L 6 SB 3193/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SB 2656/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3193/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die höhere Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 40.

Sie ist 1969 geboren, hat nach dem Hauptschulabschluss eine Lehre zur Kfz-Schlosserin abgeschlossen und seit 2011 als Lageristin gearbeitet. Von 2013 bis 2015 ist sie zur Fachkraft Lagerlogistik umgeschult worden und war bis 2017 als Kommissioniererin beschäftigt. Seit 2018 arbeitet sie als Produktionsmitarbeiterin. Sie ist in zweiter Ehe verheiratet, hat eine volljährige Tochter sowie einen volljährigen Sohn, der keiner Berufstätigkeit nachgeht. Die Familie bewohnt eine 122 m2 große Erdgeschosswohnung, verfügt über zwei PKW und finanziert sich in erster Linie vom Einkommen des Ehemannes als Schichtführer (vgl. Anamnese G1).

Am 17. Juni 2012 wurde sie bei einem Stadtfest in H3 auf der Damentoilette von einem Mann gegen das Waschbecken gedrückt und gezwungen, ihm in die Hose zu greifen. Sie erstattete Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung und suchte am 19. Juni 2012 erstmals einen Arzt auf, der diverse Hämatome an den Armen, passend zu einem festen Griff, beschrieb. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 stellte das Landratsamt H1 (LRA) fest, dass die Klägerin am 17. Juni 2012 Opfer einer Gewalttat im Sinne des Gesetzes über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) geworden sei und als Folge der Schädigung eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bestehe. Beschädigtengrundrente wurde nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 ab dem 1. Juni 2012 und nach einem GdS von 30 seit dem 1. März 2013 gewährt.

Am 19. Oktober 2020 beantragte sie bei dem Landratsamt H1 erstmals die Feststellung des GdB. Vorgelegt wurde – neben älteren Befundberichten aus den Jahren 2017/2018 und davor – der Befundbericht des P1 über die ambulante Behandlung vom 20. Juli 2020, der eine Blockierung der Halswirbelsäule (HWS) und Brustwirbelsäule (BWS) wie Bandscheibenprotrusionen der HWS beschrieb. Es zeige sich eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS. Eine chirotherapeutische Mobilisation sei erfolgt.

Der D1 gab in seinem Befundschein aufgrund ambulanter Untersuchung vom 16. Juli 2020 an, dass die Klägerin wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen sei. Der Hirnnervenbefund sei unauffällig, die Prüfung der groben Kraft zeige keine Paresen. Die Koordination sei ungestört, die Versuche nach Unterberger und Romberg unauffällig. Der Gang sei frei. Die geklagten Beschwerden schienen von der HWS auszugehen.

Die Kernspintomographie (MRT) des Oberbauchs vom 27. Juni 2018 ergab unauffällige und altersentsprechende Oberbauchorgane und Nieren. Zur Wirbelsäulenbeurteilung sei eine MRT der BWS und oder Lendenwirbelsäule (LWS) empfehlenswert.

Das sozialmedizinischen Gutachten für die Bundesagentur für Arbeit vom 23. Januar 2018 sah eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender, teilweise gehender und teilweise stehender Arbeitshaltung.

Die Kernspintomographie (MRT) des Schädels und der HWS vom 18. November 2017 (D2) verneinte cerebrale Ischämien, Blutungen und suspekte Raumforderungen. An der HWS zeige sich kein Prolaps, nur breitbasige Protusionen an C6 links.

E1 bewertete versorgungsärztlich die PTBS, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, den Bandscheibenschaden, die Kalksalzminderung des Knochens und die Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem GdB von 50 vom 1. Juni 2012 bis 28. Februar 2013 sowie mit 40 ab 1. März 2013.

Dem folgend stellte das LRA mit Bescheid vom 26. Januar 2021 einen GdB von 50 für die Zeit vom 16. August 2012 bis 28. Februar 2013 sowie von 40 ab dem 1. März 2013 fest.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Befundbericht des D1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 20. April 2021 vorgelegt. Danach sei aufgrund der im wesentlichen unauffälligen MRT des Schädels in der Zusammenschau der Befunde davon auszugehen, dass der Tinnitus keine organneurologische Grundlage habe, sondern Folge der komplexen psychischen Erkrankung der Klägerin sei.

Im Entlassungsbericht der S1-Klinik – Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) über die stationäre Behandlung vom 20. bis 25. März 2021 wurde eine Infusionstherapie mit Hochdosis-Kortison unter Magenschutz beschrieben. Die stationäre Aufnahme sei aufgrund eines plötzlich aufgetretenen Tinnitus ohne Hörminderung und Schwindelbeschwerden erfolgt. Eine Computertomographie (CT) des Schädels habe keine Auffälligkeiten gezeigt, eine Liquorpunktion sei unauffällig gewesen. Unter der genannten Therapie sei es zu keiner Rückbildung der Beschwerden bei weiterhin hohem Leidensdruck gekommen. Eine MRT der LWS habe kein Korrelat für die Beschwerden ergeben, neurologisch zeige sich kein Hinweis auf ein Cauda-Syndrom oder ein radikuläres Defizit.

Im Attest der R1 wurde ausgeführt, dass die Klägerin beim Ersttermin am 8. März 2021 angegeben habe, seit 2012 unter schweren Ängsten zu leiden. Damals sei es zu einem traumatisierenden Ereignis mit Übergriffigkeiten gekommen. Im Verlauf seien Sorgen hinzugetreten. Ihre Tochter habe einen Schlaganfall erlitten. Ihr Sohn habe schon ausziehen wollen, traue sich das aber jetzt nicht zu, da er die Klägerin nicht alleine lassen wolle. Sie sei zunehmend am Arbeitsplatz wegen ihrer Erkrankungen ausgefallen. Es sei eine umfangreiche Diagnostik erfolgt, zuletzt sei man von einer Fibromyalgie ausgegangen.

Im Kontakt sei die Klägerin wach, bewusstseinsklar, voll orientiert, offen und freundlich. Affektiv zeige sie sich labil und depressiv verstimmt. Der Antrieb sei gehemmt, sie wirke erschöpft, es bestehe ein ausgeprägter sozialer Rückzug. Es habe sich eine rezidivierend schwer depressive Symptomatik sowie eine generalisierte Angsterkrankung mit bereits eingetretener Chronifizierung manifestiert. Es sei mit einer Medikation (Mirtazapin 15 mg 1x täglich) begonnen wie der Zugangsweg zu einer ambulanten Psychotherapie aufgezeigt worden.

Im Notfallbericht der V1-Klinik vom 11. November 2020 wurde dargelegt, dass die Klägerin von einem Kollegen umarmt und gedrückt worden sei. Seitdem bestünden Schmerzen im Bereich der Rippen links. Im Röntgen finde sich kein Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung. In der Sonographie des Abdomens habe keine freie Flüssigkeit bestanden. Milz, Nieren und Leber seien regelrecht. Als Diagnose wurde eine Rippenprellung links angegeben.

G2 hielt versorgungsärztlich an der bisherigen Bewertung fest. H2 führte ergänzend aus, dass eine Beurteilung nach Funktionssystemen erfolgen müsse. Die PTBS als Schädigungsfolge nach dem OEG sei vom 16. August 2012 bis 28. Februar 2013 mit einem GdS von 40 eingestuft, danach mit einem GdS von 30. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei ab 16. August 2012 mit einem GdB von 20 zu bewerten. Vom 16. August 2012 bis 28. Februar 2013 betrage der Gesamt-GdB 50, ab dem 1. März 2013 liege dieser bei 40.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2021 zurück. Die angefochtene Entscheidung sei erneut überprüft und ein Befundschein des T1 beigezogen worden, Zudem werde angemerkt, dass der Erstanerkennungsbescheid nach dem OEG bereits bei der Ausgangsentscheidung vorgelegen habe und berücksichtigt worden sei.

Bereits am 3. Januar 2022 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB. Vorgelegt wurde der Entlassungsbericht des Z1-Klinikum W1 über die teilstationäre Behandlung vom 3. November bis 15. Dezember 2021. Danach sei die Klägerin bei Aufnahme wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert gewesen. Im Kontakt zeige sie sich höflich und zugewandt. Auffassung, Aufmerksamkeit und Konzentration seien ungestört und nur subjektiv beeinträchtigt. Die Gedächtnisfunktionen seien intakt, psychomotorisch sei die Klägerin ruhig, im Antrieb nicht gesteigert. Die Stimmungslage zeige sich gedrückt, affektiv verflacht und reduziert emotional schwingungsfähig. Der formale Gedankengang sei geordnet, ohne Anhalt für Halluzinationen.

Neurologisch seien Arm- und Beinhalteversuch regelrecht, es bestünden keine manifesten Paresen in der orientierenden Einzelkraftprüfung. Der Bizepssehnenreflex sei seitengleich mittellebhaft auslösbar. Stand- und Gang seien inklusive erschwerter Gangproben sicher.

Im Verlauf habe die Klägerin das Vermeidungsverhalten durch gestufte Konfrontation reduzieren können. Stimmung und Antrieb hätten sich gebessert. Die anfänglich imponierenden Ängste hätten durch kleinschrittiges und lösungsorientiertes Vorgehen etwas nachgelassen. Die Entlassung sei in ausreichend stabilisierten Zustand in die ambulante Behandlung erfolgt.

Die R1 beschrieb in ihrem Befundbericht vom 23. Juli 2021 eine generalisierte Angststörung sowie eine mittelgradige Episode einer rezidivierenden depressiven Störung.

Der P1 gab nach ambulanter Untersuchung vom 17. Juni 2021 an, dass durch die MRT der HWS eine vertebragene Genese des Tinnitus ausgeschlossen worden sei. Ein höhergradiger neurokompressiver Befund habe sich nicht gezeigt. Die HWS-Rotation sei schmerzhaft eingeschränkt. Es sei eine Teilmobilisation der HWS erfolgt.

Im weiteren Befundbericht vom 20. Juli 2021 wurde beschrieben, dass ein chronischer Druckschmerz im Schulter-Nackenbereich beidseits sowie im Bereich der Facettengelenke der HWS bestehe. Die MRT der LWS vom 5. Juli 2021 zeige Bandscheibenprotusionen auf Höhe L5/S1 mit Wurzelaffektion S1 rechts, die die Beschwerdesymptomatik der Lumboischialgie rechts erklärten. Eine Indikation zur operativen Intervention bestehe nicht, die Möglichkeit einer Infiltrationstherapie sei erläutert worden.

Der L1 gab in seinem Attest vom 30. Mai 2021 an, die Klägerin laufend mit Akupunktur wegen chronischer Lumbago zu behandeln. Das Zeichen nach Schober liege konstant bei 10:13 cm, es finde sich ein Hartspann der Rückenstrecker und ein Funktionsschmerz.

Der M1 gab nach ambulanter Untersuchung vom 21. Mai 2021 an, dass der beidseitige Tinnitus mittlerweile verstärkt sei und einen starken Leidensdruck verursache. Die erneute Messung habe eine Verdeckbarkeit bei 4 kHz rechts und 60 dB, links bei 55 dB ergeben.

Die G3 bewerte die PTBS mit einem Teil-GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20 und die Ohrgeräusche beidseits mit einem Teil-GdB von 10. Im Zusammenhang mit einer PTBS könnten Symptome wie affektive und somatoforme Störungen einschließlich Schmerzstörungen mit Schmerzmittelgebrauch sowie Angst-/Panikattacken, Agoraphobie und Zwangs-/Vermeidungsverhalten beobachtet werden. Der Funktionsbereich Nervensystem/Psyche sei daher mit 30 angemessen bewertet.

Mit Bescheid vom 26. April 2022 lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag ab, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2022 zurück. Nachdem der Widerspruch nicht begründet worden sei, habe nach Aktenlage entschieden werden müssen. Der Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage, sodass der Widerspruch zurückzuweisen sei.

Am 27. Oktober 2022 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und neben bereits aktenkundigen Befundberichten weitere vorgelegt.

Im Entlassungsbericht der M3 V4 -Klinik über die stationäre Rehabilitation vom 7. April bis 12. Mai 2022 ist eine Optimierung und Intensivierung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung empfohlen worden. Leichte bis mittelschwere Arbeiten seien zumutbar, die Entlassung sei als arbeitsunfähig zur weiteren Stabilisierung erfolgt. Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung sei mit der Klägerin besprochen worden. Sie sei damit aufgrund der von ihr wahrgenommenen unzureichenden Leistungsfähigkeit nicht einverstanden gewesen.

Bei Aufnahme habe sich eine ausgeprägte Kyphose der Brustwirbelsäule (BWS) gezeigt. Funktionsuntersuchungen der Wirbelsäule seien nur bedingt möglich. Die Extension/Flexion habe bei 30-0-20°, die Flexion bei 10-0-10° und die Rotation bei 40-0-30° gelegen. Auf weitere Untersuchungen sei wegen der starken Schmerzäußerung verzichtet worden. Neurologisch bestünden keine Paresen und keine Parästhesien. Der Strichgang sei ebenso wie der Versuch nach Romberg unauffällig.

Die Klägerin sei sportlich gekleidet, im Kontakt hilfesuchend, unsicher, ängstlich und zugewandt, dabei allseits orientiert. In der Exploration sei die Auffassung unbeeinträchtigt, Mnestik und Aufmerksamkeit seien intakt, die Konzentration zeige sich subjektiv beeinträchtigt. Das formale Denken sei geordnet, teils eingeengt auf Überforderungserleben. Die Stimmung sei ängstlich, zeitweise gedrückt bei reduzierter Schwingungsfähigkeit. Unter hoher Anspannung bestehe selbstverletzendes Verhalten, im Alter von 17 Jahren werde ein Suizidversuch beschrieben.

Das Ergebnis im Beck-Depressions-Inventar sei diskrepant zur klinischen Diagnose. Im Verlauf habe sich die Klägerin kaum stabilisieren können. Sie habe von einer stark angespannten Situation in ihrem Privatleben berichtet. Ihr Mann sei alkoholabhängig und komme mit der Lebenssituation nicht zurecht. Sie werde bei der Arbeit stark unter Druck gesetzt, müsse Arbeiten verrichten, die anderen Mitarbeitern nicht zugeteilt würden. Ihre Wohnung sei gekündigt worden und sie werde von dem Vermieter und dem Makler unter Druck gesetzt.

In Notfallprotokoll der S1-Klinik vom 27. Februar 2022 wurde eine Vorstellung in der Zentralen Notaufnahme bei Verdacht auf Migräne mit Aura beschrieben. Die Klägerin habe sich in einem altersentsprechenden Allgemein- und normalen Ernährungszustand befunden. Im CT zeige sich kein Hinweis für eine intrakranielle Hämorrhagie oder frische sich demarkierende Ischämie.

Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt.

Die B1 hat bekundet, die Klägerin seit 2. August 2022 zu behandeln. Der psychopathologische Befund habe eine allseits orientierte Patientin gezeigt. Die Stimmung sei durchgängig subdepressiv überstimmt, affektiv sei sie zu jedem Zeitpunkt der Gesprächsinhalte ausreichend gut beziehbar. Der formale Denkablauf sei geordnet, inhaltliche Denkstörungen seien nicht nachzuweisen. Sie habe eine Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine anhaltende leichte depressive Episode mit rezidivierenden depressiven Episoden, eine Migräne und einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert.

Der P1 hat mitgeteilt von der Klägerin wegen HWS-Beschwerden konsultiert worden zu sein. Es bestehe das bekannte chronische Beschwerdebild. Es komme zu einer Schmerzangabe im gesamten Rückenbereich, aktuell führend im Schulternackenbereich beidseitig, weniger aber im Bereich der LWS.

Die Klägerin hat den Befundbericht des D1 über die ambulante Untersuchung vom 6. Februar 2023 vorgelegt. Danach werde ein seit dem 22. Januar 2023 bestehender schlimmer Lagerungsschwindel angegeben. Zum Untersuchungszeitpunkt sei die Klägerin wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen. Der Hirnnervenbefund sei unauffällig. Die Prüfung der groben Kraft habe keine Paresen ergeben, pathologische Reflexe bestünden keine. Der Muskeltonus sei regelrecht, die Koordination ungestört. Die Versuche nach Romberg und Unterberger seien ebenso wie der Gang unauffällig bei guter Mitbewegung der Arme. Es werde davon ausgegangen, dass die Kopfschmerzsymptomatik im Rahmen der geplanten stationären Behandlung mitbehandelt werden könne.

Weiter ist der Entlassungsbericht der V1-Klinik über die stationäre Behandlung vom 20. Februar bis 3. März 2023 zu den Akten gelangt. Es seien Schmerzen der Stärke 9 in Ruhe und 10 unter Belastung angegeben worden. Es bestehe ein Dauerschmerz, der lediglich durch Applikation von Wärme etwas gelindert werden könne. Die Schmerzqualität werde affektiv als quälend und sensorisch als stechend, brennend und teils drückend beschrieben. Psychosomatisch fänden sich in der Vorgeschichte erhebliche Belastungsfaktoren. Neben einer traumatischen Erfahrung in der Kindheit seien ein sexueller Übergriff, Erfahrungen mit Mobbing und Fehlgeburten zu erwähnen. Es finde eine psychotherapeutische Behandlung statt, eine medikamentöse Therapie sei auf Wunsch der Klägerin abgesetzt worden.

Es habe sich ein Druck-, Klopf- und Bewegungsschmerz der gesamten oberen HWS gezeigt, schon bei leichter Berührung sei die Klägerin zusammengezuckt. Die Schultern seien beidseits frei beweglich, bei endgradiger Schmerzhaftigkeit. Es sensomotorisches Defizit der oberen Extremität bestehe nicht, der Neuroforamenkompressionstest sei negativ, die Reflexe seien seitengleich auslösbar.

An der LWS und den übrigen unteren Extremitäten seien 18 von 18 Tenderpoints der Fibromyalgie positiv gewesen. Die Fußpulse seien beidseits tastbar, Hüft- und Kniegelenke in der klinischen Untersuchung unauffällig bei ausgeglichener Beinlänge. Aufgrund des Schwindels sei das Gangbild nach dem Lagerungswechsel etwas unsicher und kleinschrittig, nach kurzer Zeit sei ein freies bipedales Gangbild mit Demonstration der Gangvaria möglich. Die Beweglichkeit der HWS liege für Inklination/Reklination bei 30-0-50°, Seitneigung rechts/links bei 40-0-40° und Rotation rechts/links bei 70-0-70°. An der BWS/LWS sei die Seitneigung und Rotation rechts/links je mit 20-0-20° möglich.

Die MRT des Schädels vom 22. Dezember 2022 zeige eine altersentsprechende Weite der inneren und äußeren Liquorräume, keine frische Diffusionsstörung und keinen Hinweis auf eine frische Ischämie.

In der MRT der HWS vom 11. Juni 2021 würden keine Protrusionen und eine normale Weite des Spinalkanals beschrieben. Die MRT der LWS vom 5. Juli 2021 zeige eine 6-gliedrige LWS sowie geringgradige Protrusionen auf Höhe S1/S2 mit Kontakt zur S1-Wurzel rechts.

Unter dem konservativen Therapieregime sei es zu einem Rückgang der Beschwerden sowie zu einer Verbesserung der Mobilität, insbesondere bei alltäglich notwendigen Aktivitäten gekommen.

Am zentralen Nervensystem (ZNS) hätten keine neurologischen Auffälligkeiten bestanden, im gesamten Verlauf habe sich kein Hinweis auf eine Konus-Kaudasymptomatik ergeben. Bei reduziertem Muskeltonus bestehe kein sensomotorisches Defizit der oberen und unteren Extremität. Das Zeichen nach Lasèque sei beidseits negativ, der Pseudolasèque positiv bei 50°. Eine Operations-Indikation bestehe nicht, eine an den Beschwerdeverlauf angepasste Schmerztherapie sei zu empfehlen.

Das SG hat den Entlassungsbericht der M2 Klinik R2 über die stationäre Rehabilitation vom 10. bis 31. Juli 2023 beigezogen. Danach bestehe aus psychiatrischer Sicht sowohl für den allgemeinen Arbeitsmarkt als auch für die letzte Tätigkeit eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden bei rezidivierender depressiver Störung, derzeit mittel- bis schwergradiger Episode, PTBS und Agoraphobie mit Panikstörungen. Es werde eine auf zwei Jahre befristete Rente wegen Erwerbsminderung, die Aufnahme einer leitliniengerechten Psychotherapie sowie eine weiterführende fachpsychiatrische ambulante Behandlung empfohlen.

Die Beweglichkeit der HWS habe für Extension/Flexion 40-0-20°, Lateralflexion rechts/links 15-0-15° und Rotation rechts/links 40-0-40° betragen. An der BWS bestünden keine Druckschmerzen, das Zeichen nach Ott sei mit 30:32 cm bestimmt worden. Die Flexion und Rotation seien mit 15-0-15° möglich. Das Zeichen nach Schober liege bei 10:12 cm. Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke seien aktiv und passiv frei beweglich.

Psychopathologisch sei die Klägerin wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen. Im Kontakt sei sie häufig weinerlich, habe affektiv verflacht und hilfesuchend gewirkt. Mnestisch bestünden keine Störungen, Konzentrationsstörungen würden subjektiv geschildert. Der Gedankengang sei geordnet und inhaltlich auf die somatische Beschwerdesymptomatik eingeengt. Die Stimmung sei gedrückt, der Antrieb in der geschützten und tagesstrukturienden Umgebung der Rehabilitationsklinik erhalten.

Aktuell bestehe eine mittel- bis schwergradige depressive Episode vor dem Hintergrund psychosozialer Belastungen sowie residuale Symptome einer PTBS. Die Symptomatik bestehe seit mindestens 10 Jahren und sei als chronifiziert anzusehen. Die bisherigen therapeutischen Maßnahmen hätten zu einem mäßigen Therapie-, aber keinem nachhaltigen Erfolg in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit geführt. Weshalb der Klägerin bislang keine traumaspezifische Behandlung empfohlen worden sei, bleibe unklar. Bezugnehmend auf die ungünstigen Kontextfaktoren und einen mäßigen therapeutischen Erfolg im Verlauf, unter Berücksichtigung der Komplexität der vorliegenden Störungen und der Funktionseinschränkungen, werde die Leistungsfähigkeit unter drei Stunden täglich gesehen. Eine Verbesserung der Beschwerden habe nicht erzielt werden können.

Das SG hat eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt (vgl. Protokoll vom 19. September 2023), in der die Klägerin erklärt hat, derzeit keine antidepressive Medikation einzunehmen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Oktober 2023 abgewiesen. Eine wesentliche Änderung zu dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 26. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2021 sei nicht eingetreten. Im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ sei der Teil-GdB von 30 nicht zu beanstanden. Die Klägerin leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung und einer Schmerzstörung mit somatischen psychischen Faktoren. Der im Entlassungsbericht der M2 Klinik geschilderte psychopathologische Befund weiche nicht wesentlich von dem der B1 ab. Der Tinnitus sei im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ zu bewerten, da er sich hier auswirke. Für die Kopfschmerzen könne weiter ein Einzel-GdB von 10 angenommen werden, nachdem die V1-Klinik einen Rückgang der Beschwerden unter Therapie beschrieben habe. Im Funktionssystem „Rumpf“ sei ein Teil-GdB von 20 leidensgerecht.

Am 16. November 2023 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt zur Begründung vorgetragen, dass im Nervensystem „Gehirn einschließlich Psyche“ der Teil-GdB nicht nur 30 betrage, sondern mindestens 50. Daneben bestünden mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, zudem seien die Osteoporose und die Fibromyalgie zu berücksichtigen, wodurch ein Teil-GdB von mindestens 30 in diesem Funktionssystem begründet werde. Aufgrund des Entlassungsberichtes der M2 Klinik sei nicht nachzuvollziehen, wie die Beklagte zu dem Schluss komme, eine Migräne sei nicht nachgewiesen. Diese sei im Funktionsbereich „Kopf und Gesicht“ mit einem Teil-GdB von mindestens 20 zu berücksichtigen. Der Tinnitus habe erhebliche Begleiterscheinungen, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten seien.

Weiter hat die den Bericht des Radiologischen Zentrums S3 über die MRT der HWS vom 16. Dezember 2023 vorgelegt. Danach zeige sich eine Steilstellung der HWS und ein Flüssigkeitsverlust der Bandscheiben der HWS mit etwas deutlicher Höhenminderung bei C5/6 und C6/7. Spinalkanalstenose bestehe keine, eine Myelopathie sei nicht nachweisbar.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. Oktober aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2022 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 26. Januar 2021 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 3. Januar 2022 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat die Akte des beim SG geführten Parallelverfahrens S 7 VG 2409/22, die Beschädigtengrundrente nach dem OEG betreffend, beigezogen. Aus dieser hat sich ergeben, dass das LRA mit Bescheid vom 2. März 2022 den Bescheid vom 14. Oktober 2013 aufgehoben und festgestellt hat, dass die anerkannte Schädigungsfolge „Posttraumatische Belastungsstörung“ nicht mehr feststellbar sei und der GdS daher ab 1. Mai 2022 „0“ betrage. Den Widerspruch hat das Regierungspräsidium S2 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2022 zurückgewiesen.

In dem Verfahren ist unter anderem die sachverständige Zeugenauskunft der B1 erhoben worden, die bekundet hat, die Klägerin vom 2. August 2022 bis 30. März 2023 im Rahmen des Programms der Krankenkasse für Psychotherapie behandelt zu haben. Es sei über stärkere Ängste sowie wesentliche Belastungen im Zusammenhang mit ihrer Mietwohnung, gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen einer angestrebten Verrentung und Belastungen in ihrer Ehe berichtet worden. Aufgrund der chronischen Migräne sei zur Aufnahme einer neurologischen Mitbehandlung zur Überprüfung einer medikamentösen Prophylaxe geraten worden.

Der psychopathologische Befund habe eine allseits orientierte Patientin gezeigt, die Stimmungslage sei durchgängig subdepressiv gewesen, affektiv sei sie zu jedem Zeitpunkt ausreichend gut beziehbar gewesen. Der formale Denkablauf sei geordnet, inhaltliche Denkstörungen seien keine nachzuweisen. Als Diagnosen seien eine Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine anhaltende leichte depressive Episode bei rezidivierenden depressiven Episoden, eine Migräne und ein Spannungskopfschmerz zu nennen.

Weiter hat das SG das psychiatrische Sachverständigengutachten des G1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 20. November 2023 erhoben. Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, dass sie nicht mehr nach draußen gehe. Sie gehe nicht einkaufen, sei immer erschöpft und müde. Wenn sie einmal vor lauter Erschöpfung einschlafe, habe sie Albträume. Sie könne den Haushalt nicht richtig führen, mache immer die Rollläden runter. Wenn ihr Sohn und ihr Mann außer Haus seien, sei es für sie „schlimm“. Es müsse immer jemand da sein, ihr Sohn habe wegen ihr 40 kg zugenommen. Ihr Ehemann arbeite, obwohl er herzkrank sei.

Die Klägerin habe angegeben, „gar nichts“ zu machen. Den Haushalt versorge ihr Sohn, der sich auch um die Wäsche kümmere. Gemeinsame Unternehmungen mit dem Ehemann fänden keine statt. Sie habe kein Geld, um zum Friseur zu gehen.

Befragt zum Tagesablauf habe die Klägerin angegeben, vormittags fern zu sehen. Sie komme nicht zur Ruhe, es sei zu laut. Nachmittags versuche sie sich abzulenken. Sie sehe, wie es früher gewesen sei. Sie wolle wieder mit Leuten in Kontakt kommen, auf die Enkel aufpassen. Abends sehe sie fern.

Der Allgemein- und Ernährungszustand sei gut gewesen, anamnestisch wiege die Klägerin 52 kg bei 1,68 Meter Körpergröße. Der Blutdruck sei mit 145/80 mmHg leicht erhöht gewesen, der Puls rhythmisch. Am linken Unterschenkel und rechten Fuß seien Kratzspuren erkennbar gewesen.

Der äußere Aspekt des Kopfes sei normal, das Schädeldach und die Kalotte nicht klopfschmerzhaft. Die Hirnnervenaustrittspunkte seien nicht klopfdolent, schmerzten nicht bei Berührung. An der Wirbelsäule bestehe keine wesentliche Skoliose. Die HWS sei frei beweglich, ebenso habe eine gute Beweglichkeit der LWS bestanden. Der Finger-Boden-Abstand (FBA) liege bei 25 cm. Es finde sich kein Wirbelsäulenklopfschmerz, das Zeichen nach Lasèque sei beidseits negativ. Der Muskeltonus sei seitengleich regelrecht. Lähmungen und Atrophien bestünden keine. Zehen- und Fersengang seien problemlos gelungen. Bei Stehen auf einem Bein sei die Hüfte jeweils nicht abgesunken. Die Muskeleigenreflexe seien an den Extremitäten seitengleich und mittellebhaft.

Das Gangbild sei flüssig und nicht neurogen verändert. Der Finger-Nase-Versuch sei beidseits metrisch gelungen, die Versuche nach Romberg und Unterberger seien regelrecht.

Psychisch hätten keine Bewusstseinsstörungen bestanden, die Klägerin sei zu Zeit, Ort, Situation und Person orientiert. Die Auffassung sei regelrecht, Aufforderungen verstanden worden. Eine Konzentrationsstörung zeige sich nicht, die Merkfähigkeit sei uneingeschränkt. Gedächtnisstörungen hätten keine bestanden. Das Interview sei nicht durch formale Denkstörungen erschwert worden, der Gesprächsablauf habe sich zügig, nicht verlangsamt gestaltet. Das Denken sei nicht auf wenige Inhalte eingeengt gewesen, über Grübeln sei berichtet worden, ebenso über Panikattacken.

Das Spektrum der gezeigten Stimmungen sei nicht gemindert, es gehe von Lachen bis Weinen. Allerdings habe sich eine Tendenz zu negativen emotionalen Reaktionen gezeigt. Es bestehe eine mittelgradige Affektlabilität, die Grundstimmung wirke leicht gedrückt. Die Klägerin habe eine normale Gesprächsinitiative dargeboten und Interesse gezeigt. Lebendigkeit und Tatkraft seien anhand des Alltagsberichts schwergradig gemindert, im Kontakt habe sich kein Hinweis auf eine Antriebsminderung gefunden. Eine Antriebssteigerung habe nicht bestanden.

Psychomotorisch sei die Klägerin nicht unruhig, habe gestikuliert und sei auf ihrem Stuhl sitzen geblieben. Die Psychomotorik sei insgesamt nicht gesteigert oder vermindert. Abnorme Gestik, Mimik und Sprache im Sinne von Parakinesen hätten sich nicht gezeigt. Es finde sich kein Morgentief, es gehe ihr abends nicht besser oder schlechter. Über einen sozialen Rückzug sei berichtet worden. Bei berichteten Durchschlafstörungen habe die Klägerin nicht müde gewirkt. Appetit und Sexualität seien als vermindert berichtet worden.

Die Ergebnisse in den Selbstbeurteilungsbögen hätten auf eine schwere Depression hingedeutet, gleichzeitig habe der Strukturierte Fragebogen simulierter Symptome mit 39 Punkten für eine stark ausgeprägte negative Antwortverzerrung gesprochen.

Zusammenfassend ergebe sich aus der Aktenlage, dass die Klägerin nach dem Ereignis 2012 zwei Jahre später in eine neue Beziehung eingegangen sei, erneut geheiratet und eine neue Tätigkeit gefunden habe. Daneben habe sie ihre Mutter gepflegt. Später sei eine Arbeitsunfähigkeit eingetreten. In den Testverfahren habe sich zwar eine normale Testmotivation gezeigt, im Fragebogen simulierter Symptome habe sich mit einem sehr hohen Wert aber ein Hinweis auf eine Simulation von Beschwerden ergeben. Es bestünden Anhaltpunkte für eine aktuell leichtere Depression mit begleitender generalisierter Angst. Eine Essstörung sei zu diskutieren.

Es hätten sich schwerwiegende Probleme mit der Plausibilität ergeben. Eine fortgesetzte PTBS sei allein schon anhand des Krankheitsverlaufs ausgeschlossen. Das Aktivitätsniveau und der Lebenswandel mit Heirat, Pflege der Mutter, Überwindung von Belastungsfaktoren, einem neuen Beruf und Arbeit in Vollzeit in mehreren Schichten schließe eine erhebliche psychische Erkrankung über die Jahre aus.

Aktuell würden Symptome einer PTBS berichtet, nicht aber mit besonderer Affektlabilität. Auffällig sei, dass vieles vage und undeutlich berichtet werde. Bei der Frage nach Aktivitäten habe die Klägerin stark gezögert, es seien bekannte Merkmale einer negativen Verzerrung gewesen. Die Klägerin sei eigeninitiativ auf die Traumatisierung zu sprechen gekommen, was wie viele andere Merkmale nicht plausibel geworden sei. Eine psychische Vorerkrankung sei relativiert worden. Wenn jetzt eine tagesklinische Behandlung und erneute Rehabilitation stattgefunden hätten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese hauptsächlich verfahrensbezogen gesucht worden seien. Der berichtete Alltag sei unbrauchbar gewesen, die Verzerrung schwerwiegend. Ein objektivierbarer Grund, warum sie einen so inaktiven Alltag haben sollte, finde sich als Befund nicht.

In der Summe habe eine wenigstens aktuell nicht mehr plausible Situation bestanden. Es sei wahrscheinlich, dass – so überhaupt noch ereignisreaktive Symptome mit Bezug auf das Jahr 2012 bestünden – diese schwergradig aggraviert oder inzwischen simuliert würden.

Diagnostisch liege nicht mehr als eine leichte Depression vor. Die Stimmung sei leicht gedrückt gewesen, ebenso könne eine leichte Antriebsminderung bei nicht beobachtbar abgesenkten Antrieb diskutiert werden. Es bestehe eine sicher insgesamt leichte Symptomatik, die keine spezialisierte Behandlung erfordere. Die Klägerin berichte über Unruhe, Kopfschmerzen und die Unfähigkeit, sich zu entspannen. Da Kratzspuren festzustellen seien und eine Angsterkrankung vordiagnostiziert sei, sei eine leichtere Symptomatik einer generalisierten Angst nicht unwahrscheinlich. Eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Boderline-Typ sei nicht gänzlich ausgeschlossen. Eine mehr als leichte Persönlichkeitsstörung könne es aber nicht sein, die negative Verzerrung verstelle hier den Blick auf die wahren Verhältnisse.

Aktuell seien die Kriterien einer PTBS nicht mehr sicher erfüllt, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung als Diagnose sei möglich. Die negative Verzerrung behindere aber eine sichere Diagnosestellung. Auch für die Ableitung einer Kopfschmerzdiagnose sei nach gutachterlichen Gesichtspunkten eine hohe Plausibilität notwendig, an der es hier fehle.

Aus der Verfahrensakte S 15 R 2034/22 hat sich ergeben, dass die Klage auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2023 abgewiesen worden ist (Berufung anhängig unter L 11 R 377/23).

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.


Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 16. Oktober 2023, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Neufeststellung des GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 13. Oktober 2022 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 26. Januar 2021 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 26. April 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 SGG). Zur Überzeugung des Senats liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine höhere Neufeststellung des GdB rechtfertigt, nicht vor, was sich durch das beigezogene psychiatrische Sachverständigengutachten aus dem OEG-Verfahren beim SG in aller Deutlichkeit bestätigt hat. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.


Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigstens 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 26. Januar 2021 jedenfalls keine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung eingetreten ist, die eine Neufeststellung des Grades der Behinderung rechtfertigt. Vielmehr sprechen die aktenkundigen Befunde eher für eine Besserung.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.


Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB mit 40 nicht rechtswidrig zu niedrig festgestellt ist.

Die vorwiegenden Funktionseinschränkungen liegen bei der Klägerin im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“, welches der Beklagte bislang anhand der Feststellungen im OEG-Verfahren mit einem GdB (entsprechend dem dortigen GdS) von 30 bewertet hatte. Ein solcher wird indessen schon nicht mehr erreicht, weshalb der Beklagte auch die Beschädigtengrundrente entzogen hat, worüber im beigezogenen Verfahren gestritten wird. Eine Höherbewertung kommt daher erst Recht nicht in Betracht.


Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Krankenversicherung) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Beklagte seiner Bewertung bereits eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu Grunde gelegt. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft erscheint, ob eine solche bei der Klägerin überhaupt (noch) angenommen werden kann, ist jedenfalls keine Befundverschlechterung objektiviert, die eine höhere Bewertung rechtfertigt.

Aus dem Entlassungsbericht der M2 V4 -Klinik, den der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), ergibt sich, dass die Auffassung der Klägerin unbeeinträchtigt sowie die Mnestik und Aufmerksamkeit intakt waren. Die Konzentration ist lediglich subjektiv als beeinträchtigt angegeben worden, was aber nicht objektiviert werden konnte. Die Stimmung wird nur als zeitweise bedrückt und die Schwingungsfähigkeit als reduziert, aber nicht als aufgehoben beschrieben. Ausdrücklich hingewiesen wird darauf, dass die Ergebnisse der Selbstbeurteilungsbögen nicht mit dem klinischen Bild korrelierten, was auf ein nicht authentisches Beschwerdevorbringen hinweist. Passend hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Z1-Klinikum W1 zuvor die Klägerin ebenfalls als wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert beschrieben hat. Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration waren auch dort ungestört und sind nur subjektiv als beeinträchtigt angegeben worden. Ebenso waren die Gedächtnisfunktionen intakt und der Gedankengang geordnet. Die als vermindert beschriebene Stimmung und der Antrieb konnten im Verlauf gebessert werden, was die therapeutische Beeinflussbarkeit der Einschränkungen bereits nach sechswöchiger Intervention unterstreicht.

Einen wesentlich abweichenden Befund hat die B1 in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft nicht beschrieben. Diese hat den Denkablauf ebenfalls als geordnet befundet und inhaltliche Denkstörungen verneint. Affektiv beschreibt sie die Klägerin zu jedem Zeitpunkt als gut beziehbar und benennt neben einer Schmerzstörung nur eine leichte depressive Episode. Aus der daneben beschriebenen Migräne folgt nichts anderes, da diese, anders als die Klägerin meint, nicht in einem gesonderten Funktionssystem zu bewerten ist, sondern ebenfalls im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“. Eine Höherbewertung ergibt sich indessen daraus nicht, nachdem die M2 V4 Klinik R2 eine Migräne diagnostisch schon gar nicht benannt und dementsprechend keine hieraus folgenden Einschränkungen objektiviert hat, die zusätzlich zu berücksichtigen wären. Im Übrigen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass eine entsprechende intensive Behandlung nicht ersichtlich ist.

Soweit die M2 Klinik R2 von einem deutlich ausgeprägteren Beschwerdebild ausgegangen ist und sogar das berufliche Leistungsvermögen als aufgehoben beschrieben hat, überzeugt dies nicht. Zum einen widerspricht dem der psychopathologische Befund – die Klägerin wird als wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert beschrieben – und ist unverändert zu den Vorbefunden, worauf das SG bereits hingewiesen hat. Zum anderen konnten mnestische Störungen ebenso wenig objektiviert werden, wie die subjektiv – erneut – angegebenen Konzentrationsstörung (vgl. bereits oben).

Dass die Angaben kritisch hinterfragt worden wären, wie in der vorherigen Behandlung, lässt sich dem Entlassungsbericht nicht entnehmen. Ebenso wird nicht gewürdigt, dass zwar von einer seit 10 Jahren bestehenden chronifizierten Symptomatik, was bereits gegen eine Verschlechterung spricht, ausgegangen, gleichzeitig aber darauf verwiesen wird, dass es an einer entsprechenden therapeutischen Behandlung fehlt. Dass die Symptomatik aber therapeutisch beeinflussbar ist, hat bereits die Behandlung durch das Z1-W1 gezeigt (vgl. oben).

Dass es schon vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen vermag, wenn eine Zeitrente zur Behandlung empfohlen wird, kann dahinstehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die M2 V4 -Klinik, die sich kritisch mit dem Vorbringen auseinandergesetzt hat (vgl. oben), darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin mit der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nicht einverstanden gewesen ist. Anders als die Klägerin meint, werden durch den letzten Entlassungsbericht gerade keine Einschränkungen objektiviert, die einen Teil-GdB von sogar 50 begründen könnten.

Im Übrigen haben sich die dort erhobenen Befunde durch die Begutachtung des fachkundigen G1, dessen Sachverständigengutachten aus dem Parallelverfahren der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, nicht bestätigt. Dieser hat vielmehr für den Senat überzeugend aufgezeigt, dass ein aggravierendes Beschwerdevorbringen bestanden hat, was sich durch die Selbstbeurteilungsbögen bestätigte. Auf eine diesbezügliche Diskrepanz hatte bereits die M2 V4 -Klinik hingewiesen, eine entsprechende Würdigung findet sich bei der M2 Klinik R2 nicht. Der Rehabilitationsentlassungsbericht ist bei der Begutachtung durch G1 daher berücksichtigt und ausgewertet worden. Ausdrücklich herausgestellt hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang auch, dass die durchgeführten stationären Behandlungen im Zusammenhang mit dem Herabsetzungsverfahren nach dem OEG zu sehen sind, also zum einen die medizinische Notwendigkeit fraglich ist und zum anderen umso mehr Veranlassung bestanden hätte, die Angaben kritisch zu hinterfragen. Eine Höherbewertung des GdB lässt sich auf diesen Bericht schon deshalb nicht stützen.

Zum psychischen Befund hat auch G1 dargelegt, dass bei der Klägerin keine Bewusstseinsstörungen bestanden und sie zu Zeit, Ort, Situation und Person voll orientiert war. Die Auffassung war regelrecht, die Aufforderungen wurden verstanden und eine Konzentrationsstörung hat sich im Gespräch ebenso wenig gezeigt, wie Störungen der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses. Die Grundstimmung sieht er als nur leicht gedrückt, das Spektrum der gezeigten Stimmungen war nicht gemindert und die Gesprächsinitiative normal. Vor diesem Hintergrund überzeugt es, wenn er diagnostisch davon ausgeht, dass nicht mehr als eine leichte Depression vorliegt und von einer leichten Symptomatik im Sinne einer generalisierten Angst ausgegangen werden kann. Passend hierzu verneint er einen Behandlungsbedarf, eine medikamentöse Behandlung findet dementsprechend auch nicht statt.

Soweit die Klägerin über eine vollständig aufgehobene Tagesstruktur berichtet hat, ist von dem Sachverständigen aus fachkundiger Sicht überzeugend herausgearbeitet worden, dass es für dieses Vorbringen an einem tragenden medizinischen Befund fehlt, sodass er schlüssig auf schwerwiegende Probleme mit der Plausibilität verwiesen hat. Dies untermauert er damit, dass die Klägerin bei der Frage nach Aktivitäten stark gezögert hat, was er – ebenfalls aus fachlicher Sicht – als bekannte Merkmale einer negativen Verzerrung wertet. Aus dem Vorbringen der Klägerin erkennbar ist jedenfalls, dass mit dem angegebenen Fernsehen eine Mediennutzung vorhanden und das Interessenspektrum nicht aufgehoben ist.

Soweit ein Tinnitus beschrieben worden ist (vgl. VG, Teil B, Nr. 5.3), entnimmt der Senat dem Befundbericht des D1, dass dieser aufgrund der unauffälligen MRT keine organneurologische Ursache hat, sondern im Rahmen der psychischen Erkrankung zu sehen, also nicht gesondert, wie die Klägerin meint, insbesondere nicht im Funktionssystem „Ohren“, zu bewerten ist. Eine vertebragene Genese des Tinnitus ist durch den P1 unter Bezugnahme auf die MRT der HWS ebenfalls ausgeschlossen worden.

Eine Verschlechterung ist damit ebenso wenig belegt wie ein Befund, der mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist, den der Beklagte im maßgebender Vergleichsbescheid zu Grunde gelegt hat und dessen Erhöhung sich damit nicht rechtfertigt.


Ebenso ist im Funktionssystem „Rumpf“ keine wesentliche Änderung eingetreten, die eine höhere Bewertung des Teil-GdB rechtfertigt. Vielmehr ist dieser mit 20 bereits maximal bewertet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Hiervon ausgehend sind mehr als mittelgradige Funktionseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt nicht objektiviert. Bereits den Vorbefunden, die dem maßgebenden Vergleichsbescheid zu Grunde liegen, ist zu entnehmen, dass sich an der HWS kein Prolaps und nur breitbasige Protusionen an C6 links zeigten (vgl. die Ausführungen des D2). Die S1-Klinik hat in ihrem Entlassungsbericht ausdrücklich vermerkt, dass sich in der MRT der LWS kein Korrelat für die geklagten Beschwerden ergeben hat und ein neurologisch unauffälliger Befund bestand, das Beschwerdevorbringen mithin nicht plausibel gewesen ist. Korrespondierend hierzu ergibt sich aus dem Entlassungsbericht des Z1-Klinikums W1, dass sich ein regelrechter Arm- und Beinhalteversuch zeigte, keine manifesten Paresen bestanden und Stand- und Gang inklusive erschwerter Gangproben sicher waren.

Eine Verschlechterung ist jedenfalls nicht belegt. Soweit der P1 in seiner sachverständigen Zeugenauskunft über die Behandlung von HWS-Beschwerden berichtet hat, sind von ihm keine entsprechenden Angaben zu Funktionseinschränkungen gemacht worden. Dem Entlassungsbericht der V1-Klinik entnimmt der Senat indessen bereits bei Aufnahme eine Beweglichkeit der HWS für Inklination/Reklination von 30-0-50° (Norm: 50 bis 70°-0-40 bis 50°), Seitneigung rechts/links von 40-0-40° (Norm: 30 bis 40°-0-30 bis 40°) und Rotation von 70-0-70° (Norm: 60 bis 80°-0-60 bis 80°), was somit überwiegend Normalwerten entspricht und keine GdB-relevante Einschränkung begründet. Passend hierzu hat G1 die Beweglichkeit der HWS als frei befundet. Nichts anderes ergibt sich aus dem zuletzt vorgelegten Bericht über die MRT der HWS. Abgesehen davon, dass es nach den Vorgaben der VG für die Bewertung des GdB ausdrücklich nicht auf den radiologischen Befund ankommt, ergeben sich aus dem Befundbericht nur die bekannten Protusionen an den Bandscheiben der HWS, eine Spinalkanalstenose wird weiterhin ausgeschlossen.

Soweit bei der Aufnahme die Beweglichkeit der BWS/LWS für die Seitneigung und Rotation auf 20-0-20° limitiert angegeben worden ist, ergibt sich aus dem Entlassungsbericht weiter, dass es unter konservativer Therapie zu einem Rückgang der Beschwerden und einer Verbesserung der Mobilität gekommen ist, also eine erfolgreiche Behandlung stattgefunden hat. Dies wird durch die Untersuchung des G1 bestätigt, der die Beweglichkeit der LWS als gut beschrieben und den FBA mit 25 cm angegeben hat. Einen Wirbelsäulenklopfschmerz hat er verneint, den Muskeltonus als regelrecht befundet und keine Lähmungen oder Atrophien gesehen. Der Zehen- und Fersengang waren problemlos möglich, das Gangbild flüssig und neurogen nicht verändert, sodass auch keine Zeichen einer neurogenen Störung objektiviert sind. Korrespondierend hierzu ist eine Operationsindikation mehrfach verneint worden.

Weitere Funktionseinschränkungen, die in anderen Funktionssystemen zu bewerten wären, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Nachdem somit weder der Teil-GdB von 30 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ noch derjenige von 20 im Funktionssystem „Rumpf“ den derzeit objektivierbaren Funktionseinschränkungen entsprechen, ist der GdB mit 40 nicht rechtswidrig zu niedrig festgestellt und eine Erhöhung kann nicht beansprucht werden.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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