Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.04.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1968 geborene Kläger erlitt 1991 einen Verkehrsunfall mit Polytrauma und anschließendem wochenlangen Koma. Von August 1991 bis September 1992 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Da er seinen erlernten Beruf als Dreher nicht mehr ausüben konnte, bewilligte ihm die Beklagte eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, die wegen des hohen Hinzuverdienstes zeitweilig nicht zur Auszahlung kam. Von 2003 bis 2007 absolvierte der Kläger ein berufsbegleitendes Studium und erlangte die Qualifikation eines Maschinenbau-Ingenieurs. Von Mai 1994 bis November 2018 war er mit Unterbrechungen als Sachbearbeiter der Werkzeugplanung in Teilzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog er bis 04.08.2021 Kranken-, Übergangs- und Arbeitslosengeld. Vom 05.08.2021 bis 31.12.2021 sowie vom 11.07.2023 bis 30.09.2023 übte er eine geringfügige nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus (Versicherungsverlauf vom 02.11.2023, Blatt 58 der Senatsakten).
Das Versorgungsamt H1 stellte bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 70 (Bl. 1069 der Verwaltungsakten), seit 05.11.2021 von 90 sowie das Merkzeichen „G“ fest (Blatt 177 der SG-Akten).
In einem vorangegangenen Rentenverfahren erstattete der R1 auf Veranlassung der Beklagten unter dem 22.05.2015 aufgrund einer ambulanten Untersuchung ein Gutachten über den Kläger (Blatt 348 der Verwaltungsakten), worin er - unter Berücksichtigung der Diagnosen achsgerecht ausgeheilter Unterarmbruch rechts mit partieller Ulnaris-Parese und Radialis-Parese rechts, Folgen einer Kahnbeinfraktur mit Osteosynthese rechts, Ulnarimpaktsyndrom links mit belastungs-abhängiger Schmerz- und Reizsymptomatik, geringgradige Kniegelenksinstabilität nach dorsaler Plastik 2011, teilfixierte Rundrückenfehlhaltung mit muskulär statischen Beschwerden - von einem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen in warm temperierten Räumen ohne besondere Gebrauchsanforderungen an beide Hände von sechs Stunden und mehr ausging.
Der B1 bescheinigte dem Kläger unter dem 30.04.2018, dass dieser insbesondere wegen der eingeschränkten Belastbarkeit des rechten Arms und der kognitiven Verlangsamung nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit mit Anforderungen an die Motorik des rechten Armes und erhöhten konzentrativen Anstrengungen nachzukommen (Blatt 318 der Verwaltungsakten).
In der Zeit vom 25.09.2019 bis zum 16.10.2019 absolvierte der Kläger eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der S1 P1, aus der er arbeitsunfähig sowie mit einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten unter drei Stunden entlassen wurde (Entlassungsbericht des W1 vom 17.10.2019, Blatt 108 der SG-Akten; Diagnosen: Polytrauma bei Verkehrsunfall 1991 mit intraabdominellen Verletzungen und Thoraxtrauma und Langzeitbeatmung, Rippenserienfraktur rechts mit Spannungspneumothorax, mittelschwere restriktive Ventilationsstörung und OSAS-Unterarmfraktur rechts mit Defektsituation und Bewegungseinschränkung wegen traumatischen nervus ulnaris/nervus radialis-Parese rechts, kognitive Störungen nach wochenlangem Koma mit Anpassungsstörung, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, medikamentös eingestellt). Während des Aufenthalts ergab sich kein Anhalt für psychische Störungen. Eine Arbeitsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sachbearbeiter sei aus medizinischer und orthopädischer Sicht nicht mehr absehbar. Ambulant werde Physiotherapie, insbesondere für den Rücken und die Gelenke, bei Bedarf auch Psychotherapie empfohlen. Mittelfristig seien für den Kläger leichte Tätigkeiten möglich ohne schweres Heben und Tragen von Las-ten, Zwangshaltungen, ständig gleiche Positionen und Überkopfarbeiten. Der Kläger habe sich während des Klinikaufenthalts physisch und psychisch gut erholt. Wegen der noch bestehenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule, den Gelenken und auch aufgrund der psychischen Lage werde der Kläger als weiterhin arbeitsunfähig bis auf Weiteres entlassen.
Zu dem Entlassungsbericht des W1 nahm die Beratungsärztin der Beklagten D1 dahingehend Stellung, dass die Leistungsbeurteilung des stationären Heilverfahrens nicht schlüssig sei. Sie empfahl eine orthopädische Begutachtung durch R1 (Blatt 392 der Verwaltungsakten). Der R1 gelangte aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 10.01.2020 in seinem Gutachten vom gleichen Tag (Blatt 370 der Verwaltungsakten) - unter Berücksichtigung der Diagnosen achsgerecht ausgeheilter Unterarmbruch rechts mit partieller Ulnaris-Parese und Radialis-Parese rechts, Folgen einer Kahnbeinfraktur mit Osteosynthese rechts, Ulnarimpaktsyndrom links mit belastungsabhängiger Schmerz- und Reizsymptomatik, geringgradige Kniegelenksinstabilität nach dorsaler Plastik 2011 und teilfixierte Rundrückenfehlhaltung mit muskulär statischen Beschwerden, epigastrische sanierte Narbenhernie, Urethrastriktur, arterieller Hypertonus, Diabetes Typ II, derzeit ohne medikamentöse Behandlung, - zu der Einschätzung, dass der Kläger leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten vornehmlich im Sitzen, im Wechselrhythmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen in warm temperierten Räumen ohne besondere Gebrauchsanforderungen an beide Hände sechs Stunden und mehr verrichten könne. Akkordarbeit, Hebe- und Tragebelastungen beidhändig von über fünf Kilogramm, wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Rumpfneige, Rumpfrotation, einseitiger Körperhaltung, Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Treppen, Leitern und Gerüsten sowie mit dem Erfordernis einer erhöhten Gang- und Standsicherheit seien nicht zumutbar. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor. Betriebsunübliche Pausen müssten nicht gewährt werden. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei zumutbar. Die zuletzt ausgeübte Bürotätigkeit mit der Benutzung eines PC’s seien mit Optimierung der PC-Anwendungen (z. B. durch eine Sprachsteuerungseingabe) in Vollschicht zumutbar.
Am 17.02.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung (Blatt 2138 der Verwaltungsakten). Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 05.03.2020 ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (Blatt 1711 der Verwaltungsakten). Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beratungsärztin D1 blieb nach Auswertung medizinischer Unterlagen behandelnder Ärzte in ihrer Stellungnahme vom 08.09.2020 (Blatt 821 der Verwaltungsakten) bei der bisherigen Leistungsbeurteilung, wonach der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr ver-richten könne. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2020 (Blatt 801 der Verwaltungsakten) den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 17.12.2020 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt (Klagebegründung vom 12.12.2021, Blatt 16 der SG-Akten). Mit den Ausführungen des R1 bestehe kein Einverständnis. Aufgrund des Verkehrsunfalls 1991 leide er insbesondere im Bereich der Extremitäten unter multiplen degenerativen Veränderungen mit ständigen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand sei stark eingeschränkt, zusätzlich bestünden erhebliche Funktionsdefizite auch an der linken Hand. Hinzu kämen noch eine Lungenerkrankung, eine depressive Erkrankung und eine ausgeprägte Erschöpfungssymptomatik. In der Gesamtschau der bestehenden physischen und psychischen Beeinträchtigungen sei er keinesfalls in der Lage, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Der S2 hat mit Schreiben vom 01.03.2021 (Blatt 35 der SG-Akten) die Diagnosen infektgetriggertes hyperreagibles Bronchialsyndrom, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, Zustand nach Polytrauma nach Verkehrsunfall und chronische Refluxoesophagitis genannt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Stehen, Sitzen und Gehen möglich. Ausgeschlossen seien Arbeiten bei schlechter Witterung, bei Staub, Gas, Dämpfen und Rauchexposition. Bei dem Kläger liege eine leichte bis mäßige restriktive Ventilationsstörung sowie Luftnot mit unterschiedlicher Ausprägung vor. Der B1 hat über Vorstellungen im November 2019, März 2020 und Januar 2021 berichtet. Neurologisch finde sich weiterhin der Zustand nach Radialis- und Ulnaris-Parese rechts mit multiplen Narben im Bereich des rechten Unterarms und Schmerzsyndrom. Psychopathologisch sei der Kläger dysphorisch, moros verstimmt, wenig schwingungsfähig, ohne inhaltliche Denkstörung, nicht akut suizidal, ohne Wahrnehmungsstörung und schwere kognitive Einschränkungen. Das EEG sei unauffällig. Die Depression stehe im Vordergrund. Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeits-markt für leichte körperliche Arbeiten nicht mehr vollschichtig belastbar, sondern nur noch bis zu drei Stunden. Dies beruhe auf einer chronischen Schmerzstörung mit depressiver Reaktion. Der B2 hat mit Schreiben vom 24.03.2021 (Blatt 55 der SG-Akten) die Diagnosen Zustand nach Polytrauma, Ulnaris-Parese rechts, Radialis-Parese, Zustand nach Handwurzelknochenfraktur rechts, Kreuzbandruptur des Kniegelenks, femoropatellares Schmerzsyndrom, degeneratives HWS- und LWS-Syndrom, Knick-, Senk-, Spreizfuß beidseits und Fersensporn beidseits mitgeteilt. Eine ausführliche Begutachtung des Klägers zum Umfang des Leistungsvermögens habe er nicht durchgeführt. Der G1 hat im Schreiben vom 14.04.2021 (Blatt 91 der SG-Akten) ausgeführt, die unfallbedingten und unfallunabhängigen internistischen Erkrankungen seien für sich allein nicht ausreichend, um eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten von wenigstens sechs Stunden Zeitdauer zu begründen. Er halte aber die Leistungsbeurteilung des B1, wonach der Kläger lediglich für bis zu drei Stunden täglich belastbar sei, für zutreffend. Der J1 hat mit beim SG am 19.04.2021 eingegangenem Schreiben (Blatt 122 der SG-Akten) mitgeteilt, dass der Kläger erstmals im Februar 2021 von Schwindelbeschwerden berichtet habe. Es habe eine grenzwertige Normalhörigkeit beidseits, eine normale Mittelohrbelüftung sowie eine auffällige Testung der Funktion der Gleichgewichtsorgane beidseits vorgelegen. Bei der zweiten Vorstellung im März 2021 habe der Kläger über eine Beschwerdebesserung berichtet. Therapeutische Maßnahmen seien nicht erforderlich. Es sei eine weitere Abklärung eingeleitet worden.
Die Beklagte hat dazu eine sozialmedizinische Stellungnahme der beratenden Ärztin E1 vom 18.06.2021 vorgelegt (Blatt 128 der SG-Akten). Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens. Die O1 hat in ihrem Gutachten vom 04.04.2022 (Blatt 191 der SG-Akten) aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 11.10.2021 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit medikamentöser Schmerztherapie Stufe I nach dem WHO-Stufenschema, einen Zustand nach Radialis-Parese rechts und eine periphere Polyneuropathie beschrieben. Eine krankheitswertige depressive Symptomatik habe sie nicht gefunden. Im Vordergrund stehe das neurasthene Bild. Es gebe Diskrepanzen zwischen der Beschwerdeschilderung und den tatsächlichen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen in der Untersuchungssituation, zwischen geschilderten Beeinträchtigungen und Aktivitäten des täglichen Lebens. Es fehlten erweiterte Therapiemaßnahmen und Eigenaktivitäten zur Beschwerdelinderung trotz der ausgeprägt beschriebenen Beschwerden. Der Kläger ha-be sich nach der Schließung seines Arbeitsplatzes von der beruflichen Tätigkeit zurückgezogen, bleibe seinen Interessen, Kontakten und Reisen verhaftet, behalte Führungs- und Kontrollfunktionen bei. Es habe sich ein dysthymneurasthenes Bild ohne krankheitswertige hirnorganische Einschränkungen oder kognitive Defizite oder psychomotorische Hemmung gezeigt. Der Kläger habe soziale Kontakte. Die Integrität psychischer Funktion liege vor. Er habe einen strukturierten Tagesablauf, ein Zeitmanagement, soziale und Alltagskompetenzen. Eingeschränkt sei die Konfliktfähigkeit im Rahmen des impulsiv-moros verstimmten Bildes sowie die emotionale Belastbarkeit. Der Kläger sei noch in der Lage, bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Unzumutbar seien ihm Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Einsatzfähig-keit der rechten Hand, Zwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, mit Nachtschicht, erhöhter Verantwortung, vermehrter Teamarbeit und mit der Fähigkeit zum interaktionellen Konfliktmanagement. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit ergebe sich nicht. Der Kläger sei in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel in den Hauptverkehrszeiten zu benutzen und durchschnittliche Fußwegstrecken von 500 Metern vielmal täglich in ca. 20 Minuten zurückzulegen.
Der Kläger hat einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt und seinen behandelnden Arzt B1 als Sachverständigen benannt (Blatt 223 der SG-Akten). Nach Ernennung zum Sachverständigen hat B1 mit Schreiben vom 27.06.2022 (Blatt 247 der SG-Akten) Folgendes mitgeteilt:
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Auftrag erfüllen kann, da ich Herrn D2 seit vielen Jahren ärztlich betreue und bereits im Jahr 2019 auch schon eine sachverständige Zeugenaussage in diesem Vorgang erstattet habe. Ich glaube nicht, dass ich mit der nötigen Objektivität und Gradlinigkeit einen solchen Gutachtenauftrag erfüllen kann. ...“
Der Kläger hat an der Benennung des Wahlarztes B1 festgehalten (Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13.07.2022, Blatt 251 der SG-Akten). In seinem Gutachten vom 10.11.2022 (Blatt 259 der SG-Akten) aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 27.10.2022 hat B1 einen Zustand nach komplexer Unterarmverletzung mit noch bestehender Restparese des nervus radialis und sensibler Störung des nervus ulnaris, eine leichte bis mittelgradige depressive Störung sowie eine chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren beschrieben. Des Weiteren bestehe eine leichte bis mittlere kognitive Einschränkung. Unzumutbar seien dem Kläger Tätigkeiten mit besonderer Belastung des rechten Armes und der Hand, mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, auf Leitern und Gerüsten, in Akkord und mit Schichtarbeit. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Eine vollschichtige Tätigkeit sei aufgrund der erheblichen psychischen Belastung und der kognitiven Einschränkung nicht mehr möglich. Der Kläger sei nur noch in der Lage, drei bis unter sechs Stunden täglich arbeits-tätig zu sein. Er sehe im Unterschied zu der Sachverständigen O1 die kognitive Leistungseinschränkung und die depressive Antriebsminderung qualitativ und quantitativ deutlich stärker aus-geprägt.
Die Beklagte ist unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der E1 vom 14.02.2023 (Blatt 292 der SG-Akten) bei ihrer Leistungsbeurteilung geblieben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 04.04.2023 - gestützt insbesondere auf das Gutachten der Sachverständigen O1 - abgewiesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 12.04.2023 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 17.04.2023 bei Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt. Mit der Belastungsbeurteilung der Sachverständigen O1 bestehe kein Einverständnis. Diese sei weder auf die kognitiven Einschränkungen mit Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit noch auf den ausgeprägten Schwindel und die Kreislaufbeschwerden eingegangen. Das SG habe zudem nicht berücksichtigt, dass bei ihm ein GdB in Höhe von 90 festgestellt worden sei. Er - der Kläger - sei nicht in der Lage, selbst leichteste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Neben Störungen der Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe leide er unter einer chronischen Schmerzstörung, der Teilparese der rechten Seite, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Zuletzt hat der Kläger noch einen Bericht des J1 vom 23.03.2021 (Blatt 86 der LSG-Akten) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.04.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2020 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil.
Der Senat hat bei der Sachverständigen O1 eine ergänzende Stellungnahme, insbesondere zum Gutachten des B1, eingeholt. Die Sachverständige O1 hat unter dem 04.10.2023 (Blatt 40 der Senatsakten) dahingehend Stellung genommen, dass die von B1 angenommene leichte bis mittelgradige kognitive Störung sich nicht belegen lasse. Validierungsverfahren fehlten. Nachdem der Kläger nach dem unfallbedingten Polytrauma in der Lage gewesen sei, in der Sachbearbeitung der Werkzeugplanung beruflich tätig zu sein, gebe das Unfallgeschehen mit erfolgtem Koma nicht eine ausreichende Erklärung für eine kognitive Störung. Auch B1 habe ein neurasthenes Bild mit dysphorisch-moroser Verstimmtheit beschrieben. Im Hinblick auf die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren finde weiterhin keine multimodale Schmerztherapie statt. Die Sachverständige O1 hat an ihrer Leistungsbeurteilung festgehalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
2. Gegenstand des Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 05.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2020 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 17.02.2020 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2020 (Monat der Rentenantragstellung). Der Kläger hat sein Begehren auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begrenzt, weil ihm die Beklagte bereits auf Dauer eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) bewilligt hat.
3. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.02.2020.
a. Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, aus-wirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung noch leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann. Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem Bücken, Knien, Hocken, auf Leitern und Gerüsten, über Kopf, mit erhöhten Anforderungen an die rechte Hand, mit erhöhter Gang- und Standsicherheit, Akkord, bei schlechter Witterung, Staub, Gas und Dämpfen und unter Rauchexposition, mit Nachtschicht sowie mit besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen sowie die Teamfähigkeit sind ihm nicht mehr zuzumuten. Der Senat stützt seine Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers auf das Rentengutachten des R1, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten hat, das vom SG bei der Sachverständigen O1 eingeholte Gutachten nebst der vom Senat veranlassten ergänzenden Stellungnahme sowie die sachverständigen Zeugenaussagen des S2, des B2 und des J1.
Somatisch liegen bei dem Kläger im Wesentlichen ein Zustand nach Polytrauma bei Verkehrsunfall 1991 mit verbliebener partieller Ulnaris-Parese und Radialis-Parese rechts sowie einer belastungsabhängigen Schmerz- und Reizsymptomatik des linken Armes, eine geringgradige Kniegelenksinstabilität und eine teilfixierte Rundrückenfehlhaltung mit muskulär statischen Beschwerden vor. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Rentengutachten des R1, der sachverständigen Stellungnahme des B2 und den Gutachten der O1 und des B1. R1 stellte bei seiner Untersuchung u.a. eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, eine freie Beweglichkeit der Schultergelenke mit durchführbarem Nacken- und Kreuzgriff, eine deutliche Vernarbung und einen Substanzdefekt des rechten Armes, eine freie Beweglichkeit der Ellenbogengelenke, freie Handumwendbewegungen, eine Muskelmassenminderung der Handbinnenmuskulatur rechts, ein Bewegungsschmerz am linken Handgelenk, ein primär intakte Fingerstreckung und Faustschluss, eine Einschränkung der Anhebung bei der isolierten Prüfung der einzelnen Finger der rechten Hand, eine grobe Kraft hinsichtlich Fingerstreckung und Faustschluss des Handgelenkes 3/5 bis 4/5, des Faustschlusses 3/5, der Fingerspreizung rechts gegenüber links 5/5, zahlreiche Narben am Bauch nach Drainagen und Platzbauchversorgung oh-ne Diastase des Rektus und Bruchsackbildung, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule, eine freie Beweglichkeit der Hüft , Knie- und Sprunggelenke, einen flüssigen und sicheren Gang, unauffällige differenzierte Gang- und Standarten, eine groteske Demonstration einer Fallneigung bei der Aufforderung zur Durchführung des Zehenspitzenganges, Minderempfinden im Narbenbereich des Kniegelenks und einen ansonsten unauffälligen neuro-logischen Befund fest. Die Sachverständige O1 dokumentierte aufgrund ihrer neurologisch-körperlichen Untersuchungen im September 2021 u.a. schmerzhafte Dysästhesie im Ulnarisgebiet rechts, einen intakten Vibrations- und Lagesinn, einen allenfalls geringen Restzustand einer Radialisparese mit ehemaliger Fallhand, regelrechte Verhältnisse an den oberen und unteren Extremitäten, bei der orientierenden Überprüfung der einzelnen Muskelfunktionen keine Abweichung von der Norm, keine Atrophien, keine pyramidalen Störungen sowie eine Amplitudenminderung der Ulnarisableitung rechts. Der wahlärztliche Sachverständige B1 stellte vergleichbare Befunde fest (u.a. Hypästhesie und Hypalgesie im Ulnaris-Versorgungsgebiet rechts, Schwäche der Hand- bzw. Fingerextension mit Kraftgrad 3-4/5, kräftige Daumenextension, Daumenabduktion 4/5, ansonsten regelrechte Verhältnisse an den oberen und unteren Extremitäten, normgerechte Muskelfunktionen, keine Atrophien, keine pyramidalen Störungen, unauffälliges Reflex-verhalten). Er hat eine Restparese der vom Nervus radialis innervierten Muskeln sowie eine Sensibilitätsstörung des Nervus ulnaris rechts dokumentiert. R1, die O1 und B1 haben diese Befunde zutreffend dahingehend gewertet, dass die Funktionseinschränkungen aufgrund der somatischen Erkrankungen keine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht bedingen, sondern ihnen durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getra-gen werden kann. Unzumutbar sind dem Kläger mittelschwere und schwere Arbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderen Gebrauchsanforderungen an beide Hände, Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem Bücken, Knien, Hocken, auf Treppen, Leitern und Gerüsten, erhöhter Gang- und Standsicherheit sowie in Akkord. Dabei ist zu beachten, dass zwar die Einsatzfähigkeit der rechten Hand in Folge des Verkehrsunfalls 1991 deutlich eingeschränkt ist, jedoch der Kläger anschließend von der rechten auf die linke Hand umgelernt hat und die Einsatzfähigkeit des linken Armes und der linken Hand für leichte Tätigkeiten nicht limitiert ist.
Weitere relevante somatische Erkrankungen, die das berufliche Leistungsvermögen zeitlich ein-schränken könnten, bestehen nicht. Zwar liegen bei dem Kläger insbesondere eine arterielle Hypertonie, ein medikamentös eingestellter Diabetes mellitus Typ II, ein hyperreagibles Bronchialsyndrom mit leichter bis mäßiger restriktiver Ventilationsstörung sowie ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom vor. Diese Erkrankungen bedingen lediglich qualitative Einschränkungen für Arbeiten bei schlechter Witterung, Staub, Gas und Dämpfen und unter Rauchexposition so-wie mit Nachtschicht. Die behandelnden Fachärzte des Klägers S2 und G1 haben übereinstimmend und überzeugend eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten wegen der bestehenden internistischen Erkrankungen verneint. Kardiologisch war der Kläger bis 100 Watt belastbar; eine kardiologische Erkrankung liegt nicht vor (kardiologischer Befundbericht vom 12.02.2019, Bl. 309 der Verwaltungsakten). Eine neurogene Blasenstörung, eine Nierenfunktionsstörung und eine Stenose der hirnversorgenden Halsgefäße wurden ausgeschlossen (vgl. Bl. 323, 812 der Verwaltungsakten, Bl. 228 der SG-Akten). Während der stationären Rehabilitation im Herbst 2019 wurde ein unauffälliger internistischer Untersuchungsbefund erhoben. R1 stellte aufgrund seiner körperlichen Untersuchung im Januar 2020 einen unauffälligen Allgemeinbefund fest, ebenso die Sachverständige O1 bei ihrer Untersuchung im September 2021. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Schwindelbe-schwerden hat der behandelnde J1 mitgeteilt, dass der Kläger diese erstmals im Februar 2021 vorgebracht und bereits im März 2021 über eine Beschwerdebesserung berichtet habe. Therapeutische Maßnahmen waren nicht erforderlich. Die neurologischen Untersuchungen insbesondere bzgl. der Koordination durch die Sachverständigen O1 und B1 waren unauffällig.
Auch die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet bedingen keine zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens. Bei dem Kläger liegt eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren vor. Eine depressive Störung von Krankheitswert besteht nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der O1 nebst ergänzen-der Stellungnahme. Diese hat im Rahmen ihrer ausführlichen und gründlichen Untersuchung u.a. folgenden Befund dokumentiert: gepflegt, wach, orientiert, ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, ungestörte Auffassungsgabe, weitschweifig, etwas sprunghaft, ungestörte Wahrnehmung, ungestörtes Ich-Bewusstsein, in Antrieb und Motorik etwas gebunden, affektiv klagsam, freundlich und schwingungsfähig, Verdeutlichungsverhalten, kein Anhalt für Suizidalität, ambivalente Therapiemotivation, Versorgungswunsch. Eine krankheitswertige depressive Symptomatik hat sie nicht festgestellt. Die Sachverständige O1 hat auf die Diskrepanzen zwischen Beschwerdeschilderung und tatsächlicher körperlicher und psychischer Beeinträchtigung in der Untersuchungssituation, zwischen eigenen und fremdanamnestischen Informationen, zwischen den geschilderten Beeinträchtigungen und den zu eruierenden Aktivitäten des täglichen Lebens sowie den niedrigschwelligen Therapiemaßnahmen hingewiesen. Es lagen weder krankheitswertige hirnorganische Einschränkungen, krankheitswertige kognitive Defizite noch krankheitswertige psychomotorische Hemmungen vor. Die Sachverständige O1 hat unter Berücksichtigung der Untersuchungsbefunde, des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs sowie unter Würdigung der Vorbefunde überzeugend begründet, dass der Kläger jedenfalls noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten kann. Ausgeschlossen sind Tätigkeiten mit Nachtschicht, erhöhter Verantwortung, vermehrter Teamarbeit und mit der Fähigkeit zum interaktionellen Konfliktmanagement.
Der Senat folgt nicht der Leistungsbeurteilung des Wahlarztes B1. Dieser hat eine leichte bis mittelgradige depressive Störung, eine chronische Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren sowie eine leichte bis mittlere kognitive Einschränkung angenommen und ist deshalb von einem auch quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ausgegangen. Unabhängig davon, dass sich B1 nicht in der Lage gesehen hat, seine Rolle als behandelnder Arzt aufzugeben und die Rolle eines neutralen Sachverständigen einzunehmen, überzeugt das Gutachten des B1 nicht. Der von B1 - unvollständig - erhobene Befund (pünktlich, altersentsprechend gekleidet, bewusstseinsklar, zu Ort, Zeit und Person sowie situativ orientiert, zusammenhängender Bericht, teilweise allerdings vorwurfsvoll gegenüber den Versicherern, dysphorisch-moros verstimmt, wenig schwingungsfähig, stark auf seine Schmerzen und seine Leistungsfähigkeitseinschränkungen bezogen, keine wesentlichen inhaltlichen Denkstörungen oder Wahrnehmungsstörungen, keine Derealisationserlebnisse, kein Anhalt für Suizidalität) bildet eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung nicht ab. Feststellungen zu Aufmerksamkeit, Gedächtnis, formalem Denken, Antrieb und Psychomotorik hat B1 nicht getroffen. Das Ergebnis des Beck'schen Depressions-Inventars (Gesamt-Score von 49 Punkten), eines Selbstbeurteilungsbogens, hat B1 als diskrepant zum objektiv-klinischen Untersuchungsbefund gewertet. Trotz dieses Hinweises auf ein Verdeutlichungsverhalten hat er die Ergebnisse der psychometrischen Testverfahren zu Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Konzentration unkri-tisch übernommen und insbesondere die Anstrengungsbereitschaft des Klägers nicht überprüft. Er hat die Testergebnisse auch nicht wie erforderlich - mit dem objektiv-klinischem Befund abgeglichen. Die Sachverständige O1 hat in ihrer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme zutreffend darauf hingewiesen, dass die von B1 angenommene leichte bis mittelgradige kognitive Störung sich nicht belegen lässt. Validierungsverfahren fehlen. Der Kläger war nach dem unfallbedingten Polytrauma 1991 in der Lage, in der Sachbearbeitung der Werkzeug-planung beruflich tätig zu sein und einen Ingenieursabschluss zu erzielen. Daher bildet das Unfallgeschehen mit erfolgtem Koma keine ausreichende Erklärung für eine kognitive Störung. Die von B1 angenommene leichte bis mittelschwere depressive Störung sowie die auch von der Sachverständigen O1 beschriebene chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren begründen keine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht.
Soweit die Leistungsfähigkeit des Klägers von seinen behandelnden Ärzten bzw. Therapeuten negativer eingeschätzt wird als von der Sachverständigen O1, folgt der Senat deren Leistungsbeurteilung nicht. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 5). Die zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, BSGE 129, 274-290 = SozR 4-2600 § 43 Nr. 22). Vom praktisch gänzlichen Fehlen von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die nur mit leichten körperlichen und geistigen Anforderungen verknüpft sind, kann derzeit nicht ausgegangen wer-den, auch nicht aufgrund der Digitalisierung oder anderer wirtschaftlicher Entwicklungen (BSG 11.12.2019, a.a.O., juris Rn. 27). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über fünf kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn - wie hier - typische Verrichtungen wie z.B. das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen möglich sind. Einschränkungen, die dem entgegenstehen könnten, lassen sich den vorliegenden Gutachten nicht entnehmen. Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden zu der Frage, welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Der Kläger ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne (vgl. BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m.w.N.; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R); dies entnimmt der Senat den Gutachten R1, O1 und B1.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen sachverständigen Stellungnahmen und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegenden Gutachten der Sachverständigen O1 sowie die aktenkundigen medizinischen Unterlagen über den Kläger haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung <ZPO>). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und gibt auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachterin zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.