L 3 AS 1279/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 2061/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1279/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Für die Frage nach einer Aufenthaltsverfestigung knüpft das Bundessozialgericht für die Ermessensreduktion nach Ablauf von sechs Monaten nicht an eine tatsächliche Aufenthaltsverfestigung an, sondern an der Regelung des Leistungsausschlusses des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII a. F., die wiederum auf die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 1a FreizügG/EU für die Dauer von grundsätzlich sechs Monaten verweist.
2.a) Eine Wohnungserstausstattung ist grundsätzlich zu gewähren, wenn der Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Eine Erstausstattung kann aber auch bei einem erneuten Bedarf nach einer Erstbeschaffung von Einrichtungsgegenständen vor oder während des SGB II-Bezugs in Betracht kommen.
b) Bei anderen Sachverhalten als einer "Erstausstattung" für die Wohnung ist zu fragen, ob diese wertungsmäßig mit einer Erstausstattung gleichzusetzen sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine atypische Bedarfslage vorliegt, die wertungsmäßig mit einer Erstausstattung vergleichbar ist, sodass es gerade wegen ihrer Atypik gerechtfertigt ist, dass Leistungen gesondert neben dem Regelbedarf gewährt werden.
3. Ein "außergewöhnlicher Umstand", der die Gewährung einmaliger Bedarfe rechtfertigt, setzt voraus, dass eine spezielle Bedarfslage gegeben ist, die erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweicht und für den Hilfebedürftigen im Vergleich zu anderen Hilfebedürftigen ein Sonderopfer darstellt.
4. Der Entschluss, eine eingerichtete Wohnung aufzugeben, um sich zur Arbeitssuche und Arbeitsaufnahme nach Deutschland zu begeben, stellt kein außergewöhnliches Ereignis dar.

 

I.    Auf die Berufungen der Beigeladenen und der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. September 2019 die Ziffer I betreffend wie folgt geändert:
Die Beigeladene wird verpflichtet, über die Ansprüche der Klägerin zu 1 vom 16. August 2014 bis zum 15. November 2014 und des Klägers zu 2 vom 5. Oktober 2014 bis zum 15. November 2014 auf Leistungen nach dem SGB XII unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

II.    Die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren hat die Beigeladene zur Hälfte zu erstatten; im Übrigen tragen die Kläger ihre Kosten selber. Für das Klageverfahren verbleibt es bei der Kostengrundentscheidung in Ziffer II des Urteils des Sozialgerichts vom 30. September 2019.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob und für welchen Zeitraum die Beigeladene den Klägern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) zu erbringen hat.

Die 1974 geborene Klägerin zu 1 ist rumänische Staatsbürgerin. Sie lebte mit ihrem Mann und ihrem Sohn, dem 1997 geborenen Kläger zu 2, zuletzt in Moldawien, wo sie bis zum 1. Mai 2014 als Krankenschwester arbeitete. Der Kläger zu 2 besitzt die rumänische und die moldauische Staatsangehörigkeit.

Am 15. Mai 2014 reiste die Klägerin zu 1 zur Arbeitssuche nach Deutschland ein und wohnte zunächst bei Bekannten. Auf eine schriftliche Bewerbung der Klägerin antwortete die X.... Klinik W.... (im Folgenden: X.... Klinik) mit E-Mail vom 10. Juli 2014, dass sie den Berufsabschluss der Klägerin nicht einschätzen, sie aber gleichwohl im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs kennenlernen wolle. Mit E-Mail vom 5. August 2014 erklärte die Klinik auf Nachfrage, dass Voraussetzung für eine Einstellung das B2-Sprachzertifikat sei; die Ableistung eines Praktikums und die Unterstützung aufbauender Sprachkurse sei bereits mit dem Sprachniveau B1 möglich. Man werde sich im Januar 2015 wieder bei der Klägerin zu 1 melden. Die Klägerin zu 1 absolvierte vom 4. Juli 2014 bis zum 23. Dezember 2014 einen Sprach- und Integrationskurs und vom 5. Januar 2015 bis zum 24. Januar 2015 einen Orientierungskurs.

Am 3. Juli 2014 stellte die Klägerin zu 1 bei dem Beklagten einen Erstantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II), wobei sie angab, derzeit kostenfrei zu wohnen und weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2014, der Klägerin zu 1 zugegangen am 4. August 2014, lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab. Die Klägerin zu 1 sei von Leistungen ausgeschlossen, da sie sich in Deutschland nur zur Arbeitssuche aufhalte.

Hiergegen erhob die Klägerin zu 1 am 19. August 2014 Widerspruch mit der Begründung, dass die gesetzliche Regelung Europarecht widerspreche.

Auf den parallel gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtschutz verpflichtete das Sozialgericht Dresden den Beklagten mit Beschluss vom 28. August 2014, der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 19. August 2014 bis zum 30. Dezember 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren (Az. S 49 AS 5046/14 ER). Mit Bescheid vom 15. September 2014 gewährte der Beklagte in Umsetzung dieses Beschlusses der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 19. August 2014 bis zum 31. Dezember 2014 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 391,00 EUR.

Am 4. September 2014 teilte die Klägerin zu 1 mit, dass sie aus der derzeitigen Unterkunft spätestens am 30. Oktober 2014 ausziehen müsse, sie deswegen beabsichtige, eine 50,57 m² große Zweizimmerwohnung mit einer Bruttokaltmiete in Höhe von 352,00 EUR und kalten Betriebskosten in Höhe von 60,00 EUR anzumieten sowie diese mit dem Kläger zu 2 zu beziehen. Am 5. Oktober 2014 reiste der Kläger zu 2 nach Deutschland ein und begann am 13. Oktober 2014 einen Vorbereitungskurs mit berufspraktischen Aspekten in einem Berufsschulzentrum. Mit Veränderungsmitteilung vom 6. Oktober 2014 (bei dem Beklagten eingegangen am 7. Oktober 2014) teilte die Klägerin zu 1 den Einzug des Klägers zu 2 mit und übersandte gleichzeitig eine ausgefüllte Anlage WEP (Anlage für eine weitere Person ab 15 Jahren in der Bedarfsgemeinschaft).

Mit Bescheinigung vom 21. Oktober 2014 bestätigte der Beklagte, dass die Aufwendungen für die Zweizimmerwohnung für einen Zweipersonenhaushalt im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II angemessen seien. Mit Bescheid vom gleichen Tag erteilte er die Zusicherung für die darlehensweise Übernahme der Kaution.

Am 23. Oktober 2014 stellte die Klägerin zu 1 einen Antrag auf Erstausstattung für die Wohnung. Sie habe bis jetzt in einem möblierten Zimmer gewohnt und verfüge deswegen über keine Möbel. Die Kosten für einen Umzug aus ihrer Heimat seien sehr hoch. So koste der Umzug von Rumänien nach Deutschland ca. 10.000,00 EUR, was sie nicht bezahlen könne.

Zum 1. November 2014 bezogen die Kläger die neue Wohnung.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. November 2014 die Anträge auf Leistungen nach dem SGB II für den Kläger zu 2 sowie für beide auf Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse, Leistungen für Kosten der Unterkunft und Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung ab. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf diese Leistungen, weil sie ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche hätten. Hiergegen legten die Kläger am 25. November 2014 Widerspruch ein.

Auf einen erneuten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz verpflichtete das Sozialgericht den Beklagten mit Beschluss vom 8. Dezember 2014, der Klägerin zu 1 vorläufig vom 20. November 2014 bis zum 31. Dezember 2014 über die bereits vorläufig gewährten Regelleistungen hinaus auch Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 20. November 2014 bis zum 31. Dezember 2014 zu zahlen (Az.: S 6 AS 6838/14 ER). Den Antrag des Klägers zu 2 auf Leistungen nach dem SGB II lehnte das Sozialgericht ab, da dieser als Familienmitglied in den ersten drei Monaten seines Aufenthaltes von Leistungen ausgeschlossen sei. Den Beschluss setzte der Beklagte mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 29. Dezember 2014 um.

Am 9. Dezember 2014 schloss die Klägerin zu 1 mit der Arbeiterwohlfahrt (V....) eine Praktikantenvereinbarung, wonach sie wöchentlich zehn Stunden ohne Entgelt und ohne Aufwandentschädigung im Pflegebereich zur beruflichen Neuorientierung arbeiten werde. Am 19. Dezember 2014 legte die Klägerin dem Beklagten eine Bescheinigung vor, dass sie voraussichtlich ab Januar 2015 als Aushilfe bei der V.... tätig werden könne.

Am 17. Dezember 2014 zog auch der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater des Klägers zu 2 zu den Klägern nach Deutschland.

Ab dem 19. Dezember 2014 arbeitete die Klägerin zu 1 bei der V.... tageweise als Aushilfe, im Dezember 2014 insgesamt 22 Stunden verteilt auf fünf Tage zu einem Bruttolohn von 235,84 EUR. Im Januar 2015 arbeitete sie an fünf Tagen insgesamt ca. 64 Stunden bei der V...., im Februar ca. 50 Stunden. Ab dem 1. März 2015 war sie im Rahmen eines 20-Stunden-Teilzeitarbeitsvertrag bei der V.... beschäftigt.

Am 2. März 2015 teilte die Klägerin zu 1 dem Beklagten den Zuzug des Ehemannes mit, am 17. März 2015 mit dem Folgeantrag auch die Aufnahme ihrer Arbeitstätigkeit.

Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2015 den Widerspruch vom 24. November 2014 gegen den Bescheid vom 5. November 2014 und mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2014 den Widerspruch vom 18. August 2014 gegen den Bescheid vom 11. Juli 2014 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin zu 1 vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sei, da sich ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Der Kläger zu 2 halte sich nachweislich erst seit dem 5. Oktober 2014 in der Bundesrepublik Deutschland auf, sodass für ihn ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II während der ersten drei Monate nach der Einreise vorliege.

Die Kläger haben am 16. April 2015 Klage gegen den Bescheid vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2015 (Az.: S 3 AS 2028/15) und am 17. April 2015 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2015 (Az.: S 3 AS 1279/15) erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union verstoße. Unabhängig hiervon seien sie von dieser Regelung nicht erfasst, da die Klägerin zu 1 eingereist sei, um eine konkrete Beschäftigung in der X.... Klinik aufzunehmen. Die Klinik habe auf die Erforderlichkeit eines Sprachkurses hingewiesen, den die Klägerin zu 1 erfolgreich mit der Prüfung B1 im Januar 2015 und B2 im März 2015 absolviert habe. Die Verbindung zum Arbeitsmarkt sei damit schon im Juli 2015 vorhanden gewesen, auch weil die X.... Klinik zugesichert habe, sie, die Klägerin zu 1, bei Erreichen des Sprachniveaus einzustellen. Sodann habe die V.... schon wenige Tage nach Praktikumsbeginn Anfang Dezember 2014 signalisiert, dass sie nicht nur als unentgeltliche Praktikantin, sondern auch gegen Bezahlung zunächst als Aushilfe arbeiten könne. Der Kläger zu 2 und der Ehemann der Klägerin zu 1 seien nachgezogen, weil die Familie sehr eng verbunden sei und eine weitere Trennung nicht erträglich erschienen sei. Die Klägerin zu 1 sei die Hauptverdienerin der Familie, weil ihr Ehemann schon lange sehr krank sei und auch in Moldawien nur gelegentlich habe arbeiten können. Auch für den Kläger zu 2 seien die Möglichkeiten in Deutschland einfach viel besser gewesen. Die vom Bundessozialgericht als Voraussetzung für Härtefallleistungen nach dem SGB XII geforderte Verfestigung des Aufenthaltes sei früher als nach sechs Monaten eingetreten. Sie, die Kläger, verfügten über keinerlei Vermögen. Die Freunde, bei denen sie übergangsweise unentgeltlich gewohnt hätten, hätten keine Leistungen für den laufenden Lebensunterhalt erbracht. Ein Anspruch auf Erstausstattung müsse bestehen, da nicht erkennbar sei, wie sie das Problem hätten anders lösen sollen. Die Wohnung sei nur mit einer Matratze und einer Luftmatratze ausgestattet gewesen. Darüber hinaus sei ihnen von dem befreundeten Ehepaar vorübergehend ein Regal, ein Tisch und zwei Stühle leihweise zur Verfügung gestellt worden.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 1. Juli 2019 die Landeshauptstadt Dresden als örtlichen Träger der Leistungen nach dem SGB XII beigeladen und mit Beschluss vom 19. August 2019 die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

In der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2019 haben die Kläger vor dem Sozialgericht erklärt, dass sie in Moldawien zur Miete gewohnt und nicht viele Gegenstände gehabt hätten. Sie hätten sowieso nicht alles nach Deutschland umziehen können, weil das zu teuer gewesen wäre. Sie seien jeweils mit dem Bus eingereist, bei dem für zusätzliches Gepäck 2,00 EUR oder 3,00 EUR pro Kilogramm angefallen wäre. Sie hätten die Haushaltsgegenstände über eBay Kleinanzeigen und bei dem sozialen Möbeldienst eingekauft. Belege seien nicht vorhanden. Damals hätten sie noch teilweise Belege gehabt. Sie hätten nicht gedacht, dass sie die Belege nach fünf Jahren noch brauchen würden. Die Kläger haben eine Liste der Möbel und Gegenstände vorgelegt, die sie als Erstausstattung geltend machen. Auf den Inhalt der Liste wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat erwidert, dass eine Verbindung zum Arbeitsmarkt vor dem 19. Dezember 2014 jedenfalls nicht gegeben gewesen sei. Insbesondere genüge hierfür nicht die Mitteilung der X.... Klinik, dass die Klägerin zu 1 nach Absolvieren des Sprachkurses eingestellt werde. Eine Tätigkeit von weniger als zehn Stunden wöchentlich sei sehr untergeordnet und genüge nicht für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft, zumal nicht nach Tarif bezahlt worden sei und keine Urlaubsansprüche festgeschrieben oder Ähnliches geregelt gewesen sei. Ein Anspruch auf Erstausstattung bestehe schon deshalb nicht, weil die Kläger in Moldawien einen vollständigen Hausstand besessen hätten, so dass kein Fall der Erstausstattung vorliege.

Die Beigeladene hat die Zweifel der Kläger an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geteilt. Sie gehe aber davon aus, dass jedenfalls bis zum 31. Oktober 2014 kein ungedeckter Bedarf bestanden habe, da die Klägerin zu 1 unentgeltlich gewohnt habe und wohl auch für den Lebensunterhalt durch ihre Freunde unterstützt worden sei.

In der genannten mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ein von den Klägern angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und den Bescheid vom 4. August 2014 sowie den Ablehnungsbescheid vom 5. November 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. März 2015 und 16. März 2015 dahin abgeändert, dass den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 19. Dezember bis zum 31. Dezember 2014 unter Anrechnung der in der Zeit vom 19. Dezember bis zum 31. Dezember 2014 bereits gezahlten Leistungen gewährt werden.

Die Kläger haben ihr weiteres Klagebegehren in Bezug auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Klägerin zu 1 für den Zeitraum vom 15. August 2014 bis zum 18. Dezember 2014 und für den Kläger zu 2 für den Zeitraum vom 5. Oktober 2014 bis zum 18. Dezember 2014 einschließlich Leistungen der Erstausstattung in Höhe von 970,99 EUR aufrechterhalten. Hilfsweise haben sie beantragt, die Beigeladene zu verurteilen, ihnen für die genannten Zeiträume Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII sowie Leistungen der Erstausstattung zu gewähren.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. September 2019 die Beigeladene verurteilt, der Klägerin zu 1 vom 1. Oktober 2014 bis zum 18. Dezember 2014 und dem Kläger zu 2 vom 5. Oktober 2014 bis zum 18. Dezember 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe ohne Leistungen für Erstausstattung zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kläger seien gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bis einschließlich 18. Dezember 2014 von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sie sich nur zur Arbeitssuche, beziehungsweise als Familienmitglieder Arbeitsuchender in Deutschland aufgehalten hätten. Das Gericht habe keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung und schließe sich hierbei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nach eigener Prüfung an (Verweis auf BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R – und BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –). Danach stünden dem Leistungsausschluss weder Verfassungsrecht noch EU-Recht entgegen und die Härtefallregelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII komme stattdessen zur Anwendung. Hier sei das Ermessen des Sozialhilfeträgers im Regelfall bei einem verfestigten Aufenthalt nach mindestens sechs Monaten auf Null reduziert. Die Klägerin zu 1 habe sich zunächst nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten. Eine ausreichende Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt sei erst gegeben gewesen, als sie tatsächlich zum 19. Dezember 2014 gegen entsprechende Entlohnung in ausreichendem Umfang eine Tätigkeit aufgenommen habe. Zuvor sei gänzlich offen gewesen, ab wann die Klägerin zu 1 konkret durch die V.... beschäftigt werden würde. Noch am 17. Dezember 2014 habe die V.... bescheinigt, dass eine Beschäftigung als Aushilfe „voraussichtlich“ ab Januar 2015 möglich wäre. Die schriftliche Mitteilung der X.... Klinik stelle keine ausreichende Verbindung zum Arbeitsmarkt dar, da sie eine Einstellung lediglich in Aussicht stelle und zwar unter der Bedingung des Erreichens des Sprachniveaus B2. Es habe sich nicht um eine konkrete Zusage gehandelt, da der Eintritt der Bedingung gänzlich offen gewesen sei. Auch die Aufnahme einer unbezahlten Praktikumsstelle hätte bei der X.... Klinik ebenso wenig als Verbindung zum Arbeitsmarkt genügt, wie dies bei der V.... der Fall gewesen sei. Auch habe die Klägerin zu 1 sich trotz Einladung nicht persönlich bei der X.... Klinik vorgestellt, diese eventuelle Verbindung zum Arbeitsmarkt also nicht genutzt und selbst mitgeteilt, dass sie die V.... vorgezogen habe. Der Leistungsanspruch des Klägers zu 2 nach dem SGB II leite sich gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und 3 Nr. 4 SGB II von dem seiner Mutter ab, da er Teil ihrer Bedarfsgemeinschaft sei. Solange die Klägerin zu 1 von Leistungen ausgeschlossen sei, schlage der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) auf den Kläger zu 2 als Familienangehörigen durch. Dagegen treffe den minderjährigen Kläger zu 2 der Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthaltes gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht, da sich sein Anspruch von seiner Mutter, der Klägerin zu 1, ableite, die sich bereits länger als drei Monate in Deutschland aufgehalten habe. Da im Zeitpunkt der Antragstellung von Leistungen zur Erstausstattung kein Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten bestanden habe, bestehe schon kein Anspruch auf Erstausstattung gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, da dies gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Leistungsberechtigung voraussetze. Die Klage sei bezogen auf den Hilfsantrag teilweise begründet. Die Kläger hätten Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, wonach Sozialhilfe auch geleistet werden könne, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt sei. Das Ermessen des Beigeladenen sei auf Null reduziert, wenn sich der Aufenthalt der Kläger ausreichend verfestigt habe. Dies sei nach Auffassung des Bundessozialgerichts regelmäßig nach ca. sechs Monaten der Fall (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –). Vorliegend sei eine ausreichende Verfestigung des Aufenthaltes und damit Reduzierung des Ermessens der Beigeladenen auf Null schon etwas früher als nach Ablauf von sechs Monaten gegeben, nämlich in dem Augenblick, in dem die Klägerin zu 1 ihren minderjährigen Sohn, den Kläger zu 2 habe nachziehen lassen und dieser sich ebenfalls unmittelbar in Maßnahmen zur Integration begeben habe. Hiermit werde unmissverständlich dokumentiert, dass die Familie entschlossen gewesen sei, in Deutschland zu bleiben, sich hier zu integrieren und nicht nur vorübergehend aufzuhalten. Der Kläger zu 2 sei am 5. Oktober 2014 eingereist und habe bereits am 13. Oktober 2014 eine Bildungsmaßnahme begonnen. Diesen Umzug des Sohnes und den unmittelbaren Einstieg habe die Klägerin zu 1 beziehungsweise die Familie rechtzeitig vorbereitet, so dass hier zumindest von einem Anspruch ab Monatsbeginn auszugehen sei. Auch habe die Klägerin ausgeführt, dass der Kläger zu 2 zu dem Zeitpunkt nachgezogen sei, als sie davon ausgegangen sei, sich in Deutschland insbesondere hinsichtlich der Sprache und damit dann beruflich integrieren zu können. Der Kläger zu 2 habe damit einen von seiner Mutter abgeleiteten Anspruch ab Beginn seines Aufenthaltes am 5. Oktober 2014. Die Kläger hätten gegen die Beigeladene als gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zuständigen Leistungsträger keinen Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung. Erstausstattung bedeute die erstmalige Anschaffung von Haushaltsgegenständen, entweder weil vorher noch keine besessen worden seien (etwa im Fall des Auszuges eines Kindes aus der elterlichen Wohnung, der Trennung einer Haushaltsgemeinschaft, Wohnungsbezug nach Obdachlosigkeit oder ähnliches) oder weil ein einmal vorhandener Haushalt untergegangen sei (z. B. bei Wohnungsbrand, Entlassung aus länger währender Haft ggf. mit Verlust der Wohnung, Zuzug als Flüchtling). Vorliegend sei kein vergleichbarer Fall gegeben. Die Kläger seien geplant und gezielt nach Deutschland umgezogen und hätten vorab in ihrem Heimatland über einen vollständigen Hausstand verfügt. Dass der Umzug mit vermuteten 10.000,00 EUR für sie nicht finanzierbar gewesen sei, habe die Klägerin zu 1 lediglich behauptet. Selbst als wahr unterstellt, sei dies nicht mit der Situation, in der das Umzugsgut im Laufe des Umzugs untergehe, zu vergleichen. Die zwischenzeitliche Behauptung der Kläger, dass sie überwiegend möbliert gewohnt und keinen größeren Hausstand besessen hätten, sei nicht glaubwürdig. Dies widerspreche der Aussage, dass man sich einen Umzug nicht habe leisten können. Eine besondere und von außen entstandene Situation, die die Leistung von Erstausstattung rechtfertigen würde, liege nicht vor. Es habe vielmehr der Verantwortung der Kläger oblegen, ihren Umzug zu organisieren, der nicht durch die Leistungsträger veranlasst gewesen sei. Es sei nicht Aufgabe des Zuzugsstaates, alle möglichen Kosten zu erstatten, die sich durch eine solche Umsiedlung ergäben, um diese quasi erst zu ermöglichen. Dem deutschen Sozialleistungssystem sei es nicht zuzumuten, solche Kosten zu übernehmen, und es entspreche auch nicht der gesetzgeberischen Intention bezüglich der Erstausstattung. Einer Kostenübernahme stehe auch entgegen, dass lediglich eine Liste von angeschafften Gegenständen vorgelegt worden sei, es aber für sämtliche Gegenstände am Beleg für die Kosten fehle. Weiter fänden sich auch Posten, die durch die Möbellager regelmäßig kostenfrei oder gegen geringstes Entgelt abgegeben werden (Tische, Stühle, Lampen, Geschirr). Soweit die Kläger anders gewählt hätten, könnten solche Kosten ohnehin nicht erstattet werden.

Gegen das ihr am 7. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 4. November 2019 Berufung eingelegt. Die Kläger haben ihrerseits gegen das ihnen am 4. Oktober 2019 zugestellte Urteil am 4. November 2019 Berufung eingelegt.

Die Beigeladene hat zur Begründung auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Mainz zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom 18. April 2016 (Az.: S 3 AS 149/16) verwiesen. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII stelle eine Ermessensregelung dar.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. September 2019 aufzuheben und die Klage im Hilfsantrag abzuweisen sowie die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. September 2019 dahin abzuändern, dass die Beigeladene verpflichtet wird, der Klägerin zu 1 über die bereits mit Urteil bewilligten Leistungen hinaus weitere Leistungen in gesetzlicher Höhe nach dem SGB XII für den Zeitraum vom 15. August 2014 bis zum 30. September 2014 sowie Leistungen der Erstausstattung in Höhe von 970,99 EUR zu gewähren.

Sie tragen vor, dass sich der Aufenthalt der Klägerin zu 1 bereits dadurch verfestigt habe, dass sie sich neben der zielstrebigen Teilnahme am Sprach- und Integrationskurs bereits im August 2014 um Wohnraum bemüht und auch gefunden habe. Mit der Suche nach einer eigenen Wohnung habe sie deutlich gezeigt, dass sie hierbleiben wolle, dies insbesondere auch im Hinblick darauf, dass ein Monat später ihr Sohn nachgefolgt sei und der gemeinsame Umzug im November 2014 habe erfolgen sollen. Daher sei bereits im August 2014 eine Verfestigung des Lebensmittelpunktes in Deutschland gegeben gewesen. In Bezug auf den Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung tragen die Kläger vor, dass sie zuvor in Moldawien gelebt hätten. Das Einkommen der Klägerin zu 1 habe für den Lebensunterhalt der dreiköpfigen Familie ausreichen müssen, da der Ehemann bereits zum damaligen Zeitpunkt schwer krank gewesen sei. Die Lebensumstände seien sehr einfach und Ersparnisse nicht vorhanden gewesen. Die Organisation eines Umzugs von Moldawien nach Deutschland sei nicht realistisch. Darüber hinaus hätten sie kein eigenes Mobiliar besessen, da sie in Moldawien eine Einraum-Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 16 m², einer kleinen Küche und einfachen Möbel bewohnt hätten. In Moldawien sei es zu dieser Zeit üblich gewesen, dass Zimmer beziehungsweise kleine Wohnungen möbliert vermietet worden seien. Sie hätten nur die persönlichen Sachen und einige Kleidungsstücke mitgenommen. Weitere Gegenstände hätten sie auf der Busfahrt nicht mitnehmen können. Ferner besäßen sie keinen Führerschein, sodass sie einen Mietwagen nicht selbst hätten führen können. Sie seien zwar keine Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, jedoch als Wirtschaftsflüchtlinge zugezogen, da eine Perspektive in ihrer Heimat für sie nicht gegeben gewesen sei. Ein Anspruch auf Erstausstattung liege hier aufgrund außergewöhnlicher Umstände vor. Ihnen lägen keine Belege vor, da sie sehr viele Gegenstände über eBay Kleinanzeigen von Privatverkäufern gekauft hätten und bei der persönlichen Übergabe keine Belege ausgestellt worden seien.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

 


Entscheidungsgründe

I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.

II. Die zulässige Berufung der Beigeladenen ist und die zulässigen Berufungen der Kläger sind teilweise begründet.

1. Nachdem sich der Rechtsstreit durch das durch die Kläger angenommene Teilanerkenntnis vom 30. September 2019 für den Leistungszeitraum vom 19. Dezember 2014 bis zum 31. Dezember 2014 erledigt hat (vgl. § 101 Abs. 2 SGG), hatte der Senat nur noch über den Leistungszeitraum vom 16. August 2014 bis zum 18. Dezember 2014 und das auf die Erstausstattung gerichtete Begehren zu entscheiden. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind Ansprüche gegen den Beklagten, weil die Kläger ihr Begehren im Berufungsverfahren nur noch gegen die Beigeladene gerichtet haben.

2. Streitgegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid vom 11. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015, mit dem der Beklagte die am 3. Juli 2014 beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1 abgelehnt hat. Gegenstand des Verfahrens ist ferner der Bescheid vom 5. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2015, mit dem der Beklagte, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Kläger zu 2 sowie Leistungen für eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse, für Kosten der Unterkunft und Heizung für die am 1. November 2014 bezogene Wohnung und für die Erstausstattung der Wohnungen abgelehnt hat.

a) Die Klage des Klägers zu 2 ist unzulässig, soweit (auch) er Leistungen für die Zeit vom 16. August bis zum 30. September 2014 begehrt. Bezüglich dieses Zeitraums hat der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 allein über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin zu 1 entschieden, so dass der Kläger zu 2, der für diesen Zeitraum auch keine Leistungen beantragt hatte, durch diesen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGG beschwert ist.

b) Der Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2015 steht die Vorschrift des § 86 SGG nicht entgegen. Der Bescheid vom 5. November 2014 ist nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des im Hinblick auf den Bescheid vom 11. Juli 2014 anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden, da er den Bescheid vom 11. Juli 2014 nicht abgeändert hat. Der Bescheid vom 11. Juli 2014 hat allein Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II betreffend die Klägerin zu 1 ohne Kosten der Unterkunft und Heizung zum Gegenstand, während der Beklagte mit Bescheid vom 5. November 2014 über Leistungsansprüche des Klägers zu 2 und die dann neu entstandenen Kosten der Unterkunft und Heizung und der Erstausstattung beider Kläger und damit über abtrennbare Ansprüche entschieden hat, die nicht Inhalt des Bescheides vom 11. Juli 2014 gewesen sind. Dies gilt auch im Hinblick auf die Ablehnung von Kosten der Unterkunft, die von der Klägerin zu 1 am 3. Juli 2014 noch nicht beantragt worden war, da sie zu diesem Zeitpunkt noch kostenfrei gewohnt hat.

c) Ihr Klagebegehren auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1 ab dem 16. August 2014 und für den Kläger zu 2 ab dem 5. Oktober 2014 haben die Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) verfolgt. Zwar haben die Kläger die begehrten Leistungen vom Beklagten aufgrund der einstweiligen Anordnungen des Sozialgerichts bereits zum Teil erhalten, sodass insofern die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausreichen würde (vgl. BSG, Urteil vom 6. Juni 2023 – B 4 AS 4/22 RNZS 2024, 256 ff. = juris Rdnr. 18, m. w. N.). Im Hinblick auf die hilfsweise begehrte Verurteilung der Beigeladenen musste den Klägern aber auch insofern die Möglichkeit der unechten Leistungsklage eröffnet bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 6. Juni 2023, a. a. O., m. w. N.). Auch für das auf die Erstattung von Kosten für bereits angeschaffte Einrichtungsgegenstände gerichtete Begehren der Kläger ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die richtige Klageart (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 10/09 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 10 = juris Rdnr. 20).

3. Für den Zeitraum vom 16. November 2014 bis zum 18. Dezember 2014 hat das Sozialgericht die Beigeladene auf der Grundlage von § 75 Abs. 5 SGG zu Recht verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Dagegen hat die Klägerin zu 1 für den Leistungszeitraum vom 15. August 2014 bis zum 15. November 2014 und der Kläger zu 2 für den Leistungszeitraum vom 5. Oktober 2014 bis zum 15. November 2014 gegen die Beigeladene nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung ihres Antrages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII.

a) Die Kläger haben gegen den Beklagten für den Zeitraum vor dem 16. November 2014 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dem Anspruch der Kläger steht die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegen.

Auch wenn die Kläger im Berufungsverfahren keine Ansprüche gegen den Beklagten mehr geltend machen, war der Leistungsausschluss zu prüfen, da die im Berufungsverfahren zu prüfenden Ansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beigeladene die Wirksamkeit des Leistungsausschlusses nach dem SGB II voraussetzen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von den Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Das Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 ergab sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU (i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014 [BGBl I 1922]), wonach Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhalten, für bis zu sechs Monaten und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, freizügigkeitsberechtigt sind.

(1) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht bejaht, dass sich die Klägerin zu 1 bis zum Zeitpunkt ihrer Arbeitsaufnahme am 19. Dezember 2014 nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten hat und damit die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegeben sind. Der Senat schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des Sozialgerichts, die weder von den Klägern noch von der Beigeladenen angegriffen worden sind, an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Begründung ab.

(1.1) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen begegnet der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelte Leistungsausschluss keinen verfassungsmäßigen Bedenken. Dies ist mittlerweile durch höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R – SozR 4-1100 Art 1 Nr. 20 = juris Rdnr. 35 ff.). Der Leistungsausschluss verletzt die Kläger insbesondere nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Gesetzgeber muss Unionsbürgern ohne ein Aufenthaltsrecht oder lediglich mit einem Aufenthaltsrecht, das sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, jedenfalls dann keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einräumen, wenn ihnen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere eine Rückkehr in ihr Heimatland, möglich und zumutbar ist (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 29. März 2022, a. a. O. Rdnr. 35 ff. m. w. N.). Der Gesetzgeber hat dem vom Bundesverfassungsgericht konturierten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das differenzierte Regelungsgefüge des § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst a und b SGB II und § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII (jeweils in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 2, Artikel 2 Nr. 1 und 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2022 [BGBl. I S. 3155]) ausreichend Rechnung getragen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022, a. a. O., Rdnr. 42). Diese Ausführungen des Bundessozialgerichtes zu der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden verschärften Rechtslage gelten erst recht für die hier maßgebende Rechtslage, bei der die Betroffenen nach Ablauf von sechs Monaten nicht nur Anspruch auf Überbrückungsleistungen (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 Satz 3 SGB XII in der bis zum 29. Dezember 2016 geltenden Fassung [a. F.]) hatten. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die von der Beigeladenen zitierte Vorlage des Sozialgerichts Mainz (vgl. Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 – S 3 AS 149/16 – juris) als unzulässig verworfen hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Dezember 2019 – 1 BvL 4/16 – juris).

(1.2) Der Anwendung der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a SGB II steht auch das Recht der Europäischen Union nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2016 – B 4 AS 32/15 R – juris Rdnr. 16 m. w. N.; BSG vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 53 = juris Rdnr. 27 m. w. N.). Den EU-Mitgliedstaaten steht das Recht zu, die Gewährung von Geldleistungen im Sinne des Artikel 3 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 70 ["besondere beitragsunabhängige Geldleistungen"] der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.04.2004, S. 1-123) und Sozialhilfeleistungen im Sinne von Artikel 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG vom 30. April 2004 (ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77-123) von einem bestehenden Aufenthaltsrecht, das nicht auf Arbeitsuche beruht, abhängig zu machen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R – BSGE 134, 45 ff. = SozR 4-1100 Art 1 Nr. 20 = juris Rdnr. 45 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 11. November 2014 – C-333/13 [Dano] – SozR 4-6065 Art. 4 Nr. 3 = juris Rdnr. 69 ff.; EuGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – C-299/14 [Garcίa-Nieto] – NJW 2016, 1145 f. = juris Rdnr. 38 f.).

(2) Auch der Kläger zu 2 ist bis zum 18. Dezember 2014 von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sich sein Leistungsanspruch als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 4 SGB II im hier streitbefangenen Zeitraum von dem seiner Mutter ableitet. Solange die Klägerin zu 1 von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, weil sie sich lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält, schlägt der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf den Sohn als Familienangehörigen durch.

b) Die Kläger haben gegen die Beigeladene für den Zeitraum vom 16. November 2014 bis zum 18. Dezember 2014 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII und für den Zeitraum vom 16. August 2014 bis zum 15. November 2014 einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über etwaige Leistungen der Sozialhilfe.

(1) Der Anspruch der Kläger ergibt sich nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wonach Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu leisten ist. Dem Anspruch steht § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. entgegen, wonach unter anderem Ausländer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben.

(2) Die Kläger haben gegen die Beigeladene aber einen Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Der Leistungsausschluss des nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts hier anwendbaren § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. führt nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. beinhaltet nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, nicht aber von im Wege des Ermessens zu leistender Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorsieht. Aufgrund dieser Ermessensregelung in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII kommen für vom Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. erfasste Personen auch die Leistungen nach dem SGB XII in Betracht, auf die für nicht vom Leistungsausschluss erfasste Personen ein Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII besteht (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 43 = juris Rdnr. 51 f.; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 47 = juris Rdnr. 41; BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 53 = juris Rdnr. 44 f.).

Bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden haben Ausländer daher gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das Ermessen ist dabei für Leistungszeiträume, die sechs Monate nach Einreise liegen, regelmäßig auf Null reduziert (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 32/17 R – juris Rdnr. 36; BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 53 = juris Rdnr. 44 f.).

(1.1) Nach dieser Maßgabe haben die Kläger gegen die Beigeladene für den Zeitraum vom 16. November 2014 bis zum 18. Dezember 2014 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Die Klägerin zu 1 ist am 15. Mai 2014 nach Deutschland eingereist, so dass der Zeitraum von sechs Monaten am 15. November 2014 ablief (vgl. § 64 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGG) und für den anschließenden Zeitraum das auszuübende Ermessen auf Null reduziert ist.

(1.2) Für den Zeitraum vor dem 16. November 2014 haben die Kläger gegen die Beigeladene (nur) einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über etwaige Leistungen der Sozialhilfe und zwar die Klägerin zu 1 für den Zeitraum vom 16. August 2014 bis zum 15. November 2014 und der Kläger zu 2 für den Zeitraum vom 5. Oktober 2014 bis zum 15. November 2014. Für diesen Zeitraum ist das Ermessen der Beigeladenen nicht auf Null reduziert, auch nicht – wie vom Sozialgericht angenommen – für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2014 für die Klägerin zu 1 und ab dem 5. Oktober 2014 für den Kläger zu 2.

Das Sozialgericht hat seine Ansicht damit begründet, dass es aufgrund des Zuzugs des Klägers zu 2 bereits ab dem 1. Oktober 2014 für die Klägerin zu 1 zu einer ermessensreduzierenden Aufenthaltsverfestigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes gekommen ist. Das Bundessozialgericht knüpft in seiner Rechtsprechung für die Ermessensreduktion nach Ablauf von sechs Monaten jedoch gerade nicht an einer tatsächlichen Aufenthaltsverfestigung an, sondern an der Regelung des Leistungsausschlusses des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII a. F., die wiederum auf die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 1a FreizügG/EU für die Dauer von grundsätzlich sechs Monaten verweist. Diese Begrenzung der Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitssuche dient nach den Gesetzesmaterialien der Umsetzung von Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof, der entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten berechtigt seien, dass Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auf einen angemessenen Zeitraum zu begrenzen, wobei der Europäische Gerichtshof hier von einem Zeitraum von sechs Monaten ausgegangen ist (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 43 = juris Rdnr. 54). Aus diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht geschlossen, dass für die typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach der Einreise eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht vorliege, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung stehe, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen (vgl. Urteil vom 3. Dezember 2015, BSG, a. a. O.). Die Ermessensreduktion begründet das Bundessozialgericht weiter damit, dass es dem Leistungsberechtigten, der nach sechs Monaten über kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche mehr verfügt und damit „erst recht“ von dem Rechtsanspruch auf Sozialhilfeleistungen im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen ist, wie jedem anderen Ausländer, der sich tatsächlich im Inland aufhält, an einer Aufenthaltsperspektive mangelt. Daher ist es folgerichtig, zumindest im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt durch eine Ermessensreduktion bei verfestigtem Aufenthalts zu denselben Leistungen zu gelangen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a. a. O., Rdnr. 56). Aus dem vorstehenden wird deutlich, dass das Bundessozialgericht für die Ermessensreduktion nicht von einer tatsächlichen Aufenthaltsverfestigung ausgeht, sondern diese mit dem Ablauf der Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU nach grundsätzlich sechs Monaten annimmt.

(1.3) Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Anspruch gegen die Beigeladene gemäß § 107 Abs. 1 SGB X durch die Zahlungen des Beklagten aufgrund der einstweiligen Anordnungen des Sozialgerichts als erfüllt gilt, bedarf im Grundurteilsverfahren keiner Prüfung. Die Beigeladene ist durch die Verurteilung dem Grunde nach nicht mit dem Einwand der Erfüllung ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Juni 2023 – B 4 AS 4/22 RNZS 2024, 256 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.).

c) Zutreffend hat das Sozialgericht einen Anspruch der Kläger auf Erstattung von Kosten für eine Erstausstattung der am 1. November 2014 bezogenen Wohnung gegen die Beigeladene verneint.

Grundsätzlich handelt es sich bei dem Anspruch auf Erstausstattung nicht um einen Erstattungsanspruch, denn die Leistungen für Sonderbedarfe können als Sachleistung oder Geldleistung (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 10/09 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 10 = juris Rdnr. 28), auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB XII, § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II). Hat sich der Leistungsempfänger die entsprechenden Gegenstände selbst beschafft, ist ein Kostenerstattungsanspruch als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht zu prüfen (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 19. August 2010, a. a. O.). Ein solcher setzt unter anderem voraus, dass der Anspruch zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung tatsächlich bestanden hat. Dies ist vorliegend zu verneinen.

Der Anspruch auf Erstausstattung für die Wohnung beurteilt sich nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Danach werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert neben den Leistungen zur Deckung der Regelbedarfe erbracht. Der Anspruch nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zielt – wie die Parallelvorschrift des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II – auf die Deckung von Bedarfen für solche Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und den Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2022 – B 8 SO 14/20 R – SozR 4-3500 § 31 Nr. 2 = juris Rdnr. 14 m. w. N.).

Eine Wohnungserstausstattung ist grundsätzlich zu gewähren, wenn der Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Eine Erstausstattung kann aber auch bei einem erneuten Bedarf nach einer Erstbeschaffung von Einrichtungsgegenständen vor oder während des SGB II-Bezugs in Betracht kommen. Bereits in den Gesetzesmaterialien wird davon ausgegangen, dass "Erstausstattungen" für die Wohnung auch nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft zu bewilligen sein können und damit auch in Fallgestaltungen eines erneuten Bedarfsanfalls möglich sind (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 57/13 R – SozR 4-4200 § 23 Nr.18 = juris Rdnr. 15 m. w. N., unter Verweis auf BT-Drucks. 15/1514 S. 60). Bei der damit erforderlichen Abgrenzung ist stets an dem Normalfall der Erstausstattung anzusetzen, in dem die fraglichen Gegenstände erstmals angeschafft werden müssen. Bei anderen Sachverhalten ist zu fragen, ob diese wertungsmäßig mit einer Erstausstattung gleichzusetzen sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine atypische Bedarfslage vorliegt, die wertungsmäßig mit einer Erstausstattung vergleichbar ist, sodass es gerade wegen ihrer Atypik gerechtfertigt ist, dass Leistungen gesondert neben dem Regelbedarf gewährt werden (vgl. Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II [5. Aufl., 2021], § 24 Rdnr. 93). Die Gewährung einmaliger Bedarfe ist dabei im Hinblick auf die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/1514 S. 60 [zu § 31 SGB XII]) immer nur aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" zulässig. Das "Außergewöhnliche" besteht darin, dass es sich um eine spezielle Bedarfslage handeln muss, die erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweicht und für den Hilfebedürftigen im Vergleich zu anderen Hilfebedürftigen ein Sonderopfer darstellt (vgl. Blüggel, a. a. O., m. w. N.). Ein Anspruch auf Geldleistungen für die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als "Wohnungserstausstattung" setzt daher voraus, dass der konkrete Bedarf durch 1. außergewöhnliche Umstände oder ein besonderes Ereignis entstanden ist, 2. ein "spezieller Bedarf" vorliegt und 3. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen oder dem besonderen Ereignis und dem Bedarf gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 57/13 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 18 = juris Rdnr. 17).

(1) Die Kläger verfügten bei Einzug in die Wohnung zum 1. November 2014 jedenfalls nicht in Deutschland über Mobiliar und Haushaltsgegenstände, so dass beim Einzug ein entsprechender Bedarf vorgelegen hat. Es handelt sich jedoch um eine Ersatzbeschaffung, für die die Erstattung der Beschaffungskosten nach den vorstehenden Maßgaben ausgeschlossen ist.

(1.1) Bei der Ausstattung der am 1. November 2014 bezogenen Wohnung handelt es sich nicht um eine "echte" Erstausstattung, sondern um eine Ersatzbeschaffung. Die Kläger wohnten vor ihrer Einreise nach Deutschland in einer eingerichteten Wohnung in Moldawien, so dass ihr Bedarf auf Wohnungseinrichtung vor der Einreise gedeckt war. Dass diese möbliert vermietet worden war, haben die Kläger auch im Berufungsverfahren nicht nachgewiesen. Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass auch in Rumänien, der Heimat der Kläger, noch eine Wohnungseinrichtung vorhanden war. Dies folgt aus den Angaben der Klägerin zu 1 im Verwaltungsverfahren, dass die Kosten für einen Umzug aus ihrer Heimat sehr hoch seien und der Umzug von Rumänien nach Deutschland ca. 10.000,00 EUR koste und sie keinen Führerschein hätten, um den Umzug selbst zu bewerkstelligen. Die Wohnung und die Wohnungseinrichtung hatten die Kläger unmittelbar vor dem Einzug zum 1. November 2014 auch noch nicht aufgegeben, denn der Kläger zu 2 ist erst am 5. Oktober 2014 und der Ehemann der Klägerin zu 1 erst im Dezember 2014 nach Deutschland eingereist.

(1.2) Die Ausstattung der zum 1. November 2014 bezogenen Wohnung mit Mobiliar und Haushaltsgegenständen ist wertungsmäßig nicht mit einer Erstausstattung gleichzusetzen, denn der Bedarf ist nicht durch außergewöhnliche Umstände oder ein besonderes Ereignis entstanden. Die vom Gesetzgeber und von der Rechtsprechung hierzu angeführten Fälle haben gemein, dass der Bedarf durch ein "von außen" einwirkendes Ereignis (z. B. Wohnungsbrand oder Erstanmietung nach Haft: BT-Drs. 15/1514,6 0 zu § 31 SGB XII; zum Verlust oder Beschädigung des Umzugsgutes während des Umzugs: BSG, Urteil vom 29. September 2011 – B 4 AS 202/10 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 13 juris Rdnr. 16 ff.) entstanden ist. Auch eine Krankheit, die aufgrund von Wahn- und Halluzination zu einem vollständigen Verlust der Einrichtung geführt hat, wird als ein von außen einwirkender außergewöhnlicher Umstand betrachtet (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2022 – B 8 SO 14/20 R – SozR 4-3500 § 31 Nr. 2 = juris Rdnr. 16; anders für den Fall einer mehrjährigen Heroinabhängigkeit: BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 57/13 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 18 = juris Rdnr. 22).

Der Entschluss, ihre eingerichtete Wohnung aufzugeben, um sich zur Arbeitssuche und Arbeitsaufnahme nach Deutschland zu begeben, stellt kein außergewöhnliches Ereignis dar und ist auch nicht mit den genannten Sachverhalten vergleichbar. Ein Umzug stellt grundsätzlich kein außergewöhnliches Ereignis dar, es sei denn, dass er durch den Träger der Grundsicherung veranlasst worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 77/08 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 4 Rdnr. 14 f.). Vorliegend beruhte der Umzug auf einer Willensentscheidung der Kläger und nicht auf einem "von außen“ auf sie einwirkenden, nicht von ihnen beeinflussbaren Geschehen. Die Inanspruchnahme der Freizügigkeitsberechtigung innerhalb der EU, um die persönliche wirtschaftliche Situation zu verbessern, kann auch nicht mit der Situation von Kriegsflüchtlingen verglichen werden.

(1.3) Selbst, wenn es sich bei dem Umzug nach Deutschland um ein außergewöhnliches Ereignis handeln würde, wäre der Bedarf nicht durch die Übersiedlung entstanden, sondern durch den Entschluss der Kläger, ihre in Moldawien und Rumänien befindlichen Haushaltsgegenstände aus Kostengründen nicht mitzunehmen, so dass es auch an der erforderlichen Kausalität zwischen dem Umzug und der Entstehung des Bedarfs fehlen würde.

(2) Darüber hinaus scheitert der Anspruch der Kläger daran, dass nicht nachgewiesen ist, ob, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt ihnen Kosten durch Selbstbeschaffung einer Wohnungsausstattung tatsächlich entstanden sind. Der Zeitpunkt der Anschaffung ist von Bedeutung, da eine Anschaffung vor Antragstellung einen Kostenerstattungsanspruch ebenso ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 10/09 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 10 = juris Rdnr. 28) wie eine Anschaffung vor Entstehen des Anspruchs nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht durch die Kläger übergebene Liste reicht nicht aus, den Senat von der Anschaffung der dort bezeichneten Gegenstände und der Entstehung der Kosten zu überzeugen. Die Liste ist von den Klägern selbst erstellt worden und als Sachvortrag im gerichtlichen Verfahren zu werten. Belege, die die Anschaffung nachweisen könnten, fehlen ebenso wie substantiierte Angaben zu den Verkäufern, so dass sich auch keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen ergeben. Im Übrigen ist der Vortrag, dass die Kläger zum Teil keine Belege erhalten oder nicht damit gerechnet hätten, diese Belege nach fünf Jahren noch zu benötigen, vor dem Hintergrund, dass sie die Erstattung dieser Kosten bei dem Beklagten beantragt haben und einen Rechtsstreit hierüber führen, nicht nachvollziehbar. Schließlich belegt die Liste auch nicht den Anschaffungszeitpunkt der dort bezeichneten Gegenstände.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bedarf keiner Änderung. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass vor dem Sozialgericht ursprünglich der Zeitraum ab dem 1. Juli 2014 streitig gewesen ist und die Kläger ihr Begehren erst später auf den Zeitraum ab dem 16. August 2014 beschränkt und damit die Klage teilweise zurückgenommen haben. Ferner ist berücksichtigt worden, dass das Teilanerkenntnis des Beklagten für den Zeitraum ab dem 19. Dezember 2014 auf erst im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen beruht hat, sodass eine Kostenbelastung durch den Beklagten insoweit nicht billig erscheint. Für den verbleibenden Zeitraum ergibt sich, dass die Beigeladene nur für den Zeitraum vom 16. November 2014 bis zum 18. Dezember 2014 Leistungen zu erbringen hat und für den Zeitraum davor (16. August 2014 bis zum 15. November 2014) nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht. Ferner sind die Kläger mit ihrem Begehren auf Erstausstattungskosten in Höhe von 970,99 EUR im Haupt-und Hilfsantrag unterlegen. Insgesamt erscheint eine Kostenerstattung durch die Beigeladene zu drei Zehnteln billig im Sinne von § 193 SGG, so dass es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts verbleibt.

Im Berufungsverfahren sind Leistungen für den Zeitraum vom 16. August 2014 bis zum 18. Dezember 2014 sowie weiter der Anspruch auf Erstausstattung streitig gewesen. Beide Ansprüche sind gegen die Beigeladene gerichtet gewesen. Die Ansprüche gegen den Beklagten haben die Kläger im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt. Im Berufungsverfahren haben die Kläger für einen Monat voll und für drei Monate teilweise obsiegt und sind mit dem Erstattungsanspruch in Höhe von 970,99 EUR unterlegen. Nach billigem Ermessen hält der Senat hier eine Kostenerstattung durch die Beigeladene in Höhe der Hälfte billig im Sinne von § 193 SGG.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl.§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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