L 22 R 621/23 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 28 R 334/21
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 621/23 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


1.    Zu den Voraussetzungen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache bei vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung

2.    Das BSG weicht in seinen Urteilen vom 6. Juli 2022 – B 5 R 21/21 R, 22/22 R und 39/21 R – bei der Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des BSG oder der Rechtsprechung des BVerwG zu § 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG ab.

3.    Für einen nicht nur geringfügigen Widerspruch gegen diese Urteile in der Rechtsprechung der Instanzgerichte oder der Literatur gibt es keine Anhaltspunkte.

 

 

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 6. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gründe

I.

Streitig ist in der Sache die Kostenerstattung für ein Widerspruchsverfahren.

Die Beklagte hatte dem Kläger durch Bescheid vom 25. August 2020 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit bewilligt und insoweit dem Widerspruch gegen den seinen Rentenantrag ablehnenden Ausgangsbescheid abgeholfen. Der Kläger erklärte den Rechtsbehelf daraufhin für erledigt und beantragte eine Kostengrundentscheidung.

Durch Bescheid vom 6. Oktober 2020 entschied die Beklagte, dem Kläger die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu drei Vierteln zu erstatten. Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid rügte der Kläger die fehlende Begründung für die Kostenquotelung. Nachdem die Beklagte hierzu mit Schreiben vom 17. November 2020 Ausführungen gemacht hatte, erklärte der Kläger auch diesen Widerspruch für erledigt und beantragte eine Kostengrundentscheidung für das zweite Widerspruchsverfahren.

Durch Bescheid vom 25. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2021 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Begründung seien nachgeholt worden, die Entscheidung in der Sache richtig gewesen.

Mit seiner Klage vor dem SG hat der Kläger geltend gemacht, dass der Widerspruch erfolgreich gewesen sei und daraus ein Anspruch auf Kostenerstattung folge. Nach der anzuwendenden formalen Betrachtungsweise komme es nur darauf an, dass dem mit dem Widerspruch geltend gemachten Anliegen entsprochen worden sei. Nachdem das BSG durch mehrere Urteile vom 6. Juli 2022 – u.a. das in der amtlichen Entscheidungssammlung veröffentlichte zu B 5 R 21/21 R – Ausführungen zu einem Kostenerstattungsanspruch für das Widerspruchsverfahren gemäß § 63 Abs. 1 SGB X gemacht hatte, hat der Kläger die Auffassung vertreten, den Entscheidungen sei nicht zu folgen. Sie wichen bei der Auslegung des Begriffs „Erfolgs“ im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X von Entscheidungen anderer Senate des BSG ab (Hinweis auf Urteile vom 24. September 2020 – B 9 SB 4/19 R – und vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 68/12 R –), ohne das dafür vorgesehene Anfrageverfahren nach § 41 Abs. 2 SGG eingehalten zu haben. Das BSG beurteile auch das Verhältnis von § 41 und § 42 SGB X unzutreffend. Abgesehen davon sei § 42 SGB X im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Kläger nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides angestrebt habe, sondern eine dem Gesetz entsprechende Begründung.

Durch Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Urteile des BSG vom 6. Juli 2022 gestützt. Für eine Divergenz in der Rechtsprechung des BSG sei nichts ersichtlich, da in den vom 9. und vom 14. Senat entschiedenen Fällen die Widersprüche auch in der Sache erfolgreich gewesen seien.

Mit seiner am 9. November 2023 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde gegen den ihm am 11. Oktober 2023 zugestellten Gerichtsbescheid macht der Kläger geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Die Urteile des BSG vom 6. Juli 2022 (inhaltsgleich neben dem bereits genannten B 5 R 22/21 R und B 5 R 39/21 R) wiesen gravierende Mängel auf, welche sogar die Frage der Willkür aufwürfen. Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen die Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten aus einer Urteilsbesprechung in NZS 2023, 212ff.

Die Beklagte sieht keinen Zulassungsgrund.

 

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, im Besonderen statthaft. Das Rechtsmittel ist gegeben, wenn die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist und wenn das angefochtene Urteil des SG die Zulassung der Berufung nicht selbst ausspricht (§ 145 i.V. mit § 144 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht den Schwellenwert von 750,00 Euro gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Höhere erstattungsfähige Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren werden nicht behauptet und wären auch nicht rechtlich begründbar (s. § 4 Abs. 1 Satz 1 RDGEG in der hier noch anwendbaren, bis 31. Oktober 2021 geltenden Fassung). Laufende oder wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG wertunabhängig zur Statthaftigkeit der Berufung führen, stehen nicht in Streit.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, im Besonderen form- und fristgerecht eingelegt (§ 145 Abs. 1 und 2 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.

Der Kläger macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine konkrete Rechtsfrage klärungsbedürftig, klärungsfähig (entscheidungserheblich) und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Dafür muss sich unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers ergeben, dass sich anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Rechtsfrage stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, dass deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfrage erwarten lässt (s. für den gleichartigen revisionsrechtlichen Zulassungsgrund stellvertretend BSG, Beschluss vom 1. April 2019 – B 13 R 204/18 B –, m.w.Nachw.). Liegt höchstrichterliche Rechtsprechung bereits vor, kann sich Klärungsbedürftigkeit auch daraus ergeben, dass der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden oder wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (zusammenfassend BSG, Beschluss vom 10. November 2021 – B 1 KR 62/21 B –, Rn 8 m.w.Nachw.).

Nach diesen Maßstäben hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Kläger macht eine Kostengrundentscheidung zu seinen Gunsten für das von ihm für erledigt erklärte Vorverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2020 geltend und wendet sich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V. mit § 56 SGG) gegen den einen entsprechenden Antrag ablehnenden Bescheid vom 25. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2021. Für den vorliegenden Fall eines sogenannten isolierten, also nicht in ein Klageverfahren übergegangenen Vorverfahrens ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt, dass nur § 63 Abs. 1 SGB X als Rechtsgrundlage für eine Kostengrundentscheidung in Betracht kommt (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 50/15 R -, Rn 15 m.w.Nachw.). Dies wird auch durch keinen der Beteiligten in Frage gestellt.

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X gilt dies auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist.

Unter welchen Voraussetzungen ein Widerspruch im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X Erfolg hat, ist durch die Rechtsprechung des BSG jedenfalls für Fallkonstellationen wie die vorliegende ebenfalls geklärt. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich nicht feststellen, dass der 5. Senat des BSG in seinen Urteilen vom 6. Juli 2022 eine von der Rechtsprechung anderer Senate des BSG abweichende Definition entwickelt haben könnte. Weitere Klärungsbedürftigkeit besteht deshalb nicht.

Der 5. Senat führt - jeweils in Rn 13 - aus: „Ein Widerspruch hat immer dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn und soweit ihm die Behörde stattgibt (vgl BSG Urteil vom 24.9.2020 - B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr 6 RdNr 30). Nach der dafür maßgeblichen formalen Betrachtungsweise (vgl Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 63 RdNr 21) hatte der Widerspruch gegen die Bescheide vom 18.4.2019 und vom 25.4.2019 keinen Erfolg, weil diese auf den Widerspruch der Klägerin hin weder zur Rentenart, zur Rentenhöhe, zum Rentenbeginn noch zur Rentendauer geändert wurden (zu den Verfügungssätzen eines Rentenbescheids vgl BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 8/10 R - BSGE 108, 152 = SozR 4-5050 § 31 Nr 1, RdNr 13; BSG Urteil vom 18.7.1996 - 4 RA 108/94 - SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26).“

Nach dem Vorbringen des Klägers wendet der 5. Senat des BSG gerade nicht die formale Betrachtungsweise an, wenn er einen Widerspruch als erfolglos ansieht, der wie hier nicht auf die Veränderung eines Verfügungssatzes eines Bescheides abzielte, sondern nur auf die Beseitigung eines formalen Mangels, nämlich der aus Sicht des Widerspruchsführers nicht ausreichenden Begründung.

Die vom  Kläger vorgenommene Interpretation der Ausführungen des 5. Senats, die  auf den Vorwurf hinausläuft, dieser zitierte entweder irrtümlich oder absichtlich eine objektiv abweichende Rechtsprechung anderer Senate, um seine eigene zu unterstützen und das Vorlageverfahren nach § 41 Abs. 2 und 3 SGG (ggf. auch das nach § 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes) zu vermeiden, trifft nicht zu.

§ 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X entsprechen nach dem seit Inkrafttreten am 1. Januar 1981 unverändert gebliebenen Wortlaut und ausdrücklichem Willen des Gesetzgebers  (BT-Dr. 8/2034,36 zu § 61 SGB X i.d.F. des Entwurfs des Gesetzes über das Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren -, später SGB X) § 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG, die ihrerseits seit 1. Januar 1977 unverändert gelten und bereits im ersten Entwurf eines Verwaltungsverfahrens aus dem Jahr 1970 enthalten waren (s. BT-Dr. VI/1173, 20 zum ersten Entwurf – dort § 67 VwVfG – und BT-Dr. 7/910 , 24 f. zum zweiten – dort § 76 VwVfG).

Das BSG hat zur Auslegung des § 63 Abs. 1 SGB X in ständiger Rechtsprechung die Rechtsprechung des BVerwG zu § 80 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich übernommen. So heißt es unter anderem in dem vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Urteil des BSG vom 24. September 2020 - B 9 SB 4/19 R -, Rn 15: „Ein Widerspruch hat immer dann Erfolg iS des Gesetzes, wenn und soweit ihm die Behörde stattgibt (stRspr, zB BSG Urteil vom 2.5.2012 - B 11 AL 23/10 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 17 RdNr 18; BSG Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 66/04 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 21.7.1992 - 4 RA 20/91 - SozR 3-1300 § 63 Nr 3 S 13 = juris RdNr 18, jeweils mwN). Der Erfolg eines Widerspruchs bemisst sich nicht danach, ob der Argumentation des Widerspruchsführers gefolgt wurde. Auch kommt es nicht darauf an, aus welchen (tatsächlichen oder rechtlichen) Gründen der Widerspruch erfolgreich ist. Vielmehr ist hier eine rein formale Betrachtungsweise geboten (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 20 RdNr 21). Deshalb ist der Erfolg eines eingelegten Widerspruchs allein am tatsächlichen (äußeren) Verfahrensgang der §§ 78 ff SGG zu messen (vgl BVerwG Urteil vom 18.4.1996 - 4 C 6/95 - juris RdNr 14 f zu den Parallelbestimmungen der §§ 68 ff VwGO). Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit der Widerspruch erfolgreich oder erfolglos war, ist ein Vergleich des mit dem Widerspruch Begehrten und des Inhalts der das Vorverfahren abschließenden Sachentscheidung (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013, aaO mwN). Denn diese Frage soll im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht mit "schwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen" belastet werden (vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 20 RdNr 21; vgl ebenso BVerwG Urteil vom 25.9.1992 - 8 C 16/90 - juris RdNr 15 zur Parallelvorschrift des § 80 Abs 1 Satz 1 VwVfG mit Hinweis auf die Begründung zu § 67 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 21.9.1970 zum VwVfG, BT-Drucks VI/1173, S 75).“

Die „formelle Betrachtungsweise“ stellt danach auf das „Stattgeben“ bzw. die Veränderung der Sachentscheidung aufgrund des Widerspruchsbegehrens ab (s. plastisch BVerwG, Urteil vom 25. September 1992 – 8 C 16/90 – Rn 14 in „Juris“: „Grundlage der im isolierten Vorverfahren, an das sich kein gerichtliches Verfahren in der Sache anschließt, zu treffenden Kostenentscheidung ist entweder die Abhilfeentscheidung der Ausgangsbehörde oder der Widerspruchsbescheid. Denn erfolgreich im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Widerspruch nur dann, wenn das Vorverfahren durch eine Verwaltungsentscheidung abgeschlossen worden ist, die dem Widerspruch ganz oder teilweise abhilft oder stattgibt…“). Ist das Widerspruchsbegehren gar nicht auf eine geänderte Sachentscheidung, sondern nur auf die Beseitigung eines formalen Mangels des Ausgangsbescheides gerichtet und ist dieser Mangel entweder beseitigt mit der gesetzlichen Wirkung der Unbeachtlichkeit (§ 41 SGB X) oder kraft gesetzlicher Anordnung nicht geeignet, auch die Sachentscheidung zu beseitigen (§ 42 SGB X), kann der Rechtsbehelf folglich von vornherein nicht „erfolgreich“ im Sinne des Gesetzes sein.

Die Rechtsprechung des BVerwG, so wie sie auch vom BSG verstanden wird, stützt die Auffassung des Klägers, sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2020 sei erfolgreich gewesen, dementsprechend gerade nicht. Das dargestellte Ergebnis wird im Übrigen auch durch die Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestützt. Würde der Auffassung des Klägers gefolgt, hätte die Vorschrift eine gegenüber § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X einschränkende Wirkung: Während Widersprüche, die sich nur auf die Heilung eines Verfahrens- oder Formfehlers beschränken, immer erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X wäre, käme es bei Widersprüchen, die auf eine Veränderung der Sachentscheidung abzielen, lediglich unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu einer Kostenerstattung, nämlich wenn (kausal) „nur“ wegen § 41 SGB X der (eigentlich mit dem Rechtsbehelf beabsichtigte) „Erfolg“ ausgeblieben ist. Dies ist nicht mit dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X vereinbar, dem eine Erweiterung der Fälle einer Kostenerstattung zu entnehmen ist („gilt dies auch“) und in dem sich diese gesetzgeberische Absicht wiederspiegelt (s. BT-Dr. VI/1173, 75, rechte Spalte, vorletzter Absatz zu § 67 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs zum VwVfG).

Dafür, dass die Urteile des BSG vom 6. Juli 2022 nicht nur durch den Bevollmächtigten des Klägers, sondern auch durch Rechtsprechung der Instanzgerichte – mit der Notwendigkeit einer Zulassung von Berufung oder Revision wegen Divergenz (§§ 144 Abs. 2 Nr. 2, 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) – oder durch Literaturstimmen infrage gestellt worden ist, ist nichts ersichtlich. Die beiden hierzu aktuell in der Entscheidungssammlung „Juris“ dokumentierten Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg (vom 23. Januar 2023 – L 5 R 2295/22 – und vom 18. Juli 2023 – L 2 R 905/23 –) folgen der Rechtsprechung des BSG.

Eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung in der Literatur findet sich neben dem Aufsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers lediglich in einer zweiteiligen Urteilsbesprechung des früheren Bundesrichters Berchtold (ASR 2023, 119 und 158). Dieser sieht zwar insoweit eine Abweichung der Rechtsprechung des BSG von der des BVerwG, als das BSG im Rahmen des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X abweichend vom BVerwG zu § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ein Kausalitätserfordernis postuliere, obwohl es sich auf die Rechtsprechung des BVerwG berufe (ASR 2023, 120f.). Ausgehend davon, dass die Ausführungen von Berchtold zutreffen, kommt die von ihm beschriebene Abweichung im vorliegenden Fall aber nicht zum Tragen. Der Widerspruch des Klägers war ersichtlich ursächlich für die von der Beklagten nachgeholte Begründung. Soweit die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 SGB X im Übrigen erfüllt wären, spräche deshalb auch nach der Rechtsprechung des BSG nichts gegen eine Kostenerstattung. Im Übrigen stellt Berchtold trotz Kritik an bestimmten Argumentationsweisen in den Urteilen des BSG vom 6. Juli 2022 das vom BSG gefundene Ergebnis nicht infrage, auch nicht unter verfassungsrechtlichen Aspekten mit Blick auf das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG).

Weitere Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird der Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2023 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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