S 16 AS 2347/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AS 2347/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1044/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

 

 

 
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Sozialgericht Düsseldorf

 

                                                                                                               Zugestellt am:

Az.: S 16 AS 2347/21                                                                  An Kl.Bev.:                                                                                                                  

                                                                                                               An Bekl.:      

      

 

 

 

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 

Kläger

Proz.-Bev.:

 

Beklagter

 

hat die 16. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf ohne mündliche Verhandlung am 08.06.2022 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht ……, sowie den ehrenamtlichen Richter …… und den ehrenamtlichen Richter …… für Recht  erkannt: 

Die Klage wird abgewiesen.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 5000,-- Euro festgesetzt.

Der Kläger trägt die Gerichtskosten des Verfahrens.

Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Anspruch auf – immateriellen – Schadenersatz in Höhe von 5000,-- Euro nebst Zinsen und beruft sich auf Artikel 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

 

Am 16.7.2019 wandte sich der Kläger per Email an die Beklagte und begehrte gemäß Artikel 15 DSVGO Auskunft über seine bei der Beklagte verarbeiteten bezogenen Daten. Der Antrag des Klägers lautet wie folgt:

 

„Sehr geehrter Herr...,

ich beantrage hiermit Auskunft über meine im Jobcenter ….. verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Artikel 15 EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO). Die Auskunft wird in dem in Artikel 15 Abs. 1 Buchstabe a-h EU-DSGVO genannten Umfang beantragt, mithin:

1.       die Verarbeitungszwecke;

2.       die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

3.       die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werde, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

4.       falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

5.       das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchrechts gegen diese Verarbeitung;

6.       das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

7.       wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der  betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

8.       das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Abs. 1 und 4 – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

 

Darüber hinaus bitte ich gemäß Artikel 15 Abs. 3 EU-DSGVO um die Erteilung einer Kopie der vollständigen personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

 

Die Auskunft wird gemäß Artikel 15 Absatz 3 EU-DSGVO in einem gängigen elektronischen Format, z.B. im Dateiformat PDF verlangt.

 

Insbesondere erstreckt sich mein Auskunftsverlangen auf den vollständigen Inhalt der (Leistungs-) Akte(n) (einschließlich der Vermerke in ihren elektronischen Dokumentationssystem/en) betreffend die Angelegenheiten nach dem SGB II (z.B. Arbeitslosengeld 2, Arbeitsvermittlung), sowie die durchgeführten Erstattungsverfahren (z.B. mit der Agentur für Arbeit) und durchgeführten gerichtlichen Verfahren.

 

Insbesondere bitte ich auch um Mitteilung, ob personenbezogene Daten zu meiner Person in Dritt-Akten verarbeitet werden (Akten, die in Angelegenheiten einer anderen Person geführt werden). Bejahendenfalls bitte ich um Benennung dieser Person und Auskunft über die insoweit verarbeiteten Daten und Erteilung einer Kopie dieser personenbezogenen Daten (Artikel 15 Abs. 3 EU-DSGVO).

 

Darüber hinaus bitte ich um Angabe aller vereinnahmten und verauslagten Erstattungsbeiträge (z.B. in Zusammenhang mit Erstattungsverfahren nach §§ 102 ff SGB X mit anderen Sozialleistungsträgern) mit Angabe der beteiligten Stellen, des Erstattungszeitraums, der Erstattungshöhe und der Rechtsgrundlage der Erstattung.“

 

Der Kläger erinnerte sodann an seinen Antrag per Email vom 16.7.2019 mit Fax vom

21.8.2019 und Schreiben vom 11.9.2019. 

 

Am 30.10.2019 wandte sich der Kläger an den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes NRW mit einer Beschwerde nach Artikel 77 DSGVO, der mitteilte, er habe das Schreiben an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit nach Bonn weitergeleitet.

 

Am 4.2.2020 teilte die Beklagte mit, sein Antrag werde bearbeitet. Am 13.2.2020 teilte die Beklagte mit, der überwiegende Teil liege als Papierakte vor. Der Kläger erhalte einmalig eine unentgeltliche Kopie. Aufgrund fehlender Verschlüsselungsmöglichkeiten sei es nicht möglich, die angeforderten personenbezogenen Daten per Email zu versenden. Am 2.3.2020 wurde der Kläger um  Vereinbarung eines Termins gebeten, um die beiden Kartons abzuholen, die bereit stünden und beim Beklagten abgeholt werden können oder per Boten zugestellt werden könnten. 

 

Am 17.8.2020 erfolgte sodann die Übergabe der Kopie gegen Empfangsbekenntnis.

 

Der Kläger trägt insoweit vor, dass er durch diese Vorgehensweise der Beklagten, einen immateriellen Schaden erlitten habe.

 

Die Reaktion auf seinen erstmals am 16.7.2019 gestellten Antrag sei nicht fristgerecht erfolgt. Er habe auch davon ausgehen dürfen, dass die Email vom 16.7.2019 bearbeitet werde, weil der Mitarbeiter der Beklagten für DSGVO Angelegenheiten auf der entsprechenden WEB-Seite der Beklagten seine Email Adresse hinterlegt habe. Er habe daher darauf vertrauen können, dass dieser Kommunikationsweg zur Verfügung stehe. Die angeforderten Daten seien ihm nicht digital zur Verfügung gestellt worden. Indem das Verfahren bis zur Übergabe vom 16.7.2019 bis zum 17.8.2020 gedauert habe, habe er einen Schaden erlitten, der darin zu sehen sei, dass er einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten habe. Der Betrag von 5000,-- Euro als immateriellem Schadenersatz werde von ihm gefordert, um auch eine sog. Abschreckungswirkung zu erzielen. Denn nur eine hohe Schadenersatzsumme bewirke, dass die Beklagte sich an die Vorgaben der DSGVO halte.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5000,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                       die Klage abzuweisen.

 

Sie ist der Ansicht, der Auskunftsanspruch des Klägers sei „übererfüllt“ worden. Ein Grund für eine Zahlung eines immateriellen Schaden in Höhe von 5000,-- wird nicht gesehen. 

 

Am 3.6.2022 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden, indem die Beteiligten ihre unterschiedlichen Rechtsstandpunkte vorgetragen haben.

 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte gesehen, die Gegenstand der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe:

Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung in der Sache entscheiden.

Die Klage ist zulässig. 

Gemäß § 81 b SGB X ist der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet. Denn gemäß § 81 b Abs. 1 SGB X ist für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordung (EU) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Der Kläger trägt vor, er sei bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit seinem Leistungsbezug nach dem SGB II durch die Beklagte, die als Verantwortlicher tätig geworden sei, im Bereich datenschutzrechtlicher Bestimmungen im Anwendungsbereich der VO 2016/679 – hier DSGVO – betroffen. 

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Dem Kläger steht ein immaterieller Schadenersatzanspruch in Höhe von 5000,-- Euro nebst Zinsen nicht zu. Die Voraussetzungen von Art. 82 DSGVO, wonach jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter hat, liegen nicht vor. 

Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften § 35 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I), den Vorschriften des 2. Kapitels des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches, die gemäß § 35 Abs. 2 SGB I die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend regeln, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für den Anspruch ist daher auf den Regelungsgehalt der Vorschriften abzustellen, die den besonderen Schutz der Sozialdaten im Sozialgesetzbuch regeln. Nur soweit die Vorschriften des Sozialgesetzbuches keine eigenständigen Regelungen treffen, findet die Datenschutzgrundverordnung Anwendung.

§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I normiert, dass jeder Anspruch darauf hat, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs. 2 SGB X) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Das Sozialgeheimnis geht von dem Grundsatz aus, dass niemand dadurch, dass er Mitglied eines Sozialversicherungssystems ist oder Rechte geltend macht, die sich aus dem Sozialgesetzbuch ergeben, mehr als andere Bürger der Preisgabe seiner Sozialdaten ausgesetzt werden darf (BT-Dr. 8/4022 S. 85). In welchem Umfang Sozialdaten erhoben und verwendet werden, bestimmen im Übrigen der Erforderlichkeitsgrundsatz und das Verhältismäßigkeitsprinzip (BVerfGE 65,1). Denn die Erhebung sozialer Daten steht im Regelfall im Zusammenhang mit einem Antrag des Antragstellers. Im konkreten Fall hat der Kläger wiederholt Anträge auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Es ist die Aufgabe der Beklagten, diese Anträge zu bearbeiten und den Leistungsanspruch des Klägers zu prüfen. Dies erfordert die Erhebung von Daten direkt bei dem Kläger. Dies bewirkt auch, dass der Kläger bestimmte Pflichten hat, am Verfahren mitzuwirken und über seine persönliche Situation Auskunft zu erteilen, damit zum Beispiel geprüft werden kann, ob der Kläger hilfebedürftig im Sinne des Gesetzes ist und seine Existenz nicht ohne die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II sichern kann. Dieser Antragsgrundsatz (§ 37 SGB II) und die Mitwirkungspflichten (§ 60 ff SGB I) bewirken zugleich, dass derjenige, der Leistungen beantragt – hier der Kläger -, von Anfang an bei der Erhebung der Sozialdaten beteiligt ist und daher weiß, welche Daten der Beklagten zur Verfügung stehen, um die Anspruchsvoraussetzungen prüfen zu können.

Das besondere Verhältnis zwischen Antragsteller und prüfendem Leistungsträger – hier Kläger und Beklagte – erfährt zudem durch die Vorschriften § 67 ff SGB X eine konkrete Ausgestaltung. In § 67 Abs. 1 SGB X heißt es:

„Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72 L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.“ 

Gemäß § 67 Abs. 2 SGB X sind Sozialdaten personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung EU 2016/679), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Sofern der Kläger daher vorliegend Auskunft von der Beklagten mit der Email vom 16.7.2019 verlangt hat, interessiert sich der Kläger für die Daten, die von der Beklagten als Leistungsträger erhoben und verarbeitet worden sind, um die Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II des Klägers prüfen zu können. Für den Kläger sind daher alle Vorschriften des Zweiten Kapitels des SGB X interessant, die regeln, in welchem Umfang Sozialdaten erhoben, gespeichert, verarbeitet und genutzt werden dürfen und für welche Zwecke diese Daten an Dritte weitergegeben werden dürfen. Das Auskunftsrecht des Klägers richtet sich nach § 83 SGB X.

Dies ergibt sich aus dem Regelungsgehalt des § 35 Abs. 2 SGB I (s.o.).

Gemäß § 83 Abs. 1 SGB X besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person – hier des Klägers – gemäß Artikel 15 der Verordnung EU 2016/679 in bestimmten Fällen nicht. Für das Auskunftsinteresse des Klägers kommt beispielsweise der Ausschlussgrund § 83 Abs. 1 Nr. 2a SGB X in Betracht, der regelt, dass ein Auskunftsanspruch nicht besteht, wenn Sozialdaten nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen.

Die Beklagte hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die bei der Beklagten gespeicherten Daten noch gespeichert werden, um einerseits die anhängigen Rechtsstreitigkeiten, die zwischen den Beteiligten vor dem Sozialgericht anhängig sind, führen zu können und das die Geltung der Vorschriften § 44 ff SGB X eine Speicherung von in der Regel 10 Jahren gebietet. Denn gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, auf den auch § 48 Abs. 4 SGB X Bezug nimmt, regelt, dass bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zurückgenommen werden kann. Speichert die Beklagte die Daten des Klägers daher um ihre gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, ist sie zur Auskunft an den Kläger nicht verpflichtet.

§ 83 Abs. 2 SGB X schränkt das Auskunftsrecht des Klägers zudem ein. Denn gemäß § 83 Abs. 2 SGB X soll die betroffene Person in dem Antrag auf Auskunft gemäß Artikel 15 der Verordnung EU 2016/679 die Art der Sozialdaten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnen. Sind die Sozialdaten nicht automatisiert oder nicht in automatisierten Dateien gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit die betroffene Person Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person geltend gemachten Informationsinteresse steht.

Vorliegend hat der Kläger mit seiner Email vom 16.7.2019 kein Auskunftsersuchen gestellt, welches den Anforderungen des § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB X genügt. Denn der Kläger fordert u.a.:

 „Insbesondere erstreckt sich mein Auskunftsverlangen auf den vollständigen Inhalt der (Leistungs-) Akte(n) (einschließlich der Vermerke in ihren elektronischen Dokumentationssystem/en) betreffend die Angelegenheiten nach dem SGB II (z.B. Arbeitslosengeld 2, Arbeitsvermittlung), sowie die durchgeführten Erstattungsverfahren (z.B. mit der Agentur für

Arbeit) und durchgeführten gerichtlichen Verfahren.“

Mit dieser Formulierung macht der Kläger deutlich, dass es ihm nicht um die Bekanntgabe bestimmter Sozialdaten geht, sondern die Beklagte wird aufgefordert, Auskunft über alle Sozialdaten zu erteilen, von denen sie im Zusammenhang mit den Leistungsangelegenheiten des Klägers nach dem SGB II Kenntnis erlangt hat. Dieses Auskunftsverlangen wird von dem Auskunftsrecht gemäß § 83 SGB X nicht erfasst. Der Hinweis in § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB X, dass die Sozialdaten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden sollen, soll der Beklagten helfen, das Auskunftsinteresse des Klägers im Einzelfall zu erfüllen. Dies bedeutet, der Kläger muss ein konkretes Auskunftsinteresse haben und dieses auch näher erläutern, damit die Beklagte dem Kläger die angeforderte Auskunft zur Verfügung stellen kann. Beispielsweise kann der Kläger ein Interesse daran haben, dass die Beklagte Auskunft über medizinische Daten erteilt, die zum Beispiel im Zusammenhang mit der Frage, ob der Kläger erwerbsfähig ist, erhoben und verarbeitet worden sind. 

Diese Einschränkung des Auskunftsrechts entspricht nach Prüfung durch die Kammer auch den Anforderungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG). Denn der Kläger ist ab der Antragstellung unter Beachtung seiner Mitwirkungspflichten darüber informiert,  welche Sozialdaten benötigt werden, damit der Leistungsanspruch des Klägers von der Beklagten geprüft werden kann. Die Beklagte nimmt ihre gesetzlichen Aufgaben als Leistungsträger wahr, wenn sie den Leistungsanspruch prüft. Hierbei hat der Gesetzgeber den Leistungsträgern enge gesetzliche Vorgaben gemacht, die die Beklagte bei der Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung von Sozialdaten zu beachten hat. Diese Vorgaben sind umfassend und schützen die Rechte des Klägers. Besteht der Verdacht einer Verletzung der Rechte des Klägers kann dies Gegenstand des Auskunftsanspruchs sein. Die enge Beteiligung der Betroffenen, die Leistungen beantragen und erhalten, an dem Bewilligungsverfahren führt dazu, dass der Gesetzgeber in § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu Recht normiert, dass die Sozialdaten, über die Auskunft  begehrt wird, näher zu bezeichnen sind. Denn der Kläger kann selber nachhalten, welche Daten er der Beklagten zur Verfügung gestellt hat. Er weiß, wann er welche Anträge gestellt hat und welche Unterlagen er beigebracht hat und welche Einverständniserklärungen er abgegeben hat, um die Beklagte in die Lage zu versetzen, um zum Beispiel medizinische Unterlagen beizuziehen. Diese Kenntnis kann der Kläger nutzen, gezielt danach zu fragen, welche dieser Sozialdaten wie verarbeitet und gespeichert werden. Auch kann der Kläger Angaben machen, wo diese Daten gegebenenfalls aufgefunden werden können, wenn sie noch nicht automatisiert erhoben worden sind. Indem § 83 SGB X den Kläger daher auffordert, im Rahmen des Auskunftsersuchens die Sozialdaten näher zu bezeichnen, über die Auskunft verlangt wird, berücksichtigt diese Vorschrift das besondere Verhältnis zwischen Antragsteller/Versichertem und Leistungsträger, welches durch das Sozialgesetzbuch umfangreich gesetzlich geregelt ist und beiden Seiten Rechte und Pflichten auferlegt. Denn nicht nur der Kläger hat Rechte, sondern auch Pflichten. Erhält er Leistungen nach dem SGB II handelt es sich um steuerfinanzierte Leistungen, die im Fall der Hilfebedürftigkeit zur Existenzsicherung zu gewähren sind. Hier ist es aber die Aufgabe des Klägers wahrheitsgemäße Angaben zu machen und die Beklagte wird mit den Vorschiften § 44 ff SGB X in Verbindung mit den Vorschriften des SGB II in die Lage versetzt, die Rechtmäßigkeit der gewährten Leistungen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch überprüfen zu können. Denn auch die Allgemeinheit hat ein Interesse daran, dass Leistungen nur an diejenigen gewährt werden, die die Anspruchsvoraussetzungen auch erfüllen. Diese Aspekte sind bei der Beachtung der Aufbewahrungsfristen zu beachten. Indem der Kläger die Sozialdaten, auf die sich sein Auskunftsanspruch erstreckt, nicht näher bezeichnet, hat er keinen Auskunftsantrag gestellt, der den Anforderungen des § 83 SGB X genügt. 

Der Gesetzgeber geht in § 83 Abs. 2 Satz 2 SGB X sogar noch einen Schritt weiter, indem er regelt:

„Sind die Sozialdaten nicht automatisiert oder nicht in automatisierten Dateiensystemen gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit die betroffene Person Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person geltend gemachten Informationsinteresse steht.“

Vorliegend sind die Sozialdaten des Klägers bei der Beklagten überwiegend gerade nicht automatisiert erfasst, so dass der Kläger Angaben zum Auffinden der Daten machen soll. Eine Auskunft kann abgelehnt werden, wenn die Erteilung der Auskunft außer Verhältnis zu dem Informationsinteresse des Klägers steht. Konkrete Angaben, wo die Daten sich befinden, über die der Kläger Auskunft verlangt, macht der Kläger nicht. Mit dieser Vorgabe des Gesetzgebers ist gemeint, dass der Kläger im Einzelfall Angaben zum Auffinden der Daten machen soll zum Beispiel kann der Kläger den Zeitraum eingrenzen oder mitteilen, dass die Beklagte die Sozialdaten von einem Hausarzt oder einem anderen Leistungsträger erhalten haben kann. Mit diesen Informationen, die die Beklagte von dem Kläger erhält, wird die Beklagte dann in die Lage versetzt, die Daten gezielt zu suchen, damit sie sie zur Verfügung stellen kann.

Mit seiner Email vom 16.7.2019 hat der Kläger keine näheren Angaben zu den Sozialdaten gemacht, über die er Auskunft begehrt, sondern er beantragt Auskunft über alle erhobenen Sozialdaten.  § 83 SGB X schränkt diesen generellen Anspruch auf Auskunft ein. Ein konkretes Auskunftsersuchen hat der Kläger nicht gestellt.

Hat der Kläger daher vorliegend ein Auskunftsbegehren mitgeteilt, welches sich nicht an den gesetzlichen Vorgaben orientiert, beschränkt dies auch seinen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz, den der Kläger damit begründet, ihm sei einerseits nicht fristgerecht Auskunft erteilt worden und zum anderen sei ihm nicht in einem gängigen elektronischen Format, z.B. im Dateiformat PDF geantwortet worden.

Gemäß § 83 Abs. 2 Satz 3 SGB X in Verbindung mit Artikel 12 Abs. 3 DSGVO stellt der Verantwortliche –hier die Beklagte - der betroffenen Person Informationen entsprechend des Auskunftsersuchens unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung. Diese Frist kann gemäß Artikel 12 Abs. 3 Satz 2 DSGVO um zwei weitere Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Hat der Kläger vorliegend kein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Auskunftsersuchen gestellt, kann der Kläger einen immateriellen Schadenersatz nicht damit begründen, die Beklagte habe die Frist zur Auskunftserteilung nicht beachtet. Denn stellt der Kläger kein Auskunftsersuchen, welches den gesetzlichen Anforderungen entspricht, kann ihm zur Überzeugung der Kammer auch kein Schaden dadurch entstehen, dass ihm nicht fristgerecht geantwortet worden ist. Zur Überzeugung der Kammer sind weitere Ausführungen zu der Frage, wann das Auskunftsersuchen bei der Beklagten eingegangen ist und ab wann die Bearbeitungsfrist läuft vor diesem Hintergrund entbehrlich.

Auch aus dem Vortrag des Klägers die Auskunft sei gemäß Artikel 15 Absatz 3 DSGVO auf sein Verlangen hin, nicht in einem gängigen elektronischen Format, z.B. im Dateiformat PDF zur Verfügung gestellt worden, begründet vorliegend den Anspruch des Klägers auf immateriellen Schadenersatz nicht. Denn § 83 Abs. 2 Satz 2 SGB X und Artikel 15 Abs. 3 Satz 4 DSGVO machen deutlich, dass die Auskunft nur dann in einem elektronischen Format erfolgen kann, wenn die Dateien bereits automatisiert sind. § 83 Abs. 2 Satz 2 SGB X beschränkt sogar ausdrücklich, den Auskunftsanspruch, wenn die Daten noch nicht automatisiert sind und berücksichtigt hierbei den Aufwand, der für das Auffinden der Daten in diesen Fällen entstehen kann. Dieser Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu dem Informationsinteresse der betroffenen Person stehen. 

Die Beklagte hat dem Kläger erklärt, dass es sich um nicht automatisierte Daten handelt und dem Kläger eine vollständige Kopie der Leistungsakte unentgeltlich überlassen. Über diese Übermittlung der Daten hinaus bestand kein Anspruch. Denn auch Art. 15 Abs. 3 Satz 4 DSGVO beschränkt den Auskunftsanspruch. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so ist sie nach Möglichkeit auf elektronischem Weg zu unterrichten, sofern sie nichts anderes angibt. Die Formulierung „ist die betroffene Person nach Möglichkeit elektronisch zu unterrichten“ zeigt, dass auch Artikel 15 Abs. 3 Satz 4 DSGVO auf die technisch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten abstellt. 

Sofern der Kläger im Termin vom 3.6.2022 mitgeteilt hat, dass dieses Verfahren für ihn „aufbauend“ sei und wichtig für andere Verfahren sei und der Kontrollverlust über seine Daten für ihn einen immateriellen Schaden darstelle, ändert dies zur Überzeugung der Kammer nichts daran, dass das Auskunftsbegehren des Klägers, welches der Kläger erstmalig am 17.6.2019 geltend gemacht, den gesetzlichen Anforderungen an ein Auskunftsbegehren nicht genügt. Auch hat der Kläger keinen Kontrollverlust seiner Daten nachvollziehbar begründet. Denn zum einen war der Kläger an der Erhebung der Daten in der Vergangenheit beteiligt und zum anderen liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beklagte die von dem Kläger erhobenen Sozialdaten außerhalb der gesetzlichen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs in Verbindung mit der Datenschutzgrundverordnung einsetzt. 

Solange zwischen den Beteiligten vor dem Sozialgericht noch Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, die den Leistungsanspruch des Klägers betreffen, kann die Speicherung der Daten auch über die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X und § 48 Abs. 4 SGB X gemäß § 84 SGB X in Verbindung mit Artikel 17 Abs. 3 Nr. e DSGVO hinaus noch andauern. Denn in diesen Fällen bleibt die Verarbeitung erforderlich zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger kann sich im vorliegenden Verfahren nicht auf die Kostenprivilegierung gemäß § 183 SGG berufen. Er steht in einem Verfahren gemäß § 81 b Abs. 1 SGB X nicht in einem Sozialrechtsverhältnis und ist daher nicht in seiner Eigenschaft als Zugehöriger eines privilegierten Personenkreises im Sinne des § 183 SGG am Verfahren beteiligt, sondern der Kläger streitet um Interessen, die er außerhalb der

Privilegierung des § 183 SGG geltend machen möchte, indem er einen immateriellen Schadenersatz in Höhe von 5000,-- Euro erstreiten möchte. 

 

Der Streitwert ist endgültig auf 5000,-- Euro gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt worden.

 

 

 

      

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

 schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

 

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

 

Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf

 schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

 

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

-  von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

 

-  von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem.

§ 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

 

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.

 

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

 

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

 

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.

 

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches  

Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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