L 7 AS 1060/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 27 AS 1900/19
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1060/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Verwaltungsakt über die Ablehnung von Zuschüssen zum Arbeitsentgelt für die beabsichtigte Beschäftigung eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erledigt sich mit dessen Tod, auch wenn er sich an einen Arbeitgeber richtet.


I.    Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2020 wird zurückgewiesen.

II.    Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d

Im Streit sind Zuschüsse zum Arbeitsentgelt.

Der 1982 geborene Z.... war alleiniger Geschäftsführer der Z.... gemeinnützige Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt, nachfolgend: gUG), später geändert in X.... gUG (Ersteintrag im Handelsregister am 14.01.2010, Eintragung der vorgenannten Änderungen am 26.02.2016; vgl. Amtsgericht Dresden - AG -, Handelsregister B - HRB …., am 16.08.2022 abgerufener Auszug). Weiterhin ist er alleiniger Geschäftsführer der A.... (Ersteintrag im Handelsregister am 01.05.2012; vgl. AG, Handelsregister B - HRB …., am 16.08.2022 abgerufener Auszug). Am 12.09.2019 erfolgten im Handelsregister die Eintragungen zur Verschmelzung der X.... gUG mit der A.....

Nach Angaben von Z.... war der 1962 geborene, während des Berufungsverfahrens 2023 verstorbene (Sterbeurkunde v. ….), W.... sein Vater (nachfolgend: Vater).

Die X.... gUG beantragte beim Beklagten für die - zunächst ab dem 01.04.2019, später ab dem 01.01.2020 (vgl. - auch zum Folgenden - "Arbeits- und Anstellungsvertrag", jeweils nicht unterzeichnet) - beabsichtigte Beschäftigung des Vaters als "Spiritual und Innovationsmanager" mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer monatlichen Bruttovergütung von 4.160,- € / 4.300,- € Zuschüsse zum Arbeitsentgelt (unter dem 12.03.2019 unterzeichnetes Antragsformular, "Antrag auf Teilhabe am Arbeitsmarkt … gemäß § 16i Sozialgesetzbuch II", nebst Anlagen).

Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid v. 25.04.2019) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch (Schreiben v. 07.05.2019) zurück (Widerspruchsbescheid v. 18.06.2019, W/….). Die Stellenbeschreibung richte sich nicht an eine arbeitsmarktferne Person. Jedenfalls sei der Vater zu der arbeitsvertraglich bestimmten Arbeit körperlich nicht in der Lage.

Dagegen hat die X.... gUG am 24.06.2019 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben (Schreiben v. 22.06.2019). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid v. 09.11.2020). Die Zuweisung des Vaters sei Voraussetzung für die Zuschussgewährung. Eine Entscheidung hierzu sei bislang weder beantragt und ergangen noch abzuwarten.

Gegen den - ihr am 02.12.2020 zugestellten - Gerichtsbescheid hat "Z...., in der Sache der X.... gUG" am 10.10.2020 beim SG "vorsorglich" Berufung eingelegt (Schreiben v. 07.12.2020). Die Zuweisung seines Vaters bedürfe eines vorherigen Förderantrags. Dies sei Praxis. Die Sache habe Erfolg, wenn der Förderantrag oder die Zuweisung bewilligt werde. Jedenfalls sei der Beklagte zur Bescheidung verpflichtet. Die A.... sei als Rechtsnachfolgerin der X.... gUG aufzunehmen.

Die - im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene - Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 09.11.2020 sowie den Bescheid vom 25.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.06.2019 (W/….) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Beschäftigung von W.... die am 12.03.2019 beantragten Zuschüsse zu bewilligen, hilfsweise über den Antrag erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Weiterhin sei zweifelhaft, ob es sich bei der Klägerin um einen Arbeitgeber handele. Durch den Tod des Vaters sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfallen.

Ein Antrag des Vaters beim Beklagten auf Zuweisung zur Klägerin blieb erfolglos (Bescheid v. 24.11.2020; Widerspruchsbescheid v. 17.02.2021, W/….; SG, Gerichtsbescheid v. 20.06.2020 - S 27 AS 404/21).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Einzelrichter erklärt (Schreiben v. 12.01.2021 und 25.02.2021).

Für die Mutter von Z.... (nachfolgend: Mutter) ist zu Zuschüssen zum Arbeitsentgelt für eine beabsichtigte Beschäftigung bei der Klägerin als "Geschäftsführerin" mit einer monatlichen Bruttovergütung von 12.480,- € bzw. 10.565,- € ein gesondertes Berufungsverfahren beim Senat anhängig (vgl. Senatsentscheidung v. heutigen Tag - L 7 AS 1059/20).

Dem Senat lagen neben den Gerichtsakten zu beiden Rechtsstreitigkeiten die vom Beklagten hierzu vorgelegten Verwaltungsakten vor.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 09.11.2020 ist unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Darüber konnte der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten als Einzelrichter (§ 153 Abs. 3 f. SGG) in Abwesenheit der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da sie ordnungsgemäß zum Termin geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung im Falle ihres Ausbleibens hingewiesen (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG) wurden.

Als Klägerin beteiligt (§ 69 Nr. 1 SGG) und fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (§ 70 Nr. 1 SGG), ist die A.... (zur Zulässigkeit der Bezeichnung gUG und deren Eintragung ins Handelsregister vgl. z.B. BGH v. 28.04.2020 - II ZB 13/19 - Rn. 10 ff.), da die X.... gUG als ursprüngliche Klägerin nach den Eintragungen im Handelsregister vom 12.09.2019 mit ihr verschmolzen ist und dadurch bereits im Klageverfahren kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel erfolgte (zur Beteiligtenfähigkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung und zum Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes im Verfahren vgl. z.B. BSG v. 22.02.2024 - B 3 KR 12/22 R - insb. Rn. 10, 13). Von der Beiladung (§ 75 Abs. 1 SGG) des Vaters wurde Abstand genommen, zumal er während des Berufungsverfahrens verstorben ist.

Gegenstand des Verfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung der Bescheid vom 25.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.06.2019 (W/2019/0055), mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 12.03.2019 auf Bewilligung von Zuschüssen nach § 16i SGB II (i.d.F. des Gesetzes v. 17.12.2018, BGBl. I S. 2583) für die beabsichtigte Beschäftigung des Vaters abgelehnt hat. Die Klägerin begehrte (§ 123 SGG) zumindest bis zum Tod des Vaters (zu dessen Auswirkungen vgl. sogleich) unter Aufhebung des gegenständlichen Bescheids die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung der beantragten Leistungen, hilfsweise zur erneuten Entscheidung über ihren Antrag.

Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), da sie keiner Zulassung bedurfte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

Die Berufung ist unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrten Leistungen ist § 16i Abs. 1 SGB II. Danach können Arbeitgeber für die Beschäftigung von zugewiesenen (zur Zuweisung vgl. grds. § 16i Abs. 3 SGB II) erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (zur Legaldefinition vgl.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) Zuschüsse zum Arbeitsentgelt erhalten, wenn sie mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis begründen.

Als leistungsberechtigte Person in diesem Sinne kommt in Bezug auf den gegenständlichen Bescheid allein der Vater in Betracht, mit dem die Klägerin nach eigenem Vorbringen bis zu dessen - allein vom Beklagten mitgeteilten (Schreiben v. 25.04.2024) - Tod kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis begründet hat und dessen Beschäftigung bei der Klägerin nun nicht mehr möglich ist. Daher hat sich mit dem Tod des Vaters der gegenständliche Bescheid auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II; allgemein zur Erledigung eines Verwaltungsakts vgl. z.B. BSG v. 14.12.2021 - B 14 AS 77/20 R - Rn. 13; zur Erledigung durch Tod zumindest bei höchstpersönlichen Leistungen und Verpflichtungen vgl. z.B. Pattar in: jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 39 Rn. 48; Roos/Blüggel in: Schütze, SGB X, 9. Aufl., § 39 Rn. 14; siehe weiterhin und differenzierter hierzu z.B. Sandbiller in: BeckOGK, SGB X, § 39 Rn. 33, Stand: 15.08.2023; vgl. indes z.B. BSG v. 06.06.2023 - B 4 AS 131/22 B und B 4 AS 132/22 B - Rn. 19 bzw. 18, wonach sich Anträge auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und hierzu ergangene Verwaltungsakte jedenfalls nicht ohne Weiteres durch erneut gestellte, gleichgerichtete Anträge erledigen), auch wenn nur die Klägerin als Arbeitgeberin die streitigen Leistungen geltend machen kann (vgl. hierzu nur Harks in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 16i Rn. 20).

Damit kann die Klägerin statt der zunächst allein statthaften Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) nur noch die Feststellung begehren, dass der gegenständliche Bescheid rechtswidrig ist, wenn sie daran ein berechtigtes Interesse hat (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Tatsachen für ein derartiges Interesse (vgl. hierzu z.B. BSG v. 16.02.2022 - B 8 SO 3/20 R - Rn. 17) sind hier weder ansatzweise vorgetragen noch erkennbar, zumal die Klägerin für die Mutter einen vergleichbaren Rechtsstreit führt.

Somit kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte meint - mit dem Tod des Vaters das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage (zu dieser in jeder Lage des Verfahrens zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzung vgl. z.B. BSG v. 12.12.2023 - B 8 SO 7/22 R - Rn. 13) entfallen ist.

Ungeachtet des Vorstehenden ist der gegenständliche Bescheid nicht rechtswidrig, worauf beiläufig hingewiesen wird. Denn eine Voraussetzung für die von der Klägerin (zunächst) begehrten Zuschüsse ist die Zuweisung des Vaters durch den Beklagten (vgl. allgemein hierzu nur Sächs. LSG v. 17.08.2023 - L 3 AS 458/22 - juris Rn. 57 m.w.N.). Diese Zuweisung hat der Beklagte in der Sache bindend (§ 77 SGG) abgelehnt (Bescheid v. 24.11.2020; Widerspruchsbescheid v. 17.02.2021, W/….), da das dagegen eingelegte Rechtsmittel erfolglos blieb (SG, Gerichtsbescheid v. 20.06.2022 - S 27 AS 404/21).

Eine Förderung der beabsichtigten Beschäftigung des Vaters nach anderen Rechtsgrundlagen (vgl. insb. § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. §§ 88 ff. SGB III, jeweils i.d.F. des Gesetzes v. 20.12.2011, BGBl. I S. 2854; § 16e SGB II i.d.F. des Gesetzes v. 17.12.2018, BGBl. I S. 2583, § 16f SGB II i.d.F. des Gesetzes v. 20.12.2011, BGBl. I S. 2854) hat die Klägerin beim Beklagten nicht begehrt und der Beklagte darüber jedenfalls nicht entschieden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (zur Kostenentscheidung bei einem erfolglosen Rechtsmittel nur für den jeweiligen Rechtszug trotz des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung vgl. z.B. Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl.,
§ 193 Rn. 2a), da das Verfahren (auch) für die Klägerin (gerichts-) kostenfrei ist (§ 183 Satz 1, 3 SGG; vgl. hierzu z.B. Harks, a.a.O., § 16i Rn. 20).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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