Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ein Mehrbedarf wegen einer krankheitsbedingten kostenaufwändigen Ernährung zusteht.
Die 1978 geborene Klägerin lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit zwei minderjährigen Kindern und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die vom Beklagten gewährt werden. Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 29. September 2020 hin wurden der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 5. Oktober 2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. November 2020, 16. April 2021, 7. Mai 2021 und 22. Juni 2021 für den Zeitraum vom 1. November 2020 bis 30. April 2021 Leistungen bewilligt, die sich aus den jeweiligen Regelbedarfen, einem Mehrbedarf für Alleinerziehung und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zusammensetzten.
Am 18. November 2020 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung. Sie teilte mit, dass bei ihr eine Schilddrüsenunterfunktion und eine Hashimoto-Erkrankung diagnostiziert worden seien. Zudem bestünden Fruktose- und Histamin-
intoleranzen. Sie müsse Tabletten (Eferox und Vitamine) zu sich nehmen und auf teurere Lebensmittel zurückgreifen. Die Klägerin legte eine Bescheinigung des K1 vom 17. November 2020 vor, der die Diagnosen einer Fruktose-, Laktose- und Histaminintoleranz zu entnehmen waren. Weiter wurde der Verdacht auf eine Glutenunverträglichkeit geäußert und angegeben, dass bei unauffälligem gastro- und serologischen Befund klinische Beschwerden bestünden.
Der Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme von S1 ein, in der ausgeführt wurde, dass es ohne größere Schwierigkeiten möglich sei, sich i.R. einer abwechslungsreichen Kost vollwertig und gesund zu ernähren. Ein Mehrbedarf sei daher aus ärztlicher Sicht nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 9. März 2021 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, aufgrund des Antrags vom 18. November 2020 sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 1. November 2020 bis 30. April 2021 überprüft worden. Ein Mehrbedarf für Ernährung bestehe aus ärztlicher Sicht nicht.
In ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin u.a. geltend, sie könne die Lebensmittel, die sie nicht vertrage, nicht weglassen, sondern müsse sie ersetzen, was zu Mehrkosten führe. Wegen ihrer Hashimoto-Erkrankung müsse sie auch auf Gluten verzichten. Auch die Vitamine, die sie einnehme, kosteten viel Geld.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den „Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung eines Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung“ vom 16. September 2020 (nachfolgend „Empfehlungen“) sei bei Histamin-, Laktose-, (Nicht- Zöliakie-) Gluten- und Fruktose-Intoleranz lediglich eine angepasste Vollkosternährung vorgesehen, welche regelhaft nicht zu einem Mehrbedarf führe. Auch unter Berücksichtigung der Hashimoto-Erkrankung ergebe sich nach sozialmedizinischer Feststellung kein anderes Ergebnis.
Dagegen hat die Klägerin am 5. Mai 2021 Klage zum beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie reagiere u.a. allergisch auf Kuhmilchprodukte, Dosenlebensmittel, Essig, Alkohol, Schokolade, geräucherte Speisen, Hefe, Sojaprodukte, Bananen, Tomaten sowie auf weitere Obst- und Gemüsearten und müsse daher auf teurere (u.a. glutenfreie) Ersatzprodukte zurückgreifen. Hierdurch fielen Mehrkosten in Höhe von 200,90 € monatlich an.
Aufgrund des Zusammenwirkens der Krankheiten sei sie zudem darauf angewiesen, Nahrungsergänzungen und Vitaminpräparate einzunehmen, die zu einer finanziellen Mehrbelastung von 57,84 € monatlich führten. Diese erhöhten Kosten seien nicht durch den Regelsatz gedeckt. In der Vergangenheit habe der Beklagte bei ihr einen Mehrbedarf für glutenfreie Ernährung anerkannt. Eine medizinische Verbesserung sei seitdem nicht eingetreten, sodass der Mehrbedarf weiterhin bestehe.
Soweit der Beklagte sich auf die „Empfehlungen“ berufe, verkenne er u.a., dass bei Personen mit multiplen Erkrankungen eine isolierte Betrachtung und schemenhafte Abhandlung einzelner Krankheiten nicht angezeigt sei. Bei den „Empfehlungen“ handele es sich zudem lediglich um allgemeine Ausführungen, sodass immer eine individuelle Betrachtung vorgenommen werden müsse.
Der Beklagte hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der K1 hat mit Schreiben vom 25. Mai 2021 mitgeteilt, die Klägerin leide u.a. an einer Laktose- sowie Fruktoseintoleranz. Weiter bestehe der Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine Histaminintoleranz sowie eine Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS). Seitens der Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz werde keine kostenaufwändigere Ernährung benötigt, da das Vermeiden von entsprechenden Lebensmitteln nicht mit relevanten Mehrkosten verbunden sei, sondern nur die Auswahl der Lebensmittel komplizierter sei. Anders verhalte es sich bei der möglichen Glutensensitivität. Eine glutenfreie Ernährung verursache deutliche Mehrkosten. Eine echte Glutenunverträglichkeit im Sinne einer Zöliakie habe weder durch eine Magenspiegelung noch durch eine Laborkontrolle bestätigt werden können. Da bei der Klägerin jedoch die typischen klinischen Beschwerden vorlägen, komme eine NCGS in Betracht, die nur durch eine placebokontrollierte Eliminationsdiät gesichert werden könne. Im Gegensatz zur echten Zöliakie seien jedoch keine schädlichen Effekte durch Gluten zu erwarten.
Der S2 hat mitgeteilt, er stimme der sozialmedizinischen Stellungnahme von S1 in vollem Umfang zu. Die Patientin habe bisher noch keine Ernährungsberatung zu den bekannten und vermuteten Nahrungsmittelintoleranzen gehabt.
Die Klägerin hat ein Attest des K2 vom 31. Januar 2022 vorgelegt. Darin führt dieser aus, er habe der Klägerin einmalig im September bis November 2020 Folsäure-, Selen- und Vitamin-D-Präparate auf Privatrezept verordnet. Zuvor habe bei der Klägerin ein erniedrigter Vitamin-D-Spiegel bestanden. Für Selen und Folsäure sei zwar kein Mangel festgestellt worden, aber es sei zu befürchten gewesen, dass durch die multiplen Unverträglichkeiten und die eingeschränkte Nahrungsauswahl nicht genügend davon aufgenommen werden könnte. Die Einnahme eines niedrig dosierten Eisenpräparates habe er der Patientin nur mündlich empfohlen, ohne dass ein nachgewiesener Eisenmangel und daraus resultierende Blutarmut gegeben gewesen seien.
Mit Urteil vom 27. Oktober 2022 hat das SG die Klage abgewiesen.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 9. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2021 sowie der zu überprüfende Bewilligungsbescheid vom 5. Oktober 2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. November 2020, 16. April 2021, 7. Mai 2021 und 22. Juni 2021 seien rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung könne nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R –, Rn. 9, zitiert nach juris).
Damit sei nicht allein der Bescheid des Beklagten vom 9. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2021 Gegenstand des Verfahrens, sondern im Hinblick auf den geltend gemachten Mehrbedarf sei die (bestandskräftige) Bewilligung für den Zeitraum vom 1. November 2020 bis 30. April 2021 nach Maßgabe der §§ 44, 48 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen. Eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs könne zudem wegen der in § 41 Abs. 3 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R –, Rn. 9, zitiert nach juris), sodass nur der o.g. Bewilligungszeitraum streitgegenständlich sein könne. Rechtsgrundlage für die begehrte Änderung der o.g. Bewilligungsbescheide sei § 44 Abs. 1 Satz 1 des SGB X. Nach dieser Vorschrift sei der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Zur Überzeugung der Kammer habe der Beklagte bei Erlass der o.g. Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide weder das Recht unrichtig angewandt noch sei er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Im Rahmen der Leistungsbewilligung sei zu Recht kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung berücksichtigt worden.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte das Arbeitslosengeld II. Leistungsberechtigt sei nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht habe, erwerbsfähig und hilfebedürftig sei und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe.
Zu den Leistungen gehörten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II der Regelbedarf nach § 20 SGB II, Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und der Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Der Regelbedarf umfasse gemäß § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Der Regelbedarf werde als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entschieden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei hätten sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
Dass die 1978 geborene Klägerin zum anspruchsberechtigten Personenkreis der §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 SGB II gehöre, sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Bedarfsgemeinschaft, der die Klägerin angehöre, würden Leistungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelbedarfe, eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung und des Bedarfs für Unterkunft und Heizung gewährt, so mit dem hier relevanten Weiterbewilligungsbescheid vom 5. Oktober 2020 in der Gestalt der o.g. Änderungsbescheide für den Zeitraum vom 1. November 2020 bis 30. April 2021.
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II bestehe jedoch nicht. Nach dieser Vorschrift werde bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs sei eine bestehende oder drohende gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordere, deren Kosten höher seien, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall sei (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 49/10 R). Es müsse also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 100/10 R). Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. Die für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs relevanten gesundheitlichen Störungen der Klägerin seien Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie die Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz. Daneben bestehe der Verdacht auf eine NCGS.
Zur Überzeugung der Kammer erfordere jedoch keine dieser Unverträglichkeiten eine Ernährungsform, die einen relevanten finanziellen Mehraufwand bedeute. In den aktuellen „Empfehlungen“ vom 16. September 2020 werde insoweit ausgeführt, dass bei einer Laktoseintoleranz, einer Fruktosemalabsorption, einer Histaminunverträglichkeit und einer NCGS nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin diätetisch eine Vollkost bzw. individuell angepasste Vollkost angezeigt sei, die regelhaft nicht zu einem Mehrbedarf führe. Die genannten „Empfehlungen“ seien zwar nicht als ein antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen und könnten eine Aufklärung des krankheitsbedingten Mehrbedarfes im Einzelfall nicht ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 138/10 R –, Rn. 23 juris). Sie könnten jedoch als Orientierungshilfe dienen. Wenn nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen sei, sei eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 100/10 R – Rn. 23 juris; BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 138/10 R – Rn. 23 juris).
Solch eine Abweichung sei im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Zwar lägen bei der Klägerin mehrere Unverträglichkeiten vor. Im Rahmen jeder einzelnen Unverträglichkeit seien bestimmte Nahrungsmittel zu meiden, was die Auswahl begrenze. Kostensteigernde Überschneidungen seien jedoch nicht ersichtlich. Nichts anderes ergebe sich aus den Angaben der behandelnden Ärzte K1 und S2. Lediglich in Bezug auf eine NCGS nehme <leer> K1 mögliche Mehrkosten an. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um eine Verdachtsdiagnose handele, wobei das Vorliegen einer echten Zöliakie ausgeschlossen werde. Nach einem von K1 vorgelegten Artikel der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (vgl. Bl. 89 ff. der Gerichtsakte) gehe diese davon aus, dass von Gluten (außer im Falle einer Zöliakie) keine schädlichen Effekte zu erwarten seien, während eine langfristige Gluteneliminationsdiät das Risiko gesundheitlicher Schäden berge. Eine strenge glutenfreie Diät werde nur für wenige Wochen empfohlen; anschließend solle eine graduierte Reexposition mit Ermittlung individueller Toleranzgrenzen erfolgen.
S2 rüge seinerseits, dass die Klägerin noch keine Ernährungsberatung wahrgenommen habe. Im Ergebnis stehe somit weder fest, ob die Klägerin tatsächlich an einer NCGS leidet, noch in welchem Maße sie ggfs. Gluten meiden müsse. Dies wirke sich nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Ungunsten der Klägerin aus. Weitere Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Verifizierung etwaiger Verdachtsdiagnosen oder zur Aufstellung eines individuellen Diätplans seien nicht angezeigt.
Die befragten Ärzte hätten auch keine relevanten Wechselwirkungen zwischen den Nahrungsmittelunverträglichkeiten und der Hashimoto-Erkrankung angegeben. Soweit sich die Klägerin auf einen Artikel von Carina Rehberg über die nachteiligen Wirkungen von Gluten bei Hashimoto-Patienten (vgl. Bl. 25 ff. der Gerichtsakte) berufe, bilde dieser den kontroversen wissenschaftlichen Meinungsstand zu Gluten nur einseitig ab und stehe z.B. im Widerspruch zu der oben zitierten Auffassung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Zudem sei zu beachten, dass K1 eine Hashimoto-Erkrankung der Klägerin nur in Form einer Verdachts-Diagnose angegeben habe, so dass auch insoweit nicht von einem gesicherten Befund oder tatsächlichen Wechselwirkungen ausgegangen werden könne.
Zur Überzeugung der Kammer stehe damit fest, dass im konkreten Einzelfall der Klägerin eine Vollkost-Ernährung unter Ausschluss bestimmter Nahrungsmittel erforderlich, aber auch ausreichend sei. Bei dieser Ernährungsform handele es sich nicht um eine Krankenkost, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nehme. Die Vollkost sei aus der Regelleistung zu bestreiten. Insoweit gelte, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs. 5 SGB II kein Auffangtatbestand sei (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R - Rn. 26 juris).
Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagte in der Vergangenheit einen Mehrbedarf für eine glutenfreie Ernährung berücksichtigt habe. Bei jeder Weiterbewilligung seien die jeweils aktuelle Rechtslage und andere Erkenntnisse zu berücksichtigen, im vorliegenden Kontext insbesondere die aktuellen „Empfehlungen“. In den zuvor geltenden „Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe“ vom 10. Dezember 2014 sei in Bezug auf die Glutensensitivität (Glutenunverträglichkeit, ohne dass zöliakiespezifische Antikörper vorhanden sind) noch angenommen worden, dass diese einen erhöhten Ernährungsaufwand erfordern könne, sodass eine Einzelfallprüfung erforderlich sei. Die nunmehr erfolgte Aktualisierung der ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse sei zu beachten.
Auch ein Anspruch auf Kostenübernahme für diverse Nahrungsergänzungsmittel bestehe nicht. Diesbezüglich sei die Klägerin ebenfalls auf die Vollkosternährung zu verweisen. Diese beinhalte eine ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, aber auch Mineralstoffen und Vitaminen (BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 65/12 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr. 17, Rn. 13).
Nahrungsergänzungsmittel seien daher für gesunde Personen, die sich normal ernährten, überflüssig. Anders liege der Sachverhalt, wenn aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Nährstoffaufnahme bzw. –verwertung gestört sei. Erfordere also eine aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung angezeigte Diät den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln, könnten die Kosten hierfür nach den „Empfehlungen“ in die Ermittlung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung einzubeziehen sein. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Den aktenkundigen medizinischen Unterlagen sei eine etwaige Notwendigkeit von Zusatzpräparaten nicht zu entnehmen. Einzig K2 habe der Klägerin einmalig Folsäure-, Selen- und Vitamin-D-Präparate auf Privatrezept verordnet und die Einnahme eines niedrig dosierten Eisenpräparates empfohlen, ohne jedoch einen entsprechenden objektivierbaren Mangel für Selen, Folsäure und Eisen festgestellt zu haben.
Eine zwingende medizinische Notwendigkeit für die Einnahme der genannten Präparate sei somit nicht ersichtlich. Soweit ein erniedrigter Vitamin-D-Spiegel bestanden haben solle, sei zu beachten, dass grundsätzlich eine adäquate Versorgung mit Vitamin D durch die körpereigene Bildung über Sonnenbestrahlung und Ernährung empfohlen werde. Bei ausreichendem Aufenthalt im Freien (sowohl im Sommer als auch im Winter) und entsprechender Sonnenbestrahlung der Haut sowie ausgewogener Ernährung könne eine gute Vitamin D-Versorgung ohne die Einnahme von Vitamin D-Präparaten erreicht werden. Die Einnahme von Vitamin D-Präparaten werde dann empfohlen, wenn eine gezielte Verbesserung der Versorgung, insbesondere bei Risikogruppen (u.a. Säuglinge, Ältere, chronisch Kranke und Pflegebedürftige, die sich kaum im Freien aufhalten), weder durch die Ernährung noch durch die körpereigene Vitamin D-Bildung zu erreichen sei (vgl. https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/vitamin-d/#suppl, abgerufen am 26.10.2022). Zu berücksichtigen sei auch, dass eine übermäßig hohe Vitamin D-Zufuhr über Supplemente zu einer akuten oder schleichenden Intoxikation führen könne (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/Vitamin_D_FAQ-Liste.html, abgerufen am 26. Oktober 2022). Da die Klägerin nicht zu einer Risikogruppe gehöre, sei sie grundsätzlich auf die körpereigene Bildung des Vitamins zu verweisen. Abgesehen davon seien die Vitamin D-Präparate sehr preisgünstig (z.B. für 3,79 Euro für eine Dreimonatspackung) im Handel erhältlich und aus dem in den Regelbedarfen enthaltenen Anteil für pharmazeutische Erzeugnisse (Abteilung 6, Gesundheitspflege) abzudecken. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 21 Abs. 6 SGB II, da bereits ein unabweisbarer besonderer Bedarf nicht ersichtlich sei.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Oktober 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. November 2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie habe Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II. Sie leide unter Glutenunverträglichkeit, Histaminunverträglichkeit, Fructoseintoleranz, Lactoseintoleranz, Gastro- + Gerologie, Hashimoto-Thyreoiditis und NCGS. Aufgrund des Zusammenwirkens der vorbezeichneten Krankheiten sei die Klägerin zwingend aufgrund medizinischer Indikation darauf angewiesen, Nahrungsergänzungsmittel sowie Ersatzprodukte zu sich zu nehmen, welche erhöhte Kosten bei den Aufwendungen für die Ernährung bedingten und nicht durch den Regelsatz gedeckt seien. Hierbei ergäben sich monatliche Mehrkosten für Lebensmittel in Höhe von 200,90 € sowie Nahrungsergänzungsmittel bzw. Vitaminpräparate in Höhe von monatlich 57,84 €, mithin insgesamt ein Mehrbedarf in Höhe von 258,74 € monatlich. Soweit das SG in seinen Urteilsgründen ausführe, dass im vorliegenden konkreten Einzelfall die Berufungsklägerin eine Vollkosternährung unter Ausschluss bestimmter Nahrungsmittel wahrnehmen könne und dieses ausreichend sei, so verkenne es hierbei das Wechselspiel der einzeln bestehenden Erkrankungen, da hierbei die vom Gericht attestierte Vollkosternährung unter Weglassen einzelner Nahrungsmittel gerade zur Ausprägung ernsthafter gesundheitsgefährdender Folgen führe. Ihr sei es gerade nicht möglich, einzelne Nahrungsmittel aus der Vollkosternährung wegzulassen, da mit den vielfältigen Erkrankungen mannigfaltige Unverträglichkeitserscheinungen einhergingen. Das vom SG angeregte Weglassen einzelner Nahrungsmittel bei einer Vollkosternährung führe unverändert zu gesundheitlichen Folgen. Demnach sei das Ausweichen auf den Mehrbedarf auslösende Ersatzprodukte sowie Nahrungsergänzungsmittel unabdingbar. Des Weiteren sei das SG zu Unrecht der Beweisfrage der Erkrankung der Klägerin an NCGS (Nicht-Zoellakie Glutensensitivität) und sich eines daraus ergebenden Mehrbedarfs nicht nachgegangen und habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. So führe K2 aus, es sei klinisch gesichert, dass die Klägerin unter Völlegefühl, Blähungen, Verdauungsbeschwerden sowie Bauchschmerzen nach Einnahme glutenhaltiger Nahrung leide. Hinsichtlich der Erkrankung an einer Nicht-Zöliakie Glutensensitivität (NCGS) sei eine medizinische Begutachtung mit der Zielstellung der Ermittlung eines sich daraus ergebenden Mehrbedarfes durchzuführen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 9. März 2021 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. April 2021 und Abänderung der Bescheide vom 5. Oktober 2020, 21. November 2020, 16. April 2021, 7. Mai 2021 und 22. Juni 2021 zu verurteilen, ihr für den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2020 bis 30. April 2021 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwendiger Ernährung in Höhe von 258,74 € monatlich zu gewähren, hilfsweise die Klägerin hinsichtlich der Erkrankung an einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) einer medizinischen Begutachtung durch einen vom Gericht auszuwählenden Gutachter zu unterziehen mit der Zielstellung zur Ermittlung eines sich daraus ergebenden Mehrbedarfes.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn Berücksichtigung gefunden hätten. Es sei allein eine Fruktose- und Laktoseintoleranz nachgewiesen. Ausweislich der ärztlichen Stellungnahme des K2 vom 25. Mai 2021 habe eine Glutensensitivität im Sinne einer Zöliakie nicht bestätigt werden können. Auch sei ausweislich dieser ärztlichen Stellungnahme lediglich der Verdacht auf Hashimoto-Thyreoiditis, eine Histaminunverträglichkeit sowie eine Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) geäußert worden.
Die Klägerin hat hierzu ergänzend vorgebracht, hinsichtlich der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) handele es sich entgegen den Ausführungen der Berufungsbeklagten nicht um einen bloßen Verdacht auf Seiten der Klägerin. Es sei festgestellt, dass die Klägerin klinisch unter Völlegefühl, Blähungen und Verdauungsbeschwerden sowie Bauchschmerzen nach Einnahme glutenhaltiger Nahrung leide. Diese Symptome stellten tatsächliche Anknüpfungspunkte zur Einholung eines Sachverständigengutachtens in Gestalt einer placebo-kontrollierten Eliminationsdiät mit nachfolgender Reexposition dar. Die Klägerin dürften hierbei ohne aktive Kenntnis, ob sie hierbei glutenhaltige Kost zu sich nehme unter medizinischer Aufsicht glutenhaltige bzw. keine glutenhaltige Nahrung zugeführt werden und hierbei durch Führung eines Symptomtagebuchs eruiert werden, ob hierbei weitergehende vorbeschriebene Beschwerden aufträten. Soweit eine Glutenunverträglichkeit gegeben sei, seien nach den Ausführungen des K3 bei Umstellung auf eine glutenfreie Ernährung deutliche Mehrkosten medizinisch bedingt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung im streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. November 2020 bis 30. April 2021.
Die Gewährung eines Mehrbedarfs kann nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem kann eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R m.w.N.). Eines separaten Antrags für die Gewährung des Mehrbedarfs bedarf es im Lichte des § 37 SGB II aufgrund des Grundsatzes der Meistbegünstigung nicht (vgl. BSG Urteil vom 6. Mai 2010 – B 14 AS 3709 R m.w.N.).
Streitgegenständlich sind im vorliegenden Fall somit – wie das SG zutreffend ausgeführt hat - der angefochtene Bescheid vom 9. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2021 sowie der zu überprüfende Bewilligungsbescheid vom 5. Oktober 2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. November 2020, 16. April 2021, 7. Mai 2021 und 22. Juni 2021 für den Bewilligungszeitraum 1. November 2020 bis 30. April 2021.
Rechtsgrundlage für die begehrte Änderung der o.g. Bewilligungsbescheide ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Leistungsberechtigt ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Zu den Leistungen gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II der Regelbedarf nach § 20 SGB II, Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und der Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Der Regelbedarf umfasst gemäß § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine bestehende oder drohende gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten höher sind, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 49/10 R). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 100/10 R).
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Die 1978 geborene Klägerin gehört zwar zum anspruchsberechtigten Personenkreis der §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 SGB II. Sie erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II für die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.
Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Klägerin zwar unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten, nämlich eine Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz leidet und daneben der Verdacht auf eine NCGS besteht, diese Unverträglichkeiten jedoch keine Ernährungsform erfordern, die einen relevanten finanziellen Mehraufwand bedeutet. Das SG hat im Hinblick auf die Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz sowie die NCGS zutreffend auf die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII (Empfehlungen) vom 16. September 2020 Bezug genommen. Hierzu hat das SG unter Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung richtig ausgeführt, dass die Empfehlungen zwar nicht als ein antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen sind und eine Aufklärung des krankheitsbedingten Mehrbedarfes im Einzelfall nicht ersetzen können, jedoch als Orientierungshilfe dienen können und – wenn nach dem Ergebnis der im Einzelfall durchgeführten Amtsermittlung eine Abweichung von den Empfehlungen nicht festzustellen ist - weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 138/10 R –, Rn. 23 juris, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 100/10 R – Rn. 23 juris).
Das SG hat mit schlüssiger Begründung darauf abgestellt, dass nach den aktuellen Empfehlungen bei einer Laktoseintoleranz, einer Fruktosemalabsorption, einer Histaminunverträglichkeit und einer NCGS nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin diätetisch eine Vollkost bzw. individuell angepasste Vollkost angezeigt ist, die regelhaft nicht zu einem Mehrbedarf führt und nachvollziehbar dargelegt, dass im vorliegenden Fall keine Abweichung hiervon anzunehmen ist. Hierbei hat SG nachvollziehbar die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der verschiedenen Unverträglichkeiten bestimmte Nahrungsmittel zu meiden sind, jedoch keine kostensteigernden Überschneidungen ersichtlich sind und hat hierbei auch die Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin K1 und S2 und den von <lee K1 vorgelegten Artikel der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft berücksichtigt. Das SG hat insbesondere herausgestellt, dass es sich bei der NCGS lediglich um eine Verdachtsdiagnose handelt und eine echte Zöliakie ausgeschlossen wurde sowie in dem o.g. Fachartikel davon ausgegangen wird, dass von Gluten (außer im Falle einer Zöliakie) keine schädlichen Effekte zu erwarten sind, während eine langfristige Gluteneliminationsdiät das Risiko gesundheitlicher Schäden birgt und eine strenge glutenfreie Diät nur für wenige Wochen empfohlen wird – mit anschließender graduierter Reexposition mit Ermittlung individueller Toleranzgrenzen. Das SG hat ferner im Rahmen der objektiven Beweislast berücksichtigt, dass die Klägerin – wie von S2 gerügt – noch keine Ernährungsberatung wahrgenommen hat und im Ergebnis nicht feststeht, ob die Klägerin an einer NCGS leidet und in welchem Maße sie ggf. Gluten meiden muss. Im Hinblick auf die Hashimoto-Erkrankung hat das SG darauf hingewiesen, dass die befragten Ärzte auch keine relevanten Wechselwirkungen zwischen den Nahrungsmittelunverträglichkeiten und der Hashimoto-Erkrankung angegeben haben und der von der Klägerin vorgelegte Artikel von Carina Rehberg über die nachteiligen Wirkungen von Gluten bei Hashimoto-Patienten den kontroversen wissenschaftlichen Meinungsstand zu Gluten nur einseitig abbildet und z.B. im Widerspruch zu der oben zitierten Auffassung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft steht sowie die Hashimoto-Erkrankung von K1 nur in Form einer Verdachts-Diagnose angegeben wurde. Zu Recht hat das SG auch dargelegt, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, dass der Beklagte in der Vergangenheit einen Mehrbedarf für eine glutenfreie Ernährung berücksichtigt hat, weil bei jeder Weiterbewilligung die jeweils aktuelle Rechtslage und andere Erkenntnisse zu berücksichtigen sind, im vorliegenden Kontext insbesondere die aktuellen „Empfehlungen“, die – im Unterschied zu den zuvor geltenden Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe“ vom 10. Dezember 2014 – nach Aktualisierung der ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf die Glutensensitivität (ohne dass zöliakiespezifische Antikörper vorhanden sind) keinen Mehrbedarf mehr vorsehen.
Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Kostenübernahme für diverse Nahrungsergänzungsmittel hat das SG zutreffend dargelegt, dass die Klägerin hier ebenfalls auf die Vollkosternährung zu verweisen ist, welche eine ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, aber auch Mineralstoffen und Vitaminen beinhaltet (BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 65/12 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr. 17, Rn. 13). Zusätzlich hat das SG darauf hingewiesen, dass Nahrungsergänzungsmittel für gesunde Personen, die sich normal ernähren, überflüssig sind und lediglich erforderlich sind, wenn aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Nährstoffaufnahme bzw. –verwertung gestört ist, jedoch im vorliegenden Fall den aktenkundigen Unterlagen die Notwendigkeit von Zusatzpräparaten bei der Klägerin nicht zu entnehmen ist. Hierbei hat das SG berücksichtigt, dass lediglich K2 der Klägerin einmalig Folsäure-, Selen- und Vitamin-D-Präparate auf Privatrezept verordnet und die Einnahme eines niedrig dosierten Eisenpräparates empfohlen hat, jedoch keinen objektivierbaren Mangel für Selen, Folsäure und Eisen festgestellt hat und eine adäquate Versorgung mit Vitamin D bei Personen, die – wie die Klägerin – nicht einer Risikogruppe angehören, durch die körpereigene Bildung über Sonnenbestrahlung und Ernährung empfohlen werde bzw. Vitamin D-Präparate kostengünstig erhältlich sind und somit keinen Mehrbedarf bedingen. Schließlich hat das SG klargestellt, dass sich ein Anspruch auch nicht aus 21 Abs. 6 SGB II ergibt, da bereits ein unabweisbarer besonderer Bedarf nicht ersichtlich ist.
Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Mehrkosten für Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate bereits aus den ärztlichen Unterlagen kein objektiver Bedarf nachvollzogen werden kann, soweit nach der Auskunft des K2 im ärztlichen Attest vom 31. Januar 2022 kein Mangel an Selen, Folsäure und Eisen festgestellt wurde. Im Hinblick auf den von K2 erwähnten Vitamin-D-Mangel ist dessen Ausmaß nicht bekannt. Soweit jedoch der Bedarf – wie es offenbar der Fall ist – durch frei verkäufliche Vitamin-D-Präparate gedeckt werden kann, sind die Kosten hierfür nicht so erheblich, dass ein Mehrbedarf begründet wird, weil diese Produkte – wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat – zu geringen Preisen erhältlich sind und somit durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
Im Berufungsverfahren haben sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Insbesondere ist kein neuer Sachverhalt vorgetragen worden, welcher Ermittlungen von Amts wegen im Hinblick auf die bei der Klägerin vorliegende Verdachtsdiagnose einer Nicht-Zöliakie Glutensensitivität (NCGS) erforderlich machen könnte; die Einholung eines entsprechenden Gutachtens, wie von der Klägerin beantragt, ist nicht erforderlich. Denn zum einen steht gar nicht fest, dass die Klägerin unter einer NCGS leidet. Wie sich aus dem von K4 vorgelegten Artikel der Arzneimittelkommission der der Deutschen Ärzteschaft ergibt, bestätigt sich die Diagnose einer NCGS am Ende nur bei einer kleinen Untergruppe der Patienten mit vermuteter Glutenunverträglichkeit und lässt sich nur durch eine jeweils placebokontrollierte Elimination und Reexposition sichern. Selbst bei gesicherter Diagnose wird nach diesem wissenschaftlichen Artikel - aufgrund des Risikos gesundheitlicher Schäden durch eine langfristige Gluteneliminationsdiät – keine dauerhafte Vermeidung von Gluten empfohlen. Auch die aktuellen Empfehlungen haben erstmalig NCGS in die Überprüfung einbezogen und nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin ausdrücklich Vollkost bzw. individuell angepasste Vollkost empfohlen und regelhaft einen Mehrbedarf ausgeschlossen. Aufgrund der fehlenden gesicherten Diagnose einerseits und den fehlenden Anhaltspunkten andererseits, dass im Fall der Klägerin eine Abweichung vom Regelfall vorliegt, welche einen Mehrbedarf begründen könnte, war eine weitere Beweiserhebung insoweit nicht erforderlich, zumal die Klägerin auch – nach Auskunft des S2 – noch keine Ernährungsberatung in Anspruch genommen hat und somit einen Mehrbedarf hinsichtlich bestimmter Nahrungsmittel nicht konkret vorgetragen hat.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 14. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1273/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3334/22
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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