L 13 AL 1836/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 49/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1836/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten und trägt darüber hinaus die Kosten des Verfahrens für die Widerklage.

Der Streitwert der Widerklage wird endgültig auf 60.864,24 € festgesetzt.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Förderung des Bachelor-Studiums der Sozialen Arbeit an der S2 Hochschule H1 hat.

Bei der 1999 geborenen Klägerin besteht bei infantiler Cerebralparese (ICP) Stadium GMFCS3 ein Zustand nach Multilevel-Weichteil-Release beider Beine 2005. Sie hat Knick-Plattfüße beidseits, deren operative Versorgung ohne konkreten Termin geplant ist. Die Klägerin ist für kurze Strecken an Unterarmgehstützen mobil und bedarf für längere Strecken der Nutzung eines Rollstuhls. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und ihr sind die Merkzeichen G, aG und H zuerkannt. Sie befand sich mit Internatsunterbringung an der
S1-Schule in N1 und legte zwischenzeitlich im Juli 2022 die Abitursprüfung ab.
In einem Gutachten der Agentur für Arbeit von März 2020 wurde angegeben, bei der Klägerin liege ein durchschnittliches sprachliches und rechnerisches Denken vor. Etwas geringer seien knapp durchschnittlich räumliches Vorstellen und logisches Denken ausgeprägt.

Am 30. August 2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung des Studiums der Sozialen Arbeit bei der
S2 Hochschule in H1. Aufgrund ihres Wunsches, später als Sozialarbeiterin zu arbeiten, habe sie sich für das Studium der Sozialen Arbeit bei der S2 Hochschule in H1 entschieden. Dies knüpfe an ihre bisherige Ausbildung am sozialwissenschaftlichen Gymnasium bei der S2 in N1 an. Das Studium biete eine Kombination aus theoretischer Ausbildung und betrieblicher Praxis. Zudem sei diese Hochschule behindertengerecht ausgestattet und biete verschiedene Hilfen für behinderte Menschen an. Sie sei wegen der Notwendigkeit häuslicher Pflege und Betreuung ortsgebunden. Die S2 Hochschule sei nur 12 Autominuten von ihrem Wohnort entfernt. Sie berufe sich auf § 49 Abs. 7 Nr. 2 Sozialgesetzbuch/Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) und beantrage in diesem Zusammenhang die Übernahme der Studiengebühren für den Studiengang Soziale Arbeit bei der S2 Hochschule in H1. Mit Schreiben vom 31. August 2021 erklärte die Beklagte sich als Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 SGB IX für zuständig und kündigte die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nach einer Begutachtung durch ihren arbeitsmedizinischen Dienst an. Mit sozialmedizinischer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 19. Oktober 2021 stellte F1 fest, dass die Klägerin im Rahmen eines Studiums behinderungsbedingt zwingend auf eine Reha-Einrichtung (Anbindung an Fachdienste, Barrierefreiheit) wie die S2 in H1 angewiesen sei. Unter regulären Bedingungen könne das Leistungsprofil den Erwartungen an den mittleren Schulabschluss noch eher entsprechen als den typischen Leistungen von Abiturienten. Die Klägerin entspreche von ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit Erwachsenen im durchschnittlichen Maß. Der Erfolg auf Studienebene lasse sich auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse nicht sicher vorhersagen. Der weitere Schulverlauf mit behinderungsgerechter Unterstützung sollte abgewartet werden. 

Mit zwei Bescheiden vom 27. Oktober 2021 teilte die Beklagte mit, dass über den Antrag noch nicht abschließend entschieden werden könne. Der konkrete Teilhabebedarf habe noch nicht ermittelt werden können. Da eine Studienförderung die Ausnahme für den Fall darstelle, dass die Regelförderangebote der Bundesagentur für Arbeit nicht zu einer nachhaltigen Integration führten, müsse der Antrag auf Förderung eines Studiums zum jetzigen Zeitpunkt zunächst abgelehnt werden. Für die Gewährung behindertenspezifischer Hilfen im Rahmen eines Studiums seien Leistungen der Eingliederungshilfe möglich.
Die
G1 erstellte für die Beklagte unter dem 27. Oktober 2021 ein weiteres psychologisches Gutachten. Danach liege im Vergleich zu Schülerinnen, die sich auf den mittleren Schulabschluss vorbereiten, ein durchschnittliches Niveau vor. Im Vergleich zu Abiturienten wurde der Klägerin ein unterdurchschnittliches intellektuelles Leistungsniveau attestiert.
Am stärksten sei das sprachliche Denken auf leicht unterdurchschnittlichem Niveau ausgeprägt. Das räumliche Vorstellungsvermögen und das rechnerische Denken seien deutlich unterdurchschnittlich. Auch wenn eine Beeinträchtigung der Testwerte durch eine ICP-bedingte Einschränkung der kognitiven Stützfaktoren nicht ausgeschlossen werden könne, bestehe nach dem im Rahmen der Begutachtung gezeigten Leistungsstand für ein Studium der Sozialen Arbeit ein Überforderungsrisiko in einem regulären Fachhochschulkontext. Ob unter besonderen Förderbedingungen ein Studienabschluss an einer Fachhochschule erreicht werden könne, könne nicht sicher vorhergesagt werden. Diplom-Psychologin sah die Motivation der Klägerin für einen sozialen Studiengang durch ihre Kontaktgestaltung untermauert: die Klägerin zeigte sich u.a. kontaktoffen, klar in ihrer Kommunikation und konnte soziale und psychische Prozesse präzise in Worte fassen. Sie interessiere sich sehr dafür, sich in andere einzufühlen und zu helfen und beschrieb eine genaue Beobachtungsgabe.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nach § 19 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung (SGB III) grundsätzlich berechtigt sei, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beziehen. Dem Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könne grundsätzlich zugestimmt werden, jedoch nicht dem Antrag auf Übernahme des Studiengangs der Sozialen Arbeit. Letzteres sei nur unter den Aspekten des § 117 Abs. 1 S. 2 SGB III möglich, wenn für Menschen mit Behinderung die Teilnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Rehabilitationserfolges als einzige Möglichkeit notwendig sei und die schulische Ausbildung bzw. das Studium behinderungsbedingt nur in einer besonderen Reha-Einrichtung nach § 51 SGB IX erfolgen könne. Das Studium dürfe somit nur die einzige Möglichkeit sein, um wegen Art und Schwere der Behinderung überhaupt eine Eingliederung ins Arbeitsleben erreichen zu können. Diese Voraussetzung liege bei der Klägerin nicht vor. Zusätzlich bestehe nach dem gezeigten Leistungsstand während der testpsychologischen Untersuchung für das Studium der Sozialen Arbeit ein Überforderungsrisiko.
Dagegen legte die Klägerin am 8. November 2021 Widerspruch ein. Da sie auf eine Reha-Einrichtung im Sinne des § 51 SGB IX angewiesen sei, stelle das Studium gleichzeitig die einzige Möglichkeit im Sinne des § 117 SGB III dar, die angestrebte Erstausbildung zu erreichen. Sie sehe kein Überforderungsrisiko für das zu absolvierende Studium, da sie am Gymnasium gute Leistungen erbringe. Zudem sei die
S2 Hochschule H1 insbesondere auf die berufliche Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen ausgerichtet und biete eine barrierefreie Infrastruktur, eine intensive Betreuung durch die Dozenten, ein flexibles Studienmodell mit Möglichkeiten einer Zeitverlängerung bei Prüfungs- und Studienleistungen. Diese Merkmale würden für sie das Studium enorm erleichtern. Die Notwendigkeit einer Assistenz wäre dadurch auf ein Minimum reduziert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
§ 112 SGB III bestimme, dass für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden könnten, um unter anderem ihre Erwerbsfähigkeit herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Die Klägerin benötige Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §  19 SGB III. Nach § 6 SGB IX sei die Beklagte zuständiger Rehabilitationsträger. Nach § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGB IX sollten Eignung und Neigung des Behinderten angemessen berücksichtigt werden. § 117 Abs. 1 S. 2 SGB III eröffne die Möglichkeit, Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung zu fördern. Die Förderung eines Studiums sei allerdings nur möglich, wenn für den Menschen mit Behinderung die Teilnahme an dieser Maßnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Rehabilitationserfolges als einzige Möglichkeit notwendig sei und das Studium behinderungsbedingt nur in einer besonderen Reha-Einrichtung nach § 51 SGB IX erfolgen könne. Der Berufswunsch sei nicht das allein entscheidende Kriterium für die Leistungspflicht der Beklagten. Eine Studienförderung sei daher die Ausnahme für den Fall, dass die Regelfall - Angebote nicht zu einer nachhaltigen Integration führten. Seien konkrete berufsbildende Maßnahmen gegeben, die auch die Neigungen der Behinderten angemessen berücksichtigten, bestehe kein Anspruch mehr darüber hinaus auf die „optimale“, d.h. den Neigungen und Wünschen voll entsprechende Förderung, die insoweit über den Rahmen der Eingliederung hinausginge (Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 1993 - 2 RU 10/92). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben könnten im Falle der Klägerin auch mit einer Kammerausbildung erreicht werden.
Dagegen hat die Klägerin am 4. Januar 2022 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG, Az S 6 AL 49/22) erhoben. Das SG hat den zuständigen Träger der Eingliederungshilfe (Beigeladener) mit Beschluss vom 3. Februar 2022 zum Rechtsstreit notwendig beigeladen.
Die anwaltlich vertretene Klägerin hat ausgeführt, die Beklagte könne anstelle des Trägers der Eingliederungshilfe zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch in Form der Förderung eines Studiums oder einer Promotion verpflichtet sein (Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 24. Februar 2016 – B 8 SO 18/14 R - sowie vom 20.04.2016 – B 8 SO 20/14 R). Ein diskriminierungsfreier Zustand im Sinne des Artikels 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und der Art. 21 und Art. 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union umfasse auch den beruflichen Aufstieg. Art. 24 Abs. 5 UN-BRK sehe den gleichberechtigten Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung ausdrücklich vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten solle § 117 SGB III sicherstellen, dass eine Förderung in allen Berufen erfolgt, die gute und dauerhafte Beschäftigungschancen bieten. Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen hätten behinderte Menschen einen Rechtsanspruch auf die besonderen Leistungen. Die bisherige Annahme, dass bei der Beklagten keine Zuständigkeit für Hilfen in der Hochschule vorliegen würden, sei damit obsolet geworden. Sie – die Klägerin – sei durchschnittlich geeignet für den Bildungsweg, den sie einschlagen möchte. Damit ergebe sich kein wie auch immer gearteter Grund, ihre Berufsfreiheit einzuschränken. Die Argumentation der Beklagten ziele auf eine Ungleichbehandlung ihrer Person im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen ab.

Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. Als erstangegangener Träger habe sie auf Grundlage des § 14 SGB IX über sämtliche infrage kommenden Rehabilitationsleistungen zu entscheiden. Seitens des Beigeladenen sei im Rahmen eines informellen Gespräches die Möglichkeit der Förderung des Besuchs einer privaten Hochschule ausgeschlossen worden. Ziel der dortigen Förderung sei die Durchführung des Studiums an einer staatlichen Einrichtung. Eine Beratung über alternative Berufsausbildungen sei ausweislich der Auskunft der zuständigen Reha-Beraterin der Beklagten seitens der Klägerin nicht gewünscht gewesen.

Das SG hat den
K1 als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat am 17. Januar 2022 ausgeführt, er habe die Klägerin einmal am 17. Januar 2022 aus Anlass der psychologischen Testung durch die Beklagte im Rahmen des geäußerten Berufswunsches der Klägerin gesehen. Er hat die Diagnose einer infantilen Zerebralparese mit beinbetonter Tetraparese bestätigt. Er habe seinerseits die Durchführung einer neuropsychologischen Testung angeboten, was von der Klägerin nicht gewünscht gewesen sei. Zwar würden die einzelnen Tests, die durchgeführt worden seien, nicht benannt. Selbst die schwächsten Bereiche des räumlichen Vorstellungsvermögens erlaubten es der Klägerin jedoch, in der Schule ausreichende Zensuren zu bekommen. Für das angestrebte Studium spiele das räumliche Vorstellungsvermögen keine entscheidende Rolle. Gerade das räumliche Vorstellungsvermögen sei bei Menschen mit einer ICP oft eingeschränkt. Nichtsdestotrotz seien Transferleistungen im späteren Leben möglich und die Defekte könnten zumindest zum Teil kompensiert werden. Die Klägerin sei in vielen Bereichen gut begabt. Die Argumentation der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, da der Berufswunsch der Klägerin durchaus realistisch sei bei guten Leistungen in der Schule und ihrer hohen Motivation. Im Gegenteil erscheine ihm der Berufswunsch ausgesprochen passend und geeignet für die Klägerin und ihre Ausgangssituation. Das psychologische Gutachten der Beklagten schlage eine Ausbildung als Alternative zum Studium vor, ohne diesen Vorschlag näher auszuführen. Ihm falle es ausgesprochen schwer, einen Ausbildungsberuf zu benennen, für den die Klägerin aufgrund ihrer Begabungen und Einschränkungen besser geeignet wäre als für das angestrebte Studium im Bereich der sozialen Arbeit. Die Ausführungen der Beklagten seien vor dem Hintergrund der Teilhabegesetze nicht nachzuvollziehen. Eine Inklusion werde der Klägerin ohne objektivierbare und nachvollziehbare Grundlage nicht zugestanden.

Das SG hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 11. Mai 2022 erörtert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 11. Mai 2022 verwiesen.
Mit Urteil vom 24. Mai 2022 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2021 und deren Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2021 insoweit aufgehoben, als die konkret begehrte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung des Studiums an der
S2 Hochschule in H1 abgelehnt wird und festgestellt, dass im Falle des Erlangens der Hochschulreife durch die Klägerin die Beklagte verpflichtet sei, das Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit an der S2 Hochschule H1 als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zugunsten der Klägerin zu fördern.
Die Anfechtungs- und Feststellungsklage sei zulässig und bereits hinsichtlich des Hauptantrags begründet.
Für den Fall, dass die Klägerin mit Abschluss der mündlichen Abiturprüfungen die Hochschulreife erlange, sei die Beklagte verpflichtet, als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben das begehrte Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit an der
S2 Hochschule in H1 zu fördern. Denn für den Fall des Erreichens der Hochschulreife liege eine Ermessensreduktion auf Null vor.
Die besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 112, 117, 118 SGB III) zählten nicht zu den Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung. Sie seien vielmehr als Pflichtleistung zu gewähren (Karmanski, in: Brand, SGB III, § 112 Rn. 3). Im Hinblick auf die Behinderung der Klägerin (vgl. § 19 SGB III)
seien vorliegend allgemeine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.d. § 115 SGB III nicht ausreichend, so dass dem Grunde nach ein Anspruch auf die besonderen Leistungen nach den §§ 117, 118 SGB III bestehe. Der ärztliche Dienst der Beklagten habe zudem festgestellt, dass wegen Art oder Schwere der Behinderung der Klägerin die Teilnahme an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen unerlässlich sei. Diesbezüglich mache sich das SG die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid ausdrücklich zu eigen und sehe von einer detaillierten Darstellung in den Entscheidungsgründen ab (§ 136 Abs. 3 SGG). In Streit stehe damit nur noch, ob die besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung des begehrten Studiums zu bewilligen seien oder ob die Förderung einer Ausbildung auf Kammerniveau ausreichend sei. Hinsichtlich dieser Frage stehe der Beklagten auch bei besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zunächst ein Auswahlermessen zu (vergleiche Gagel, SGB III, § 112 Rn. 41 f.), welches im vorliegenden Fall auf Null reduziert sei.
Zur Erlangung der vollen Erwerbsfähigkeit der Klägerin und dadurch der Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer sei eine ihre konkreten Behinderungen berücksichtigende Ausbildung erforderlich. Für den Fall, dass sie das Abitur bestehe, könne ihr eine Geeignetheit für die begehrte Ausbildung, das Studium der sozialen Arbeit, nicht grundsätzlich abgesprochen werden. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, dass das eingeholte psychologische Gutachten vom 27. Oktober 2021 nicht habe sicher vorhersagen können, ob der Studienabschluss unter den besonderen Förderbedingungen der
S2 Hochschule H1 erreicht werden könne, weil sicher nur eine Überforderung bei der Aufnahme eines Studiums im regulären Fachhochschul-Kontext gesehen worden sei und das psychologische Gutachten auf unsicherer Tatsachengrundlage erstellt worden sei, nachdem eine Beeinträchtigung der Testwerte durch eine ICP-bedingte Einschränkung der kognitiven Stützfaktoren nicht ausgeschlossen werden konnte. Ausschlaggebend sei aber, dass der Klägerin für den Fall, dass sie das reguläre Abitur für sämtliche Schüler in Baden-Württemberg ablege, die Hochschulreife nicht abgesprochen werden könne. Dabei würde es sich um eine Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung handeln, die Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes widerspräche. Denn keinem anderen erfolgreichen Abiturienten werde der Zugang zur Hochschule mit der Begründung versagt, dass er nicht die erforderliche Eignung hierfür mitbringe, indem ein zusätzliches psychologisches Gutachten angeführt werde. Auch nicht behinderte Menschen, die das Abitur bestehen, scheiterten häufig am erfolgreichen Abschluss eines oder mehrerer Studiengänge. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass diese - anders als die Klägerin - nicht auf Kosten der Allgemeinheit gefördert würden, weil das gesamte Hochschulwesen im wesentlichen steuerfinanziert und damit eine jede Hochschulausbildung durch die Allgemeinheit subventioniert sei.
Der Klägerin könne daher die Eignung für das begehrte Studium nicht abgesprochen werden und ihre Neigung gehe – für das SG überzeugend im Erörterungstermin dargestellt und auch aktenkundig - zu sozialen Berufen. Sie wolle mit Menschen arbeiten und habe auch ihre Schulbildung an der S1-Schule in N1 auf diesen Schwerpunkt gestützt. Es sei daher eine konsequente Fortführung des bisherigen Ausbildungsverlaufs der Klägerin, weiter im sozialen Bereich eine Ausbildung zu absolvieren. Der Beklagten sei es weder im Erörterungstermin noch zuvor im Beratungsverfahren mit der Reha-Beraterin möglich gewesen, einen Ausbildungsberuf zu nennen, der dieser Neigung entspreche und trotz der Behinderung der Klägerin ausgeübt werden könne. So sei durch die Reha-Beraterin festgehalten worden, dass viele Ausbildungsberufe behinderungsbedingt wegfielen, wie etwa der Beruf der Erzieherin, der Physiotherapeutin, der Ergotherapeutin und auch der Logopädin. Kaufmännische Berufe sprächen die Klägerin laut der Reha-Beraterin nicht an. Gleichwohl würden Ausbildungen wie die Sozialversicherungsfachangestellte oder Kauffrau im Gesundheitswesen als Ausbildungsberufe gegenüber der Klägerin genannt, die überhaupt nicht deren Neigungen entsprächen, so dass diese keine akzeptable Alternative seien. Unter Berücksichtigung der Neigung der Klägerin und unter Abklärung ihrer Eignung verbleibe als einzig dem SG ersichtliche, sinnvolle und erfolgversprechende Ausbildung zur dauerhaften Eingliederung in das Erwerbsleben das begehrte Studium der Sozialen Arbeit an der S2 Hochschule in H1.

Gegen das ihr – nach den Angaben im Empfangsbekenntnis – am 27. Mai 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Juni 2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat im Hinblick auf die Berufungsfrist erläutert, das Urteil sei bei der Rechtsbehelfsstelle erst am 30. Mai 2022 von Herrn
B2 im Rahmen der Postverteilung gesichtet wurden und das Empfangsbekenntnis sei von ihm versehentlich auf den 27. Mai 2022 datiert worden. Hierzu hat sie eine dienstliche Stellungnahme des Herrn B2 vorgelegt. Das BSG habe entschieden, dass die Zustellung an Behörden erwirkt sei, wenn der hierfür zuständige Bedienstete vom Zugang des Schriftstückes Kenntnis erhalte und den Empfang bestätige, wobei die Auswahl des Bediensteten allein der Behörde zustehe (Urteil des BSG vom 27. Februar 2019 – B 7 AY 1/17 R –; Juris). Als für die Postverteilung innerhalb der Rechtsbehelfsstelle am 30. Mai 2022 zuständiger Mitarbeiter habe Herr B2 das Urteil des SG nebst Anlagen an diesem Tag erhalten und zur Kenntnis genommen. Dies werde auch durch die handschriftlichen und auf den 30. Mai 2022 datierten Bearbeitungsvermerke auf der gerichtlichen Verfügung vom 24. Mai 2022 bestätigt.

Bei der Klägerin sei eine berufliche Eingliederung behinderungsbedingt nicht allein durch das angestrebte Studium möglich, wovon wohl auch das SG ausgegangen sei. Das SG habe in erster Linie die Eignung und Neigung der Antragstellerin für das angestrebte Studium für die Entscheidung herangezogen. Entscheidend sei vielmehr, ob der Klägerin auch eine Berufsausbildung in einem Ausbildungsberuf behinderungsbedingt möglich wäre.
Nach den vorliegenden Unterlagen bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine solche Ausbildung grundsätzlich nicht möglich sein sollte. Auch das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten des
K1 schließe dies nicht aus.
Die Erbringung von LTA-Leistungen für die Durchführung des Studiums durch die Beklagte sei damit ausgeschlossen.
Bei der begehrten Förderung des Studiums handele es sich um eine Leistung, die der Gesetzgeber eindeutig der Teilhabe an Bildung zuordne, so dass der Beigeladene zuständig wäre. Bei dem Beigeladenen habe bereits bezüglich der vorangegangenen Schulförderung ein Antrag vorgelegen, so dass ein erneuter Antrag bei der Beklagten gar nicht zu stellen gewesen wäre.

Auf den von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG – nach Verweisung des Rechtsstreits mit Beschluss des LSG vom 28. Juli 2022 (L 13 AL 2148/22) mit Beschluss vom 2. August 2022 dem Hauptantrag der Klägerin entsprochen und die Beklagte verpflichtet,
vorläufig, bis längstens zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung eines Bachelor-Studiums an der S2 Hochschule H1 an die Klägerin zu leisten.

Dagegen hat die Beklagte am 9. August 2022 Beschwerde beim LSG eingelegt und an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Der Beigeladene hat weiterhin keine Verpflichtung zur Leistungserbringung gesehen. Die Beklagte habe den Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt über den Antrag vom 30. August 2021 informiert und gelte somit auf der Grundlage des § 14 SGB IX als erstangegangener Träger mit der Verpflichtung, über sämtliche in Frage kommenden Rehabilitationsleistungen aufgrund aller Rechtsgrundlagen zu entscheiden, die in der konkreten Bedarfssituation für behinderte Menschen vorgesehen seien.
Die Auffassung der Beklagten, dass ein entsprechender Antrag bei der Beigeladenen nicht notwendig gewesen sei, da in der Vergangenheit im Rahmen der Eingliederungshilfe die Übernahme der Kosten der stationären Schulmaßnahme bewilligt worden seien und ein diesbezüglicher Antrag somit fortwirke, sei nicht haltbar. Denn gerade wenn Leistungen nicht zukunftsoffen, sondern – wie im vorliegenden Fall – zeitlich befristet seien, bedürfe es zur Weiterbewilligung stets eines neuen- bzw. eines Weiterbewilligungsantrags. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin erstmals einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe an (schulischer-)Bildung zum 21. April 2018 beantragt. Auf Grundlage dessen sei der Bewilligungsbescheid vom 25. Juli 2018 für den Zeitraum vom 1. August 2018 bis 31. Juli 2021 erfolgt, namentlich für die Zeit bis zur Erreichung der allgemeinen Hochschulreife. Aufgrund der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Baden-Württemberg habe dieser Bescheid jedoch – von Amts wegen – für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2020 von SGB XII- auf SGB IX-Bescheide umgestellt werden müssen. Sodann sei von der Klägerin ein Weiterbwilligungsantrag vom 12. Mai 2021 für ein weiteres Schuljahr eingegangen, also für den Zeitraum vom 1. August 2021 bis 31. Juli 2022 ein. Für Schüler mit einer Körperbehinderung gebe es die zusätzliche Möglichkeit, das Abitur nach 4 Jahren, statt der üblichen 3 Jahre zu erlangen. Auf Grundlage des Weiterbwilligungsantrags seien sodann der Bescheid vom 22. Juli 2021 sowie der Bescheid vom 24. Februar 2022 für das letzte halbe Schuljahr ergangen. Der Antrag bzw. der Weiterbwilligungsantrag verliere mit Ablauf des 31. Juli 2022 (Abschluss der Schule) seine Wirkung und wirke eben gerade nicht für das Studium fort. Ein Antrag auf Förderung des Studiums an der S2-Hochschule H1 sei bei der Beigeladenen hingegen nicht gestellt worden. Hinsichtlich eines „informellen Gesprächs“ zwischen der Reha-Beraterin der Klägerin und Herrn P1 vom Beigeladenen, wie von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt, könne nichts Näheres gesagt werden, da auch von Seiten des Beigeladenen diesbezüglich keinerlei Dokumentation vorliege.
Mit Beschluss vom 17. August 2022 hat der Senat die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 2. August 2022 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren weiter vorgebracht, aus der Verwaltungsakte des Beigeladenen ergebe sich, dass am 15. Juli 2021 bei dieser ein Gespräch stattgefunden habe, an welchem die Klägerin und deren Eltern beteiligt gewesen seien. In diesem Gespräch habe die Klägerin den Wunsch geäußert, in einem sozialen oder pädagogischen Beruf zu arbeiten, weshalb sie studieren oder eine Ausbildung machen wolle. Dieser Wunsch sei dahingehend konkretisiert worden, dass die Klägerin gerne ein pädagogisches Studium absolvieren würde.
Daraus ergebe sich, dass nicht die Beklagte, sondern der Beigeladene erstangegangener Rehabilitationsträger gewesen sei. Das im Gespräch vom 15. Juli 2021 klar zum Ausdruck gebrachte Anliegen und Begehren der Klägerin und deren Eltern sei auf die weitere Eingliederung nach Abschluss des Gymnasiums gerichtet gewesen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts sei davon auszugehen, dass der Antragsteller diejenige Leistung beantrage, die ihm zustehe. Insbesondere komme es dabei nicht darauf an, welchen Antrag der Antragsteller benutzt oder welche Bezeichnung er gewählt habe. In einem insoweit vergleichbaren Fall habe das BSG ausgeführt, dass im Zweifel der behinderte Mensch die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen wolle, sodass der gestellte Antrag umfassend, d. h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen zu prüfen sei (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 — B 5 R 8/14 R Rn. 30; Juris). Der erstangegangene Träger werde im Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX durch den rehabilitationsrechtlichen Erstantrag bestimmt. Antrag in diesem Sinne sei jede an den Versicherungsträger gerichtete Willenserklärung, aus der sich ein Leistungsverlangen ergebe (BSG aa0 Rn. 32). Gemessen hieran habe die Klägerin ihren über den Schulbesuch hinaus bestehenden Förderungsbedarf am 15. Juli 2021 geäußert und nach dem „Meistbegünstigungsprinzip" erstmalig bei dem Beigeladenen beantragt. Nach der genannten Rechtsprechung sei hierbei unerheblich, wie die Klägerin diesen Antrag konkret bezeichnet habe. Aus Sicht der Beklagten bestehe auch kein Zweifel daran, dass die Klägerin und deren Eltern am 15. Juli 2021 bei dem Beigeladenen eindeutig ein Förderungsbegehren bezogen auf die Zeit nach Schulende zum Ausdruck gebracht hätten. Dieser Antrag sei von der Beigeladenen nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an die Beklagte weitergeleitet worden, weshalb der Beigeladene als erstangegangener Träger leistungsverpflichtet geworden sei.
Nachdem zwischen dem Gespräch vom 15. Juli 2021 und dem bei der Beklagten am 30. August 2021 gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben keine Änderung in der Sachlage eingetreten sei, handele es sich beim Antrag vom 30. August 2021 folglich um keinen neuen, eigenständigen Antrag, der zu einem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte geführt hätte. Der Beigeladene sei schon als erstangegangener Rehabilitationsträger der Klägerin gegenüber leistungspflichtig geworden. Es könne im Ergebnis deshalb auch dahinstehen, ob durch den Abschluss des Gymnasiums eine Zäsur eingetreten sei, die zu einer neuen Situation und einer damit verbundenen neuen Antragsnotwendigkeit geführt habe. Denn ein solcher Antrag sei erstmalig am 15. Juli 2021 bei dem Beigeladenen gestellt worden.
Zu Recht habe die Beklagte mit ihrer streitgegenständlichen Entscheidung allein über die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abschlägig entschieden. Die Zuständigkeit des Beigeladenen als erstangegangener Träger werde hierdurch nicht berührt. Dies gelte erst recht deshalb, da der Beigeladene nach Auffassung der Beklagten für die Erbringung von Leistungen der Teilhabe an Bildung an die Klägerin zuständig sei. Nachdem die Beklagte für diese Leistungen kein Rehabilitationsträger sein könne, bestehe auch keine Anspruchskonkurrenz. Der Beigeladene sei deshalb gegenüber der Beklagten insoweit nicht nachrangig zuständig.
Die Beklagte habe in der Berufungsschrift ausführlich dargelegt, weshalb die Klägerin ihr gegenüber keinen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben habe. Vielmehr komme ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe an Bildung allein gegen den Beigeladenen in Betracht. Der Beigeladene sei der Beklagten zur Erstattung der von ihr vorgeleisteten Kosten verpflichtet. Deshalb werde auch Widerklage gegen den Beigeladenen erhoben. Diese sei geboten, da die Beklagte beim Beigeladenen mit Schreiben vom 23. August 2022 vorsorglich einen Erstattungsanspruch geltend gemacht habe. In diesem Zusammenhang sei der Beigeladene gebeten worden, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, was dieser jedoch schriftlich am 28. Oktober 2022 abgelehnt habe. In Anbetracht der Dauer des streitgegenständlichen Studiums sei es der Beklagten nicht zuzumuten, zunächst dessen Abschluss abzuwarten und sodann einen Erstattungsanspruch in einem gesonderten Verfahren dem Beigeladenen gegenüber geltend zu machen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Mai 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie den Beigeladenen im Wege der Widerklage zu verurteilen, die Kosten für die von der Beklagten erbrachten Leistungen in Höhe von 55.864,24 € zu erstatten und festzustellen, dass der Beigeladene die zukünftig entstehenden Kosten im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Bachelor-Studium zuzüglich der Verwaltungskostenpauschale nach § 16 Abs. 3 SGB IX zu erstatten hat.

Die Klägerin beantragt,
            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die Entscheidung des SG für rechtmäßig gehalten und sich den Ausführungen des Beigeladenen angeschlossen.

Der Beigeladene beantragt,
            die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Er hat vorgebracht, die Beklagte beziehe sich auf einige Auszüge aus einem Gespräch zwischen der Fachplanung der Eingliederungshilfe und der Klägerin vom 15. Juli 2021. Der Auffassung der Beklagten, dass durch Auslegung des Gesprächsinhalts nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und der Meistbegünstigungstheorie ein über den Schulbesuch hinaus bestehender Förderungsbedarf geäußert und damit ein entsprechender Antrag gestellt worden sei, sei nicht zu folgen.
Wie bereits ausgeführt, sei bei dem Beigeladenen letztmalig am 12. Mai 2021 ein (Weiterbewilligungs-)Antrag gestellt worden. Die Klägerin nehme darin explizit Bezug auf ihren Besuch des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums. Zum Zeitpunkt des Hilfegesprächs vom 15. Juli 2021 sei der Wunsch der Klägerin, studieren zu wollen, noch gar nicht hinreichend konkret an den Beigeladenen geäußert worden. So habe sie unmissverständlich ausgeführt (AS 131), dass sie in einem sozialen oder pädagogischen Beruf arbeiten wolle und dazu studieren oder eine Ausbildung machen wolle. Auf Seite 151 habe die Klägerin außerdem mitgeteilt, dass sie sich noch nicht weiter über ihre Möglichkeiten des Wohnens und Studierens informiert habe. Auch auf – von der Beklagtenseite ebenfalls angebrachten – Aktenseite 171 komme nur zum Ausdruck, dass sich die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ihren Werdegang gegenüber der Beigeladenen nach der Schulzeit („[…] Assistenz beim Studium/der Ausbildung […]“) offengehalten habe. Sofern demnach anhand der zitierten Gesprächsnotizen auf den wirklichen Willen der Klägerin geschlossen werden solle, habe sich dieser zunächst auf den erfolgreichen Abschluss ihres Abiturs bezogen. Die Äußerungen hinsichtlich ihrer beruflichen Laufbahn nach der Schule seien viel zu vage gewesen und hätten zum damaligen Zeitpunkt auch nicht weiter erörtert werden müssen, da die Schulzeit noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Auch der gesamte Verfahrensverlauf bei der Beigeladenen lasse nur darauf schließen, dass es sich zunächst nur um die schulische Laufbahn der Klägerin gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der Gesprächsnotiz vom 15. Juli 2021 habe mithin noch ein völlig anderer Bedarf als mit Aufnahme des Studiums bzw. ab dem Zeitpunkt bestanden, ab dem sich der Wille der Klägerin studieren zu wollen verfestigt habe. Demnach bleibe es dabei, dass mit Abschluss der Schule eine zeitliche Zäsur entstehe, da der Hilfebedarf völlig neu festgestellt werden müsse. Die von der Beklagten angebrachte Gesprächsnotiz ändere nichts daran, dass die Beklagte erstangegangener Träger nach § 14 SGB IX gewesen sei. Darüber hinaus habe es sogar schon vor dem Gespräch am 15. Juli 2021 beim Beigeladenen ein Berufsberatungsgespräch beim Beklagten gegeben, in dem über die Studienwünsche der Klägerin gesprochen worden sei, wobei der genaue Zeitpunkt des Gesprächs unbekannt sei. Eine Widerklage gegen den Beigeladenen nach § 75 Absatz 2, 5 SGG dürfte bereits unzulässig sein, da sich der Beigeladene in einer völlig anderen prozessualen Situation, als die Klägerin und die Beklagte befinde.

Die Klägerin hat sich den Ausführungen des Beigeladenen angeschlossen und ergänzend ausgeführt, sie habe nicht am 15. Juli 2021 gegenüber dem Beigeladenen das erste Mal über den Wunsch gesprochen, nach dem Abschluss des Gymnasiums zu studieren.
Der Termin am 15. Juli 2021 habe coronabedingt auf einem Spielplatz in der Nähe der Schule stattgefunden. Hier habe lediglich eine Bedarfsermittlung in Bezug auf die Schule und das Internat stattfinden sollen, weil die Klägerin in das Zwischenjahr gegangen sei und sich die Förderervorschriften der Schule geändert hätten. Bei dieser Gelegenheit sei auch nach den Plänen nach der Schule gefragt worden, da dies ein Jahr vor dem Abitur gewesen sei. Hierbei sei durch den Beigeladenen immer klar kommuniziert worden, dass ein separater schriftlicher Antrag bei einem Leistungserbringer gestellt werden müsse, wenn die Klägerin nach der Schule weiterhin unterstützt werden solle, entweder bei einem Studium oder einer Ausbildung. Die Sachbearbeiterin des Beigeladenen, Frau S3, habe dies auch telefonisch der Klägerin mitgeteilt. Vor dem 15. Juli 2021 hätten Termine mit und bei der Beklagten stattgefunden. Ende 2019 habe die Beklagte in der S2 Schule in N1 für die Schüler des beruflichen Gymnasiums eine Info-Veranstaltung durchgeführt, in der die Perspektiven nach dem Abschluss der Schule und die Förderungsmöglichkeiten der Arbeitsagentur erläutert worden seien. Auch ein mögliches Studium sei damals Thema gewesen. Die Referierende der Beklagten habe anschließend alle Schüler zu einem persönlichen Gespräch bei der Arbeitsagentur eingeladen. Dafür habe sich die Klägerin sofort angemeldet. Am 13. März 2020 sei sie bei Frau E1, eine Beraterin bei der Beklagten, in einem Termin der Arbeitsagentur in H1 gewesen. Hierbei sei das Thema gewesen, was die Klägerin nach der Schule machen möchte. Hier habe die Klägerin angegeben, dass sie sich noch nicht sicher sei, ob eine Ausbildung oder ein Studium aufgenommen werde. Sie habe aber schon damals klar kommuniziert, dass ihre Tendenz in Richtung Studium gehe. An diesem Tag habe die Klägerin auch einige Tests durchlaufen. Einige Wochen später habe es dann einen telefonischen Termin mit Frau E1 gegeben, in welchem über die Ergebnisse informiert worden sei. Die Fähigkeiten und Einschränkungen der Klägerin seien hier Thema gewesen. Es sei ihr geraten worden, bei den Hochschulen auf die Barrierefreiheit zu achten und darauf hingewiesen worden, dass ein Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit rechtzeitig gestellt werden müsse, wenn hier Unterstützung begehrt werde. Im Frühjahr 2021 habe die Klägerin dann die Hochschulen in M1 und L1 zusammen mit den Beauftragten für Studierende mit Behinderung besichtigt. Hierbei habe sich herausgestellt, dass beide Universitäten für die Klägerin nicht barrierefrei seien. Sodann habe ein Termin mit B3 von der S2 Hochschule in W1 stattgefunden. B3 sei die Behindertenbeauftragte und auch Professorin in der Fachrichtung Soziale Arbeit. Die S2 Schule habe sich als barrierefrei und für die Bedürfnisse der Klägerin geeignet erwiesen. Es sei mitgeteilt worden, dass viele behinderte Studenten an der S2 in einem sogenannten Reha-Status studierten und von der Beklagten unterstützt würden. Daraufhin habe die Klägerin das Berufsförderungswerk angerufen und es sei ihr bestätigt, dass sie sich direkt an die Beklagte wenden solle.
Am 27. August 2021 und damit ein Jahr vor Beginn des geplanten Studiums habe die Klägerin den Erstantrag bei der Beklagten zur Förderung des geplanten Studiums gestellt. In diesem Antrag habe sie präzise formuliert, aus welchen wichtigen Gründen die S2 Hochschule gewählt worden sei und Auskunft über die Behinderung gegeben. Die Beklagte habe sich für zuständig erklärt. Es könne daher nicht erkannt werden, warum die Beklagte so vehement der Auffassung sei, sie sei nicht der richtige Träger. Unverbindliche Gespräche mit dem Beigeladenen seien nicht als Antrag zu werten. Die Klägerin habe wissentlich und willentlich einen Erstantrag bei der Beklagten gestellt. Ihr sei von Seiten des Beigeladenen immer kommuniziert worden, dass die Beklagte der richtige Leistungsträger sei. Gleiches sei ihr von der Hochschule und vom Berufsförderungswerk mitgeteilt worden.
Die Beklagte hat weiterhin an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, dass sie nicht der erstangegangene Träger sei und diese durch das Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen bestätigt gesehen. In dem Beratungsgespräch in Anschluss an die Informationsveranstaltung im November 2019 und in dem Beratungsgespräch am 20. Juli 2020 im Anschluss an die Testung am 13. März 2020 dürfte eindeutig kein Antrag zu sehen sein. Es seien keine leistungsrechtlich relevanten Konkretisierungen erfolgt, was auch wegen des Schulbesuches gar nicht möglich gewesen wäre. Auf schriftliche Nachfrage von Frau E1 habe die Klägerin am 7. Dezember 2020 mitteteilt, dass sie ihr Abitur erst 2022 ablege und danach die angesprochene OP erfolge. Die Klägerin sei zufrieden, dass sie sich für die Zwischenklasse entschieden habe, da sie hierdurch mehr Zeit gewonnen habe, die sie brauchen könne. Die Klägerin kündigte an, sich zu melden, falls sich etwas Neues ergebe.
Der nächste Kontakt zwischen der Klägerin und Frau E1 habe dann telefonisch am 19. August 2021 stattgefunden, nachdem die Klägerin am 17. August 2021 telefonisch um Rückruf gebeten habe. Hierbei habe die Klägerin angegeben, sie wolle nach dem Abitur gerne Soziale Arbeit an der S2 in H1 studieren. Frau E1 habe die Klägerin darüber informiert, dass ein Studium in den Bereich der Leistungen zur Teilhabe an Bildung falle und daher ein anderer Kostenträger (Eingliederungshilfe/Amt für Soziales) zuständig sei. Die Klägerin sei auf eine dortige Antragstellung hingewiesen worden. Wie sich im Berufungsverfahren nunmehr herausgestellt habe, habe kurz zuvor am 15. Juli 2021 bei dem Beigeladenen ein Gespräch mit der Klägerin stattgefunden. Zwischen dem 15. Juli 2021 und dem 19. August 2021 sei eine wesentliche Änderung der Sach- und Bedarfslage nicht erkennbar. Insbesondere sei nicht plausibel, weshalb zum Zeitpunkt des Gespräches bei dem Beigeladenen am 15. Juli 2021 der Studienwunsch der Klägerin noch nicht hinreichend konkretisiert worden sei, dies aber etwa einen Monat später bei der Beklagten der Fall gewesen sein solle. Bezüglich der Auslegung des klägerischen Begehrens könnten deshalb bezogen auf den 15. Juli 2021 bzw. 19. August 2021 keine unterschiedlichen Erwägungen begründet werden. Die Beklagte gehe deshalb davon aus, dass die maßgebliche Erstantragstellung am 15. Juli 2021 bei dem Beigeladenen erfolgt sei. Hinsichtlich der Auslegung und Beurteilung der Erstantragstellung komme es entgegen der Auffassung des Beigeladenen auch nicht auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums an, sondern auf den Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung. Doch auch bezüglich des Zeitpunktes der Aufnahme des Studiums stelle sich die Sachlage bezogen auf 7/2021 und 08/2021 für die Beklagte und den Beigeladenen gleich dar.

Der Beigeladene hat in einer weiteren Stellungnahme daran festgehalten, dass sich aus dem Gespräch mit der Klägerin am 15. Juli 2021 kein Antrag konstruieren lasse. Es erschließe sich auch nicht, warum es nach Ansicht der Beklagten nicht plausibel sein könne, dass eine junge Frau ihre Entscheidung studieren zu wollen innerhalb eines Monats festige. Gegenüber der Beigeladenen habe sie dies jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht und dies habe auch sicher nicht in ihrer Absicht gelegen.
Auch überzeugten die Ausführungen der Beklagten zur Widerklage nicht. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X lägen nicht vor und auch eine Erstattung nach § 104 SGB X komme nicht in Betracht.

Die Beklagte hat erneut die Auffassung vertreten, bei dem Gespräch am 15. Juli 2021 sei das Studium im Anschluss an den Schulbesuch und mithin die Bedarfslage bereits thematisiert worden, so dass hierin die erstmalige Antragstellung zu sehen sei und der Beigeladene, weil der Antrag nicht an die Beklagte weitergeleitet worden sei, auch im Außenverhältnis zuständig geworden sei.
Soweit der Beigeladene auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24. April 2015 – L 8 AL 2430/12 – Bezug nehme, sei darauf hinzuweisen, dass sich der 8. Senat in einem aktuellen Urteil vom 17. März 2023 – L 8 AL 3628/21 – ausdrücklich von seiner „Annex“-Rechtsprechung u. a. im genannten Urteil abgewandt habe. Des Weiteren habe der 8. Senat die Trägerzuständigkeiten und -verantwortlichkeiten nochmals deutlich dargestellt und insbesondere darauf verwiesen, dass sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen richte. Bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einerseits und Leistungen zur sozialen Teilhabe andererseits sei auf den Schwerpunkt der jeweils in Frage stehenden Maßnahme abzustellen.
Diese Abgrenzungskriterien gälten gleichermaßen gegenüber den Leistungen zur Teilhabe an Bildung. Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung seien als eigenes Kapitel in das SGB IX aufgenommen worden, um den hohen Stellenwert, der Bildung zukomme (Art. 24 UN-BRK), zu verdeutlichen. Durch die Leistungen zur Teilhabe an Bildung würden jedoch keine neuen Ansprüche geschaffen. Es sei nach der gesetzlichen Begründung eine Klarstellung, die keine Leistungsausweitung zur Folge habe (vgl. BeckOK SozR/Schweitzer, 68. Ed. 1.3.2023, SGB IX § 75 Rn. 3).
Mit § 75 SGB IX n. F. habe der Gesetzgeber den Schwerpunkt einer Hochschulausbildung dem Bereich der Teilhabe an Bildung zugeschrieben. Folglich könne die Beklagte zwar grundsätzlich als Trägerin von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt in Betracht kommen, gleichwohl sei die Förderung konkreter Maßnahmen – hier des streitgegenständlichen Studiums – mangels Rechtsgrundlage im SGB III abzulehnen. Dies entspreche der Schwerpunktbetrachtung des 8. Senats.
Bei der rechtlichen Beurteilung sei schließlich zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht zuletzt mit der Änderung des SGB IX durch das BTHG einen dogmatischen Wandel von der Integration hin zur Inklusion behinderter Menschen vollzogen habe. Damit einher gehe die Verpflichtung, behinderten Menschen einen barrierefreien Zugang zu Bildungsangeboten zu ermöglichen und die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme besonderer Einrichtungen damit soweit wie möglich zu verhindern. Dies komme in § 75 SGB IX klar zum Ausdruck. Der Beigeladene habe sich bislang auf Ausführungen zu den sich im Außenverhältnis ergebenden Zuständigkeitsregelungen des §  14 SGB IX und allgemeinen Ausführungen zu den §§ 102 ff. SGB X beschränkt. Bereits das SG habe den Beigeladenen mit Verfügung vom 10. März 2022 zu einer Stellungnahme dazu aufgefordert, ob die geltend gemachten Leistungen nach den Vorschriften der Eingliederungshilfe übernommen werden könnten bzw. weshalb gegebenenfalls nicht. Der Beigeladene habe eine Stellungnahme hierzu abgelehnt. Da insbesondere § 14 SGB IX zu keiner materiell-rechtlichen Zuständigkeitsverschiebung unter den Leistungsträgern führe und im Wege der Widerklage von der Beklagten ein Erstattungsanspruch gegenüber des Beigeladenen geltend gemacht werde, rege die Beklagte an, dem Beigeladenen – wie schon das SG – aufzuerlegen, zu seiner materiell-rechtlichen Leistungspflicht, wie sie sich nach seinen Vorschriften darstelle, Stellung zu nehmen.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig. Insbesondere hat die Beklagte nachvollziehbar unter Vorlage einer dienstlichen Stellungnahme des zuständigen Mitarbeiters Herrn B2 dargelegt, dass das angefochtene Urteil des SG vom 24. Mai 2022 erst am 30. Mai 2022 von dem zuständigen Mitarbeiter zur Kenntnis genommen wurde, weshalb die Zustellung des Urteils erst am 30. Mai 2022 bewirkt war (vgl. auch Urteil des BSG vom 27. Februar 2019 – B 7 AY 1/17 R –; juris) und die Berufungsfrist (§ 151 SGG), die am 31. Mai 2022 begann und am 30. Juni 2022 endete, bei Einlegung der Berufung am 29. Juni 2022 noch nicht abgelaufen war (vgl. § 64 SGG).

Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2021 und deren Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2021 insoweit aufgehoben, als die konkret begehrte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung des Studiums an der
S2 Hochschule in H1 abgelehnt wird und festgestellt, dass im Falle des Erlangens der Hochschulreife durch die Klägerin die Beklagte verpflichtet sei, das Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit an der S2 Hochschule H1 als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zugunsten der Klägerin zu fördern.
Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage war ausnahmsweise zulässig. Zwar ist die Feststellungsklage (§ 55 SGG) grundsätzlich subsidiär gegenüber einer (hier in Betracht kommenden) Anfechtungs- und Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 5 SGG.
Jedoch gilt der Grundsatz der Subsidiarität nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei Klagen gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2013 – B 4 AS 74/12 R).
Eine Feststellungsklage gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts ist daher nur dann subsidiär, wenn eine endgültige Klärung des Streitfalls durch ein feststellendes Urteil nicht erwartet werden kann (z.B. wenn sich das Gericht trotz des feststellenden Urteils nochmals mit der Streitsache befassen müsste) oder wenn bereits eine Gestaltungs- oder Leistungsklage anhängig ist, da es in diesem Fall keine prozessökonomischen Gründe für ein Abweichen vom Subsidiaritätsgrundsatz gibt (vgl. Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 55 SGG [Stand: 15.06.2022], Rn. 31 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt der Entscheidung des SG noch unbekannt, ob die Klägerin die für den Beginn des angestrebten Studiums erforderliche Hochschulreife erlangen wird, ebenso die konkrete Ausgestaltung und die anfallenden Kosten des angestrebten Studiums. Mit der vom SG festgestellten Verpflichtung, dass die Beklagte im Falle des Erlangens der Hochschulreife durch die Klägerin verpflichtet sei, das Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit an der S2 Hochschule H1 als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zugunsten der Klägerin zu fördern, wird das hier streitige Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit der angestrebten Förderung des Studiums zwischen den Beteiligten endgültig geklärt. Anfechtungs- und Feststellungsklage war somit statthaft.

Das SG hat darüber hinaus auch zu Recht die o.g. Feststellung zu Gunsten der Klägerin getroffen.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten als zuständigem erstangegangenen Rehabilitationsträger einen Anspruch auf Förderung des Bachelor-Studiums der Sozialen Arbeit an der S2-Hochschule H1.

Die Beklagte gehört gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX zum Kreis der Rehabilitationsträger und ist hierbei u.a. zuständig für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2 SGB IX).
Die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers folgt unabhängig von der materiell-rechtlichen Zuständigkeit aus § 14 SGB IX. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SG IX verliert der materiell-rechtlich (eigentlich) zuständige Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine nach § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken; diese Zuständigkeit ist ausschließlicher Natur (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Erstangegangener Rehabilitationsträger i.S. von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl. § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, Rn. 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 7, Rn. 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 21, Rn. 24). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger (bezüglich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) auch für die Förderung des begehrten Studiums i.S. des § 14 SGB IX anzusehen und damit im Außenverhältnis ausschließlich zuständig geworden.

Die Klägerin hat am 30. August 2021 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Diesen Antrag hat die Beklagte nicht innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang an den Beigeladenen weitergeleitet. Demnach oblag es der Beklagten, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beklagten ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O. unter Hinweis auf st. Rspr.). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - Juris).
Die Beklagte hat dementsprechend auch mit dem angefochtenen Bescheid vom
28. Oktober 2021 festgestellt, dass die Klägerin nach § 19 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung (SGB III) grundsätzlich berechtigt sei, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beziehen und gleichzeitig den Antrag auf Übernahme des Studiengangs der Sozialen Arbeit abgelehnt.

Ein früherer Antrag, der beim Beigeladenen gestellt wurde und dessen Zuständigkeit als erstangegangener Rehabilitationsträger begründen könnte, liegt nicht vor. Der Beigeladene war vor dem o.g. Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 30. August 2021 lediglich mit Anträgen auf Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Zusammenhang mit der Schulbildung am Gymnasium befasst. Durch den im Juli 2022 erreichten Schulabschluss ist eine Zäsur eingetreten und es hätte im Hinblick auf die Aufnahme eines Studiums, insbesondere des konkret angestrebten Studiums an der S2 Hochschule in H1, eines neuen Antrags bedurft, zumal der geltend gemachte Anspruch auf Förderung des genannten Studiums unter völlig anderen Gesichtspunkten zu prüfen ist als der bisherige Schulbesuch.
Auch im Rahmen des Gesprächs am 15. Juli 2021 beim Beigeladenen wurde nicht sinngemäß ein Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt. Bei diesem Gespräch wurden zwar – bei laufendem Schulbesuch – u.a. Fragen zu den Wünschen und Lebensvorstellungen der Klägerin gestellt und hierbei wurde auch auf die Zukunftspläne nach dem Ende des Schulbesuchs eingegangen.
Sie hat dabei u.a. angegeben, sie wolle in einem sozialen oder pädagogischen Beruf arbeiten, z.B. soziale Arbeit oder Kunstpädagogik und studieren oder eine Ausbildung machen (Ziffer 1.2). An anderer Stelle wird noch erwähnt, die Klägerin benötige, um ihre Ziele zu erreichen, u.a. Assistenz beim Studium/der Ausbildung, beim Transport.
Zu berücksichtigen ist jedoch zum einen, dass sich ein Großteil des Fragebogens auf die aktuellen Lebensverhältnisse während des laufenden Schulbesuchs bezieht und die Zukunftspläne für die Zeit nach dem Schulbesuch nur vage beschrieben werden. So hat die Klägerin lediglich pauschal und beispielshaft Berufe im sozialen oder pädagogischen Bereich angesprochen und auch offengelassen, ob sie ein Studium oder eine Berufsausbildung anstrebt und den Hilfebedarf (Assistenz) nur pauschal beschrieben. Sie hat außerdem mitgeteilt, sie habe sich bisher noch nicht weiter über ihre Möglichkeiten des Wohnens und Studierens informiert und wolle erst einmal abwarten, wie das Abitur laufe.
Ein konkreter Antrag im Hinblick auf das Studium kann daraus nicht abgeleitet werden. Im Unterschied hierzu wird in dem von der Klägerin gegenüber der Beklagten gestellten Antrag vom 30. August 2021 konkret das angestrebte Bachelor-Studium an der S2 Hochschule in H1 angesprochen. Hieraus lässt sich auch der Schluss ziehen, dass die Klägerin den Antrag zielgerichtet bei der Beklagten gestellt hat und ihre Äußerungen anlässlich des Gesprächs vom 15. Juli 2021 mit dem Beigeladenen nicht sinngemäß als (früherer) Antrag im Hinblick auf die Förderung des Studiums zu interpretieren sind. Auch finden sich in den vorliegenden Akten keine Hinweise auf eine sonstige frühere Antragstellung beim Beigeladenen.

Die Beklagte ist somit erstangegangener Leistungsträger geworden und daher zuständig für die Erbringung von Leistungen nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind §§ 112, 113 Abs. 1 Nr. 2, i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 118 Satz 1 Nr. 3 SGB III.
Gemäß § 112 Abs. 1 SGB III können für Menschen mit Behinderungen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen (§ 112 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Soweit erforderlich, ist auch die berufliche Eignung abzuklären oder eine Arbeitserprobung durchzuführen (§ 112 Abs. 2 Satz 2 SGB III).
Gemäß § 113 Abs. 1 SGB III können für Menschen mit Behinderungen 1) allgemeine Leistungen sowie 2) besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen erbracht werden. Besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden nur erbracht, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann (§ 113 Abs. 2 SGB III).
Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen, wenn
Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen oder
einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten Maßnahme unerlässlich machen oder
die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen (Satz 1)
In besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden (Satz 2).

Gemäß § 117 Abs. 2 SGB III werden Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder anderen Leistungsanbietern nach den §§ 57, 60, 61a und 62 des Neunten Buches erbracht.

Die besonderen Leistungen umfassen u.a. nach 
§ 118 Nr. 3 SGB III die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme. Nach § 127 Abs. 1 SGB III bestimmen sich Teilnahmekosten nach den §§ 4964, 73 und 74 SGB IX. Sie beinhalten auch weitere Aufwendungen, die wegen Art und Schwere der Behinderung unvermeidbar entstehen, sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung bei anderweitiger auswärtiger Unterbringung.

Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 24. Mai 2022 zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Förderung des Studiums an der S2 Hochschule in H1 um eine Förderung der Aus- und Weiterbildung nach § 117 Abs. 1 Satz 2 SGB III handelt, die auch dann förderungsfähig ist, wenn sie außerhalb des BBiG und der HwO erfolgt und im vorliegenden Fall eine Ermessensreduzierung auf Null bezüglich der Art der Förderung und des Leistungserbringers vorliegt.
Das SG hat in seine Erwägung zu Recht eingestellt, dass das eingeholte psychologische Gutachten vom 27. Oktober 2021 nicht gegen die begehrte Förderung spricht, weil es nicht sicher vorhersagen konnte, ob der Studienabschluss unter den besonderen Förderbedingungen der S2 Hochschule H1 erreicht werden kann und sicher nur eine Überforderung bei der Aufnahme eines Studiums im regulären Fachhochschul-Kontext gesehen wurde, zumal eine Beeinträchtigung der Testwerte durch eine ICP-bedingte Einschränkung der kognitiven Stützfaktoren nicht ausgeschlossen werden konnte. Das SG hat auch nachvollziehbare Gründe dafür dargelegt, dass der Klägerin für den Fall, dass sie das Abitur ablegt (was zwischenzeitlich erfolgt ist), die Hochschulreife nicht abgesprochen werden kann und anderenfalls eine Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung vorliegen würde, weil keinem anderen erfolgreichen Abiturienten der Zugang zur Hochschule mit der Begründung versagt wird, dass er nicht die erforderliche Eignung hierfür mitbringe, indem ein zusätzliches psychologisches Gutachten angeführt wird. Das SG hat hierbei berücksichtigt, dass auch nicht behinderte Menschen, die das Abitur bestehen, häufig am erfolgreichen Abschluss eines oder mehrerer Studiengänge scheitern. Ferner hat das SG – wie in § 112 Abs. 2 SGB III vorgesehen, wonach bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen sind - die Neigung der Antragstellerin und den Umstand gewertet, dass die Beklagte ihr keinen alternativen Ausbildungsberuf in dem von ihr bevorzugten Berufsfeld aufzeigen konnte.

Soweit die Beklagte eingewandt hat, der Klägerin hätten alternative Berufsausbildungen angeboten werden können, ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben der Beklagten im Erörterungstermin (beim SG) vom 11. Mai 2022 als alternative Tätigkeiten für die Klägerin Bürotätigkeiten in der Verwaltung oder in der Krankenkasse im Raum standen oder eine kaufmännische Tätigkeit im Gesundheitswesen und keine weiteren Berufsfelder mit Schwerpunkt sozialer Tätigkeit seitens der Reha-Beratung benannt worden sind. Die genannten Bürotätigkeiten als Sozialversicherungsfachangestellte oder Kauffrau im Gesundheitswesen stellen jedoch keine geeigneten Alternativen dar, weil sie der Neigung und den Fähigkeiten der Klägerin nicht entsprechen. Die Klägerin hat sich – entsprechend dem Aktenvermerk über das Gespräch mit der Reha-Beraterin am 20. Juli 2021 - nach der kaufmännischen Wirtschaftsschule bewusst gegen ein Wirtschaftsgymnasium entschieden; Berufe im kaufmännischen Bereich sprechen sie nicht an.
Ein Beruf als Sozialversicherungsfachangestellte oder Kauffrau im Gesundheitswesen wäre auch nicht mit der ebenfalls im Vermerk beschriebenen Legasthenie zu vereinbaren. Verschiedene Ausbildungsberufe im sozialen Bereich (Erzieherin, Physiotherapeutin, Ergotherapeutin, Logopädin) fallen auch nach Einschätzung der Reha-Beratung behinderungsbedingt weg. Demnach sieht der Senat keine konkrete Berufsausbildung, welche als erfolgversprechende Alternative angesehen werden könnte.
Zwischenzeitlich hat die Klägerin auch erfolgreich das Abitur abgelegt und einen Teilabschnitt des Studiums erfolgreich abgeschlossen und damit ihre grundsätzliche Fähigkeit, ein Hochschulstudium aufnehmen und erfolgreich absolvieren zu können, unter Beweis gestellt.

Daneben kommt auch ein Anspruch der Klägerin auf Förderung des Studiums bzw. Übernahme bestimmter Kosten in diesem Zusammenhang gemäß §§ 5, 75 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, 112 SGB IX im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe an Bildung bzw. der Leistungen zur sozialen Teilhabe, für welche der Beigeladene als Träger der Eingliederungshilfe gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX materiell-rechtlich zuständig wäre, in Betracht. Gemäß §§ 75 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, 112 SGB IX umfassen die Leistungen insbesondere Hilfen zur Hochschulbildung sowie zur schulischen und hochschulischen beruflichen Weiterbildung. Die Voraussetzungen eines solchen Leistungsanspruchs (u.a. Eignung und Erforderlichkeit der Bildungsmaßnahme, um die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern) wären – unter Berücksichtigung der Ausführungen im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – ebenfalls erfüllt.

Zu beachten ist, dass die
Leistungsverpflichtung des Beigeladenen grundsätzlich nachrangig ist. Denn berufsfördernde Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III sind gegenüber der Eingliederungshilfe vorrangig (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 112 SGB IX [Stand: 13.11.2020], Rn. 61). Auch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24. Februar 2016 – B 8 SO 18/14 R) ist vorrangig zu prüfen, ob es sich in der Unterstützung einer Bildungsmaßnahme nicht im Einzelfall – wie hier - um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben handelt, die dann typischerweise als besondere Leistung zur Teilhabe nach §§ 
112113 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2118 Satz 1 Nr. 3 SGB III in die Zuständigkeit der Beklagten fällt. Auch die Förderung eines Fachhochschul- oder Hochschulstudiums – auch außerhalb von besonderen Einrichtungen - ist als besondere Leistung nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III möglich, wenn es für die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben unerlässlich ist (vgl. Bienert in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, Sozialgesetzbuch III – Arbeitsförderung, 7. Auflage 2021, § 117, Rn. 22 m.w.N.; nach anderer Auffassung [Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 112 SGB IX (Stand: 13.11.2020)], Rn. 61, stellt sich das Konkurrenzverhältnis nur mittelbar, weil die Zuständigkeit der BA nur für betriebliche Ausbildungen bestehe).

Zur Abgrenzung zwischen Leistungen der beruflichen Rehabilitation und anderen Rehabilitationsleistungen (etwa solchen zur sozialen Teilhabe im Sinne des § 5 Nr. 5 SGB IX) ist auf den Schwerpunkt der Maßnahme abzustellen (vgl. hierzu auch Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Februar 2022 – L 10 AL 81/20 –, juris Rdnr. 32; siehe auch nachfolgend BSG, Beschluss vom 26.07.2022 – B 11 AL 11/22 B –, juris). Der Förderrahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beschränkt sich auf die durch die Berufsausübung bzw. Erreichung des Arbeitsplatzes ausgelöste Bedarfslage. Maßnahmen, die ohne unmittelbaren Bezug zur Berufsausübung zur persönlichen Lebensführung gehören, die Verbesserung der Lebensqualität bewirken sowie elementare Grundbedürfnisse befriedigen und sich auf diese Weise nur mittelbar bei der Berufsausübung auswirken, sind nicht durch Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderungsfähig und allenfalls im Wege der Förderung der Teilhabe am sozialen Leben (jetzt nach §§ 76 ff. SGB IX) zu übernehmen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R - juris). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen also final auf das gesetzlich (§ 49 Abs. 1 SGB IX) vorgegebene Ziel des Erhalts, der Verbesserung, Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohter Menschen und der Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer ausgerichtet sein. Bezogen auf psychologische und pädagogische Leistungen gilt: Liegt der Schwerpunkt einer Maßnahme in der sozialen Betreuung und Persönlichkeitsentwicklung des Betroffenen oder ist die Maßnahme ausschließlich dazu bestimmt, die sowohl für das Leben in der Gesellschaft als auch für eine berufliche Tätigkeit unverzichtbaren Grundlagen (z.B. Allgemeinbildung, Kommunikationsfähigkeit) zu vermitteln, liegt keine Leistung der beruflichen Rehabilitation vor. Wenn Ziel, Plan und inhaltliche Ausgestaltung der Maßnahme dagegen wesentlich durch das Erlernen beruflicher Erkenntnisse und Fertigkeiten charakterisiert sind, liegt eine Leistung der beruflichen Rehabilitation vor.

Der Senat kann hier offenlassen, welcher Rehabilitationsträger materiell-rechtlich für die Erbringung der Leistungen im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Studium zuständig ist. Denn – wie bereits ausgeführt – ist die Beklagte gegenüber der Klägerin nach allen für sie in ihrer Bedarfssituation infrage kommenden Rechtsgrundlagen des geltend gemachten Anspruchs allein leistungszuständig.

Soweit die Beklagte von der Beigeladenen mit der als Widerklage erhobenen Leistungs- bzw. Feststellungklage die Erstattung der geleisteten Kosten im Zusammenhang mit dem Bachelor-Studium begehrt, ist die Widerklage nicht statthaft.

Gemäß § 100 SGG kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Die Widerklage kann grundsätzlich auch im Berufungsverfahren noch eingelegt werden.

Der Gegenanspruch muss im Zusammenhang stehen mit dem in der Klage erhobenen Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln.
Die Widerklage kann grundsätzlich nur gegen den Kläger gerichtet werden; jedoch kann ggf. auch gegen den notwendig Beigeladenen Widerklage erhoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 20/07 R im Falle eines notwendig beigeladenen Versicherungsträgers – juris m.w.N.).
Im vorliegenden Fall fehlt es an dem für § 100 SGG erforderlichen Zusammenhang. Denn Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Förderung des Bachelor-Studiums hat, wobei hier unter Berücksichtigung der Regelung des § 14 SGB IX und der daraus abzuleitenden alleinigen Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers zur Erbringung von Leistungen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen eine schnelle Klärung der Angelegenheit ermöglicht werden soll, um Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O.).
Auf die Frage, welcher Rehabilitationsträger letztlich zur Leistung verpflichtet ist, kommt es in diesem Kontext nicht entscheidend an. Hierfür besteht die Möglichkeit für den erstangegangenen Rehabilitationsträger, wenn die grundsätzliche Leistungspflicht feststeht, intern die Zuständigkeit mit den anderen in Betracht kommenden Rehabilitationsträgern zu klären und einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, für welchen die Regelungen der §§ 102 ff. SGB X gelten. Einer Widerklage bedarf es hierzu nicht, zumal diese den Verlust einer Instanz bedeuten würde, die Höhe der insgesamt für das Studium anfallenden Kosten (bzw. für welche konkreten Leistungen die Kosten angefallen sind) zum jetzigen Verfahrensstand noch unklar ist und hier auch noch weitere (formale) Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs zu prüfen wären, weshalb die Widerklage noch nicht entscheidungsreif ist.
Hinzu kommt, dass die Widerklage ohnehin nur dann – hilfsweise - in Betracht käme, wenn im Berufungsverfahren verbindlich geklärt würde, welcher Rehabilitationsträger materiell-rechtlich zur Leistung verpflichtet ist, was jedoch – wie bereits dargelegt – aufgrund der vorrangigen Verpflichtung des erstangegangenen Rehabilitationsträgers gemäß § 14 SGB IX nicht streitentscheidend ist und nicht dem Sinn und Zweck des § 14 SGB IX entspricht, eine schnelle rechtsverbindliche Leistungserbringung gegenüber der Klägerin zu ermöglichen. Die Klärung einer zusätzlichen Rechtsfrage, die erst aufgrund der Widerklage streitentscheidend wird, kann nach dem Sinn und Zweck des § 100 SGG nicht Gegenstand einer Widerklage sein.


Die Kostenentscheidung beruht bezüglich des ursprünglich verfolgten Streitgegenstands (Förderung des Bachelor-Studiums) auf § 193 SGG und bezüglich des mit der Widerklage verfolgten Anspruchs (Erstattungsanspruch) auf § 197a SGG i.V. m. §§ 154, 161 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen obsiegt und die Beklagte mit der Widerklage ohne Erfolg geblieben ist.

Da es sich im hier vorliegenden Fall um mehrere Streitgegenstände handelt, bei
denen ein Streitgegenstand von § 183 SGG, der andere von § 197a SGG erfasst wird, kommen – abweichend vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung – sowohl die Vorschriften der §§ 184 bis 195 SGG als auch die Vorschrift des § 197a SGG im Rahmen der Kostengrundentscheidung zur Anwendung (sog. kombinierte Kostenentscheidung, vgl. Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 197a SGG [Stand: 15.06.2022], Rn. 24 m.w.N.).

Die Festsetzung des Streitwerts für die Widerklage beruht auf § 197a Absatz 1 SGG in Verbindung mit § 63 Absatz 2 Satz 1, § 52 Absätze 2, 3 GKG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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