin hiermit auseinandersetzt.

Gleiches gilt dafür, dass der Senat im Urteil vom 25. Mai 2023 (L 6 VK 1996/22) bereits umfassend dargelegt hat, dass und weshalb die Anerkennung der Schädigung bereits zu Unrecht erfolgt ist und deshalb erst Recht keine weitergehenden Leistungen beansprucht werden können.

An Anlehnung an die genannte Entscheidung hat das SG die Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass es rechtsmissbräuchlich ist, einerseits außer Streit zu stellen, dass das Vergleichseinkommen zutreffend ist (vgl. das Protokoll über die nichtöffentliche Sitzung vom 26. August 2020), andererseits aber fortlaufend die Berücksichtigung eines höheren Vergleichseinkommens einzufordern. Daneben hat das SG im Einzelnen aufgezeigt, dass die entsprechenden Rechtsfragen bereits entschieden worden sind, ohne dass sich eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben hat und eine Bindung auch der Klägerin an die vergleichsweise Einigung mit dem Beklagten besteht.

Vor diesem Hintergrund weist der Senat ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, bei wiederholter Befassung der Gerichte mit bereits entschiedenen Fragen ohne Änderung der Sach- und Rechtslage – und damit offensichtlich aussichtlosen Verfahren – Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG zu verhängen.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
Saved