L 6 SB 2671/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 3325/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2671/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. August 2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die höhere Erstfeststellung des Grades der Behinderung mit 50 statt 30 umstritten.

Der Kläger ist 1974 in Russland geboren und lebt seit 1993 in der Bundesrepublik Deutschland (BRD). In Russland hat er bis zum 17. Lebensjahr eine Schule besucht, an der auch Deutsch unterrichtet wurde. In der BRD hat er nach einem Sprachkurs das Abitur abgeschlossen und ab seinem 24. Lebensjahr an der Fachhochschule O1 ein Studium zum Technischen Betriebswirt absolviert. Danach hat er im Jahr 2002 angefangen, bei Bosch zu arbeiten und war für die Firma von 2005 bis 2007 im Ausland (Ungarn) eingesetzt. Der Kläger hat mit 28 Jahren seine fünf Jahre jüngere Ehefrau geheiratet und zwei noch minderjährige Töchter. Die Familie bewohnt ein Eigenheim zusammen mit den Eltern des Klägers. Seit seiner Erkrankung 2019 bezieht der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der deutschen Rentenversicherung (DRV) und arbeitet im Rahmen der Hinzuverdienstgrenze bei seinem bisherigen Arbeitgeber derzeit 20 Stunden/Woche (vgl. Anamnese R1).

Am 16. April 2021 beantragte er bei dem Landratsamt O2 (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht des zfp E1 über die stationäre Behandlung vom 6. bis 20. März 2019, in dem als Diagnose eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie beschrieben wurde.

Der Kläger habe angegeben, seit mehreren Wochen viel Stress bei der Arbeit zu haben. Er sei zum Hausarzt gegangen und habe einen gastrointestinalen Infekt behauptet, nur um krankgeschrieben zu werden. Seit einigen Tagen fühle er sich „komisch“, er habe den Eindruck beobachtet und verfolgt zu werden.

Als Auslöser der Symptomatik könne ein erheblicher beruflicher und privater Stress sowie ein über mehrere Tage anhaltender Schlafmangel gesehen werden. Psychopharmakologisch sei eine Therapie mit Olanzapin begonnen worden. Im Verlauf hätten Benzodiazepine langsam ausgeschlichen und schließlich abgesetzt werden können. Die Kernspintomographie (MRT) des Schädels habe keinen pathologischen Befund ergeben.

Psychopathologisch hätten bei Aufnahme Symptome einer Psychose mit Wahnvorstellungen sowie Verfolgungs- und Beziehungserleben imponiert. Unter medikamentöser Therapie sei eine rasche Besserung des Zustands eingetreten. Der Kläger sei zunehmend ruhiger und kooperativer geworden, sodass die Verlegung in den offenen Bereich erfolgt sei. Im Verlauf der zweiten Aufenthaltswoche seien psychotische Symptome nicht mehr zu eruieren gewesen. Nach einer progressiven und langsamen Reduktion sei im Verlauf keine weitere Gabe von Larazepam erfolgt. Vom 15. bis 17. März 2019 sei eine Belastungserprobung über Nacht erfolgt, die ohne Probleme verlaufen sei. Der Kläger habe sich am 18. März 2019 in stabilem psychopathologischen Zustand vorgestellt.

Die Entlassung sei am 20. März 2019 erfolgt, eine regelmäßige psychiatrische Anbindung sowie ggf. eine stationäre Rehabilitation sei zu empfehlen. Die Fahrtauglichkeit solle ambulant reevaluiert werden, gegenwärtig werde von einer Teilnahme am Straßenverkehr abgeraten.

Bei Entlassung sei der Kläger wach, voll orientiert und freundlich im Kontakt gewesen. Es fänden sich keinen Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit oder Gedächtnis. Der Affekt sei ausgeglichen, das formale und inhaltliche Denken unauffällig und der Kläger gut schwingungsfähig. Es bestünden keine Ich-Störungen und keine Störung der Sinneswahrnehmung. Der Antrieb sei unauffällig, der Kläger psychomotorisch ruhig.

Weiter gelangte der Befundbericht der Z1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 17. Dezember 2020 zu den Akten. Diese beschrieb eine bipolare affektive Störung, gegenwärtig remittiert, sowie den Verdacht auf eine Parasomnie wie eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Von Seiten der bipolaren Störung sei der Kläger stabil remittiert. Die Medikation werde nebenwirkungsfrei vertragen. Der Kläger berichte, dass er aus dem Traumschlaf heraus das Bett verlasse. Eine weitere Abklärung im Schlaflabor sei indiziert.

Im Befundbericht aufgrund ambulanter Untersuchung vom 14. April 2021 führte sie aus, dass die akute Symptomatik der bipolaren Störung derzeit remittiert sei. Seit Beginn der Erkrankung habe der Kläger das ursprünglich vorhandene Leistungsniveau nicht mehr erreicht. Es bestehe eine Residualsymptomatik in Form einer verminderten Belastbarkeit und Stresstoleranz. Infolge der Schlafstörung imponiere phasenweise eine vermehrte Tagesmüdigkeit. Das psychosoziale Leistungsniveau sei reduziert. Der Kläger arbeite nur noch 30 Stunden die Woche, statt zuvor in Vollzeit.

Das LRA zog den Entlassungsbericht des zfp E1 über die stationäre Behandlung vom 19. Mai bis 20. August 2019 sowie die anschließende teilstationäre Behandlung bis 6. September 2019 bei. Danach habe sich der Kläger vorgestellt und angegeben, dass er nach der letzten Behandlung eine Wiedereingliederung versucht habe, aber gescheitert sei. Es sei erstmals zu quälenden Suizidgedanken im Zusammenhang mit Antriebsverlust, Stimmungstief, Freudlosigkeit, Grübeln und Zukunftsängsten gekommen.

Im Rückblick müsse die Episode des letzten Aufenthalts als manische Phase gewertet werden. Erst im Nachhinein sei der Kläger in der Lage gewesen, ausführlicher von der damaligen Symptomatik und Dynamik zu berichten. Im ambulanten Rahmen sei bei zunehmender depressiver Dekompensation eine Behandlung mit Sertralin initiiert worden, hierunter hätten sich drängende Suizidgedanken entwickelt. Bis Frühjahr 2019 gebe der Kläger an, nie psychische Probleme gehabt zu haben, auch schwierige Situationen und Erlebnisse seien ohne psychische Affektion gut bewältigt worden. Er habe vor Jahren einen Verbrennungsunfall erlitten, von dem keine dauerhaften Beschwerden verblieben seien.

Bei Aufnahme sei der Kläger wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert und im Kontakt freundlich, offen und zugewandt gewesen. Das Denken sei verlangsamt, inhaltlich eingeengt auf grüblerische Sorgen. Es bestehe kein Anhalt für Wahn. Sinnestäuschungen würden ebenso verneint wie Ich-Störungen. Affektiv sei der Kläger gedrückt und wenig schwingungsfähig. Die Psychomotorik sei reduziert. Er befinde sich in guten Allgemein- und Ernährungszustand, sei kardiovaskulär stabil und ohne körperliche Beschwerden.

Die bestehende Medikation sei fortgeführt und eine antidepressive Therapie einschleichend begonnen worden. Olanzapin sei langsam reduziert worden. Mit Diagnose der bipolaren Störung habe die Indikation für eine Phasenprophylaxe bestanden.

Mit beginnender Remission ab etwa Mitte August habe sich eine deutliche Besserung von Stimmung, Schwingungsfähigkeit und Antrieb gezeigt. Sowohl im Rahmen der dann folgenden Arbeitstherapie als auch im tagesklinischen Status habe sich eine gute Belastbarkeit gezeigt. Die Stimmung sei themenabhängig wieder etwas gedrückter gewesen, Anhaltspunkte für eine erneute depressive Dekompensation hätten sich nicht gezeigt.

Bei Entlassung sei der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen, ohne erkennbare kognitiven Einschränkungen. Formalgedanklich sei er geordnet, ohne inhaltliche Denkstörungen, Halluzinationen oder Ich-Störungen. Die Grundstimmung sei ausgeglichen, die Schwingungsfähigkeit erhalten und der Antrieb normalisiert gewesen. Psychomotorisch sei der Kläger ruhig, im Kontakt freundlich und zugewandt.

Der B1 bewertete die seelische Störung mit einem Teil-GdB von 30, den das LRA mit Bescheid vom 15. Juni 2021 ab dem 16. April 2021 feststellte.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Bericht der Z1 vorgelegt. Danach liege bei dem Kläger eine bipolare Störung vor. Obwohl die akuten Symptome remittiert seien, bestehe ein Residualzustand mit deutlich verminderter Belastbarkeit und Stresstoleranz. Neben der bipolaren Störung liege eine Parasomnie in Form von Schlafwandeln vor, welche zusätzlich zu Beeinträchtigungen der psychischen Befindlichkeit führe. Infolge der aus den Störungen resultierenden verringerten Belastbarkeit habe der Kläger seine Berufstätigkeit reduziert, eine weitere Reduzierung sei geplant. Die Störungen führten zu erheblichen psychosozialen Auswirkungen, sodass die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 gerechtfertigt seien.

M1 führte versorgungsärztlich aus, dass die Stellungnahme einen Residualzustand einer bipolaren Störung beschreibe. Schwerwiegende soziale Anpassungsstörungen nach erfolgreicher Behandlung seien den Unterlagen nicht zu entnehmen. Insgesamt handele es sich nach Remission um eine stärker behindernde Störung, die mit einem GdB von 30 korrekt bewertet sei. Die Symptome einer polymorphen psychotischen Störung hätten sich nach der stationären Behandlung im zfp gebessert. Soziale Anpassungsstörungen seien nicht beschrieben.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2021 zurück. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die vorliegende Behinderung mit der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang erfasst und angemessen bewertet worden sei. Nach fachkundiger Einschätzung des ärztlichen Sachverständigen des Landratsamts bestehe mit einem GdB von 30 eine sachgerechte und ausreichende Einstufung, die schlüssig und nachvollziehbar sei. Die vorliegende seelische Störung sei nach Remission einer bipolaren Störung bereits als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen bewertet worden. Dieser GdB sei als Durchschnitt-GdB zu sehen, der bei wechselhaftem Verlauf auch vorübergehende schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen umfasse. Eine anhaltende schwere seelische Störung in allen Lebensbereichen könne nach erfolgreicher Behandlung der bipolaren Störung für den gegenwärtigen Residualzustand nicht mehr festgestellt werden.

Am 8. November 2021 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat.

Die Z1 hat als Diagnosen eine bipolare affektive Störung gegenwärtig remittiert und den Verdacht auf eine Parasomnie, REM-Schlaf- und Verhaltensstörung angegeben. Bei dem Kläger liege eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor. Zwar sei es unter medikamentöser Therapie zu einer Stabilisierung in dem Sinne gekommen, dass keine manischen oder depressiven Phasen mehr aufträten, es bestehe aber ein Residualzustand, also interepisodisch eine verminderte Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit und Stresstoleranz. Es lägen soziale Anpassungsschwierigkeiten vor. Der Kläger habe sei Stundenzahl auf 30 % reduziert, sich bei weiterbestehendem Gefühl von Überforderung auf eine weniger anspruchsvolle Tätigkeit umsetzen lassen und seine Stundenzahl auf 20 pro Woche begrenzt. Über den privaten Bereich sei sie weniger gut informiert. Auch vom Arbeitgeber werde die veränderte Leistungsfähigkeit gesehen. Insgesamt sei das psychische Leiden des Klägers als mittelgradig zu bezeichnen.
Weiter hat das SG das psychiatrische Sachverständigengutachten des R1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 21. April 2022 erhoben. Diesem gegenüber hat der Kläger angegeben, dass er 20 Stunden wöchentlich an fünf Arbeitstagen arbeite. Dazu habe er innerhalb der Firma die Stelle gewechselt, möglich sei ihm eine Spannbreite zwischen drei und sechs Stunden täglich, damit er seine Hinzuverdienstgrenze nicht verletze. Bei seinem Arbeitgeber sei die Frühverrentung mit 57 Jahren möglich, seine Frau arbeite 30 Stunden die Woche als Apothekerin. Praktisch hätten sie die Rollen getauscht, er mache vornehmlich den Haushalt und sie die Berufsarbeit, wenn sich das finanziell auch so nicht widerspiegele.

Die letzten zehn Jahre sei er in der Arbeit immer an der Grenze des Möglichen gewesen, habe in der Regel nur vier Stunden geschlafen und sei sogar stolz darauf gewesen. Sein Leben habe eigentlich nur aus Arbeit bestanden. Seine Depression verstehe er als eine Art Reinigungsprozess. Sie sei aufgetreten, als er ausgebrannt gewesen sei. Seither sei alles, was ihn definiert habe, nicht mehr da. Er sei in einem großen Team von etwa 100 Leuten mit einer flachen Hierarchie tätig. Im Moment gehe es darum, die Verlagerung von Produktionen aus der Ukraine zu organisieren. Im Team seien sie alle gleich bis auf die Abteilungsleiter. Keiner versuche, den anderen zu überlisten. Der frühere Abteilungsleiter sei vor der Versetzung nicht sein Freund gewesen.

Zu seiner Psychiaterin gehe er einmal im Quartal, erhalte Quilonum und Quetiapin. Sie würden eine halbe Stunde darüber reden, was ihn beschäftige. Eine reguläre Psychotherapie brauche er nicht.

Zum Tagesablauf habe der Kläger angegeben, morgens Anlauf bis 10 oder 12 Uhr zu brauchen. Abends gehe er früh ins Bett, er schlafe 10 bis 11 Stunden. Um 7 Uhr stehe er auf, frühstücke, bringe die Kinder zur Schule, sei dann bis 11 Uhr im Homeoffice. Von 11 bis 13 Uhr arbeite er Mittagspause, koche und hole die Kinder von der Schule. Von 13 bis 14 Uhr mache er dann wieder eine Stunde im Homeoffice, danach den Haushalt. Seine Frau komme entweder um 14 Uhr nach Hause oder an zwei Tagen bei Spätschicht um 19.30 Uhr. So hätten sie das mit dem Abendessen unterschiedlich geregelt, auch die Kinder hätten unterschiedliche Schulzeiten. Abends gehe er eine Stunde joggen, lese und beantworte die Fragen seiner Kinder. Von den Medikamenten spüre er keine Nebenwirkungen. Im Schlaf mache er meistens irgendetwas. Er träume, springe auf, aber Schlafwandeln gehöre nicht dazu. Seine Träume seien nicht so schlimm, ganz selten habe er Albträume, aus denen er erwache. Ferienreisen unternehme er selten.

Der Kläger sei pünktlich zum vereinbarten Termin erschienen, er sei mit der Bahn angereist, da das Autofahren in F1 mühselig sei angesichts der Baustellen. Die psychischen Grundfunktionen seien intakt, er sei allseits orientiert und bewusstseinsklar. Es bestünden keine Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit oder Gedächtnis. Für psychotische Symptome im Sinne von Wahn oder Halluzinationen gebe es keine Hinweise.

Der Gedankengang sei formal geordnet, die Stimmung ausgeglichen mit ausreichender affektiver Modulation. Der psychomotorische Antrieb sei ungestört. Es werde von leichten Zukunftsängsten berichtet, es bestehe eine Tendenz zur Rationalisierung und Intellektualisierung der Erkrankung. Eine Zwangssymptomatik sei nicht zu erkennen. Der Kontakt sei freundlich und situationsgerecht, der Bericht lebhaft und offen.

Der Kläger beziehe seit 2019 eine Erwerbsminderungsrente. Im Rahmen der Hinzuverdienstgrenze arbeite er 20 Stunden die Woche. Nach seiner Teilberentung arbeite er jetzt fast ausschließlich im Homeoffice. Zwar sei er weiterhin der Hauptverdiener, seine Frau arbeite jedoch vornehmlich außer Haus und er sei in erster Linie für Haushalt, Kochen und Kinder verantwortlich. Nebeneffekt sei, dass seine Ehefrau weniger zu Hause sei und es damit weniger Anlässe zum Streit mit seinen Eltern gebe. Seine Frau und er ergänzten sich.

Seine größere Tochter sei für ihn eine besondere Herausforderung. Sie leide unter ADHS, absolviere eine ambulante Ergotherapie. Sie sei auf dem Gymnasium, dies sei aber kein Selbstläufer. Man müsse immer schauen. Es falle ihm schwer, sie zu motivieren. Bisher habe sie es geschafft, auf dem Gymnasium durchzuhalten. Die Erziehungsaufgabe nehme ihn sehr in Anspruch.

Einerseits sei der Kläger mit seiner beruflichen und häuslichen Situation sehr zufrieden, sehe sich finanziell gesichert und trotz seiner Erkrankung in der Firma als anerkannt an. Andererseits sei er in seinem Selbstverständnis tief verunsichert. Anlässlich der ersten Erkrankung 2019 sei er akut psychotisch gewesen, dieses Bild sei nach wenigen Tagen unter medikamentöser Therapie verschwunden. Das zfp habe rückblickend auf eine bipolare affektive Störung geschlossen. Auch wenn diese Ableitung nicht zwingend erscheine, werde als Verdachtsdiagnose davon ausgegangen.

Für schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten seien sehr stark gefährdete oder ausgeschlossene berufliche Tätigkeiten, schwerwiegende Probleme in der Familie bis zur Trennung von der Familie notwendig. Für mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten gelte eine in den meisten Berufen sich auswirkende psychische Veränderung, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaube, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedinge, die auch eine berufliche Gefährdung einschließe. Außerdem müssten erheblich familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung bestehen, aber noch keine Isolierung oder sozialer Rückzug in einem Umfang, der z.B. eine vorher intakte Ehe stark gefährde, vorliegen. Diese Kriterien seien bei dem Kläger erfüllt.

Es bestehe der Verdacht auf eine bipolare affektive Störung, aktuell unter Medikation remittiert (ICD-10 F31.7). Aufgrund seiner besonderen psychischen Vulnerabilität bestünden unsichere Selbstgrenzen, schwankendes Selbstbewusstsein und dadurch die Notwendigkeit, besonders auf psychische Grenzen zu achten. Konflikte sowohl im häuslichen Milieu wie im Beruf seien deshalb für ihn gefährlich und könnten zu psychotischen und depressiven Symptomen führen. Die psychischen Funktionsstörungen seien mittelschwer. Für die psychischen Störungen seien mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten anzunehmen. Eine stationäre Behandlung sei in den letzten beiden Jahren nicht erforderlich gewesen, eine psychotherapeutische Behandlung finde nicht statt. Ein GdB von 50 sei angemessen.

Der Beklagte ist dem Sachverständigengutachten durch die versorgungsärztliche Stellungnahme der B2 entgegengetreten. Danach sei bei dem Kläger ein psychiatrisches Leiden bekannt. Diagnostisch bestehe ein Residualzustand nach Erstmanifestation einer psychotischen Erkrankung. Der Sachverständige sehe die psychischen Funktionsstörungen als mittelschwer. Er führe jedoch aus, dass eine stationäre Behandlung in den letzten beiden Jahren nicht mehr erforderlich gewesen sei und eine psychotherapeutische Behandlung ebenfalls nicht stattfinde. Die soziale Anpassung sei zwar insgesamt eingeschränkt, für den Kläger aber befriedigend. Die behandelnde Ärztin beschreibe unter medikamentöser Therapie eine Stabilisierung. Manische, depressive oder psychotische Phasen träten nicht mehr auf, der Kläger sei arbeitsfähig, wenn auch mit reduzierter Stundenzahl. Haushalt und Kinderbetreuung könnten weitestgehend von ihm übernommen werden, ein GdB von 50 werde nicht erreicht. Dieser entspräche einer langdauernden Psychose im floriden Stadium, die nicht vorliege.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. August 2023 hat das SG den Bescheid vom 15. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2021 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, einen GdB von 50 seit dem 23. November 2020 festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bei einem schizophrenen Residualzustand ein GdB von 10 bis 20 bei Vorliegen geringer und einzelner Restsymptome ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten vorgesehen sei. Bei leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten betrage der Beurteilungsrahmen 30 bis 40, bei mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50 bis 70 und bei schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 bis 100.

Der Sachverständigenbeirat habe den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ am Beispiel des schizophrenen Residualzustanden wie folgt definiert: Leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten lägen vor, wenn die Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich sei und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften vorliege.

Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten führten zu sich in den meisten Berufen auswirkenden psychischen Veränderungen, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubten, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingten, die auch eine berufliche Gefährdung einschließe. Erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung seien gegeben, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z.B. eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte.

Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten gefährdeten eine weitere berufliche Tätigkeit sehr stark oder schlössen eine solche aus. Schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis, bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis lägen vor.

Bei dem Kläger bestünden mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten, wie R1 dargelegt habe. Dies werde durch den Umstand gestützt, dass der Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalte. Er habe seine bisherige Tätigkeit aufgegeben und einen Arbeitsplatz vorwiegend im Homeoffice ohne Zeitdruck erhalten, dennoch könne er die Tätigkeit nicht in Vollzeit ausführen. Insofern lägen ganz massive Beeinträchtigungen im Berufsleben vor, die im Bereich „Berufsleben“ bereits eher an der Grenze zu schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten lägen, denn auch dort sei nicht Voraussetzung, dass jegliche Berufstätigkeit ausgeschlossen sei.

Zwar lägen die Auswirkungen bezüglich dem privaten/familiären Bereich im Grenzbereich zu leichten Anpassungsstörungen, da der Kläger wesentliche familiäre Aufgaben übernehme und auch das Verhältnis zu seiner Frau nach eigenen Angaben „in Ordnung“ sei. Jedoch sei die Kammer der Auffassung, dass hier dennoch die Grenze zu mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten, wenn auch gerade so, überschritten werde. So habe der Kläger angegeben, dass ihm die Ehefrau „in den ganzen Sachen“ helfe, sodass deutlich werde, dass der Kläger offenbar auch im privaten Bereich einiges an Unterstützung benötige. Auch berichte er, dass seine größere Tochter für ihn eine Herausforderung sei, da sie an ADHS leide. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung habe der Kläger angegeben, dass er sich, wenn die familiäre Situation zu anstrengend sei, in den Sport oder in die Wohnung seiner Eltern flüchte. Auch seien im Bericht des zfp Konflikte im Rahmen des Zusammenlebens mit seinen Eltern beschrieben. Die Kinder hätten während Corona eine Notbetreuung bewilligt bekommen. Letztlich habe R1 nachvollziehbar beschrieben, dass der strikte Tagesablauf mit einigen Pflichtaufgaben gerade benötigt werde, um das labile Gleichgewicht zu halten.

Die Kammer halte die Schwelle zu mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen für knapp überschritten. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass mittelgradige familiäre Anpassungsstörungen gerade noch keinen sozialen Rückzug in einem Umfang erforderten, der zum Beispiel eine vorher intakte Ehe stark gefährden könne. Dabei sei weiter zu bedenken, dass ein Beurteilungsrahmen von 50 bis 70 eröffnet sei.

Am 15. September 2023 hat der Beklagte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der B2 verwiesen. Der Kläger sei in der Lage, die Kinder zur Schule zu bringen, diese abzuholen, zu kochen und den Haushalt zu versorgen. Der Umstand, dass er berichte, die Tochter benötige mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung, zeige, dass dieser in der Lage sei, trotz der herausfordernden Erkrankung der Tochter diese sowie das Geschwisterkind zu versorgen. Die Grenze zu mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten werde daher nicht überschritten. Sofern im Jahr 2019 im Rahmen des stationären Aufenthaltes Konflikte mit den im Haus lebenden Eltern geschildert würden, sei dies, gerade zu Beginn der sich zunächst mit sehr schweren psychotischen Symptomen manifestierenden Erkrankung durchaus nachvollziehbar. Hinweise darauf, dass diese Konflikte sich im aktuellen Krankheitsstadium fortsetzten, ergäben sich nicht.

Die behandelnde K1 habe von einer Stabilisierung berichtet, von einer engmaschigen ambulanten Betreuung könne nicht mehr gesprochen werden. Bezüglich der beruflichen Integration sei dem Beiratsprotokoll vom März 1998 zu den Abgrenzungskriterien zu entnehmen, dass dann mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten bestünden, wenn eine berufliche Tätigkeit prinzipiell noch möglich sei, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bestehe. Diese müsse auch eine berufliche Gefährdung einschließen. Der Kläger sei zwar in seiner Einsatzfähigkeit vermindert, trotz dieser Einschränkung könnten lediglich leichte statt mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten dann angenommen werden, wenn die berufliche Einsatzfähigkeit bei besonders belasteten Berufen auftrete, der Betroffene aber in weniger anspruchsvollen Berufen durchaus voll einsetzbar sei. Dies sei bei dem Kläger anzunehmen. Die Tatsache, dass er eine teilweise Erwerbsminderungsrente erhalten, sei nicht auf die GdB-Einstufung übertragbar. Des Weiteren sei der Umstand, dass während Corona eine Notbetreuung für die Töchter bei systemrelevanter Tätigkeit der Mutter (Arbeit in einer Apotheke) und Krankheit des Vaters gewährt worden sei, ebenfalls kein zwingender Hinweis auf eine höhergradige Einschränkung. Es sei von einer stärker behindernden Störung mit leichten sozialen Anpassungsstörungen auszugehen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. August 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

            die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte verkenne, dass bei ihm ein Residualzustand bestehe. So werde eine nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nach einer Krankheit, beispielsweise nach psychotischen Schüben genannt. Diesbezüglich spreche der Sachverständige R1 von einem labilen Gleichgewicht. Gerade im beruflichen Bereich sei es offensichtlich fernliegend, lediglich von leichten Anpassungsstörungen zu sprechen. Er habe auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz wechseln und seine Arbeitszeit auf 20 Stunden reduzieren müssen. Im Durchschnitt arbeite er vier von fünf Tagen zu Hause. Er habe lediglich telefonischen Lieferantenkontakt. Seine berufliche Tätigkeit sei weit unterdurchschnittlich mit Konfliktanfälligkeit.

Ebenso bestehe eine erhebliche Beeinträchtigung im privaten familiären Bereich. Er könne zwar die „verwaltungstechnischen“ Aufgaben, die zwei Töchter im Alter von 10 und 12 Jahren erforderten, wie die Fahrten zur Schule und zu den Freizeitbeschäftigungen der Kinder, übernehmen. Die soziale Problembewältigung mit der ADHS-erkrankten 12-jährigen Tochter sei ihm nicht möglich. Seine Ehefrau übernehme ausschließlich die Betreuung der Kinder, die Hausaufgaben ebenso wie schwierigen Erziehungsfragen. Die emotionalen Ausbrüche des ADHS-erkrankten Kindes erlebe er nur am Rande. Er ziehe sich im Falle eines emotionalen Aus- bzw. Einbruchs der Tochter zurück, Entweder betreibe er Jogging oder er gehe in die benachbarte Wohnung seiner Eltern. Eine wirkliche Ansprache der Kinder durch ihn erfolge nicht. Die Interaktion zwischen ihm und den beiden Töchtern habe keine erzieherische Qualität.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 24. August 2023, mit dem der Beklagte auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) verpflichtet worden ist, unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 8. Oktober 2021 einen GdB von 50 seit dem 23. November 2020 festzustellen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Begründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 15. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Zur Überzeugung des Senats hat der Beklagte den GdB mit 30 zutreffend festgestellt. Das SG hätte der Klage daher nicht entsprechen dürfen, sondern sie abweisen müssen.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB mit 30 zutreffend festgestellt ist.


Die bewertungsrelevanten Funktionseinschränkungen liegen bei dem Kläger im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, welches mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist. Die anderweitige – rechtliche – Einschätzung der behandelnden Ärzte und des Sachverständigen R1 entspricht nicht den Bewertungsvorgaben der VG und überzeugt deshalb nicht.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.6 ist eine langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende) Psychose im floriden Stadium je nach Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeit mit einem GdB von 50 bis 100 zu bewerten.

Ein schizophrener Residualzustand (z.B. Konzentrationsstörung, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbuße, affektive Nivellierung) mit geringen und einzelnen Restsymptomen führt ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten zu einem GdB von 10 bis 20, mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu einem GdB von 30 bis 40, bei mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu einem GdB von 80 bis 100.

Affektive Psychosen mit relativ kurz andauernden, aber häufig wiederkehrenden Phasen sind bei ein bis zwei Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer je nach Art und Ausprägung mit einem GdB von 30 bis 50, bei häufigeren Phasen von mehrwöchiger Dauer mit einem GdB von 60 bis 100 zu bewerten.

Nach dem Abklingen lang dauernder psychotischer Episoden ist eine Heilungsbewährung von zwei Jahren abzuwarten. Der GdB beträgt in dieser Zeit, wenn bereits mehrere manische oder manische oder depressive Phasen vorausgegangen sind 50, sonst 30. Eine Heilungsbewährung braucht nicht abgewartet zu werden, wenn eine monopolar verlaufene depressive Phase vorgelegen hat, die als erste Krankheitsphase oder erst mehr als zehn Jahre nach einer früheren Krankheitsphase aufgetreten ist.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Krankenversicherung) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Ausgehend von diesen Maßstäben besteht beim Kläger kein schizophrener Residualzustand, was das SG aber bei seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Vielmehr wurden schon anlässlich der
stationäre Behandlung im zfp E1 im März 2019 nur Symptome einer Schizophrenie beschrieben, also keine psychische Erkrankung im Vollbild diagnostiziert. Diese unklare Diagnostik zieht sich durch den Fall. Dem Sachverständigengutachten des R1 entnimmt der Senat, dass bei dem Kläger eine bipolare affektive Störung, aktuell remittiert unter phasenprophylaktischer Medikation vorliegt (ICD-10 F31.7). Eine schwerere Diagnose ist damit durch die Befunde nicht belegt. Darauf, dass der Sachverständige in Frage stellt, ob überhaupt eine bipolare affektive Störung erreicht wird, kommt es deshalb nicht an, da hieraus nur eine niedrigere, aber gerade keine höhere Bewertung des GdB resultiert.

Die Darlegungen des Sachverständigen sind vor dem Hintergrund der ICD-10 schlüssig und nachvollziehbar. Danach setzt ein schizophrenes Residuum (ICD-10 F20.5) voraus, dass ein chronisches Stadium in der Entwicklung einer schizophrenen Krankheit, bei welchem eine eindeutige Verschlechterung von einem frühen zu einem späteren Stadium vorliegt und das durch langandauernde, jedoch nicht unbedingt irreversible „negative“ Symptome charakterisiert ist. Hierzu gehören psychomotorische Verlangsamung, verminderte Aktivität, Affektverflachung, Passivität und Initiativmangel, qualitative und quantitative Sprachverarmung, geringe nonverbale Kommunikation durch Gesichtsausdruck, Blickkontakt, Modulation der Stimme und Körperhaltung, Vernachlässigung der Körperpflege und nachlassende soziale Leistungsfähigkeit.

Abgesehen davon, dass bei dem Kläger damit schon keine schizophrene Krankheit objektiviert worden ist, hat R1 drei Jahre später keinen entsprechenden pathologischen Befund erhoben. Vielmehr hat der Sachverständige die psychischen Grundfunktionen als intakt, den Kläger als allseits orientiert und bewusstseinsklar befundet. Störungen von Aufmerksamkeit und Konzentration bestanden ebenso wenig, wie solche der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses. Anhaltspunkte für typische psychotische Symptome
im Sinne von Wahn oder Halluzinationen zeigten sich gar keine, die Stimmung war vielmehr ausgeglichen mit ausreichender affektiver Modulation und ungestörtem psychomotorischen Antrieb. Der Kontakt war offen und freundlich sowie situationsgerecht. Der Kläger war zu einem lebhaften und offenen Bericht in der Lage.

Ein florides Stadium einer affektiven Psychose, welches über ein halbes Jahr angehalten hat oder anhält, hat weder in der Vergangenheit bestanden, noch liegt ein solches gegenwärtig vor. Dem Ausgangsentlassungsbericht des zfp-E1 ist im Gegenteil zu entnehmen, dass der Akutzustand medikamentös in kurzer Zeit zu behandeln gewesen ist und die Akutmedikation wieder abgesetzt werden konnte. Die stationäre Behandlung dauerte dementsprechend nach nur dreiwöchiger Therapie vom 6. bis 20. März 2019. Das ist bereits bei wesentlich harmloseren Erkrankungen, erst recht im psychischen Bereich, an der unteren Grenze, wie diese dem Senat aufgrund seiner richterlichen Erfahrung aus einer Vielzahl von Fällen bekannt ist. Weiter ist vermerkt, dass allein unter Medikation eine so rasche Besserung eintrat, dass die Verlegung in den offenen Bereich ermöglicht wurde. Bereits in der zweiten Woche des Aufenthaltes bestanden keine psychotischen Symptome mehr. Bei Entlassung war das formale und inhaltliche Denken unauffällig und die Schwingungsfähigkeit unbeeinträchtigt. Aus der weiteren stationären Behandlung folgt nichts anderes, nachdem im Aufnahmebefund lediglich darauf verwiesen wurde, dass der Kläger wenig schwingungsfähig gewesen sei und eine antidepressive Medikation zusätzlich begonnen wurde. Auch hierunter zeigte sich erneut eine deutliche Besserung von Stimmung, Schwingungsfähigkeit und Antrieb.

Abgesehen davon, dass weiter eine medikamentöse Therapie im Sinne einer Phasenprophylaxe durchgeführt wird, hat der Kläger seit der Akutbehandlung 2019 keine stationäre Behandlung mehr in Anspruch nehmen müssen. Darüber hinaus ist keine Psychotherapie erforderlich. Es findet nur einmal im Quartal eine psychiatrische Behandlung statt, also niedrigfrequent. Ein bis zwei Phasen einer affektiven Psychose im Jahr, wie von den VG für einen Bewertungsrahmen von 30 bis 50 vorausgesetzt, liegen bei dem Kläger demnach gar nicht vor. Dazu passend hat Z1 bestätigt, dass bei dem Kläger keine manischen oder depressiven Phasen mehr auftreten, also eine Remission beschrieben. Auch die Annahme einer Heilungsbewährung liegt fern, da es bei dem Kläger schon nicht zu einer lang dauernden Phase gekommen war (vgl. oben).

Aus dem Umstand allein, dass dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt wurde und er seine Arbeitstätigkeit im Rahmen der Hinzuverdienstgrenze auf 20 Stunden pro Woche reduziert hat, folgt eine Höherbewertung des GdB nicht. Dieser ist grundsätzlich unabhängig von der beruflichen Situation zu beurteilen (vgl. VG, Teil A, Nr. 2a). Eine höhere Berücksichtigung ist aber auch in der Sache in Anbetracht der hohen Funktionalität des Klägers mit einem Hausmannjob bei weiterer, wenn auch reduzierter Berufstätigkeit nicht gerechtfertigt. Den anamnestischen Angaben bei R1 ist nämlich zu entnehmen, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit im Homeoffice den Haushalt versorgt, Essen kocht und sich um seine Kinder kümmert. Diese Umstände hat B2 versorgungsärztlich zu Recht als gegen höhergradige Einschränkung sprechend bewertet. Daneben hat er beschrieben, regelmäßig Ausdauersport mit einstündigem Joggen zu treiben. Die Tagesstruktur ist demnach gut ausgefüllt und vollständig erhalten. Relevante Einschränkungen der Strukturierungsfähigkeit sind gar nicht zu erkennen. Daneben ist das Interessenspektrum durchaus erhalten.

Ohne dass es hierauf nach Vorstehendem entscheidungserheblich ankommt, überzeugt es nicht, wenn der Kläger zur Berufungserwiderung glauben machen will, an der Erziehung der Töchter keinen Anteil zu haben und dass dies alles von seiner Frau übernommen werden muss, weil er dazu nicht in der Lage sein will. Dem Sachverständigen R1 hat der Kläger nämlich selbst berichtet, dass seine Frau an zwei Tagen die Woche bis 19.30 Uhr arbeitet, was eine Versorgung der Kinder an diesen Tagen bereits ausschließt. Weiter hat der Kläger angegeben, dass er sich um die Fragen seiner Kinder kümmert, er die an ADHS-erkrankte Tochter nur schwer motivieren kann und ihn die Erziehungsaufgabe sehr in Anspruch nimmt. Dem Umstand, dass es offensichtlich zu Konflikten zwischen den Eltern des Klägers und seiner Ehefrau kommt, weshalb der Kläger die Wohnsituation als nicht optimal bezeichnet, kommt schon kein Krankheitswert zu, sodass es hierauf für den GdB nicht ankommt.

Ergänzend ist weiter darauf hinzuweisen, dass keine Hinweise auf Schwierigkeiten im Arbeitsumfeld zu erkennen sind. Der Umstand allein, dass das zeitliche Leistungsvermögen von der Rentenversicherung als eingeschränkt gesehen worden ist, belegt soziale Anpassungsschwierigkeiten nicht. Solche sind in den Entlassungsberichten gerade nicht dokumentiert, wie M1 versorgungsärztlich überzeugend dargelegt hat.


Letztlich hat B2 überzeugend herausgestellt, dass ein GdB von 50 einer langdauernden Psychose im floriden Stadium entspricht, ein vergleichbarer Zustand beim Kläger aber nicht vorliegt. Ein solcher Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern ist bei der Gesamtwürdigung anzustellen (vgl. BSG, Urteil vom17. April 2013 – B 9 SB 3/12 R –, juris, Rz. 54). Daneben hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid zu Recht ausgeführt, dass Schwankungen im Gesundheitszustand, die beim Kläger schon gar nicht beschrieben sind, jedenfalls mit einem Durchschnittswert berücksichtigt werden müssen (vgl. VG, Teil A, Nr. 2f).

Soweit mehrfach auf eine Schlafstörung verwiesen worden ist, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Untersuchung im Schlaflabor zwischenzeitlich stattgefunden hätte und hierbei pathologische Befunde erhoben worden wären. Auf die ausdrückliche Nachfrage des Senats hat der Kläger keine entsprechenden Angaben gemacht.

Weitere Funktionseinschränkungen in anderen Funktionssystemen sind weder ersichtlich, noch vom Kläger geltend gemacht. Der Teil-GdB im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ entspricht somit dem Gesamt-GdB und beträgt nicht mehr als 30.

Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers in beiden Instanzen.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.



 

Rechtskraft
Aus
Saved