L 3 SB 178/23 B

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 36 SB 364/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 SB 178/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


Das Beschwerdegericht kann einen Kläger im Rahmen der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe zu einer Ratenzahlung in Form einer Einmalzahlung in Höhe der Vergütung verpflichten, die der ihm beigeordneten Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu gewähren ist und die Fälligkeit der Einmalzahlung davon abhängig zu machen, ob bzw. wann die beigeordnete Rechtsanwältin eine Vergütung zulasten der Staatskasse geltend macht. 


Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. August 2023 abgeändert, soweit dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne die Pflicht zur Ratenzahlung bewilligt worden ist. Der Kläger wird zu einer Einmalzahlung in Höhe der Vergütung verpflichtet, die der ihm beigeordneten Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu gewähren ist. Die Einmalzahlung wird fällig, sobald die ihm beigeordnete Rechtsanwältin ihre Vergütung geltend macht.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.


Gründe

I.

In dem vorliegenden Beschwerdeverfahren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) durch das Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) vom 1. August 2023 ohne Zahlungsbestimmung.

In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen S 36 SB 364/21 hat sich der 1968 geborene Beschwerdegegner als Kläger gegen den Bescheid des Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Frankfurt vom 20. April 2021 in der Geschalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2021 gewandt und zunächst die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (SGB IX) begehrt. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. September 2021 hat er die Klage auf die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens „aG“ erweitert. Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Frankfurt hat sodann mit Bescheid vom 8. November 2022 rückwirkend ab dem 5. Juli 2022 einen GdB von 50 anerkannt. Da das beklagte Land aber gleichzeitig (erstmals) die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen „G“ und „aG“ abgelehnt hat, hat der Beschwerdegegner das Klageverfahren zunächst nicht für erledigt erklärt. Erst nachdem das Sozialgericht darauf hingewiesen hatte, dass der Bescheid vom 8. November 2022 hinsichtlich der Merkzeichen „G“ und „aG“ nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden und dass insoweit mangels Vorverfahren auch eine Klageänderung nicht zulässig sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2023 das Klageverfahren für erledigt erklärt. 

In dem Klageverfahren hat der Beschwerdegegner mit Klageerhebung Prozesskostenhilfe beantragt und hierzu mit Schriftsatz vom 21. September 2021 einen Bescheid des Jobcenters Frankfurt am Main vom 14. Juli 2021 vorgelegt. Mit Verfügung vom 27. Mai 2022 hat das Sozialgericht im Hinblick auf den Antrag auf Prozesskostenhilfe „um die Übersendung eines sorgfältig ausgefüllten PKH-Formulars“ gebeten sowie um die Übersendung von Kopien der Kontoauszüge aller Konten – im In- und im Ausland – für den Zeitraum vom 1. März 2022 bis zum 27. Mai 2022. Mit Schreiben vom 27. Juni 2022 hat der Beschwerdegegner sodann Kontoauszüge für Mai 2022 vorgelegt sowie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und einen Bescheid des Jobcenters Frankfurt am Main vom 27. November 2021. Mit Beschluss vom 1. August 2023 hat das Sozialgericht dem Beschwerdegegner unter Beiordnung der Rechtsanwältin C. B. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den ersten Rechtszug bewilligt. 

Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 14. September 2023 im Rahmen der Kostenprüfung um elektronische Übersendung des PKH-Beihefts gebeten. Mit Schreiben vom 18. September 2023 wurde das PKH-Heft dem Beschwerdeführer sodann elektronisch übersandt. Auf Nachfrage des Beschwerdeführers hat das Sozialgericht mit Schreiben vom 21. September 2023 mitgeteilt, dass dem Sozialgericht kein aktueller Leistungsbescheid vorliegt.

Der Beschwerdeführer hat am 12. Oktober 2023 Beschwerde bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.

Der Beschwerdeführer trägt vor, dass vermutet werde, dass der Kläger über Einkommen verfügt, dass zu einer Prozesskostenhilfebewilligung unter Ratenzahlungen führen könnte. Aus der Prozesskostenhilfe-Beiakte ergebe sich lediglich, dass der Beschwerdegegner bis August 2022 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bezogen habe. Ein aktueller Leistungsbescheid habe dem Sozialgericht nicht vorgelegen. Die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe seien daher nicht bekannt.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, 

den Kläger unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. August 2023 für den ersten Rechtszug zur Ratenzahlung zu verpflichten.

Der Beschwerdegegner hat sich trotz mehrfacher Aufforderung des Senats zu der Beschwerde nicht eingelassen. Er hat zudem auch auf die Aufforderung des Senats vom 17. Oktober 2023 nicht reagiert, lückenlos alle SGB II (oder SGB XII) - Leistungsbescheide seit August 2022 vorzulegen. Auch die Erinnerungen des Senats vom 21. November 2023 und vom 27. Dezember 2023 sind ohne Reaktion des Beschwerdegegners geblieben. 

Auf Nachfrage des Senats hat das Sozialgericht mitgeteilt, dass in dem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 36 SB 364/21 keine Kostengrundentscheidung ergangen ist und dass im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe bisher keine Festsetzung einer Vergütung erfolgt ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch im Vorbringen der Beteiligten, auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten des Senats Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde der Staatskasse gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 127 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist zulässig und begründet. 

Der Streitgegenstand ist im Rahmen des Beschwerderechts der Staatskasse aus § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO (iVm. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) auf die unterbliebene Festsetzung von Monatsraten oder von Zahlungen aus dem Vermögen beschränkt; die Bewilligung der PKH als solche kann die Staatskasse hingegen nicht angreifen (vgl. nur Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 127 ZPO Rn. 50). Das Beschwerdegericht darf daher bei einer zulässigen und begründeten Beschwerde der Staatskasse nicht die PKH aufheben, sondern muss eine Einmalzahlung festsetzen oder bestimmen, dass die Partei der Staatskasse die von ihr verauslagten Prozesskosten zu erstatten hat (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 127 ZPO Rn. 49).

Vorliegend ist die Beschwerde der Staatskasse zulässig und begründet, so dass der Beschluss des Sozialgerichts vom 1. August 2023 abzuändern ist, soweit dem Beschwerdegegner Prozesskostenhilfe ohne die Pflicht zur Ratenzahlung für das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 36 SB 364/21 bewilligt worden ist. 

Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 127 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Fristen aus § 127 Abs.3 Sätze 3 ff. ZPO (iVm. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) sind eingehalten: Der Beschluss des Sozialgerichts ist der Staatskasse – wie üblich und entsprechend der Vorgaben aus § 127 Abs. 3 Satz 6 ZPO (iVm. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) – zunächst nicht bekanntgegeben worden. Die einmonatige Beschwerdefrist begann daher erst mit dem Zeitpunkt des Akteneingangs im Rahmen der stichprobenartigen Überprüfung von Prozesskostenhilfe-Bewilligungsentscheidungen ohne Zahlungsbestimmung; dieser erfolgte nach Mitteilung der Staatskasse, an der zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, am 18. September 2023. Angesichts des Eingangs der Beschwerdeschrift beim Hessischen Landessozialgericht am 12. Oktober 2023 ist damit die Beschwerdefrist eingehalten.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen war nicht rechtmäßig. Der Kläger hat trotz Aufforderung des Senats nicht glaubhaft gemacht, dass er nicht über einsetzbares Einkommen oder Vermögen gemäß § 115 ZPO verfügt.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des jeweiligen Gerichts. Das gilt auch im Beschwerdeverfahren. Veränderungen der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse seit Antragstellung sind zu berücksichtigen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. November 2022 – L 1 BA 27/22 B – juris Rn. 28). 
Hier hat der Kläger weder glaubhaft gemacht, dass zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorlagen, noch, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt der Fall ist. Trotz mehrfacher Aufforderungen des Senats und trotz des Vorbringens des Beschwerdeführers hat der anwaltlich vertretene Kläger für die Zeit ab August 2022 gerade nicht glaubhaft gemacht, dass er noch auf Sozialleistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII angewiesen war. Dies spricht aber dafür, dass der Kläger inzwischen über Einkommen und Vermögen verfügt, aus dem er die Kosten der Prozessführung tragen kann. Ohne die Mitwirkung des Klägers kann der Senat dies nicht weiter aufklären, da die maßgeblichen Umstände in seiner Sphäre liegen. Schon die auf Grund der fehlenden Mitwirkung verbleibenden Zweifel müssen daher dazu führen, dass die Beschwerde Erfolg hat. 

Wegen des – bereits dargestellten – beschränkten Beschwerdegegenstands darf das Beschwerdegericht auf die Beschwerde der Staatskasse jedoch die Bewilligung der PKH nicht aufheben, auch wenn es an deren wirtschaftlichen Voraussetzungen gänzlich fehlt oder diese auf Grund unzureichender Mitwirkung des Beschwerdegegners nicht feststellbar sind. Wohl aber darf das Beschwerdegericht eine Einmalzahlung festsetzen oder bestimmen, dass die Partei der Staatskasse die von ihr verauslagten Prozesskosten zu erstatten hat (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. November 2022 – L 1 BA 27/22 B – juris Rn. 36; Schultzky, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 127 Rn. 49 mwN.). 

Dementsprechend hält der Senat es vor dem dargelegten Hintergrund für angemessen, den Kläger zu einer Einmalzahlung in Höhe der Vergütung zu verpflichten, die der ihm beigeordneten Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu gewähren ist und die Fälligkeit der Einmalzahlung davon abhängig zu machen, ob bzw. wann die beigeordnete Rechtsanwältin eine Vergütung zulasten der Staatskasse geltend macht. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass der Kläger im Klageverfahren im Hinblick auf den Streitgegenstand des angegriffenen Bescheides des beklagten Landes vom 20. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2021 sowie im Hinblick auf sein Klagebegehren der Zuerkennung eines GdB von 50 obsiegt hat. Dementsprechend kann er gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG einen Kostenantrag stellen und voraussichtlich seine notwendigen außergerichtlichen Kosten gegenüber dem beklagten Land jedenfalls in Teilen geltend machen. 

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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