Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 6 VK 894/12 erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG), wobei zwischen den Beteiligten in erster Linie die Beendigung des Verfahrens L 6 VK 894/12 umstritten ist.
Sie ist 1934 geboren, verwitwet und Mutter zweier Söhne. Sie war ab dem 1. September 1975 als Sportlehrerin an der C1-Gesamtschule in K1 beschäftigt und wurde nach der Vergütungsgruppe VI b Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) bezahlt. Zum Wintersemester 1977/78 nahm sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit das Studium der Sprachheilpädagogik und Kunsterziehung an der Pädagogischen Hochschule R1 auf, die 1980 in die Technische Universität D1 eingegliedert wurde. Das Arbeitsverhältnis als Lehrerin wurde mit Wirkung zum 31. März 1982 beendet (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 2016 – L 6 VK 2097/15 –, n. v.).
Das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Versorgungsamt S1 erließ in Ausführung des zwischen der Klägerin und dem Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen im Verfahren S 16 V 129/77 beim Sozialgericht Dortmund geschlossenen Vergleichs den Bescheid vom 29. Oktober 1981. In diesem Vergleich hatte sich das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen verpflichtet, ab dem 1. März 1975 anzuerkennen, dass die Gesundheitsstörung „Neurose (abnorme Erlebnisreaktion)“ durch schädigende Einwirkungen i. S. d. § 1 BVG hervorgerufen wurde, und der Klägerin Versorgungsbezüge nach § 30 Abs. 1 BVG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert (v. H.) zu gewähren.
In Ausführung eines weiteren Vergleichs zwischen der Klägerin und dem Landesversorgungsamt Baden-Württemberg erging der Bescheid vom 2. April 1987, durch den eine MdE von 60 v. H. ab dem 1. Oktober 1979 festgestellt wurde. Die MdE enthielt eine mit 10 v. H. berücksichtigte besondere berufliche Betroffenheit (bbB). Im Weiteren wurde festgestellt, dass ab dem 1. Oktober 1979 ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich (BSA) dem Grund nach bestehe. Als Vergleichseinkommen sei die Vergütungsgruppe VI b BAT maßgebend gewesen.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 stellte das LRA die Bezüge ab dem 1. Juli 2008 neu fest. Es sei eine Umgruppierung des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages (BAT) auf die Entgeltgruppen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TvÖD) erfolgt. Die bisher genannte Vergütungsgruppe „Angestellte im öffentlichen Dienst Vergütungsgruppe VIb“ sei durch die Entgeltgruppe „Höchste Stufe Entgeltgruppe 6 TvÖD“ ersetzt worden.
Am 25. Mai 2009 hat die Klägerin Klage beim SG erhoben (S 1 VK 1456/09), die mit Beschluss vom 11. November 2009 ruhend gestellt und am 1. März 2011 wieder angerufen worden ist (fortgeführt mit S 1 VK 847/11). Die Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2012 abgewiesen, die Klägerin hiergegen Berufung beim Senat eingelegt (L 6 VK 894/12).
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 20. Dezember 2012 (vgl. Protokoll), in der die Klägerin fachkundig vertreten gewesen ist, wies der damalige Berichterstatter darauf hin, dass im allein streitbefangenen Bescheid vom 17. Dezember 2008 die für die Berechnung des BSA bisher maßgebliche Vergütungsgruppe „Angestellte im öffentliche Dienst Vergütungsgruppe VIb“ durch die Entgeltgruppe des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) „höchste Stufe Entgeltgruppe 6 TVöD“ ersetzt worden sei.
Ob die Vergütungsgruppe VIb den Entgeltgruppen 5, 6, 7 und 8 entspreche, sei anhand der Akten nicht nachzuvollziehen. Der Vertreter des Beklagten erklärte, dass die entsprechenden Bestimmungen bzw. Transfernormen ermittelt würden und darlegt werde, worauf die Ersetzung beruhe.
Weiter ist in der Niederschrift festgehalten:
„Der Berichterstatter regt an, das Verfahren in der Weise zu erledigen, dass von Seiten des Beklagtenvertreters zugesichert wird, dass für den Fall, dass die Vergütungsgruppe BAT VIb nicht den Entgeltgruppen 5, 6, 7 oder 8, sondern den Entgeltgruppen 9, 10, 11 oder 12 oder gar einer höheren Entgeltgruppe entspreche, die BSA-Leistungen ab 1. Juli 2008 entsprechend anzupassen.
Die Beteiligten erklären sich hiermit einverstanden und erklären das Verfahren übereinstimmend für erledigt.“
Im Nachgang zu der nichtöffentlichen Sitzung hat der Beklagte den Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 6. Juni 2008 sowie die Bekanntmachung des Vergleichseinkommens für die Feststellung des BSA für die Zeit ab 1. Juli 2008 vorgelegt. Weiter hat er darauf hingewiesen, dass nach der Tabelle 8a die bisherige Vergütungsgruppe VIb der neuen Entgeltgruppe 8 gleichgesetzt wurde.
Am 29. November 2021 hat die Klägerin unter Vorlage der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 20. Dezember 2012 die „Wiedereröffnung“ des Verfahrens L 6 VK 894/12 beantragt (L 6 VK 3674/21). Zur Rücknahme des „begünstigenden Bescheides vom 20. Dezember 2012“ sei die Feststellung erforderlich, dass sie nachweislich nicht schädigungsbedingt vorzeitig – mit Hochschulabschluss – aus dem vereidigten gehobenen Lehramt der Regierung A1 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Eine solche Feststellung habe das Berufungsgericht nicht rechts- und nicht verfahrensfehlerfrei getroffen.
Die Klägerin beantragt – teilweise sinngemäß – (vgl. Blatt 15 der Senatsakte L 6 VK 3674/21),
festzustellen, dass das Verfahren L 6 VK 894/12 nicht beendet ist,
unter Aufhebung der Bescheide des Versorgungsamtes R2 mit Wirkung ab 1. Juli 2008 festzustellen, dass ihre Gesundheitsstörungen durch schädigende Einwirkungen im Sinne von § 1 BVG hervorgerufen worden sind,
den Beklagten zu verurteilen, ab 1. Juli 2008 Versorgungsbezüge nach einem höheren Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen sowie
den Beklagten zu verurteilen, ab 1. Juli 2008 Zahlungen gemäß § 30 Abs. 3 bis 5 BVG unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe VIb BAT zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Aus der Niederschrift ergebe sich, dass das Verfahren L 6 VK 894/12 durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet worden sei. Ein Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund sei nicht erkennbar. Soweit die Klägerin noch auf den Bescheid vom 19. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2021 verweise, seien diese Gegenstand des Verfahrens S 10 VK 2245/21 beim SG Konstanz.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2022 ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden, das Verfahren ist mit Schriftsatz vom 5. März 2024 wieder angerufen worden (fortgeführt mit L 6 VK 797/24).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, da mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens L 6 VK 894/12 führt nicht zum Erfolg.
Gegenstand des Verfahrens ist bei der gebotenen Auslegung der Schriftsätze der Klägerin die Frage, ob das Verfahren L 6 VK 894/12 bereits beendet ist. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens kommt hingegen nicht in Betracht, da eine formell rechtskräftige Entscheidung in dem Verfahren nicht ergangen ist (vgl. § 179 Abs. 1 SGG; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 179 Rz. 3). Stellt der Kläger einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, ist das Verfahren entweder in der Sache fortzuführen oder durch Urteil festzustellen, dass das Verfahren erledigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2020 – B 4 AS 4/20 R –, juris, Rz. 17 f.).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Erledigung des Verfahrens festzustellen, da die Beteiligten das Verfahren in der nichtöffentlichen Sitzung am 20. Dezember 2012 übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Eine übereinstimmende Erledigung der Hauptsache ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren möglich, für das gerichtskostenpflichtige Verfahren folgt dies aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 125 Rz. 7 f.). Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, die das Gericht und die Beteiligten bindet, auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt wurde. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden. Im Unterschied zum Zivil- und Verwaltungsprozess führt im sozialgerichtlichen Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die Erledigungserklärung hat hier keine eigenständige, insbesondere keine kostenrechtliche Bedeutung. Die Abgabe einer entsprechenden Prozesserklärung führt zur Erledigung des Rechtsstreits (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 1995 – 6 RKa 18/95 –, juris, Rz. 11).
Daraus folgt zum einen weiter, dass bereits die Erledigungserklärung der Klägerin zur Beendigung des Verfahrens geführt hat und zum anderen, dass eine Anfechtung der Prozesshandlung ausscheidet. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass Anfechtungsgründe schon gar nicht vorgebracht worden sind. Solche sind auch im Übrigen nicht ersichtlich, ebenso bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Prozesserklärung.
Der Rechtsstreit ist daher nicht fortzusetzen gewesen, sodass es auf die Sachanträge der Klägerin nicht ankommt. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass der Senat in seinem Urteil vom 25. Mai 2023 im Verfahren L 6 VK 1992/22 bereits ausführlich dargelegt hat, dass das schädigende Ereignis zu Unrecht anerkannt worden ist, schon deshalb keine weitergehenden Leistungen beansprucht werden können und die Klägerin selbst außer Streit gestellt hat, dass das bislang berücksichtigte Vergleichseinkommen zur Berechnung des BSA zutreffend ist.
In der genannten Entscheidung hat der Senat ebenfalls ausgeführt (vgl. Seite 15 des Urteils), dass sich das weiterhin verfolgte Begehren als rechtsmissbräuchlich (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) erweist, was für das vorliegende Verfahren ebenfalls Geltung beansprucht. Die fortlaufende erneute Befassung der Gerichte bereits mit entschiedenen Rechtsfragen gibt Veranlassung zu dem Hinweis auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten (vgl. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Das Begehren der Klägerin konnte somit keinen Erfolg haben, vielmehr war die Erledigung des Verfahrens L 6 VK 894/12 festzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VK 847/11 WA
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 797/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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