Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Erkrankungen des Blutes, des Blut bildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol – BK 1318) anzuerkennen und deshalb insbesondere Verletztenrente zu zahlen ist.
Die 1968 geborene Klägerin erlernte von Anfang September 1985 bis Mitte Juli 1988 in den L.-Werken in L. den Beruf der Chemiefacharbeiterin. Anschließend war sie bis Ende Januar 1990 in den L.-Werken in L. und danach bis Anfang Dezember 1990 in den L.-Werken in C. beschäftigt. Nachfolgend arbeitete sie überwiegend als Verkäuferin im Einzelhandel.
Unter dem 12. Mai 2015 zeigte der Chefarzt der Medizinischen Klinik II des C.-v.-B.-Klinikums M. Prof. Dr. S. der Beklagten den Verdacht einer BK an. Aus seinen Arztbriefen vom 15. und 28. Mai 2015 ging ein niedrig malignes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom hervor.
Am 5. Juni 2015 führte eine Mitarbeiterin der Beklagten ein Gespräch mit der Klägerin, die laut Aktenvermerk vom 11. Juni 2015 u.a. angab, keine Reinigungsarbeiten durchgeführt zu haben. Ob Benzol oder benzolhaltige Stoffe eingesetzt wurden, sei ihr nicht bekannt.
Unter dem 3. November 2015 führte die Präventionsabteilung der Beklagten aus, während ihres ersten Lehrjahres habe die Klägerin nur Berufsschulunterricht gehabt. Im zweiten Lehrjahr sei sie in der Adipinsäurefabrik und im dritten Lehrjahr in der alten Phenolfabrik im Werksteil 1, Bau 983, tätig gewesen. In der alten Phenolfabrik sei Phenol aus Steinkohlen- bzw. Braunkohlenteer destilliert worden. Benzol sei hierbei weder als Ausgangsstoff noch Zwischenprodukt zum Einsatz gekommen. Auch im Werk in C. habe die Klägerin keinen Kontakt zu Benzol gehabt.
In ihrer Stellungnahme vom 7. Dezember 2015 empfahl die Gewerbeärztin S. daraufhin die Ablehnung einer BK 1318.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als BK 1318 mangels nachgewiesener Benzoleinwirkung ab.
Den hiergegen am 3. März 2016 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2016 zurück und vertiefte zur Begründung ihre bisherigen Ausführungen.
Am 17. Oktober 2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, Teil ihrer Lehre sei auch eine Laborausbildung gewesen, bei welcher sie mit Benzol in Berührung gekommen sei. Als Lehrling habe sie auch Reinigungsarbeiten mit benzolhaltigen Reinigungsmitteln ausgeführt. Hierbei habe sie nicht immer Schutzkleidung getragen. Erhebliche Benzolbelastungen müssten bei der Produktion von Klebeband auf Walzen angefallen sein. Sie habe die Walzen zu Beginn und zum Ende der Schicht mit einem benzolhaltigen Reinigungsmittel gereinigt.
Die Beklagte hat auf die Befragung der Klägerin am 5. Juni 2015 verwiesen. Insbesondere Reinigungsarbeiten habe sie seinerzeit ausdrücklich verneint. Nur für ihre Tätigkeit im Betriebsteil C. von Februar bis Dezember 1990 habe die Klägerin Angaben zur Reinigung von Walzen gemacht, ohne Aussagen zu Reinigungsmitteln treffen zu können. Dass Benzol grundsätzlich geeignet sei, ein B-Zell-Lymphom zu verursachen, sei unstrittig. Allein aus dem Umstand, dass in den L.-Werken mit Benzol gearbeitet worden sei, lasse sich indessen auf keinen entsprechenden Kontakt der Klägerin schließen.
Die Beklagte hat ihre Präventionsabteilung mit der Befragung der von der Klägerin als früheren Kollegen benannten Dr. P., Herrn T. und Dr. H. beauftragt. Laut deren Stellungnahme vom 18. Juli 2017 hat Dr. P. dargelegt, bei der Herstellung von Phenol (alte Phenolfabrik Bau 976, 983, 992) habe Benzol nicht als Ausgangsstoff oder Zwischenprodukt vorgelegen. Bei Tätigkeiten einer Chemiefacharbeiterin im Anlagenbereich (Probenahme, Stellhandlungen, Ablesen von Messwerten o.ä.) habe damit keine Benzolexposition stattfinden können. Herr T. hat angegeben, bei der Herstellung von Adipinsäure und der Oxidation von Cyclohexanol mit Salpetersäure trete Benzol nicht auf. Bei der Herstellung und Konfektionierung von Miramid (Polyamidgranulat) sei ebenso kein Benzol eingesetzt oder freigesetzt worden. In der L.-Dokumentation der Messprotokolle seien die Verfahren beschrieben und die eingesetzten Gefahrstoffe aufgeführt. Benzol sei bei diesen Verfahren nicht eingesetzt worden. Dr. H. habe mitgeteilt, keine Angaben zu den Tätigkeiten in den verschiedenen Produktionsbetrieben machen zu können, in denen die Klägerin tätig gewesen sei.
Mit Urteil vom 18. April 2019 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Soweit die Klägerin Leistungen begehre, sei die Klage bereits unzulässig. Denn über entsprechende Ansprüche habe die Beklage im angefochtenen Bescheid keine Regelung getroffen. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Erkrankung der Klägerin an einem B-ZeII-Lymphom sei zwar eine Erkrankung, die der BK 1318 zugeordnet werden könne. Allerdings fehle der Vollbeweis einer ausreichenden Exposition gegenüber Benzol. Am 5. Juni 2015 habe die Klägerin selbst angegeben, weder Kenntnis vom Einsatz von Benzol noch Reinigungsarbeiten durchgeführt zu haben. Die Darlegungen der Präventionsabteilung der Beklagten hätten die von der Klägerin benannten Zeitzeugen bestätigt.
Gegen das ihr am 3. Mai 2019 zugegangene Urteil hat die Klägerin noch im selben Monat beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt unter Wiederholung ihres Vorbringens Berufung eingelegt und gerügt, das SG überziehe die Beweisanforderungen, wenn es die stattgehabte Exposition nicht genügen lasse. Es sei ausgeschlossen, dass die Tätigkeit als Chemiefacharbeiterin nicht wesentlich mitursächlich für das Lymphom sei.
Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. April 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2016 aufzuheben, ihr B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom als Berufskrankheit nach Nr. 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr deshalb insbesondere Verletztenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Die Beteiligten sind zur Absicht des Senats gehört worden, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden und diese zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg, worüber der Senat im Beschlusswege befinden konnte.
Nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann der Senat außer in den – hier nicht gegebenen – Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. So liegt es hier. Eine mündliche Verhandlung war zur Sicherung der Entscheidungsgrundlagen nicht nötig, weil vor allem die rechtliche Würdigung der vorliegenden Tatsachen umstritten ist. Insoweit haben die Beteiligten ihre Ansichten schriftlich ausführlich zum Ausdruck gebracht und keine Einwände gegen die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG erhoben, die die Klägerin in ihrer Berufung selbst angesprochen hat.
Soweit die Klägerin mit ihrer Klage Leistungsansprüche verfolgt, ist diese bereits unzulässig, worauf das SG außer im Urteil bereits unter dem 27. August 2018 zutreffend hingewiesen hat (vgl. hierzu nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Februar 2005 – B 2 U 1/04 R – juris, Rn. 13, m.w.N.). Denn mangels einer von der Beklagten getroffenen Regelung über Leistungsansprüche liegt insoweit schon keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vor. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt ist allein die Ankerkennung des B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms als BK 1318 abgelehnt worden. Er enthält keine Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz), mit dem die Beklagte Leistungsansprüche verneint hat. Hierfür bestand auch kein Bedürfnis, nachdem sie bereits die Voraussetzungen zur Feststellung eines Versicherungsfalls nicht als erfüllt ansah.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2016 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Ihr B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom ist nicht als BK 1318 feststellbar.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung – die Berufskrankheiten-Verordnung – mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Voraussetzung für die Anerkennung der hier strittigen BK 1318 ist nach deren Tatbestand das Vorliegen einer durch Benzol verursachten Erkrankung des Blutes, des Blut bildenden bzw. des lymphatischen Systems. Mithin müssen für die Feststellung dieser BK folgende Kriterien erfüllt sein: Beim Betroffenen muss eine Erkrankung des Blutes, des Blut bildenden bzw. des lymphatischen Systems vorliegen, die durch berufliche Einwirkungen von Benzol (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) verursacht worden ist. Dabei müssen die besagte Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) belegt sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen sowie zwischen diesen und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – juris; Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – juris).
Gemessen daran sind die Voraussetzungen einer BK 1318 vorliegend nicht erfüllt.
Zunächst war die Klägerin während ihrer als belastend angeschuldigten beruflichen Tätigkeit als Chemiefacharbeiterin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigte versichert, wobei ihre in der DDR zurückgelegten Beschäftigungszeiten einer solchen versicherten Tätigkeit gleichstehen. Bei ihr ist auf Grundlage der Arztbriefe vom 15. und 28. Mai 2015 auch ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom gesichert, das grundsätzlich als BK 1318 in Betracht käme. Der Feststellung einer solchen BK steht aber entgegen, dass der Senat sich keine volle Überzeugung davon bilden kann, dass die Klägerin beruflich überhaupt gegenüber Benzol exponiert gewesen ist (vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen dieses Beweismaßstabs nochmals BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – juris, Rn. 14). Darauf, ob die geltend gemachten beruflichen Einwirkungen nach dem insoweit einschlägigen Beweismaßstab ihrem Umfang nach als wesentliche (Mit-)Ursache des Lymphoms wahrscheinlich zu machen sind, kommt es daher nicht mehr entscheidend an.
Vernünftige Zweifel an einer beruflichen Einwirkung von Benzol bestehen schon deshalb, weil die Klägerin entgegen ihrem späteren Vorbringen am 5. Juni 2015 selbst ausdrücklich erklärt hat, weder Kenntnis über den Einsatz von Benzol oder benzolhaltiger Stoffe noch überhaupt Reinigungsarbeiten durchgeführt zu haben. Dies entspricht im Ergebnis nicht nur den Darlegungen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 3. November 2015, sondern auch den Bekundungen der von diesem erstinstanzlich befragten Zeitzeugen, die ebenfalls übereinstimmend eine berufliche Exposition gegenüber Benzol verneint haben bzw. insoweit mangels Kenntnis der Klägerin von vornherein keine ergiebigen Angaben machen konnten. Allein der globale Hinweis der Klägerin darauf, dass in den L.-Werken auch Benzol zum Einsatz gekommen sei, ersetzt keinen notwendigen Beleg einer entsprechenden Gefährdung. Weitere konkrete Beweismittel hat auf den Hinweis vom 16. August 2019 auch die Klägerin nicht benannt oder sind solche für den Senat ersichtlich.
Für die von der Klägerin unter dem 2. Februar 2023 gemäß § 109 SGG beantragte Beauftragung Prof. Dr. S. bestand keine Veranlassung. Dass die Klägerin während ihrer angeschuldigten beruflichen Tätigkeit einer Gefährdung durch Benzol ausgesetzt gewesen ist, kann dieser nicht aus seinem ärztlichen Wissen oder mit Erkenntnissen aus einer ärztlichen Untersuchung belegen. Ihm fiktiv eine unbestimmbare Benzoleinwirkung vorzugeben, ersetzt keinen erforderlichen Vollbeweis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtslage und tatsächlicher Einzelfallbewertung beruht, ohne dass der Senat von einem der in dieser Norm bezeichneten Gerichte abweicht.