L 6 VG 3195/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 VS 1121/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3195/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Pflegezulage sowie – im Wege des Neufeststellungsverfahrens – einer höheren Schwerstbeschädigtenzulage nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgrund eines Überfalls vom 27. Juni 2009 bei dem er schwere Kopfverletzungen erlitt. Ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 ist anerkannt.

Er ist 1982 in der Türkei geboren und lebt seit seinem zweiten Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Nach dem Abschluss der Werkrealschule hat er nach Abbruch der Ausbildung zum Industrieelektroniker im dritten Lehrjahr eine weitere zum Industriemechaniker/Feinmechaniker abgeschlossen. In diesem Beruf hat der Kläger bei der Firma B1 gearbeitet, jedoch bereits vor dem Überfall zum 30. Juni 2009 einen Auflösungsvertrag geschlossen (Abfindungssumme circa 80.000 €), um ein Studium der Umweltversorgungstechnik aufzunehmen. 2010 hat er seine 1986 geborene Ehefrau kennengelernt und diese 2012 geheiratet. Seine Ehefrau bezieht Rente wegen volle Erwerbsminderung, bei ihr ist 2013 die Diagnose einer Myotonen Dystrophie Typ 1 (erblicher Muskelschwund) gestellt worden. 2016 ist nach einer Kinderwunschbehandlung der Sohn des Klägers geboren worden. Der Kläger bewohnt eine Vierzimmereigentumswohnung und hat zuletzt angegeben, ein Haus mit Grundstück erworben zu haben, dessen Umbau er plane (vgl. Anamnese R1). Er bezieht von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.

Am 14. Juli 2009 beantragte er bei dem Landratsamt E1 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Beigezogen wurde der Entlassungsbericht des Klinikums S1 über die stationäre Behandlung vom 27. Juni bis 31. Juli 2009. Danach sei der Kläger am 27. Juni 2009 mit einem Schlagstock zusammengeschlagen worden und habe eine schwere Kopfverletzung erlitten. In der Computertomographie (CT) habe sich eine Impressionsfraktur mit akut-subduralem Hämatom gezeigt, ansonsten lägen keine weiteren Verletzungen vor. Die postoperative CT-Kontrolle habe eine suffiziente Blutungsausräumung und eine gut entlastete rechte Hemisphäre bei nun sichtbarem erheblichem Hirnödem mit Kontusionen über der gesamten Hemisphäre rechts ergeben, was die Hemiplegie der linken Körperhälfte erkläre. Bei Entlassung sei der Kläger wach und weitestgehend orientiert gewesen. Es bestehe eine residuale Hemiparese links, Kraftgrad 4/5. Die Wunde sei reizlos.

Das Landratsamt E1 zog die Akten des Landgerichts S1 (LG – Az.:) bei, aus denen sich ergab, dass die Täter mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 3. März bis 15. Oktober 2012 zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden.

Zur Akte gelangten medizinische Unterlagen:

Im Entlassungsbericht der Kliniken S2 über die stationäre Rehabilitation vom 19. Oktober 2009 wurde beschrieben, dass bei dem Kläger eine Hemianopsie nach links, eine mittelschwere Antriebs- und eine deutliche Belastbarkeitsminderung bestehe. Bei komplexen visuellen Anforderungen könne er nicht richtig reagieren und sei (noch) nicht in der Lage, regelmäßig konzentriert am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Fahrtauglichkeit bestehe keine.

Bei Entlassung hätten keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen mehr bestanden. In der Ergotherapie habe der Kläger an der Handwerksgruppe teilgenommen und an einem Korb gearbeitet. Er habe sein Holzbrett im Stehen gebohrt und seinen Arbeitsplatz immer sauber verlassen. Die Hemianopsie nach links habe die Arbeit erschwert. In der Neuropsychologie sei die geteilte Aufmerksamkeit deutlich verlangsamt und fehlerhaft. Inzwischen sei er als freier Fußgänger unterwegs, noch deutlich belastbarkeitsgemindert und antriebsgehemmt.

Die R2 gab in ihrem Befundschein vom 4. Dezember 2009 an, dass Sehstörungen bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma (SHT) mit einem Visus rechts von 0,6 und links von 0,8 bestünden. Die Pupillenreflexe seien beidseits normal, im Gesichtsfeld zeigten sich beidseits zirkuläre Ausfälle. Als Dauerdiagnose bestehe ein Zustand nach Laser-Koagulation beidseits (25. Oktober 2006), eine Myopie und ein Astigmatismus.

Das Landratsamt E1 holte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des P1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 25. März 2010 ein. Dieser führte zusammenfassend aus, dass der Kläger Schmerzen im Bereich der rechten Körperhälfte beschreibe. Er werde schnell müde, habe keine Kondition und keine Ausdauer. Er sei rasch aggressiv, nervös und ungeduldig. Er leide unter Vergesslichkeit, schildere Angstzustände bis hin zu Panikattacken mit Hyperventilation.

Im krassen Gegensatz zu den geklagten und auch objektivierbaren erheblichen Einschränkungen, allein im Hinblick auf die Alltagsgestaltung, habe der Kläger die irreale Vorstellung, im September ein Studium an einer Berufsakademie aufzunehmen.

Neurologisch habe sich noch eine diskrete Hemisymptomatik links ohne erhebliche funktionelle Beeinträchtigungen gezeigt. Weiter lägen eine persistierende Hemianopsie nach links mit Gesichtsfeldeinschränkungen und eine funktionell nicht wesentlich beeinträchtigende Zungenatrophie rechts bei Hypoglossusschädigung vor. Im Vordergrund stünden die erheblichen neuropsychologischen Beeinträchtigungen. Die sich funktionell auswirkenden Störungen überlagerten sich mit den neuropsychologischen Beeinträchtigungen. Es bestünden somit Hirnschäden mit psychischen Störungen, die einen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 60 rechtfertigten.
Auf absehbare Zeit sei der Kläger nicht in der Lage, seiner beruflichen Tätigkeit wie bisher nachzugehen, geschweige denn, eine Ausbildung an einer Berufsakademie aufzunehmen.

Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme erkannte das Versorgungsamt B2 mit Erstanerkennungsbescheid vom 18. Mai 2010 als Schädigungsfolge eine reizlose Narbe im rechten Scheitelhinterkopfbereich nach gedeckeltem Knochendefekt, eine Hirnschädigung mit psychischen Störungen, eine Halbseitenstörung links, eine Zungenteillähmung rechts sowie eine unregelmäßige Gesichtsfeldeinschränkung beidseits als Schädigungsfolge an und gewährte Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 80 bis 30. November 2009 und nach einem GdS von 60 ab 1. Dezember 2009.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2010 zurück. Die beim Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage (S 8 VG 6348/10) blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 20. März 2013). Das Berufungsverfahren (L 6 VG 1912/13) wurde ruhend gestellt (Beschluss vom 17. September 2013).

Nach der Heirat des Klägers und seinem Umzug nach P3 ging die Zuständigkeit auf das Landratsamt E2 (LRA) über.

Ausweislich des Entlassungsberichts der Kliniken S2 über die stationäre Behandlung vom 21. Juli bis 25. August 2010 leide der Kläger unter organisch bedingten und psychischen Auswirkungen des SHT. Es imponierten bei ihm im Alltag Aufmerksamkeitsdefizite, Merkfähigkeitsstörungen, Antriebs- und Motivationsdefizite sowie Schwierigkeiten bei Organisation und Strukturierung des Alltags. Im Verlauf der Behandlung habe der Kläger immer wieder daran erinnert werden müssen, dem Therapieplan nachzugehen. Er neige dazu, sich selbst und seine Fähigkeiten zu überschätzen, andererseits zeige er sich gegenüber therapeutischen Empfehlungen offen. Im Rahmen der sozialen Kontakte sei er freundlich und gut gelaunt, obwohl er eine schwere psychische Traumatisierung erlitten habe. Im Rahmen der psychotherapeutischen Arbeit sei es ihm möglich, über seine Ängste zu sprechen. Die Psychotherapie im ambulanten Rahmen sei fortzusetzen.

Im Verlauf der Behandlung habe der Kläger hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Motivation langsame, aber stetige Fortschritte gemacht, es sei ihm gelungen, seine körperliche Ausdauer zu verbessern. Der neurologische Entlassungsbefund sei vergleichbar mit dem bei Aufnahme.

Es bestehe ein Gesichtsfeldausfall nach links und eine leichte linksseitige Hemiparese, das Krankheitsbild werde jedoch von der Symptomatik eines organischen Psychosyndroms mit Belastbarkeitsminderung, Antriebs- und Motivationsdefiziten und einer reduzierten Kritikfähigkeit geprägt. Hinzu komme eine psychische Traumatisierung mit im Vordergrund stehender Angstsymptomatik. Eine konkurrenzfähige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei noch nicht denkbar. Für die komplexe Tätigkeit als Industriemechaniker bestehe keine positive Prognose, eine solche sei nur für den allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben.

Vom 7. Januar bis 4. Februar 2011 wurde eine weitere stationäre Rehabilitation in den Kliniken S2 durchgeführt. Danach sei es dem Kläger besser gelungen, dem Therapieplan nachzugehen. Die Beobachtung, dass seine Leistungsfähigkeit von seiner Motivation und Interessenlage stark abhänge, habe sich bestätigt. Nach wie vor sei sehr deutlich geworden, dass der Kläger eine Ambivalenz hinsichtlich der Wünsche nach Veränderung seiner Lebenssituation und nach Versorgung aufweise. Er zeige weiterhin ein Vermeidungsverhalten, wenn es um emotionale Krankheitsverarbeitung und eine konkrete Umsetzung seiner Wünsche und Vorstellungen im Alltag gehe.

Es seien Fortschritte hinsichtlich der Krankheitseinsicht und der Ausprägung der Angstsymptomatik gemacht worden. Von einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbaren beruflichen Leistungsbild könne aktuell nicht ausgegangen werden. Die empfohlene Trainingsmaßnahme in der Werkstatt für Behinderte habe sich der Kläger nicht vorstellen können, da diese offensichtlich nicht seinen Leistungsvorstellungen entspreche. Der neurologische Entlassungs- sei vergleichbar mit dem Aufnahmebefund gewesen.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2011 wurde ein Dauerzustand in der derzeitigen Arbeitsunfähigkeit festgestellt und die Zahlung des Versorgungskrankengeldes zum 15. Juli 2011 eingestellt.

Die R2 gab am 9. Januar 2012 an, dass sie bei dem Kläger einen Visus von rechts 0,6 und links 0,5 befundet habe. Im Gesichtsfeld zeige sich beidseits eine komplette homonyme Hemianopsie nach links. Das Gesichtsfeld habe sich bis zum 23. September 2011 leicht verbessert, homonyme Ausfälle nach links seien aber weiter vorhanden.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2012 stellte das Landratsamt E1 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 (Schädel-Hirn-Trauma [Teil-GdB 60], Sehminderung [Teil-GdB 30] und Hörminderung [Teil-GdB 10]) seit dem 14. Februar 2012 fest.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2013 wurde die Betreuung für den Kläger aufgehoben, da dieser in der Lage sei, seinen freien Willen kundzutun, sodass aus ärztlicher Sicht keine Notwendigkeit für eine Betreuung mehr bestehe.

Im August 2013 machte der Kläger eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen geltend und beantragte die Gewährung einer Pflegezulage. Er sei auf sich alleine gestellt und wenn keine Hilfe eintreffe, verschlechtere sich sein Zustand von Tag zu Tag. Er sei bislang von seiner Mutter, seiner Schwester und seiner Ehefrau in größerem Umfang betreut worden. Es komme seit 2009 zu Verkrampfungen, hinsichtlich derer eine umfangreiche Betreuung erforderlich sei, mit der seine Angehörigen jetzt überfordert seien.

Im Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 6. August 2013 wurde die Pflegestufe unterhalb von Pflegestufe I gesehen. Die Alltagskompetenz sei erheblich eingeschränkt. Die Ehefrau übernehme den größten Teil der notwendigen grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung und Betreuung. Die Mutter des Klägers sei zwei Tage die Woche im Haushalt des Versicherten, um ihn zu unterstützen. An den Wochenenden seien der Kläger und seine Ehefrau in der elterlichen Wohnung und würden dort betreut und versorgt. Die Schwestern des Klägers unterstützten ihn im Bedarfsfall.

Der) leer> B3 gab in seinem Befundschein vom 25. November 2013 an, dass gut nachvollziehbar sei, dass die Trommelfellperforation in einem Zusammenhang mit der Verletzung vom 27. Juni 2009 stehe. Nach nochmaliger Operation zeige sich eine gute Heilung der Trommelfellplastik. Auf der rechten Seite bestehe ein prozentualer Hörverlust von 35 %.

Im weiteren MDK-Gutachten vom 4. Oktober 2013 (Wiederholungsgutachten im Widerspruchsverfahren) wurde wegen des ermittelten grundpflegerischen Hilfebedarf die Pflegestufe I seit August 2013 empfohlen. Der Kläger benötige bei komplexen grundpflegerischen Handlungen wie dem Duschen oder Baden aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen mehr Hilfe, als beim letzten Gutachten berücksichtigt worden sei. Aufgrund von Gleichgewichtsstörungen kollabiere er manchmal und müsse phasenweise beim Gehen begleitet werden. Die Alltagskompetenz sei erheblich eingeschränkt.

G1 gab in seinem Befundschein vom 3. März 2014 an, den Kläger bis 2010 psychotherapeutisch behandelt zu haben. Zwei weitere Termine seien 2011 wahrgenommen worden. Dieser sei ohne Krankheitseinsicht mit fraglicher Compliance und Motivation gewesen, da es vor allem der Wunsch und das Drängen seiner Angehörigen gewesen sei, dass er sich in therapeutische Behandlung begebe. Im Herbst 2011 habe er den Kläger weiterhin für nur bedingt therapiefähig und weit entfernt von einer beruflichen Belastbarkeit gehalten.

Das LRA holte das augenärztliche Gutachten der S3 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 19. März 2014 ein. Diese führte zur Augenanamnese aus, dass an beiden Augen eine Lasikbehandlung durchgeführt worden sei, um einen Sehfehler zu korrigieren. Es seien starke Angststörungen und eine Konzentrationsschwäche beschrieben worden. In der Stadt bestünden Orientierungsschwierigkeiten und eine allgemeine starke Ermüdbarkeit sei ebenfalls vorhanden. Das Lesen sei praktisch nicht möglich.

In der Gesichtsfeldprüfung vom 15. Mai 2009 (vor dem Überfall) habe am rechten Auge eine Fehlfixation von 33 % und 20 % falsch-positive Beantwortung bestanden, keine Ausfälle. Links sei die Fixation ebenfalls sehr schlecht gewesen und es seien 9 % falsch-positive Antworten gegeben worden. Hier seien unspezifische Ausfälle nasal und nach oben nachgewiesen worden, die jedoch auf keine Einschränkung bezüglich der Führerscheintauglichkeit schließen ließen.

Bei der Gesichtsfelduntersuchung vom 4. Dezember 2009 habe die fehlerhafte Fixation rechts bei 0 % gelegen, die falsch-negativen Antworten bei 8 %. Insgesamt habe in der Aussagekraft ein befriedigendes Gesichtsfeld bestanden. Es zeige sich ein fast kompletter homonymer Ausfall nach links, diesmal auch im zentralen Bereich. Am linken Auge habe die Falschfixation 0 % betragen, die falsch-negativen Antworten hätten bei 20 % gelegen. Die Aussagekraft des Gesichtsfeldes sei gut bis befriedigend. Es zeige sich nach links temporal ein inkompletter Hemiausfall und eigenartigerweise auch nach nasal, lediglich das periphere Gesichtsfeld betreffend.

Im Gesichtsfeld vom 2. Mai 2011 hätten die falsch-positiven Fragen bei 25 % und die falsch-negativen Fragen bei 13 % gelegen. Nach links bestehe ein angedeuteter Hemiausfall unter Aussparung des zentralen Bereichs. Die Qualität dieses Gesichtsfeldes lasse sich als befriedigend bezeichnen. Am linken Auge habe die Fehlfixation bei guter Mitarbeit bei 0 % gelegen. Es bestehe nach links temporal ein inkompletter Hemiausfall, das zentrale Gebiet aussparend. Die Aussagekraft sei gut bis sehr gut. Der Visus mit vorhandener Brille liege rechts bei 0,5 und links bei 0,4 bis 0,5.

In der Perimetrie nach Goldmann bestehe rechts eine starke konzentrische Einengung mit homonymen kompletten Ausfall nach links. Vom Nullpunkt circa 3° nach temporal erkannt, nach temporal außen bis maximal 35° reichend, nach oben circa 20 bis 30° reichend, ebenso nach unten.

Links bestehe eine starke konzentrische Einengung von nasal nach temporal bei fast komplettem homonymen Ausfall. Vom Nullpunkt werde circa 1° in der Horizontalen nach nasal erkannt, nach nasal außen bis etwa 20°, in der Höhe circa 15° und nach unten ebenfalls circa 15°. Vom Nullpunkt werde in der Horizontalen circa 3°, nach nasal entfernt erkannt, nach nasal außen bis 10°, in der Höhe circa 8°, nach unten circa 10°.

Es bestehe ein kompletter homonymer Ausfall nach links mit starker konzentrischer Einengung des gebliebenen Gesichtsfeldrestes, die bezüglich der Orientierung ebenfalls einschränkend sei.

Die Gesichtsfeldeinschränkungen seien durch das SHT zu erklären. Die vorhandenen Gesichtsfelduntersuchungen aus der Zeit vor dem schädigenden Ereignis seien nicht ausreichend für eine gutachterliche Bewertung. Das durchgeführte Führerscheingesichtsfeld weise keine Einschränkungen auf. Die Qualität sei wegen der hohen Fehlerraten und der Falschfixation nur sehr eingeschränkt zu bewerten. Trotzdem könne davon ausgegangen werden, dass zuvor keine Gesichtsfeldausfälle bestanden hätten.

Die in der Folge festgestellten Gesichtsfeldeinschränkungen zeigten unterschiedliche Ausprägungen eines homonymen Ausfalls nach links. Aufgrund der Untersuchungstechnik sei eine genaue Auslotung des Ausfalls nicht möglich. Im Verlauf der Gesichtsfeldkontrollen könne keine Besserung nachgewiesen werden, das jetzt durchgeführte Gesichtsfeld sei auffallend stark von der rechten Seite her eingeengt. Dies sei auf die etwas durch Konzentrationsstörung und Ermüdung bedingte Verlängerung der Untersuchungszeit zurückzuführen. Es seien sogar Pausen eingelegt worden, um das Gesichtsfeld vollständig erstellen zu können.

Es sei eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit von Seiten des Gesichtsfeldes von 40 % und wegen der konzentrischen Einschränkung des verbliebenen Hemigesichtsfeldes nach rechts eine zusätzliche Minderung der Gebrauchsfähigkeit von 15 % anzunehmen. Bezüglich des reduzierten Sehvermögens von 0,6 bzw. 0,5 werde eine weitere Erhöhung von 10 % vorgeschlagen. Somit bestehe von Seiten der Augen eine reine Minderung der Gebrauchsfähigkeit von 65 %. Da die Augen abhängig von der Konzentrationsfähigkeit und von der psychischen Ermüdbarkeit zu sehen seien, sei zu überlegen, ob aufgrund der neurologischen Symptomatik nicht eine zusätzliche Erhöhung erfolgen könne. Der bereits anerkannte von GdS 70 könne allein von Seiten der Augenfunktion ohne neurologische bzw. psychologische Einschränkung bestätigt werden.

Weiter holte das LRA das Hals-Nasen-Ohren (HNO)-ärztliche Gutachten des A1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 24. April 2014 ein. Dieser führte aus, dass seine audiometrischen Befunde von den Voruntersuchungen abwichen. Die kombinierte Schwerhörigkeit rechts bei Zustand nach Tympanoplastik und die Trommelfellperforation hätten vor dem Unfall nicht bestanden. Die sensorioneurale Komponente der Schwerhörigkeit an beiden Ohren sei wohl ereignisbedingt. Sie sei als Folge des traumatischen Einflusses auf die Chochlea zu deuten. Auch der Tinnitus sei als Folge der traumatischen Cocheopathie einzustufen.

Der schädigungsbedingte Hörverlust betrage rechts 58 % und links 27 %, sodass sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v.H.) ergebe. Der Tinnitus linksseitig mit 10 dB über der Hörschwelle und ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen ergebe eine zusätzliche MdE von 5 v.H.. Die Gangunsicherheit und das Schwanken seien nicht im Rahmen einer peripheren Vestibulopatie zu sehen. Die thermische Prüfung der Gleichgewichtsorgane habe eine seitengleiche Erregbarkeit ergeben. Die atropische Rhinopathie habe sich nach der Septumplastik entwickelt, eine MdE folge daraus nicht.

Anschließend holte das LRA das neuro-psychiatrische Gutachten des S4, Klinikum N1, aufgrund ambulanter Untersuchung vom 19. und 21. Mai 2014 ein. Diesem gegenüber gab der Kläger an, dass er sich nicht daran erinnern könne, wie er damals zusammengeschlagen worden sei. Er sei aus der Tür herausgegangen und könne sich dann erst wieder an den Heilungsprozess erinnern. Er habe eine offene Schädeldecke nach der damals erlittenen Kopfverletzung, Hörstörungen, sehe schlecht und habe ein eingeschränktes Gesichtsfeld.

Es sei in den letzten Jahren chaotisch rauf- und runtergegangen. Er sehe vieles negativ. Es fange oft leicht an, dann bekomme er Angst und explodiere schnell. Er komme in den letzten Monaten und Jahren immer weniger gut zurecht, alles habe sich verschlechtert. Er wisse nicht, was er zu tun habe. Den Papierkram könne er nicht selbst erledigen, er habe eine Zeit lang eine gesetzliche Betreuung gehabt, er komme mit nichts mehr klar. Er könne die Erwartungen seiner Frau, seiner Schwiegereltern und seiner eigenen Eltern nicht erfüllen.

Der Kläger gebe an, häufig Angstzustände zu haben und angespannt zu sein. Die Stimmung sei wechselhaft, er habe Gedächtnisprobleme, könne sich oft nichts merken und habe Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Einfache Alltagsaufgaben fielen ihm schwer, er sei oft hilflos, brauche viel Unterstützung.

Manchmal habe er tagsüber Bilder vor sich, dass er überfallen werde. Er fühle sich dann unwohl, habe keinen freien Kopf. Wenn er durch dunkle Waldstücke gehen müsse, fühle er sich unwohl. Abends sei es oft furchtbar, er gehe dann nur mit gemischten Gefühlen aus dem Haus, empfinde untergründig Angst. Nachts habe er immer wieder Träume, Träume, in denen er weglaufe, in denen er gejagt werde. Es sei dann so ähnlich wie in einem Film, in dem es eine Verfolgungsjagd gäbe. Sein Schlaf sei häufig unruhig, oft bewege er sich im Schlaf.

An beiden Untersuchungsterminen sei der Kläger wach, bewusstseinsklar, freundlich und kooperativ gewesen. Die Fragen zur Orientierung, zu Zeit, Ort, Situation und zur eigenen Person habe er gut beantworten können. Das Wort „Radio“ könne er rückwärts buchstabieren, kenne sogar den Namen des aktuellen Bundespräsidenten. Die serielle Substraktionsaufgabe sei problemlos gelungen, zeitweilig wirke er etwas vergesslich, auch etwas unkonzentriert, sei störanfällig. Wenn zwei Reize gleichzeitig gesetzt würden, sei er abgelenkt und unsicher. Auffällig sei, dass bei Anspannung immer wieder das linke Auge zugeklemmt würde. Spürbar sei, dass er Mühe habe, alles akustisch zu verstehen. Die Hörminderung sei beeinträchtigend, durch die halbseitige Gesichtsfeldeinschränkung sei er unsicher.
Es bestehe eine Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung mit sehr deutlich sich auswirkenden psychischen Störungen sowie mit kognitiven Leistungseinbußen, mit Störungen der Motorik und des Empfindens auf der linken Körperhälfte, mit Persönlichkeitsveränderungen und neuropsychologischen Defiziten. Der Kläger habe die sich aus dem schädigenden Ereignis ergebenden Folgen für sein Leben ungünstig verarbeitet. Er sei unglücklich, unzufrieden und enttäuscht. Infolge der posttraumatischen Belastungsstörungen weise er Ängste und Depressionen auf, werde von sich aufdrängenden Erinnerungen bedrängt, habe Nachhallerinnerungen, zeitweilig auch optische Halluzinationen und nachts Albträume. In letzteren träume er von Szenen, in denen er bedroht und überfallen werde.

Der Kläger sei nur gering belastbar, ermüde schnell, sei schnell überfordert und erschöpft. Im Alltag seien die neuropsychologischen Schädigungsfolgen und Störungen von erheblicher Bedeutung. Er könne sich schlecht konzentrieren, sei im Denken und in der Psychomotorik verlangsamt, zeige eine mangelnde Ausdauer und ein verringertes Durchhaltevermögen. Bei Versagen werde er schnell nervös, ungeduldig und die Stimmung sei schwankend. Angst und Panikzustände könnten sich einstellen. In körperlicher Hinsicht seien auch zentral-vegetative Störungen der Vasomotorenregulation und der Schweißregulation von Bedeutung. Im Verlauf der Jahre habe sich auf hirnorganischer Grundlage eine Veränderung in der Persönlichkeit ergeben.

Die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen begründeten einen Gesamt-GdS von 80. Die Verschlimmerung der Schädigungsfolgen ergebe sich aus dem Verlauf der letzten fünf Jahre. Trotz der stationären wie ambulanten therapeutischen und rehabilitativen Bemühungen habe der Kläger den Anschluss an die Arbeitswelt verloren, er sei wegen Erwerbsunfähigkeit berentet. Er sei bei vielen alltäglichen Verrichtungen und Anforderungen auf die Unterstützung seiner Angehörigen angewiesen. Alle schulischen, ausbildungs- und beruflichen Ambitionen habe er aufgeben müssen. Er habe die Fähigkeit zur Ausübung seines Berufes eingebüßt. Aufgrund der Schädigungsfolgen sei er zu einer Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage, dies werde auch so bleiben. Es sei eine Pflegestufe I anerkannt und die Alltagskompetenz als erheblich eingeschränkt beurteilt worden. Die gesundheitlichen Schäden seien so umfassend, dass Hilflosigkeit vorliege.

W1 führte versorgungsärztlich aus, dass eine Schwerstbeschädigtenzulage Stufe I beansprucht werden könne (Gehirnbereich I 70 Punkte, Sehen 50 Punkte, Gehirnbereich II 15 Punkte, Summe 135 Punkte). Die Pflegestufe I sei ab August 2013 anerkannt, eine eingeschränkte Alltagskompetenz werde beschrieben. Nach § 35 BVG liege jedoch noch keine Hilflosigkeit vor.

Insgesamt sei es zu einer Verschlimmerung der Hirnschädigung mit neuropsychischen Störungen gekommen, bei psychodynamisch ungünstiger Verarbeitung des schädigenden Ereignisses von 2009. Hier ergäbe sich ein Teil-GdS von 70 bei im Alltag sich deutlich auswirkenden Störungen. Die bestehende Halbseitenstörung links ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen mit leichten Restlähmungen und Tonusstörungen könnten mit einem Teil-GdS von 30 bewertet werden. Die bisher beschriebene Zungenteillähmung sei nicht mehr vorhanden. Zusätzlich zu den bisher anerkannten unregelmäßigen Gesichtsfeldeinschränkungen beidseits sei eine genauere Zuordnung möglich. Es liege ein homonymer Gesichtsfeldausfall nach links vor, komplett, und eine konzentrische Einengung des verbliebenen Gesichtsfeldes nach rechts mit einem Teil-GdS von 50. Neu anzuerkennen sei eine kombinierte Schwerhörigkeit an beiden Ohren und ein Tinnitus links. Diese Gesundheitsstörungen seien kausal auf die Schädigung zurückzuführen (Teil-GdS 20). Der Gesamt-GdS betrage 100.

Mit Neufeststellungsbescheid vom 2. Oktober 2014 erkannte das LRA als Schädigungsfolgen eine reizlose Narbe im rechten Scheitelhinterkopfbereich, eine Hirnschädigung mit neuropsychischen Störungen, eine Halbseitenstörung links, eine Hemianopsie nach links mit kompletten homonymen Gesichtsfeldausfall nach links und konzentrischer Einengung des verbliebenen Gesichtsfeldes nach rechts, eine kombinierte Schwerhörigkeit rechts und eine sensorineurale Schwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus links als Schädigungsfolge an und gewährte ab dem 1. April 2013 Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 100 sowie Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe I. Die Nachzahlung betrug 8.781,00 €. Über die Gewährung einkommensabhängiger Leistungen (Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich) ergehe noch ein gesonderter Bescheid. Pflegezulage nach § 35 BVG stehe nicht zu, da die Hilflosigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 BVG noch nicht vorliege.

Der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen.

Mit „Teilbescheid“ vom 20. November 2014 gewährte das LRA Berufsschadensausgleich ab 1. April 2013 in Höhe von 945,00 € monatlich bzw. 948,00 € monatlich ab 1. Juli 2013 und 960,00 € ab 1. Juli 2014. Die ermittelte Nachzahlung betrug 20.635,00 €.

Mit „Ergänzungsbescheid“ vom 19. Dezember 2014 erhöhte das LRA den GdS ab 1. Februar 2011 wegen besonderer beruflicher Betroffenheit um 10. Ab dem 1. Februar 2011 bestehe dem Grunde nach Anspruch auf einkommensabhängige Leistungen. Für die Dauer der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen bestehe gemäß § 29 BVG kein Anspruch auf Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs. 2 BVG, auf Berufsschadensausgleich und auf Ausgleichsrente.

Die Beschädigtengrundrente sei zu erhöhen und nach einem GdS von 70 zu gewähren, ab 1. Juli 2011 könne Berufsschadensausgleich beansprucht werden. Die Nachzahlung betrage 19.683,00 €. Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag stünden wegen des Einkommens nicht zu.

Am 16. Februar 2015 beantragte der Kläger die Rentenkapitalisierung und machte geltend, dass seine Frau und er eine Eigentumswohnung gefunden hätten, die sie zum Preis von 135.000 € kaufen wollten.

Mit Bescheid vom 24. März 2015 gewährte der Beklagte eine Kapitalabfindung in Höhe von 73.332,00 €. Verwendungszweck sei der Erwerb eines Miteigentumsanteils an der näher bezeichneten Wohnung. Der Anspruch auf Grundrente erlösche für die Dauer von 10 Jahren mit Ablauf des Monats, der auf die Auszahlung folge. Der Kapitalisierungsbetrag sei bei nicht bestimmungsgemäßer Verwendung binnen eines Jahres zurückzuzahlen. Der Betrag wurde ausgezahlt und der monatliche Zahlbetrag der Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 1. April 2015 mit 1.038,00 € festgestellt.

Zur Akte gelangte das MDK-Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung vom 6. Juli 2015, nachdem weiter ein Pflegebedarf nach Pflegestufe I gesehen und die Alltagskompetenz als erheblich eingeschränkt beurteilt wurde.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2016 forderte das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – die Kapitalabfindung zurück, da der Verwendungszweck vereitelt worden sei. Der Kläger sei nicht in die Wohnung gezogen, für deren Erwerb die Kapitalabfindung gewährt worden sei. Der Rückforderungsbetrag belaufe sich auf 67.832,10 €, die Tilgung erfolge durch Einbehalt des gesamten monatlichen Grundrentenbetrages einschließlich künftiger Erhöhungen.

Mit weiterem Bescheid vom 9. August 2017 stellte das LRA den Berufsschadensausgleich neu mit nur noch 991,00 € sowie einen Bestandsschutz hinsichtlich des gewährten Betrages von 1.007,00 € fest.

Aus dem Aktenvermerk über die persönliche Vorsprache des Klägers am 19. Juli 2018 ergab sich, dass er die Wohnung in P3 verkauft (Preis: 135.000,00 €) habe. Er habe ein Mehrfamilienhaus in P2 (Preis 205.000,00 €) gekauft, das unbewohnt und derzeit auch unbewohnbar sei. Es müsse grundrenoviert werden bzw. eventuell solle es abgerissen und neu gebaut werden. Unterstützung erhalte er von seinen Eltern. Die Wohnung in E1 habe er seit März 2018 zu einem höheren Mietpreis neu vermietet. Am 20. September 2018 wurde die ausstehende Rückforderung von 44.524,10 € beglichen.

Das LRA führte eine Prüfung von Amts wegen durch und holte die versorgungsärztliche Stellungnahme der W1 ein. Diese führte aus, dass als Verschlimmerung beschrieben werde, dass eine Vielzahl von Beschwerden in letzter Zeit zugenommen hätten. Insbesondere werde eine lage- und bewegungsabhängige Schwindelsymptomatik beklagt, die von anderer Seite jedoch auf die psychischen Veränderungen zurückgeführt werde. Bereits im Vorgutachten seien Gleichgewichtsstörungen festgestellt worden, die zum einen durch die anerkannte Störung des Sehens erklärbar, hauptsächlich aber durch die neuropsychischen Beeinträchtigungen als Folge der Schädigung zu bewerten seien.

Eine geringfügige Verschlechterung der anerkannten psychischen Störungen sei nicht auszuschließen, jedoch sei mit Sicherheit die Verschlimmerung nicht so stark, dass sich hieraus ein höherer GdS als 80 für den Gehirnbereich I ergebe. Damit trete keine Änderung der Schwerstbeschädigtenzulage ein. Eine Hilflosigkeit liege weiterhin noch nicht vor. Von einer wesentlichen Änderung der anerkannten Schädigungsfolgen sei nicht auszugehen. Das LRA teilte dem Kläger hierauf mit (Schreiben vom 17. Dezember 2018), dass es nach Auswertung der Unterlagen bei dem festgesetzten GdS und der Schwerstbeschädigtenzulage Stufe 1 verbleibe.

Zur Akte gelangte der Befundbericht des leer> C1 über die ambulante Untersuchung vom 2. April 2019. Danach habe der Visus rechts 0,8 und links 0,7 betragen. Es bestünden beidseits irreguläre Hornhautoberflächen nach Excimer-Chirurgie. Beidseits spreche das Bild gegen eine Keratektasie. Ein progressiver Verlauf könne daher nicht angenommen werden, möglicherweise sei die Brillenkorrektur wegen dieser multifokalen Hornhäute durch eine nachlassende Akkommodation unbefriedigender geworden. Zur Visusoptimierung seien formstabile Kontaktlinsen am günstigsten. Für eine Hornhauttransplantation sei der Befund zu gut.

Am 4. Juli 2019 beantragte der Kläger die Gewährung einer Pflegezulage nach § 35 BVG sowie die Erhöhung der Schwerstbeschädigtenzulage. Die Verschlechterung des Augenleidens ergebe sich aus dem Befundbericht des C1. Der Antrag auf Pflegezulage werde auf das letzte MDK-Gutachten vom 1. Juli 2015 gestützt, eine weitere Begutachtung sei seitdem nicht erfolgt.

Das LRA holte das augenärztliche Gutachten der W2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 2. Dezember 2019 ein. Diese führte aus, dass eine Sehverschlechterung angegeben werde, die auch durch mehrere Versuche einer Brillenkorrektur nicht besser geworden sei. Der Kläger beschreibe, dass er in der Nähe jetzt oft die Brille abnehmen müsse, er habe immer wieder den Eindruck wie durch eine Glasflasche zu schauen, bevor er nach einiger Zeit scharf fokussieren könne. Medikamente nehme er nicht ein, es bestünden Probleme, Gesichter zu erkennen, auch bei Fotos von sich selbst. Er leide immer noch unter häufigen Angstzuständen. Der Visus mit vorhandener Brille habe bei 0,6 rechts und 0,4 links gelegen.

In der Perimetrie nach Goldmann bestehe rechts ein homonymer Ausfall nach links mit gleichzeitiger konzentrischer Einengung. Die Marke III/4 e sei vom Nullpunkt nach temporal-außen bis max. 40° erkannt worden, nach oben bis circa 30° reichend, nach unten bis circa 35°. Der blinde Fleck habe sich nicht darstellen lassen.

Links bestehe ein homonymer Ausfall nach links mit gleichzeitiger konzentrischer Einengung. Die Marke III/4 e sei von 2° nasal des Nullpunktes nach nasal-außen bis maximal 22° erkannt worden, nach oben bis circa 15° und nach unten bis circa 23° mit einer zusätzlichen Ausbuchtung des Skotoms über circa 10° in die nasale Hälfte hinein. Der blinde Fleck lasse sich nicht abgrenzen.

Morphologisch seien die Lider in Stellung und Beweglichkeit regelrecht, die Bindehaut imponiere reizfrei. Die Hornhaut zeige sich klar, bis auf kleine Eiseneinlagerungen unterhalb der optischen Achse, am rechten Auge bestehe eine sehr kleine subepitheliale Narbe unterhalb der optischen Achse, beidseits ein zarter Pigmentbeschlag am Endothel.

Es zeige sich sowohl am rechten als auch am linken Auge ein homonymer Ausfall nach links mit gleichzeitiger konzentrischer Einengung, wobei am linken Auge die konzentrische Einengung stärker ausgeprägt sei als am rechten. Im Vergleich zum Vorgutachten seien die Außengrenzen konstant, vergleichsweise gut reproduzierbar für eine subjektive Untersuchung. Die aktuell beidseits geringfügig größere Ausdehnung des Rest-Gesichtsfeldes sei auf die zu erwartenden Befundschwankungen bei einer subjektiven Untersuchung zurückzuführen, nicht auf eine Änderung des morphologischen Befundes. Die neu beschriebenen irregulären Hornhautoberflächen seien als Folge der refraktiven Hornhautchirurgie einzuschätzen und keine Schädigungsfolge.

Weiter holte das LRA das psychiatrische Gutachten der R1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 13. Januar 2020 ein. Dieser gegenüber gab der Kläger an, dass er seine 1986 geborene Ehefrau 2010 kennengelernt und 2012 geheiratet habe. Diese habe den Beruf der Schneiderin erlernt und sei nach einer Tätigkeit bei einer Textilfirma auf Dauer berentet. Sie leide an Herzrhythmusstörungen und einer Schwerhörigkeit. 2013 sei die Diagnose eine „Myotonen Dystrophie Typ 1“ bei ihr gestellt worden. Die Ehefrau schlafe viel und beklage Atem- und Ausdauerprobleme. Am 17. August 2016 sei nach einer Behandlung bei Kinderwunsch sein Sohn geboren worden.

Weiter habe der Kläger berichtet, 2017/2018 ein Grundstück mit einem Haus erworben zu haben, dessen Umbau er plane. Eine regelmäßige Medikation sei nicht verordnet, bei Bedarf werde Ibuprofen eingenommen. Die letzte Rehabilitation sei 2011 in G2 gewesen.

Er stehe gegen 6 Uhr auf, spiele mit dem Sohn. Nachdem die Ehefrau aufgestanden sei, werde gefrühstückt. Anschließend bringe er den Sohn in den Kindergarten. In der Folgezeit erledige er Arzttermine oder gehe Einkaufen. Danach schlafe er, die Ehefrau koche. Um 14.00 Uhr hole er den Sohn vom Kindergarten ab, zu Hause würden Filme angeschaut. Manchmal gehe er mit einem Freund ins Kino.

Einen erlebten Schwindel beim Busfahren sehe der Kläger als psychisch bedingt. Es falle ihm schwer, sich in der Schilderung von Gedankeninhalten zu begrenzen. Oftmals merke er, dass er Sachverhalte sehr umständlich schildere und gar nicht bemerke, dass das Gegenüber eigentlich die Unterhaltung beenden wolle. Er leide an einem „Anschwellen der linken Seite“, Ohren- und Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Geräuschwahrnehmungen, Ohrenschmerzen und einer Rötung im rechten Gesichtsbereich. Manchmal höre er auch nicht gut, sehe schlecht oder sei „wie benebelt“. Zudem habe er Angst vor dem Busfahren, dem Alleinsein oder wenn jemand an der Türe klingele. Er habe Angst vor Gewalt, auch was er nicht verstehe, mache ihm Angst. Beim Autofahren könnten Panikzustände auftreten.

Alle zwei Wochen komme für einen Tag eine Haushaltshilfe. Der Kläger lese viel und bemühe sich, sich gut auszudrücken. Im Hinblick auf eine „Badekur“ erhoffe er sich zu erlernen, sich zu erholen oder selbstständiger zu sein. Während der Untersuchung habe der Kläger die Ehefrau angerufen, dass sie ihn nach der Untersuchung abhole, diese habe ihn aber auf den Bus verwiesen. Sie – die Gutachterin – habe mit dem Kläger gemeinsam das Gebäude verlassen. Weil die Haupttür schon verschlossen gewesen sei, habe man das Gebäude durch einen anderen Ausgang verlassen müssen. Der Kläger habe gleichwohl problemlos die Bushaltestelle gefunden.

Psychisch sei der Kläger wach, bewusstseinsklar und in allen gängigen Qualitäten orientiert gewesen. Es habe kein Anhalt für Beeinträchtigungen im Bereich der Auffassung, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen bei Einschränkungen in der Konzentrationsfähigkeit und erhöhter Ablenkbarkeit insbesondere bei Anspannung und erlebten somatischen Einschränkungen bestanden. Probleme in der Entscheidungsfindung würden berichtet.

Der formale Gedankengang sei geordnet, jedoch umständlich. Im Affekt sei der Kläger beginnend zurückhaltend gewesen, im weiteren Verlauf freundlich. Er habe von depressiven Phasen sowie psychischer Instabilität, multiplen Ängsten, Panikattacken und Versagenssorgen berichtet, bei erhaltener Auslenkbarkeit. Geschildert werde ein deutliches Vermeidungserleben im Zusammenhang mit Ängsten oder erlebter Zurücksetzung in der interpersonellen Beziehungsgestaltung. Der Antrieb sei unauffällig, psychomotorisch sei er phasenhaft unruhig. Von tatbezogenen Albträumen sowie Vermeidungsverhalten werde berichtet.

Bei dem Übergriff habe der Kläger ein offenes SHT erlitten, welches nach einer rehabilitativen Maßnahme plastisch gedeckelt worden sei. Im Zusammenhang mit erneuten belastenden Lebensumständen, wie der Geburt und der Betreuung des Sohnes, der Erkrankung der Ehefrau, dem Verkauf von Eigentumswohnungen, dem Erwerb einer Immobilie mit Planung einer umfangreichen Sanierung und Sorgen um die Herkunftsfamilie, erlebe der Kläger eine Verschlechterung seiner Erkrankung. Eine neurologische Abklärung einschließlich einer cMRT habe keine Veränderung der neurologischen Symptomatik ergeben. Nach augenärztlicher Kontrolle seien vom Facharzt formstabile Kontaktlinsen empfohlen worden. Die in der Untersuchung geschilderte Symptomatik habe derjenigen im Rahmen des Referenzgutachtens vom 2. September 2014 entsprochen. In Kenntnis dieses Gutachtens sei von einem GdS von 70 auszugehen. Zusätzliche, unabhängige psychische Störungen oder Nachschäden lägen nicht vor. Eine Hilfslosigkeit bestehe, den Unterlagen sei ein anerkannter Pflegegrad 3 zu entnehmen. Empfohlen werde eine ambulante Richtlinienpsychotherapie zur Bearbeitung der Traumatisierung bzw. der Traumafolgen. Hinsichtlich einer stationären Behandlung bestehe bei dem Kläger eine Ambivalenz. Eine osteopathische Behandlung der Beschwerden sei nicht indiziert. Eine Besserung der chronifizierten Symptomatik sei abhängig von der Durchführung einer ambulanten fachpsychiatrischen Behandlung sowie einer ambulanten Psychotherapie. Eine Überprüfung des Behandlungserfolges solle in fünf Jahren erfolgen.

W1 führte versorgungsärztlich aus, dass nach dem psychiatrischen Gutachten keine wesentliche Verschlimmerung der Schädigungsfolgen bestehe, der GdS betrage weiter 70. Eine osteopathische Behandlung sei, in Übereinstimmung mit dem Gutachten, nicht indiziert.

Nach Prüfung des Einzelfalls könne bei dem Kläger mittlerweile eine Hilflosigkeit im Sinne des § 35 BVG festgestellt werden, da eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit anerkanntem Pflegegrad 3 bestehe. Die Schädigungsfolgen seien annähernd gleichwertig für die Hilflosigkeit, sodass die Gewährung einer Pflegezulage Stufe 1 nach dem BVG empfohlen werde. Eine Badekur sei zu befürworten. Die durch die Schädigungsfolgen verursachten Gesundheitsstörungen allein machten eine solche nicht notwendig, sondern das Zusammenwirken mit Nicht-Schädigungsfolgen. Eine Besserung der Symptomatik könne nur durch eine ambulante fachpsychiatrische Behandlung erfolgen.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2020 lehnte das LRA die Gewährung einer höheren Schwerstbeschädigtenzulage ab. Für die vorzunehmende Punktbewertung komme es auf die funktionelle Beeinträchtigung der durch die Schädigungsfolgen betroffenen Organsysteme und Gliedmaßen an, d.h. die Auswirkungen der Schädigungsfolgen seien jeweils getrennt bei den in ihrer Funktion geschädigten Organsystemen und Gliedmaßen zu betrachten und einzuschätzen. Die Bewertung erfolge entsprechend dem GdS jeweils in ganzen Punkten. Bei Schädigungsfolgen, die einen GdS von weniger als 45, mindestens aber 25 begründeten, erfolge die Bewertung in halben Punkten. Eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe II setze eine Mindestpunktzahl von 160 voraus, die nicht erreicht werde.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2020 gewährte das LRA ab dem 1. Juni 2019 eine Pflegezulage der Stufe I. Ab diesem Zeitpunkt bestehe Anspruch auf Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag und Kinderzuschlag. Ab 1. August 2020 würden laufend 2.530,00 € gezahlt. Anspruch auf Pflegezulage bestehe, solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos seien. Hilflos seien diejenigen, die infolge von Gesundheitsstörungen für die häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Tagesablauf fremder Hilfe dauernd bedürften. Andere als gesundheitliche Gründe müssten bei der Beurteilung des Anspruchs auf Pflegezulage unberücksichtigt bleiben. Die Berechnung wurde mit Bescheid vom 22. Juli 2020 berichtigt.

Im Widerspruchsverfahren führte W1 versorgungsärztlich aus, dass hinsichtlich der Hirnschädigung mit neuropsychischen Störungen ein Teil-GdS von 70 gegeben sei. Dieser habe sich durch das letzte psychiatrische Gutachten bestätigt. Es liege unverändert die bekannte Schädigungsfolge der Hirnschädigung mit neuropsychischen Störungen vor, eine wesentliche Verschlimmerung sei nicht nachgewiesen. Das augenärztliche Gutachten habe einen unveränderten Befund ergeben, der GdS für die Augen sei weiter mit 50 zu bewerten. Die Schwerstbeschädigtenzulage sei korrekt berechnet, die Schädigungsfolgen auf HNO-ärztlichem Gebiet führten nur zu einem GdS von 20 und seien deshalb nicht bewertungsrelevant. Die Pflegezulage sei nicht identisch mit dem Pflegegrad, ein dauerndes Krankenlager oder eine dauernde außergewöhnliche Pflege bestehe nicht, ebenso kein Gruppenfall nach § 35 Abs. 1 BVG.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Juli 2020 wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2021 zurück. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme habe eine wesentliche Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht festgestellt werden können. Bei der Berechnung der Schwerstbeschädigtenzulage sei der Hirnschaden mit 70 Punkten entsprechend einem GdS von 70 und das Sehen mit 50 Punkten entsprechend einen GdS von 50 bewertet worden. Für den Gehirnbereich II (Halbseitenstörung links) ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen mit leichten Restlähmungen und Tonuserhöhungen bestehe ein GdS von 30. Dieser Gehirnbereich sei nach § 2 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 31 Abs. 4 BVG (DVO) nur mit einem hälftigen Punktwert von 15 zu bewerten, weil der GdS weniger als 45 betrage.

Die anerkannte Schädigungsfolge auf HNO-ärztlichem Gebiet wirke sich nicht auf die Berechnung der Schwerstbeschädigtenzulage aus, weil nur ein GdS von 20 anerkannt sei und GdS-Werte unter 25 nach der DVO nicht berücksichtigt werden könnten. Damit liege in der Summe der GdS-Werte weiterhin eine Gesamtpunktzahl von 135 vor, welche eine Schwerstbeschädigtenzulage Stufe I begründe.

Den Widerspruch gegen die Bescheide vom 16. Juli 2020 und 22. Juli 2020 wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2021 zurück. Hinsichtlich der Anrechnung der Pflegezulage nach Stufe I nach dem BVG auf die Pflegeleistungen der Pflegekasse werde auf das aufklärende Schreiben vom 14. Oktober 2020 verwiesen. Nach der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme sei eine Pflegezulage der Stufe I zutreffend, weil die anerkannten Schädigungsfolgen annähernd gleichwertig für die festgestellte Hilflosigkeit seien. Ein dauerndes Krankenlager oder eine dauernde außergewöhnliche Pflege bestünden nicht.

Am 21. April 2021 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er sei untersucht worden und habe nun Pflegegrad 3. Es gehe auch nicht nur um die Erhöhung der Pflegezulage und der Schwerstbeschädigtenzulage, sondern auch um den Zeitraum. Er habe erst ab Juni 2019 die Zahlungen bewilligt bekommen. Seine Eltern hätten den Antrag bei dem Beklagten bereits viel früher gestellt, dieser sei nur nie bearbeitet oder beschieden worden. Das Verfahren sei unter dem Aktenzeichen L 6 VG 1912/12 anhängig und ruhe.

Das SG hat eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt (vgl. Protokoll vom 10. September 2021) und anschließend sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte erhoben.

Die W2 hat bekundet, dass bei dem Kläger ein Visus mit bester Korrektur von rechts 0,25 und links 0,2 bestehe. Weiter lägen ein fast kompletter Ausfall der linken Gesichtsfeldhälfte sowie beidseits eine Kurz- und eine Stabsichtigkeit vor. Der beidäugige Visus betrage 0,32. Die Sehschärfeprüfung sei mit Brillengläsern und Zahlenreihen erfolgt. Der Kläger trage üblicherweise Kontaktlinsen, die in der Regel eine deutlich höhere Sehschärfe ermöglichten. Eine Goldmann-Perimetrie sei durchgeführt worden, eine wesentliche Änderung stehe insoweit nicht zu erwarten.

Der H1 hat mitgeteilt, dass am 27. Oktober 2021 eine seit einigen Monaten schleichende Stimmverschlechterung beschrieben werde, auch das Hören habe sich weiterhin verschlechtert. Rechts komme es zu Ohrgeräuschen in Ruhe. In Tonaudiogramm zeige sich ein Hörverlust im Hauptsprachbereich von rechts 25 bis 50 dB, links von 10 bis 20 dB. Der Tinnitus rechts sei bei 0,25 kHz mit 15 dB überschwellig verdeckbar, der Tinnitus links bei 0,25 kHz mit 10 dB. Der Hörverlust rechts habe 2020 36 % und 2021 37 % betragen, links 0 % und 5 %.

H2 hat versorgungsärztlich dahingehend Stellung genommen, dass das augenärztliche Untersuchungsergebnis eine deutlich geringere Sehschärfe als 2019 zeige, bei der nun ermittelten betrage der GdS 30. Dieser Befund könne aber nicht einfach als Verschlimmerung von Schädigungsfolgen gewertet werden. Zum einen könnten Sehschärfebefunde gutachterlich nur ausgewertet werden, wenn sie nach DIN 58220 bestimmt worden seien. Dies scheine 2021 nicht der Fall gewesen zu sein, da die Sehschärfeprüfung mit Brillengläsern und Zahlenfolgen erfolgt sei. 2019 habe die W2 angegeben, dass infolge der refraktären Hornhautchirurgie irreguläre Hornhautoberflächen aufgetreten seien. Diese seien keine Folge des schädigenden Ereignisses nach dem OEG. Insofern müsse selbst bei Nachweis einer Verschlechterung der Sehschärfe nochmals gutachterlich geklärt werden, ob diese Verschlechterung mit Wahrscheinlichkeit auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Der von dem H1 mitgeteilte Hörverlust führe zu einem GdS von 0.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Oktober 2022 hat das SG die Klage abgewiesen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Schwerstbeschädigtenzulage höher als nach Stufe I. Mit bindendem Bescheid vom 2. Oktober 2014 sei bei ihm ein GdS von 100 festgestellt worden. In diesem enthalten sei ein Teil-GdS für die Funktionsstörung im Bereich Augen von 50, ein Teil-GdS für den Hörverlust von 20, ein Teil-GdS von 70 für die Hirnschädigung mit neuropsychischen Störungen und ein Teil-GdS von 30 für die Halbseitenstörung im Sinne einer leichten Restlähmung und Tonusstörung der linken Körperhälfte infolge einer Hemisymptomatik links ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen. Aus diesen Werten sei eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe I mit der Summe 135 gewährt worden. Für den Gehirnbereich I seien 70 Punkte, für den Bereich Sehen 50 Punkte und den Gehirnbereich II 15 Punkte zugrunde gelegt worden. Der Teil-GdS von 20 für den Hörverlust müsse außer Betracht bleiben, da er nicht wenigstens 25 betrage. Die eingeholten Gutachten und sachverständige Zeugenauskünfte belegten keine wesentliche Befundänderung. Die Verschlechterung im Bereich der Augen müsse zu einem GdS von 75 führen, damit es zu Auswirkungen auf die Schwerstbeschädigtenzulage komme. Dies sei auch nach den aktuellen Untersuchungsergebnissen nicht der Fall, sodass es keiner weiteren Ermittlungen bedurft habe. Bezüglich des Hörvermögens sei eine Verschlechterung nicht eingetreten, wie aus den Befunden des H1 folge.

Hinsichtlich der Pflegezulage sei der Kläger zutreffend in Stufe I eingeordnet worden, weil die anerkannten Schädigungsfolgen annähernd gleichwertig für die festgestellte Hilflosigkeit seien. Ein dauerndes Krankenlager oder eine dauernde außergewöhnliche Pflege bestehe nicht. Etwas anders folge nicht aus dem Pflegegutachten der A2, der dort empfohlene Pflegegrad 3 könne mit den nach § 35 Abs. 1 BVG zu vergebenden Stufen nicht gleichgesetzt werden.

Am 9. November 2022 hat der Kläger Berufung beim SG eingelegt. Die ärztlichen Gutachten seien fehlerhaft ausgewertet worden und man habe anhand der ärztlichen Berichte zu einem antragsgemäßen Ergebnis kommen müssen. Die behandelnden Ärzte hätten geladen und vernommen werden müssen. Seine Einwände seien nicht berücksichtigt worden, das SG sei seiner Verschlechterung des Hörvermögens nicht nachgegangen. Alle noch so kleinen Veränderungen der Sinnesorgane hätten gravierende Folgen. Die orthopädischen Einschränkungen seien nicht berücksichtigt worden, er habe kein Gefühl mehr in der linken Körperhälfte. Er könne sich seine Finger- und Fußnägel nicht mehr alleine schneiden, sich nicht mehr rasieren und nicht mehr waschen. Auch beim Anziehen benötige er Hilfe. Er könne nicht alleine auf die Straße gehen und müsse sich an anderen orientieren. Die Straße könne er nur im Beisein Dritter überqueren. Die Konzentration fehle beim Hören und Sehen komplett. Er müsse täglich Essen bestellen, weil er es nicht mehr alleine bewerkstellige, sich und sein Kind zu versorgen. Es sei keine finanzielle Grundbasis vorhanden, die Rechnungen sammelten sich und er sei nicht mehr solvent.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2022 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2020 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 2. Oktober 2014 höhere Schwerstbeschädigtenzulage sowie unter Abänderung des Bescheides vom 16. Juli 2020 in der Fassung des Bescheides vom 22. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2021 höhere Pflegezulage ab dem 1. Juni 2019 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat die Verfahrensakte L 6 VG 1912/13 zum Verfahren beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 13. Oktober 2022, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Neufeststellung der Schwerstbeschädigtenzulage unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 31. März 2021 sowie sinngemäß unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 2. Oktober 2014 sowie die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer höheren Pflegezulage unter Abänderung des Bescheides vom 16. Juli 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2021 abgewiesen worden ist.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 14. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2021 sowie der Bescheid vom 16. Juli 2020 in der Fassung des Bescheides vom 22. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2). Auch zur Überzeugung des Senats hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, die Schwerstbeschädigtenzulage neu festzustellen und Pflegezulage nach einer höheren Stufe als Stufe I zu gewähren. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.


Materiell-rechtlich sind die Vorschriften des BVG in seiner bis 31. Dezember 2023 geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) in der ab 1. Januar 2024 geltenden Fassung erhalten Personen, deren Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, dass das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2023 bestandskräftig festgestellt sind, diese Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach dem Gesetz, dass das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, in der am 23. Dezember 2023 geltenden Fassung weiter, soweit dieses Kapitel nichts anderes bestimmt. Über einen bis zum 23. Dezember 2023 gestellten und nicht bestandskräftig entschiedenen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, dass das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, ist nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden, § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XIV. Wird hierbei ein Anspruch auf Leistungen festgestellt, werden ebenfalls Leistungen nach Absatz 1 erbracht, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XIV.

Soweit der Beklagte die Gewährung höherer Schwerstbeschädigtenzulage abgelehnt hat, ist Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, nachdem eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 2. Oktober 2014 nicht eingetreten. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte die Schwerstbeschädigtenzulage nach der Stufe I gewährt, sodass ein Dauerverwaltungsakt vorliegt und – entgegen dem Vorbringen des Klägers – eine Entscheidung über seinen Antrag vorliegt, die auch bestandskräftig geworden ist. Über diesen Streitgegenstand ist ein weiteres Verfahren nicht anhängig (gewesen), sodass der Bescheid insoweit nicht Gegenstand eines anderen Verfahrens werden konnte.

Gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 BVG erhalten Beschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100, die durch die anerkannten Schädigungsfolgen gesundheitlich außergewöhnlich betroffen sind, eine monatliche Schwerstbeschädigtenzulage in den Stufen I (103 €), II (212 €), III (316 €), IV (424 €), V (527 €) und VI (636 €). Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Personenkreis, der durch seine Schädigungsfolgen außergewöhnlich betroffen ist, sowie seine Einordnung in die Stufen I bis VI näher zu bestimmen, § 31 Abs. 4 Satz 2 BVG. Dabei stellt das Gesetz ausdrücklich auf eine außergewöhnliche gesundheitliche Betroffenheit ab, sodass es nur auf den „medizinischen“ GdS ankommt, eine besondere berufliche Betroffenheit aber bei der Schwerstbeschädigtenzulage außer Betracht bleibt (vgl. Dau in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 Rz. 8).

Nach der auf Grundlage der Ermächtigung in § 31 Abs. 4 Satz 2 BVG erlassenen DVO erhalten Schwerstbeschädigtenzulage Beschädigte, deren Schädigungsfolgen allein auf Grund der Beurteilung nach § 30 Abs. 1 des BVG mit einem GdS von 100 zu beurteilen sind, wenn die anerkannten Schädigungsfolgen nach den nachstehenden Vorschriften mit wenigsten 130 Punkten zu bewerten sind oder wenn sie Anspruch auf Pflegezulage mindestens nach Stufe III haben, § 1 DVO.
Bei der Punktbewertung ist von der Höhe des GdS auszugehen, die die einzelnen anerkannten Schädigungsfolgen bedingen. Dabei ist jedoch nur die Höhe des GdS maßgebend, die sich allein auf Grund der Beurteilung nach § 30 Abs. 1 des BVG ergibt, § 2 Abs. 1 DVO.

Auswirkungen von Schäden eines Organsystems an Gliedmaßen oder an anderen Organsystemen werden bei den Gliedmaßen bewertet, die in ihrer Funktion geschädigt sind. Mehrere Schädigungsfolgen an einem Arm oder an einem Bein oder an einem Organsystem sind als eine Schädigungsfolge anzusehen, § 2 Abs. 2 DVO.

Organsysteme im Sinne dieser Verordnung sind Atmung, Herz-Kreislauf, Verdauung, Harnapparat, Geschlechtsapparat, Blut einschließlich blutbildendem Gewebe und Immunsystem, innere Sekretion, Sehen, Gehör, Sprache, Geruch einschließlich Geschmack, Stamm (Funktion der Haltung und des Schutzes der inneren Organe), Kopf (Funktion der Prägung des Aussehens, der Bildung der Kopfhöhlen und des Schutzes des Gehirns), Gehirnbereich I (Funktion der Wesensbildung und der geistigen Leistung) und der Gehirnbereich II (zentral-nervale Funktion), § 2 Abs. 3 DVO.

Liegen mehrere Schädigungsfolgen vor, so ist die Höhe des Grades der Schädigungsfolgen für jede einzelne Schädigungsfolge zu ermitteln. Schädigungsfolgen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 25 vom Hundert bedingen, bleiben außer Betracht, § 2 Abs. 4 DVO.

Die Bewertung erfolgt entsprechend dem GdS jeweils in ganzen Punkten; bei Schädigungsfolgen, die einen GdS von weniger als 45, aber mindestens 25 bedingen, erfolgt die Bewertung jeweils in halben Punkten. Ergeben zwei oder mehrere Schädigungsfolgen mit einem GdS von mindestens 45 zusammen mindestens 140 Punkte, erfolgt die Bewertung in ganzen Punkten bei Schädigungsfolgen mit einem GdS von weniger als 45, mindestens aber 25, § 2 Abs. 5 DVO.

Schwerstbeschädigtenzulage wird bei mindestens 130 Punkten nach Stufe I, bei mindestens 160 Punkten nach Stufe II und bei mindestens 190 Punkten nach Stufe III erbracht, § 5 Abs. 1 DVO.

Ausgehend von diesen Grundsätzen wird auch zur Überzeugung des Senats keine höhere Gesamtpunktzahl als 135 erreicht.

Für den Gehirnbereich I kommt danach ein höherer Teil-GdS als 50, entsprechend 50 Punkten nicht in Betracht, wie sich aus den Feststellungen, nicht dem Ergebnis des Gutachtens der. R1 ergibt, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]). Diese hat insofern in Auswertung der tatsächlichen Fertigkeiten des Klägers schlüssig herausgearbeitet, dass sich eine wesentliche Änderung gegenüber den Vorgutachten nicht begründen lässt. Einer solchen bedürfte es aber im Hinblick auf den Vergleichsbescheid, um eine Neufeststellung beanspruchen zu können. Die letztliche Bewertung der Gutachterin entspricht einem Hirnschaden mit schweren Leistungsbeeinträchtigungen nach den VG, Teil B, Nr. 3.1.2, was von ihren Befunden nicht getragen wird.

Es kann nämlich nicht überzeugen, wenn leer> R1 die Geburt und die Betreuung des Sohnes einerseits, den Verkauf von Eigentumswohnungen sowie den Erwerb einer Immobilie mit Planung einer umfangreichen Sanierung andererseits als Belastungsfaktoren benennt, indessen in keiner Weise die dadurch zum Ausdruck kommende kognitive Leistungsfähigkeit des Klägers würdigt. Entsprechendes gilt dafür, dass sie einen geregelten Tagesablauf des Klägers erhoben hat, der in der Lage ist, sich um seinen Sohn zu kümmern, diesen zum Kindergarten zu bringen und Einkäufe zu erledigen, also sogar ein weitgehend normales Leben zu führen. Gänzlich unberücksichtigt lässt sie weiter ihre eigenen Ausführungen, dass der Kläger von der Ehefrau telefonisch auf die Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln verwiesen worden ist und trotz eines Umweges wegen der bereits verschlossenen Haupteingangstüre problemlos die Bushaltestelle gefunden hat. Das belegt zum einen eine durchaus bestehende Umstellungsfähigkeit und widerlegt zum anderen deutlich die behaupteten schwerwiegenden Orientierungsstörungen. In diesem Zusammenhang wäre weiter zu würdigen gewesen, dass bereits die Kliniken S2 ausgeführt haben, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers stark von seiner Motivation und der Interessenlage abhängig gewesen ist. Korrespondierend zu ihren tatsächlichen Feststellungen hat R1 den Kläger psychisch als wach, bewusstseinsklar und in allen gängigen Qualitäten als orientiert beschrieben, also einen Normalbefund erhoben. Das rechtfertigt in keiner Weise einen GdS von 70 und steht nicht mit den gezogenen Schlussfolgerungen in Übereinstimmung.

Wie überzeugend es daneben ist, dass mehrfach eine PTBS diagnostiziert worden ist, obwohl der Kläger schon gegenüber P1 als auch gegenüber R1 eingeräumt hat, sich überhaupt nicht an das Ereignis erinnern zu können, so dass bereits das A-Kriterium nicht erfüllt ist, kann ebenso dahinstehen wie der Umstand, dass R1 Besserungsmöglichkeiten durch entsprechende therapeutische Maßnahmen sieht, solche vom Kläger aber in Ermangelung eines Leidensdrucks nicht in Anspruch genommen werden.

Daneben kommt im Gehirnbereich II kein höherer Teil-GdS als 30 in Betracht, der nach den Bewertungsvorgaben mit einer Punktzahl von 15 zu berücksichtigen ist. Mehr als leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen (vgl. VG, Teil B, Nr. 3.1.2) sind nämlich weiterhin nicht objektiviert, eine im MRT sichtbare neurologische Befundänderung hat die Gutachterin R1 überzeugend verneint.

Im Funktionsbereich „Sehen“ ist weiterhin kein höherer Teil-GdS als 40 begründet. Dabei muss zunächst berücksichtigt werden, dass das maßgebliche Vergleichsgutachten der S3 bei der – rechtlichen – Bewertung des GdS von unzutreffenden Maßstäben ausgeht und deshalb zu einem überhöhten Teil-GdB gelangt. Die Gutachterin meint nämlich zu Unrecht, innerhalb des Funktionssystems Einzel-GdS-Werte addieren zu können und so zu einem Gesamt-GdS zu gelangen. Dies widerspricht den Bewertungsvorgaben der VG, Teil B, Nr. 3 d ee zur Bildung des Gesamt-GdS, was auch versorgungsärztlich nur unzureichend beachtet worden ist. Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, führen nach den Vorgaben der VG nämlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Ein höherer Teil-GdS als 40 lässt sich daher aus den Befunden der Gutachterin nicht herleiten.

Eine wesentliche Änderung im schädigungsbedingten Befund ist nicht objektiviert und folgt insbesondere – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht aus dem Bericht des C1. Dieser hat nämlich den Visus mit rechts 0,8 und links 0,7 befundet und damit deutlich besser als in den Gutachten. Daneben hat er überzeugend herausgestellt, dass die Brillenkorrektur durch die irregulären Hornhautoberflächen unbefriedigend geworden ist, sodass formstabile Kontaktlinsen empfohlen wurden. Dass die Ursache dieser Hornhautveränderungen in der Excimer-Chirurgie liegt, ist von ihm ebenso bestätigt worden, wie zuvor bereits die. R2 auf einen vorbestehenden Zustand nach Laser-Koagulation beidseits verwiesen hat. Dass insoweit keine Schädigungsfolge vorliegt, hat die W2 in ihrem Gutachten nochmals überzeugend betont.

Soweit die W2 in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft einen schlechteren Visus mit einem beidäugigen Visus von 0,32 angegeben hat, folgt hieraus nichts anderes. Sie weist nämlich selbst darauf hin, dass die Sehschärfeprüfung mittels Brille erfolgt ist, der Kläger aber üblicherweise Kontaktlinsen – wegen der Hornhautveränderungen (vgl. oben die Ausführungen des C1) – trägt, die eine deutlich bessere Sehschärfe erwarten lassen. H2 hat versorgungsärztlich damit zu Recht auf die schädigungsunabhängigen Veränderungen verwiesen und deshalb eine wesentliche Änderung verneint. Auf seine weiteren Ausführungen hinsichtlich der Untersuchungsmethode kommt es schon deshalb nicht an. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger gegenüber S3 noch angegeben hat, dass ihm das Lesen praktisch nicht möglich sei, während er gegenüber. R1 im Gegenteil beschrieben hat, viel zu lesen, was in tatsächlicher Hinsicht ebenfalls keine Verschlechterung, sondern das Gegenteil belegt.

Vorstehendes kann aber auch deshalb dahinstehen, da selbst wenn von einem weiteren Einzel-GdS von 30 ausgegangen würde, sich daraus keine Erhöhung des Gesamt-GdS im Funktionssystem auf mehr als 60 rechtfertigen würde, woraus keine relevante Erhöhung der Punktzahl folgt, wie vom SG bereits zutreffend dargelegt. Dementsprechend kommt es weiter nicht darauf hin, dass die S3 überzeugend herausgearbeitet hat, dass sich die Sehstörungen mit der psychischen Problematik überlagern, wodurch der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 DVO eröffnet ist.

Im Funktionssystem „Gehör“ ist kein Teil-GdB zu berücksichtigen, wie leer> H2 versorgungsärztlich zu Recht ausgeführt hat. Anders als der Kläger glauben machen will, ist die von ihm geltend gemachte Verschlechterung des Hörvermögens ebenfalls durch die Erhebung einer sachverständigen Zeugenauskunft abgeklärt worden. Bestätigt hat sich sein Vorbringen indessen nicht. Nach dem von dem H1 mitgeteilten Hörverlust von rechts 38 % und links 5 % ergibt sich nach der einschlägigen Tabelle der VG, Teil B, Nr. 5.2.4 eine geringgradige Schwerhörigkeiten auf der einen und eine Normalhörigkeit auf der anderen Seite, also ein GdS von 0. Auf die angenommene Verschlechterung gegenüber seinen eigenen Vorbefunden mit einem prozentualen Hörverlust von rechts 37 % und links 0% kommt es somit nicht an. Jedenfalls wird aber deutlich, dass sich die deutlich schlechteren Vorbefunde aus dem Gutachten des A1 (Hörverlust 58 % rechts und 27 % links) bei beiden Erhebungen des H1 – die gut ein Jahr auseinanderlagen – nicht haben bestätigen lassen. Selbst der bei dem Gutachten gesehene Hörverlust führt aber zu keinem höheren Teil-GdS als 20 und ist daher bei der Punktberechnung für die Schwerstbeschädigtenzulage nicht zu berücksichtigen.

Eine höhere Gesamtpunktzahl als 135 wird daher nicht erreicht, insbesondere keine solche von 160, wie sie für die Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe II aber vorausgesetzt wird. Der Beklagte hat die Neufeststellung der Schwerstbeschädigtenzulage daher zu Recht abgelehnt.

Ebenso kann der Kläger die Gewährung einer Pflegezulage nach einer höheren Stufe nicht beanspruchen.

Rechtsgrundlage für die Gewährung der Pflegezulage ist § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG. Danach wird eine monatliche Pflegezulage nach Stufe I gezahlt, solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I, § 35 Abs. 1 Satz 7 BVG.

Ist die Gesundheitsstörung so schwer, dass sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage ja nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf die Stufen II, III, IV, V und VI zu erhöhen, § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulagen sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend, § 35 Abs. 1 Satz 5 BVG. Hinsichtlich der Pflegezulage bestimmt VG, Teil C, Nr. 13 in der Fassung des Art. 18 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541 – a.F.), dass Pflegezulage bewilligt wird, solange Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos sind, dass sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Die Aufhebung von VG, Teil C, Nr. 13 a.F. durch Art. 27 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, ist lediglich eine Folgeänderung zur Aufhebung des BVG (vgl. BT-Drs. 19/13824, S. 252), welches vorliegend aufgrund des Übergangsrechts aber anwendbar bleibt, sodass auf die entsprechenden Grundsätze der VG weiter zurückzugreifen ist.

Die Pflegezulage wird in sechs Stufen bewilligt. Für dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege sind die Stufen II bis VI vorgesehen (vgl. VG, Teil C, Nr. 13c aF). Ein dauerndes außergewöhnliches Pflegebedürfnis liegt vor, wenn der Aufwand an Pflege in etwa in gleichem Umfang wie bei dauerndem Krankenlager einer beschädigten Person notwendig ist. Dauerndes Krankenlager setzt nicht voraus, dass man das Bett überhaupt nicht verlassen kann (vgl. VG, Teil C, Nr. 13d aF).

Ausgehend von diesen Maßstäben kann der Senat dahinstehen lassen, ob der Beklagte zu Recht vom Bestehen von Hilfslosigkeit ausgegangen ist, nachdem eine Pflegezulage bewilligt worden ist. Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass nach den aktenkundigen Unterlagen der Pflegekasse die bisher anerkannte Pflegestufe I ohne erneute Untersuchung in den Pflegegrad III übergeleitet worden ist, bei dem auch die vorher gesondert berücksichtigten Einschränkungen der Alltagskompetenz mitbewertet werden. Eine Änderung des medizinischen Befundes folgt hieraus nicht, was die leer> W1 nicht beachtet.

Jedenfalls sind die Voraussetzungen für die Annahme eines dauernden Krankenlagers oder eines vergleichbaren Zustandes nicht gegeben. Dass der Kläger Unterstützung bei der Körperpflege benötigt, ist in den Pflegegutachten bereits berücksichtigt worden, sodass sich aus seinem Vorbringen kein neuer Sachverhalt ergibt. Hieraus folgt indessen kein Zustand, der einem dauernden Krankenlager vergleichbar ist. Dagegen spricht weiter, dass die Gutachterin. R1 erhoben hat, dass der Kläger – zum Zeitpunkt der Untersuchung – seinen Sohn täglich zum Kindergarten bringt und wieder abholt, Einkäufe erledigt und Arztbesuche tätigt. Daneben hat die Gutachterin beschrieben, dass der Kläger von der Ehefrau zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angehalten worden ist und alleine in der Lage war, an die Bushaltestelle zu gelangen.

Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, dass er Essen bestellen müsse, weil er nicht für seinen Sohn kochen könne, belegt auch dies einen Pflegebedarf vergleichbar einem dauernden Krankenlager nicht. Vielmehr wird deutlich, dass der Kläger offensichtlich in der Lage ist, seinen Sohn zu betreuen und zu versorgen. Wie überzeugend es daneben ist, dass seine Ehefrau umfangreiche Pflegeleistungen zu seinen Gunsten erbringen soll, der Kläger seine Frau selbst aber als krankheitsbedingt deutlich eingeschränkt beschreibt, kann dahinstehen.

Soweit der Kläger behauptet, die Pflegezulage sei von ihm schon vorher beantragt, vom Beklagten hierüber aber nicht entschieden worden, trifft dies nicht zu. Tatsache ist vielmehr, dass der Bescheid vom 2. Oktober 2014 über den Antrag des Klägers auf die Gewährung der Pflegezulage – ablehnend – entschieden hat und der Widerspruch gegen den Bescheid zurückgenommen wurde, somit jedenfalls hinsichtlich dieses Streitgegenstandes bestandskräftig geworden ist. Unabhängig davon hat er beim SG die Gewährung der höheren Pflegezulage schon nur ab dem 1. Juni 2019 beantragt, nach Stufe I hat das LRA die Pflegezulage aber bereits ab diesem Zeitpunkt gewährt, wenngleich der Antrag erst vom 4. Juli 2019 datiert.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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