Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Asbeststaublungenerkrankung [Asbestose] oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura – BK 4103) anzuerkennen und deshalb Lebzeiten- und Hinterbliebenenleistungen zu erbringen sind.
Die Klägerin ist Witwe des am 7. August 1998 verstorbenen Versicherten, der an einem Lungenkarzinom erkrankt war. Nach der ärztlichen Anzeige einer Berufskrankheit vom 20. Januar 1994 bestand beim Versicherten der Verdacht eines asbestinduzierten Bronchialkarzinoms. Im weiteren Verlauf wurde bei ihm ein noch peripheres, undifferenziertes, angedeutet adenoides, metastasiertes Karzinom des linken Oberlappens diagnostiziert. Der beratende Arzt der Beklagten sah im Rahmen der Prüfung von BKen 4103-4105 einen Lungenkrebs im Sinne der BK 4104 als nachgewiesen an.
Mit Bescheid vom 4. Januar 1996 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK 4104 in Verbindung mit § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie einer Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO (Wie-BK) nebst Leistungserbringung ab. Zwar sei das Erfordernis eines primären Lungenkarzinoms erfüllt; asbestbedingte Lungenveränderungen im Sinne einer (Minimal-)Asbestose bzw. pleurale Veränderungen asbesttypischer Art hätten jedoch weder bildgebend noch in wesentlichem Umfang feingeweblich nachgewiesen werden können. Für die Anerkennung einer Wie-BK fehle es an neuen Erkenntnissen zu einer beruflichen Verursachung. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 1998 wies die Beklagte den hiergegen erhobenen Widerspruch als unbegründet zurück. Das vom Versicherten und nach dessen Tod von der Klägerin als seiner Sonderrechtsnachfolgerin geführte Klageverfahren blieb mit Urteil des Senats vom 29. September 2011 (L 6 U 163/02) rechtskräftig erfolglos (abschließend Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht – BSG – durch Beschluss vom 31. Januar 2012 – B 2 U 335/11 B).
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Erbringung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin ab, weil beim Versicherten bereits keine BK 4104 vorgelegen habe. Bei diesem hätten (u. a.) weder eine Asbestose noch eine asbeststaubbedingte Erkrankung der Pleura bestanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002 wies die Beklagte den dagegen erhobenen Widerspruch zurück und blieb bei der abgegebenen Begründung.
Das dagegen eingeleitete Klageverfahren mündeten nach Klageabweisung in eine vom 27. Juli 2015 an anhängige Berufung der Klägerin (L 6 U 96/15). Mit dem Berufungsschriftsatz beantragte diese bei der Beklagten den Erlass eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides „zur Berufskrankheit Nr. 4103“.
Mit Bescheid vom 22. September 2015 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK 4103 ab, da beim Versicherten kein entsprechendes Krankheitsbild vorgelegen habe. Leistungen seien daher insgesamt nicht zu erbringen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2016 als unbegründet zurück und führte aus, das beim Versicherten aufgetretene Lungenkarzinom sei keine der Erkrankungen des Tatbestandes der BK 4103. Diese Feststellung sei bereits Bestandteil des rechtskräftigen Urteils vom 29. September 2011 gewesen. Der Bescheid wurde am 10. Februar 2016 zur Post gegeben.
Die Klägerin hat hiergegen am 10. März 2016 vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Februar 2019 hat der Senat die Berufung (u. a.) der Klägerin im Verfahren L 6 U 96/15 zurückgewiesen. Dabei ist er neben der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2002 von einer Klage auf Feststellung einer BK 4103 und 4104 sowie einer Leistungsklage auf Hinterbliebenenleistungen ausgegangen. Er hat ausgeführt, der Antrag der Klägerin auf Feststellung einer BK 4104 bzw. Wie-BK sei bereits wegen der Rechtskraft des Urteils vom 29. September 2011 unzulässig. Darüber hinaus könne die Entscheidung über die Anerkennung einer BK kein eigenständiger Gegenstand einer Entscheidung über Hinterbliebenenleistungen sein (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R – juris).
Den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2016 hob der Senat im Urteil auf. Dieser sei gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Verfahrensgegenstand geworden, da er eine ablehnende Regelung getroffen habe, die notwendig bereits Überprüfungsgegenstand des vorher angefochtenen Bescheides vom 28. Oktober 2002 sei. In diesem habe die Beklagte die Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen tragend damit begründet, dass keine Asbeststaublungenerkrankung sowie keine asbeststaubbedingte Erkrankung der Pleura im Sinne der BK 4104 Spiegelstrich 1 und 2 vorlägen. Diese Entscheidung sei von derjenigen über die wortgleichen Tatbestandsvoraussetzungen der BK 4103 nicht zu trennen. Der Bescheid vom 22. September 2015 sei wegen der durch ihn hervorgerufenen formellen Beschwer aufzuheben, weil für seinen Erlass angesichts des alleinigen Anspruchs auf eine einheitliche und vollständige Entscheidung über Hinterbliebenenleistungen eine Ermächtigungsgrundlage fehle. Der dazu ergangene und angefochtene Bescheid vom 28. Oktober 2002 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe Hinterbliebenenleistungen auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer BK 4103 zu Recht abgelehnt.
Die Beklagte hat im Klageverfahren ihren Bescheid vom 8. April 2019 vorgelegt, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2019 wegen Rechtswidrigkeit wieder aufgehoben hat. Sie sei gegenüber der Klägerin nicht befugt gewesen, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob beim Versicherten eine BK 4103 bestanden habe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R – juris, Rn. 25 ff. sowie Urteil des Senats vom 21. Februar 2019 – L 6 U 96/15 – s.o.). Insoweit ist beim SG das Verfahren S 7 U 109/19 anhängig.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2019 hat das SG die vorliegende Klage als unzulässig abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 22. September 2015 sei nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens L 6 U 96/15 geworden; das Gericht schließe sich der Ansicht des Senats im Urteil vom 21. Februar 2019 an. Angesichts der hierin erfolgten Aufhebung des Bescheides fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
Gegen den ihr am 21. Oktober 2019 zugegangenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. November 2019 beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und ausgeführt, das SG sowie das LSG verwechselten die Streitgegenstände, wenn sie die BKen 4103 und 4104 gleichsetzten. Vom Begriff der Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der BK 4103 sei auch Lungenkrebs erfasst. Zudem sei § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch zu beachten.
Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Oktober 2019 sowie den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Lungenkrebs ihres verstorbenen Ehemannes als Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihr Lebzeiten- und Hinterbliebenenleistungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend; die Klage sei bereits unzulässig. Für einen Hinterbliebenen sei kein Feststellungsinteresse hinsichtlich eines konkreten Versicherungsfalls des Verstorbenen ersichtlich (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. März 2021 – B 2 U 7/19 R – juris, Rn. 24; Urteil vom 6 Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R – juris, Rn. 14). Jedenfalls sei die Klage unbegründet, weil beim Versicherten eben keine Asbeststaublungenerkrankung vorgelegen habe. Seine Lungenkrebserkrankung falle nicht unter das Krankheitsbild einer Asbestose nach der BK 4103, sondern sei der BK 4104 zuzuordnen. Der Nachweis eines primären Lungenkrebses schließe zwangsläufig die Anerkennung einer BK 4103 aus.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird neben den Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Verfahren L 6 U 163/02 und L 6 U 96/15 sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten des Versicherten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg, worüber der Senat mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte.
Die kombinierte Klage ist insgesamt unzulässig.
Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2016 gerichtete Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist gemäß § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 261 Abs. 3 Nr. 1 Zivilprozessordnung unzulässig, weil sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem SG am 10. März 2016 bereits anderweitig anhängig war.
Mit Erlass des Bescheides vom 22. September 2015 war (auch) sie nämlich Gegenstand des Verfahrens L 6 U 96/15. Dies ergibt sich gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG bereits aus der materiellen Rechtskraft des Urteils vom 21. Februar 2019. In dessen Tenor hat der Senat die gegen den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2016 gerichtete Anfechtungsklage sachlich beschieden und dies auf dessen Einbeziehung in das Verfahren gemäß § 96 Abs. 1 SGG gestützt. Die materielle Rechtskraft umfasst weiter den Umstand, dass diese Bescheide schon deshalb nicht mehr aufgehoben werden können, weil entsprechendes schon durch das Urteil vom 21. Februar 2019 bewirkt worden ist.
Nicht Gegenstand des Klageverfahrens ist der durch Widerspruchsbescheid vom 7. August 2019 wieder aufgehobene Bescheid der Beklagten vom 8. April 2019. Dieser kann schon deshalb nicht nach § 96 Abs. 1 SGG einbezogen worden sein, weil er keinen Bezug zum angefochtenen Verwaltungsakt vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2016 mehr haben kann. Denn dieser war zum Zeitpunkt des Erlasses der neuen Bescheide bereits durch das Urteil vom 21. Februar 2019 aufgehoben. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob auch eine unzulässige Klage gegen einen Bescheid eine Einbeziehung eines Folgebescheides nach § 96 Abs. 1 SGG vermitteln kann. Denn über die wirksame Aufhebung der vorangegangenen Bescheide besteht kein Streit. Die Klägerin beruft sich darauf sogar zur Begründung ihrer am 10. März 2016 erhobenen Klage. Auch die Beklagte vertritt diesen Standpunkt, indem sie sich der Argumentation des SG anschließt. Jedenfalls kann die Wirkung des § 96 SGG, ein gesetzlich vorgeschriebenes Vorverfahren nach den §§ 78 ff. SGG auszuschließen, nicht eintreten, wenn zuvor lediglich ein Verwaltungsakt angefochten war, bezüglich dessen in keinerlei Hinsicht mehr ein entscheidungsbedürftiger Streit ersichtlich ist. Anderenfalls würde allein die Benennung irgendeines früher ergangenen Bescheides als Anfechtungsgegenstand einer Klage ermöglichen, das gesetzlich angeordnete Vorverfahren zu umgehen.
Die Verpflichtungsklage auf Anerkennung einer BK 4103 ist jedenfalls mangels Klagebefugnis gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG unzulässig. Denn nach Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2016 liegt bereits keine der Bestandskraft fähige Ablehnung des Begehrens der Klägerin auf isolierte Anerkennung einer BK 4103 vor. Die Gründe für den fehlenden Anspruch einer Hinterbliebenen auf eine entsprechende Feststellung gehen aus dem Urteil vom 21. Februar 2019 hervor; sie sind hier nicht erneut zu behandeln, zumal die Beklagte insoweit auf weitere einschlägige Rechtsprechung verwiesen hat (BSG, Urteile vom 16. März 2021 – B 2 U 7/19 R – und vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R).
Wiederum die Rechtskraft des Urteils vom 21. Februar 2019 steht der Klage auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen entgegen. Der Senat hat hierin die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, mit dem dieses den – insoweit zutreffend – sinngemäß gefassten Antrag abgewiesen hat, (u. a.) der Klägerin Leistungen für Hinterbliebene zu gewähren. Er hat ausdrücklich ausgeführt, die Ablehnung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen umfasse auch die ggf. aus einer BK 4103 hervorgehenden Anspruchsgründe.
Was schließlich die Klage auf Gewährung von Lebzeitenleistungen anbelangt, auf die der Versicherte ggf. Anspruch gehabt hätte und die auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übergegangen wären, steht ihrer Zulässigkeit die Rechtskraft des Urteils vom 29. September 2011 entgegen. Denn danach steht bereits auf Grundlage des Bescheides vom 4. Januar 1996 bestandskräftig fest, dass beim Versicherten keine Asbeststaublungenerkrankung bzw. keine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura vorlag (= vollständiger Ausschluss des Tatbestandes der BK 4103) und deshalb keine Leistungsansprüche bestehen. Ansonsten existiert bezüglich des Versicherten keine anfechtbare Entscheidung über eine Ablehnung konkreter Leistungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. März 2021 – B 2 U 17/19 R – juris, Rn. 16 und 19 ff.; Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 21/08 R – juris, Rn. 15), womit insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Im aufgehobenen Bescheid vom 22. September 2015 war allein die Anerkennung einer BK 4103 abschlägig geregelt. Dass bereits deshalb die Gewährung von Leistungen ausscheidet, ist lediglich resümierender Schlusssatz seiner Begründung. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtslage und tatsächlicher Einzelfallbewertung beruht, ohne dass der Senat von einem der in dieser Norm bezeichneten Gerichte abweicht.