L 5 KR 26/22

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 3 KR 611/18
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 26/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Erfolgt beim Anspruch auf Krankengeld die weitere Feststellung von Arbeitsunfähigkeit (AU) durch eine Folgebescheinigung noch vor Ablauf der zuvor attestierten AU, beginnt die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, binnen derer der Krankengeldanspruch ruht, am Tag nach dem Ablauf der vorangegangenen AU.

Es handelt sich um eine Tagesbeginnfrist nach § 187 Abs. 2 BGB, so dass der erste Tag bei der Berechnung der Wochenfrist mitzählt. 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Im Streit steht die Frage, ob der Krankengeldanspruch des Klägers im Zeitraum vom 30. März 2018 bis zum 5. April 2018 ruhte.

Der 1963 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger war seit dem 22. Januar 2018 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 27. Februar 2018 Krankengeld in Höhe von 63,98 EUR täglich. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: „Bitte schicken Sie uns die Bescheinigung über ihre AU so schnell wie möglich zu. Sie muss innerhalb von sieben Tagen bei uns eingegangen sein. Nutzen Sie dazu auch unsere DAK-ScanApp. Einfach, mobil und sicher. Laden Sie die App aus ihrem Store gleich herunter.“ Am 19. März 2018 stellte der Arzt des Klägers eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) bis zum 29. März 2018 aus. Mit Datum vom 29. März 2018 (Gründonnerstag) attestierte er die weitere AU des Klägers bis zum 19. April 2018. Diese Bescheinigung ging am 6. April 2018 (Freitag) bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 12. April 2018 stellte die Beklagte das Ruhen des Krankengeldanspruchs des Klägers für den Zeitraum vom 30. März 2018 bis zum 5. April 2018 fest.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16. April 2018 Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2018 bat die Beklagte den Kläger erneut, die AU zukünftig mittels der DAK-ScanApp zeitgerecht zu übermitteln. Er könne die AU auch vorab per Mail, Telefax oder telefonisch melden, damit eine fristgerechte Meldung gewährleistet sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie ging dabei davon aus, dass die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) enthaltende Wochenfrist aufgrund der am 29. März 2018 festgestellten AU am 5. April 2018 endete. Die Bescheinigung über die weitergehende AU sei jedoch erst am 6. April 2018 und damit außerhalb dieser Frist bei ihr eingegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V strikt anzuwenden. Bei der Meldung der AU handele sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung seien deshalb von ihm zu tragen. Die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung sei nach der Rechtsprechung des BSG auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und dem Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn eine rechtzeitig aufgegebene AU-Bescheinigung auf dem Postweg verloren gehe oder Unkenntnis über die Notwendigkeit einer Meldung bestehe. Die Frist könne auch nicht deshalb verlängert werden, weil innerhalb des Zeitraums vom 30. März 2018 bis zum 5. April 2018 zwei Feiertage lägen. Eine Fristverlängerung sei nur im Fall des § 26 Abs. 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ende die Frist mit dem Ablauf des nächst folgenden Werktags, sofern das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend falle. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da vorliegend die Frist an einem Donnerstag (5. April 2018) geendet habe.

Dagegen hat der Kläger am 5. Oktober 2018 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass die Beklagte die Frist nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V unzutreffend berechnet habe. Diese Frist beginne erst am Folgetag nach Beginn der AU, also am 30. April 2018. Dabei sei nicht auf die ärztliche Feststellung der AU, sondern auf den Beginn der AU abzustellen. Da der 30. März 2018 allerdings ein gesetzlicher Feiertag (Karfreitag) gewesen sei, sei dieser bei der Berechnung der Wochenfrist nicht zu berücksichtigen. Gleiches gelte für den 2. April 2018 (Ostermontag). Somit sei Fristbeginn der 3. April 2018 und das Fristende der 10. April 2018 gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 30. März 2018 bis 5. April 2018 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2020 abgewiesen. Es ging davon aus, dass die am 29. März 2018 attestierte AU am 29. März 2018 begann. Die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V beginne somit am 30. März 2018 zu laufen und ende am 5. April 2018.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 21. Februar 2022 zugelassen.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des LSG Hessen (Urteil vom 8. Februar 2018 – L 1 KE 333/17, juris) und SG Saarland (Urteil vom 15. Juli 2020 – S 1 KR 824/19, juris) ergänzend geltend, dass hinsichtlich des Beginns der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorliegend auf den 31. März 2018 abzustellen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die vorangegangene AU-Bescheinigung die AU bis einschließlich 29. März 2018 festgestellt habe. Auch wenn die am 29. März 2018 ausgestellte Folgebescheinigung die AU am 29. März 2018 festgestellt habe, habe die neue AU erst am 30. März 2018 begonnen, da die Feststellung der AU bis zum 29. März 2018 bereits von der Vorbescheinigung abgedeckt gewesen sei. Da § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach seinem Wortlaut eindeutig auf den Tag nach Beginn der neuen weiteren AU abstelle, habe die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erst am 31. März 2018 zu laufen begonnen und somit erst am 6. April 2018 geendet. Diese Frist habe er eingehalten. Die Berechnung der Frist sei im Übrigen nach § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und nicht nach § 187 Abs. 2 BGB vorzunehmen,da sonst  die Wochenfrist faktisch verkürzt werde. Der Gesetzgeber differenziere nämlich in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V auch nicht nach Erst- und Folgebescheinigung, so dass die Anwendbarkeit des § 187 Abs. 1 BGB konsequenterweise für beide Meldungen gelte. Alles andere sei weder vom Wortlaut der Norm gedeckt noch praxiskonform und führe zur uneinheitlichen Behandlung der Einzelfälle unter Missachtung des tatsächlichen Sinns und Zwecks der Norm, nämlich die Ermöglichung der zügigen Nachprüfbarkeit der Krankenkassen für den gesetzlich festgelegten (Melde-)Zeitraum, der nicht bereits Gegenstand einer vorangegangenen Prüfung gewesen sei. Darüber hinaus werde in der Rechtsprechung teilweise die Anwendbarkeit von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V für die Fälle von Folgebescheinigungen ohnehin angezweifelt und vertreten, dass die Vorschrift lediglich die erstmalige Meldung von AU betreffe (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. November 1999 – L 4 KR 10/98 – juris). Schließlich habe das Sozialgericht nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihn fehlerhaft informiert habe. So habe ihn die Beklagte mit Schreiben vom 27. Februar 2018 darauf hingewiesen, dass die Mitteilung der AU postalisch oder per DAK-ScanApp innerhalb von sieben Tagen erfolgen müsse. Dass er diese Mitteilung ebenso per E-Mail, Fax oder telefonisch hätte vornehmen können, habe er nicht gewusst. Auf dieser Fehlinformation habe der nach Auffassung des Sozialgerichts verspätete Zugang seiner AU-Mitteilung auch beruht, da er die AU-Bescheinigung andernfalls per E-Mail an die Beklagte versandt hätte und diese somit zeitnah und ohne die postalische Verzögerung durch die Feiertagswoche zugegangen wäre. Zumindest sei im Hinblick hierauf § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V im Sinne des Rechtsgedankens von Treu und Glauben nach § 242 BGB im vorliegenden Fall nicht strikt anzuwenden. Nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB dürfe es der Beklagten nicht gewährt werden, sich auf die Versäumung einer dem geltend gemachten Leistungsanspruch entgegenstehenden Ausschlussfrist zu berufen, wenn Grund für die Fristversäumnis treuwidriges eigenes Fehlverhalten gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. Dezember 2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 30. März bis zum 5. April 2018 in Höhe von kalendertägig 72,77 EUR brutto (63,98 EUR netto) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für rechtmäßig und verweist auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung des Klägers ist aufgrund der Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. Dezember 2020 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 30. März 2018 bis zum 5. April 2018, da sein Krankengeldanspruch in diesem Zeitraum ruhte.

Gemäß §§ 44 und 46 SGB V hat ein Versicherter einen Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit ihn arbeitsunfähig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und dieser Umstand ärztlicherseits festgestellt worden ist (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Dieser Anspruch bleibt dabei jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere AU wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der AU erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage (§ 46 Satz 2 SGB V). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Allerdings ruht der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 8. Juni 2021 geltenden Fassung des Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6. April 1998 (BGBl. I Nr. 21, Seite 690), solange die AU der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der AU erfolgt. 

Dabei geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die AU der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes angezeigt werden muss, also auch dann, wenn die AU seit Beginn ununterbrochen bestanden hat und wegen der Befristung der bisherigen ärztlichen AU-Feststellung über die Weitergewährung von Krankengeld neu zu befinden ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 8. August 2019 – B 3 KR 6/18 R – juris Rn. 17 m.w.N.; vgl. ebenso m.w.N. Brinkhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 49 SGB V Rn. 58). Dem folgt der Senat. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Urteil vom 2. November 1999 – L 4 KR 10/98 – juris Rn. 30), wonach die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V lediglich für die Erstbescheinigung über AU anzuwenden sei, ist als überholt anzusehen.

Hinsichtlich des Beginns der hier maßgeblichen weiteren AU des Klägers, die auf den Zeitraum der bis zum 29. März 2018 festgestellten AU folgte, stimmt der Senat zunächst mit dem Kläger überein, dass im Falle einer Folgebescheinigung die Feststellung der weiteren AU erst mit dem Ablauf des in der vorangegangenen AU-Bescheinigung attestierten Zeitraums beginnt. Somit ist für den Zeitpunkt des Fristbeginns nicht auf den Tag der Ausstellung der Folgebescheinigung durch den Arzt abzustellen, sondern auf den Beginn des neuen Zeitraums der AU. Denn die zuvor durch einen Arzt attestierte AU wird durch die erneute Feststellung nicht berührt, auch wenn teilweise derselbe Zeitraum betroffen ist (ebenso BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B – juris Rn. 11 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. März 2018 – L 16 KR 842/17 – juris Rn. 39 ff.; LSG Hessen, Urteil vom 8. Februar 2018 – L 1 KR 333/17 – juris Rn. 24; SG Saarland, Urteil vom 15. Juli 2020 – S 1 KR 824/19 –, juris Rn. 21 ff.).

Entgegen der Auffassung des Klägers führt dies jedoch nicht dazu, dass die Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erst am Tag nach dem Beginn der weiteren AU, hier also am 31. März 2018, zu laufen beginnt. Das BSG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Tritt also der Fall ein, dass wegen der Befristung der bisher attestierten AU über die Weitergewährung von Krg neu zu befinden ist, ruht der Anspruch auf die Weitergewährung von Krg nach § 49 Abs 1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nur dann, wenn die "weitere" AU nicht rechtzeitig gemeldet wird. (…) Denn bei fortbestehender AU trifft den Versicherten eine erneute Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V erst dann, wenn wegen der Befristung der bisher attestierten AU über die Weitergewährung von Krg neu zu befinden ist. Dann beginnt aber auch die Wochenfrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V erst mit dem Ablauf der Befristung der bisher attestierten AU bzw mit dem Beginn der "weiteren" AU. Das Ausstellungsdatum der weiteren AU-Bescheinigung ist dabei ebenso irrelevant, wie bei einer Erstbescheinigung“ (BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B –, juris Rn. 11). Das BSG stellt somit auf den ersten Tag nach Ablauf der vorangegangenen AU-Feststellung ab.

Soweit der Kläger – insoweit dem SG Saarland, Urteil vom 15. Juli 2020 – S 1 KR 824/19 – juris Rn. 26 folgend – dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V entnehmen will, dass die Meldefrist erst am Tag nach dem Beginn der weiteren AU beginnt, ist dem nicht zu folgen. Dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist nicht zu entnehmen, dass die Meldefrist am Tag nach der AU beginnt, sondern, dass es auf die Woche nach Beginn der AU ankommt. Somit ist nach Auffassung des Senats der Tag des Beginns der AU (hier der weiteren AU) maßgeblich.

Daran, dass im vorliegenden Fall die weitere AU am 30. März 2018 begann, ändert sich nach Auffassung des Senats auch nichts dadurch, dass dieser Tag ein gesetzlicher Feiertag (Karfreitag) war. Der nächste Werktag nach der bis zum 29. März 2018 festgestellten AU war aufgrund des Osterwochenendes erst der 3. April 2018. Gemäß § 46 Satz 2 SGB V bleibt der Anspruch auf Krankengeld bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere AU wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der AU erfolgt. Der 10. Senat des erkennenden Gerichts hat in seiner Entscheidung vom 29. November 2022 (L 10 KR 18/19, juris) angenommen, dass sich aus dieser Regelung ergebe, dass sich im Falle einer rechtzeitigen Folge-AU-Bescheinigung der Krankengeldanspruch verlängere, wenn auf den Tag, für den zuletzt noch AU festgestellt war, kein Werktag folge. Der für die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V relevante Beginn der weiteren AU sei erst mit dem ersten Werktag nach dem Ende der letzten AU-Feststellung anzusetzen. Nur so könne sichergestellt werden, dass sich die Meldeobliegenheit aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht feiertagsbedingt verkürze (a.a.O., juris Rn. 31). Dem folgt der Senat nicht. Für diese Auffassung spricht zwar, dass der Zweck der binnen Wochenfrist erforderlichen Meldung der AU an die Krankenkasse darin besteht, der Krankenkasse eine zeitnahe Prüfung des Krankengeldanspruchs zu gewähren und ggf. kurzfristig eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) vornehmen lassen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2019 – B 3 KR 6/18 R – juris m.w.N.). Dieser Zweck wäre auch noch erfüllt, wenn sich die Frist ggf. um wenige in diesem Zeitfenster liegende Feiertage verlängern würde. Dagegen spricht allerdings, dass das BSG die nach § 49 Abs. 1 Nr. SGB V normierte Meldeobliegenheit dem Grunde nach als strikt zu handhaben ansieht (ständige Rspr., vgl. ebd.). Auch ergibt sich diese Auffassung nicht zwingend aus dem Gesetz, denn § 46 Satz 2 SGB V normiert das Fortbestehen des Anspruchs auf Krankengeld, während § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V auf den Beginn der AU abstellt (auf die unterschiedliche Zielrichtung der beiden Vorschriften verweist auch Brinkhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 49 SGB V Rn. 64). Auch wenn § 46 Satz 2 SGB V es grundsätzlich erlaubt, dass die weitere AU erst am nächsten Werktag nach dem Ende der Feststellung der vorangegangenen AU erneut festgestellt wird, ist daraus nicht unbedingt der Schluss zu ziehen, dass von einer späteren weitere AU-Feststellung erst am nächsten Werktag auch dann auszugehen ist, wenn sie tatsächlich schon früher erfolgt ist. Auch ist von einer feiertagsbedingten Verkürzung der Wochenfrist gar nicht auszugehen, wenn wie hier die weitere AU-Feststellung noch innerhalb der zuvor festgestellten AU erfolgt. Nur in den Fällen, in denen die ärztliche Feststellung tatsächlich erst am nächsten Werktag nach dem Ende der zuvor festgestellten AU erfolgt, ist es daher nach Auffassung des Senats sinnvoll, die Wochenfrist erst ab dem Tag der ärztlichen Feststellung der weiteren AU beginnen zu lassen, um eine mögliche Verkürzung der Wochenfrist zu vermeiden (für eine solche Fallkonstellation ebenso BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B – juris Rn. 13 m.w.N.; LSG Hamburg, Urteil vom 26. August 2020 – L 1 KR 76/19 – juris Rn. 17).

Bei der nach hier vertretener Auffassung am 30. März 2018 eingetretenen weiteren AU handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um ein Ereignis, das eine Fristberechnung nach § 26 Abs. 1 und 3 SGB X i.V.m. den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB erfordert, sondern um eine Tagesbeginnfrist nach § 187 Abs. 2 BGB. Gemäß § 187 Abs. 1 BGB wird für den Fall, dass für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend ist, bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Für den vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass der 30. März 2018, an dem die weitere AU begann, nicht mitzurechnen wäre. Die Frist würde somit am Samstag, dem 31. März 2018, beginnen und gemäß § 188 Abs. 2 BGB am Freitag, dem 6. April 2018 enden. Ist jedoch der Beginn des Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag gemäß § 187 Abs. 2 BGB bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Die Frist begönne somit im vorliegenden Fall mit Beginn des 30. März 2018 und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB am Donnerstag, dem 5. April 2018.

Für den erstmaligen Eintritt von ärztlich festgestellter AU steht außer Zweifel, dass es sich dabei um ein Ereignis handelt, das eine Fristberechnung nach § 187 Abs. 1 BGB erfordert. Umstritten ist dies jedoch für die Fälle der Folge-AU-Feststellung. Geht man mit der bereits zitierten BSG-Entscheidung davon aus, dass die neue AU mit dem Ablauf der Befristung der bisher attestierten AU beginnt (vgl. BSG, Beschluss vom 4. Juni 2019 – B 3 KR 48/18 B – juris Rn. 11), könnte dies für die Anwendung einer Tagesbeginnfrist bei Folge-AU-Feststellungen sprechen (so im Rahmen eines obiter dictums LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Februar 2021 – L 28 KR 236/19 – juris Rn. 19). Würde man allerdings in den Fällen, in denen die FolgeAU erst am nächsten Werktag nach Ende der letzten AU-Feststellung erfolgt, die Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erst mit der erneuten AU-Feststellung beginnen lassen, käme in diesen Fällen wiederum § 187 Abs. 1 BGB zur Anwendung, so dass man in diesen Fällen je nach dem Feststellungsdatum der Folge-AU zu einer unterschiedlichen Fristberechnung käme (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 26. August 2020 – L 1 KR 76/19 – juris Rn. 8; SG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2021 – S 56 KR 358/21 – juris Rn. 52 mit einer umfassenden Darstellung des Meinungsstandes). Das SG Berlin verweist darauf, dass für die je nach Fallgestaltung unterschiedliche Fristberechnung spreche, dass die Meldefrist auf diese Weise immer genau sieben volle Tage betrage. Weder verlängere sich die Meldefrist auf acht Tage bei Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB für diejenigen Versicherten, die ihre AU bereits vor Ablauf des zuvor festgestellten AU-Zeitraums erneut feststellen ließen, noch verkürze sich die Frist auf sechs Tage bei Anwendung des § 187 Abs. 2 BGB für jene Versicherte, die am ersten Tag der weiteren AU zum Arzt gingen (SG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2021 – S 56 KR 358/21 – juris Rn. 52). Der 10. Senat des erkennenden Gerichts vertritt demgegenüber die Auffassung, dass es sich bei der Wochenfrist der Meldeobliegenheit in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V generell um eine Ereignisfrist nach § 187 Abs. 1 BGB handele. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der hier maßgeblichen Regelungen (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 29. November 2022 – L 10 KR 18/19 –, juris Rn. 35 ff.).

Der Senat sieht demgegenüber – wie auch das SG Berlin (a.a.O.) – die Anwendung der Fristberechnung nach § 187 Abs. 2 BGB in der vorliegenden Fallgestaltung als richtig an. Denn zum einen ist in Fällen wie dem Vorliegenden, in denen die ärztliche Feststellung der Folge-AU vor oder zeitgleich mit dem Ende der vorangegangenen AU-Feststellung erfolgt, am Tag des Beginns der weiteren AU gerade keine Feststellung der AU erfolgt, so dass an diesem Tag tatsächlich kein Ereignis stattfindet, an das die Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB anknüpfen könnte. Zum anderen gibt es aus Sicht des Senats auch keinen Grund, aus systematischen Gründen die Anwendung der Ereignisfrist zu konstruieren. Denn unabhängig davon, ob der Betroffene am letzten Tag der noch laufenden AU zum Arzt geht und dort die weitere AU festgestellt wird oder erst am ersten Werktag nach der vorangegangenen AU, beginnt in beiden Fällen die Wochenfrist am Tag nach dem Tag der ärztlichen Feststellung der FolgeAU zu laufen, auch wenn die Fristberechnung nach unterschiedlichen Vorschriften erfolgt. Dies ist aus Sicht des Senats systematisch stimmiger als die Konstruktion eines Ereignisses am ersten Tag der Folge-AU, an dem tatsächlich kein Ereignis stattgefunden hat. Soweit der 10. Senat seine Sichtweise außerdem auf den Gesetzeswortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V („<…> innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit <…>“) stützt und der Auffassung ist, dass es nahegelegen hätte, im Gesetzestext die Präposition „seit“ (statt „nach“) zu verwenden, wenn eine unmittelbare Anknüpfung der Meldeobliegenheit an den Beginn der AU beabsichtigt gewesen wäre, sieht der Senat eine entsprechende Auslegung des Wortlauts nicht als zwingend an. Zwar hätte der Gesetzgeber nach der hier vertretenen Auffassung statt der Präposition „nach“ tatsächlich inhaltsgleich auch die Präpositionen „seit“ oder „ab“ verwenden können, dies führt aber nicht dazu, dem Wort „nach“ zwingend eine andere Bedeutung beizumessen als es die Worte „seit“ oder „ab“ hätten. Vielmehr hätte es aus Sicht des Senats nahegelegen, dass der Gesetzgeber, sollte ihm die Problematik der Fristberechnung in Fällen der Feststellung der Folge-AU vor Ablauf der vorangegangenen AU bewusst gewesen sein und er tatsächlich einen um einen Tag verschobenen Beginn der Wochenfrist gewollt haben, statt der Formulierung „nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit“ eine klarere Vorgabe hinsichtlich des Fristbeginns gemacht hätte.

Der Senat folgt dem Kläger schließlich nicht in seiner Auffassung, dass sich die Beklagte aufgrund der Grundsätze von Treu und Glauben nicht auf die Verfristung berufen könne, da sie ihn unzulänglich auf die Möglichkeiten der Übermittlung der AU-Bescheinigung hingewiesen habe. Zum einen hat die Beklagte den Kläger entgegen seiner Darstellung bereits mit dem Bescheid über die Bewilligung von Krankengeld auf die Möglichkeit der Einreichung der Folgebescheinigungen auch per App hingewiesen. Insbesondere liegt aber die Übermittlung der AU-Feststellungen nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Versicherten, ohne dass es auf eine entsprechende vollständige und fehlerfreie Beratung durch die Krankenkassen über die Mögilchkeiten der Übermittlung der AU-Meldung ankäme. Die Folgen bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Meldung sind grundsätzlich von den Versicherten selbst zu tragen (ständige Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 5. Dezember 2019 – B 3 KR 5/19 R – juris Rn. 18 m.w.N.). Einer der vom BSG in engen Grenzen zugelassenen Ausnahmefälle, in denen das Risiko der rechtzeitigen Übermittlung der AU-Bescheinigung nicht den Versicherten, sondern die Krankenkasse trifft – etwa bei Vorliegen von Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Betroffenen oder wenn der Betroffene seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert wurde (vgl. BSG, Urteil vom 5. Dezember 2019 – B 3 KR 5/19 R – juris Rn. 20) –, liegt hier nicht vor.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgrund der vom Senat angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

Rechtskraft
Aus
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