L 10 U 2057/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1933/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2057/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Beschränkt ein Versicherter seinen Widerspruch auf die Ablehnung der Gewährung von Verletztenrente und greift nicht zugleich die ausdrücklich von der Verwaltung abgelehnte Anerkennung von (weiteren) Unfallfolgen an, wird diese verfügte Ablehnung bestandskräftig; die Anerkennung dieser kann dann nachfolgend nicht zulässig im Wege der Klageerweiterung begehrt werden.
2. Eine nur endgradig eingeschränkte Unterarmbeweglichkeit rechtfertigt keine MdE; die üblichen Schmerzen als Begleitsymptome einer körperlichen Schädigung sind in den Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15.06.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.


Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1964 geborene Kläger, Rechtshänder (S. 70 SG-Akte), erlernte nach eigener Angabe (S. 394 VerwA, zitiert - wie auch im Folgenden - nach der Verwaltungspaginierung) in der seinerzeitigen Sozialistischen Republik Rumänien den Beruf eines Lkw-Mechanikers und -Fahrers. Er zog 1988 in das Bundesgebiet zu und war hier zunächst als Lkw-Fahrer und später dann als Arbeiter im Baugewerbe tätig (S. 65 SG-Akte), wo er „schwere Bausteine aus Beton heben und tragen musste“ (S. 66 SG-Akte). Seit Mitte November 2013 - und auch zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses - war er bei der Stadt R1 als Straßenwart im Bereich der Stadtreinigung (Technische Betriebsdienste) beschäftigt; Anfang März 2019 gab der Kläger an, zwischenzeitlich innerbetrieblich umgesetzt worden zu sein und jetzt auf dem städtischen Wertstoffhof (Häckselplatz) zu arbeiten (S. 100 VerwA).

Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit wurde die linke Hand des Klägers im Zuge des Entleerens von Sinkkästen am 17.11.2015 gegen 13.15 Uhr in der Tür des Betriebsfahrzeugs eingeklemmt (s. zuletzt die Unfallhergangsangaben des Klägers S. 131 f. SG-Akte). Er suchte noch am frühen Nachmittag den D-Arzt B1 (D-Arzt-Praxis T1, B1, G1) auf, der eine schwere Prellung des linken Handgelenks mit Rissquetschwunden (RQW) diagnostizierte; im Röntgenbild vom Unfalltag zeigten sich im Bereich des linken Radiokarpalgelenks deutliche degenerative Veränderungen ohne Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung. Klinisch lag beim Kläger eine ausgeprägte Schwellung im Bereich des linken Handgelenks dorsalseitig mit einer ca. 3 cm langen, querverlaufenden RQW ohne komplette Durchtrennung der Haut sowie eine freie Fingerbeweglichkeit bei schwellungs- und schmerzbedingt eingeschränkter Handgelenksbeweglichkeit vor; der D-Arzt bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 30.11.2015 (zu allem D-Arztbericht S. 33 f. VerwA), die später bis zum 11.12.2015 verlängert wurde (S. 30 VerwA).

Im Arztbrief vom 14.04.2016 (S. 56 VerwA) gab der D-Arzt G1 an, dass es beim Kläger nach Abschluss der Behandlung über mehrere Wochen zu einer Beschwerdefreiheit gekommen sei. Nach schwerer körperlicher Belastung sei es erneut zu einem Anschwellen im Bereich des radiokarpalen Handgelenksanteils gekommen. Derzeit lägen blande Verhältnisse im Bereich des linken Handgelenks bei allenfalls endgradiger Bewegungseinschränkung vor. Die Beschwerden seien unfallunabhängig und der Handgelenksarthrose geschuldet.

Am 14.03.2017 stellte sich der Kläger in der Handchirurgie der BG Unfallklinik T2 (BGU) vor und gab dort an, dass er „vor allem bei schwerer Arbeit“ deutliche Schmerzen und eine lokale Schwellung am linken Handgelenk habe; Schmerzmittel nehme er nicht. Die Ärzte der BGU befundeten im Bereich der linken Hand im Wesentlichen lediglich leichtgradige Schmerzen bei vollkommen beschwerdefreier Handgelenksbeweglichkeitsdemonstration ohne Atrophien, ohne Rötung, ohne Schwellung und bei allseits intakter Durchblutung. Sie diagnostizierten eine - bildgebend bestätigte - ausgeprägte Radiokarpalarthrose links sowie den Verdacht auf (V.a.) ein beginnendes Karpaltunnelsyndroms links; beides stehe aus handchirurgischer Sicht in keinem Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vom 17.11.2015 (zu allem s. Zwischenbericht vom 22.03.2017, S. 2 ff. VerwA). In ihrem Abschlussbericht vom 05.04.2017 (S. 5 f. VerwA, nach Untersuchung am 04.04.2017) führten sie nach neurologischer Befundung (nur leicht reduzierte motorische Nervenleitgeschwindigkeit des linken Nervus medianus ohne Anhalt für ein operationswürdiges Karpaltunnelsyndrom und ohne sonstige Pathologien) bei unverändertem klinischen Befund aus, dass der Kläger trotz ausführlicher Erläuterung nicht habe nachvollziehen wollen, dass die Arthrose unfallunabhängig sei. Eine weitere Behandlung, namentlich eine Denervierungsoperation nach Wilhelm, habe zu Lasten der Krankenkasse stattzufinden.

In Folge war der Kläger sodann in der Klinik für Hand-, Plastische und Ästhetische Chirurgie der M1-Klinik in N1 vorstellig, wo am 20.04.2017 eine diagnostische Arthroskopie des linken Handgelenks mit Instillation von Naropin durchgeführt wurde. Intraoperativ zeigte sich eine fortgeschrittene Radiokarpalarthrose mit Chondropathie Grad 4 des Scaphoideum, Grad 3 Os lunatum sowie Facies scaphoidea und lunata (s. Operationsbericht S. 36 f. VerwA). Bei unauffälligen postoperativen Verhältnissen und nur endgradig schmerzhafter Beweglichkeitseinschränkung führten die Ärzte am 22.05.2017 zunächst eine Probe-Denervierung am linken Handgelenk durch und am 02.06.2017 schließlich eine Handgelenksdenervation nach Wilhelm (P1 bis P10).

Mit Schreiben vom 06.02.2018 (S. 7 VerwA) wandte sich der Kläger - über seine seinerzeitigen Bevollmächtigten - erstmals an die Beklagte. Er habe nie einen Bescheid „über die Folgen des Arbeitsunfalls“ erhalten. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse vom 26.10.2018 (S. 29 ff. VerwA) sowie die o.a. ärztlichen Unterlagen - einschließlich bildgebendem Material - bei und holte bei den behandelnden Ärzten der M1-Klinik die Auskunft vom 22.10.2018 ein (S. 42 VerwA). Die Ärzte teilten u.a. mit, dass die vom Kläger zu Beginn der dortigen Behandlung am 11.04.2017 geklagte Beschwerdesymptomatik im Bereich der linken Hand durch die fortgeschrittenen arthrotischen Veränderungen zu erklären gewesen sei, weshalb man diese als unfallunabhängig eingestuft habe. G2, der Hausarzt des Klägers, bekundete in seiner Auskunft gegenüber der Beklagten vom 21.11.2018 (S. 54 VerwA), den Kläger im gesamten Jahr 2015 nicht behandelt zu haben; über den Unfall könne er (G2) keine Angaben machen.

Die Beklagte holte bei P1 (Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie des Klinikums S1) das Gutachten vom 11.03.2019 (S. 97 ff. VerwA) ein. Dieser führte nach Untersuchung des Klägers und unter Würdigung der aktenkundigen Befundunterlagen aus, dass es bei dem Ereignis am 17.11.2015 zu einer schweren Handgelenksprellung links und einer Riss-Quetschwunde dorsalseitig querverlaufend gekommen sei. Zum Zeitpunkt des Ereignisses hätten bereits sehr ausgeprägte und bildgebend gut erkennbare arthrotische Degenerationsveränderungen radiokarpal mit Gelenkspaltverschmälerung sowie Deformierungen und Veränderungen am Processus styloideus radii sowie am Os scaphoideum vorgelegen. Diese Schadensanlage sei durch das Trauma „vermutlich“ (S. 100 SG-Akte) aktiviert worden, sodass „von einer traumabedingten Manifestation der Handgelenkarthrose auszugehen (nicht traumabedingter radiologischer Befund am Unfalltag)“ sei, jedoch nicht von einer traumaassoziierten jetzigen Beschwerdesymptomatik. Die Handgelenksprellung habe zu keiner bleibenden Einschränkung geführt, die bestehenden chronisch ausstrahlenden Schmerzen vom Handgelenk links mit Bewegungseinschränkung (s. dazu im Einzelnen S. 101 VerwA) und (angegebener) verminderter Handgelenkbelastbarkeit links beruhe auf der angelegten Handgelenksarthrose, sodass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht veranschlagt werden könne. Im Übrigen arbeite der Kläger, der sehr schmerzresistent sei, unter Schmerzen, aber ohne Schmerzmittel, weiter.

Mit Bescheid vom 29.04.2019 (S. 119 ff. VerwA) verfügte die Beklagte, dass der Unfall vom 17.11.2015 als Arbeitsunfall anerkannt werde und dass ein Anspruch auf Rente nicht bestehe. Zugleich anerkannte sie „als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalls“: „nach folgenlos ausgeheilter schwerer Handgelenksprellung bestehen keine bleibenden unfallbedingten funktionellen Einschränkungen“; keine Folge des Arbeitsunfalls sei die Handgelenksarthrose Grad II. Zur Begründung verwies sie auf das Gutachten des P1. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht in messbarem Grade über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall (17.05.2016) hinaus gemindert.

Mit Widerspruch vom 23.05.2019 (S. 125 VerwA) beantragten die seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers ausdrücklich (S. 134 VerwA), den Bescheid vom 29.04.2019 dahingehend abzuändern, dass dem Kläger eine „Unfallrente in Höhe von mindestens 20 Prozent der Vollrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen“ gewährt werde. Der Widerspruch richte sich - so ebenfalls ausdrücklich - gegen die Feststellung, dass ein Anspruch auf Rente nicht bestehe. Auch wenn „unstreitig“ sei, dass die schwere Handgelenksprellung links mittlerweile ausgeheilt sei, leide der Kläger jedoch weiterhin „an den Folgen dieser Handgelenksprellung“, weil es „im Zuge dessen zur Beschädigung der in die linke Hand verlaufenden Nerven“ gekommen sei. Der Kläger habe bei geringster körperlicher Belastung erhebliche Schmerzen im Bereich der linken Hand und eine erhebliche Einschränkung der motorischen Fähigkeiten, mithin bestehe eine „chronische Schmerzstörung“. Es müsse ein neurologisches Gutachten eingeholt werden.

Die Beklagte holte den Befundbericht der Klinik für Neurologie des Klinikums L1 vom 30.10.2019 (S. 153 ff. VerwA) ein. Die dortige Untersuchung des Klägers ergab einen unauffälligen neurologischen und neurographischen Befund im Bereich des linken Handgelenks und Arms. Hinweise auf eine Nervenverletzung bestünden nicht (Befund im Übrigen: Kraftverlust vom Kläger verneint, lediglich Gefühlsstörungen im Bereich der Operationsnarbe, keine Atrophien, nur leichte Einschränkung der Handgelenksextension, keine Paresen, kein sensibles Defizit, Reflexe normal).

Sodann gelangte der Bericht des V1 vom 30.01.2020 zur Verwaltungsakte (S. 180 VerwA; MRT des linken Handgelenks am 29.01.2020, Beurteilung u.a.: posttraumatische Handgelenksarthrose nach wohl in mäßiger Fehlstellung/Einstauchung verheilter Scaphoidfraktur mit Chondromalazie Grad 4 und vermehrten Sklerosierungen, auch Bild einer differentialdiagnostisch älteren Teilruptur des SL-Bandes, nebenbefundlich Ulna-Plusvariante und degenerative Veränderungen im triangulären fibrokartilaginären Komplex [TFCC]).

Die Beklagte zog das bildgebende Material bei und legte den Vorgang dem Beratungsarzt B2, zur Stellungnahme vor. Dieser wies darauf hin (Stellungnahme vom 23.05.2020, S. 204 f. VerwA), dass die MRT-Aufnahme überhaupt keinen Aufschluss über eine (post-)traumatische Verursachung der sichtbaren Veränderungen gebe, zumal das Handgelenk zwischenzeitlich arthroskopiert worden sei. Die (degenerative) Arthrose sei ohnehin bereits zuvor intraoperativ bestätigt worden. Ersichtlich habe der Radiologe lediglich die schon in der MRT-Überweisung als klinische Angabe vermerkte Bewertung („posttraumatische Arthrose“) übernommen. Unfallfolge sei allein die Handgelenksprellung links und eine MdE im rentenberechtigenden Grad liege nicht vor; ein chronisches Schmerzsyndrom bei Radiokarpalarthrose links bestehe unfallunabhängig.

Darauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2020 (S. 220 ff. VerwA) zurück. Unfallbedingte Erkrankungen lägen beim Kläger nicht (mehr) vor, insbesondere sei es auch zu keinen neurologischen Verletzungen in Folge des Unfalls gekommen. Damit bestehe kein Anspruch auf Rente (und auf Heilbehandlung).

Hiergegen haben die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 01.09.2020 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (ausdrücklich) „wegen Rentenleistungen“ erhoben. Mit Schriftsatz vom 04.11.2020 - beim SG am 09.11.2020 eingegangen - haben sie sodann das Begehren artikuliert, die Beklagte zu verurteilen, als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 17.11.2015 „die Handgelenksarthrose Grad IV“ und ein „chronisches Schmerzsyndrom bei Radiokarpalarthrose“ anzuerkennen sowie dem Kläger eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat sich der Kläger im Wesentlichen auf den MRT-Bericht vom 30.01.2020 bezogen und gemeint, der Unfall habe „einen äußeren Anstoß“ für die klinisch stumme Krankheitsdisposition in Gestalt der Handgelenksarthrose („Schadensanlage“) geliefert. Vor dem Ereignis habe er keinerlei Probleme im linken Handgelenk gehabt.

Das SG hat bildgebendes Material beigezogen und von Amts wegen bei K1 das Sachverständigengutachten vom 26.02.2021 (S. 54 ff. SG-Akte) sowie bei B3 das Sachverständigengutachten vom 08.03.2021 (S. 60 ff. SG-Akte) eingeholt.

K1 hat zusammengefasst ausgeführt, dass die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag keine „Schadensanlage“ zeigten, sondern vielmehr zweifelsfrei eine bereits deutlich fortgeschrittene, degenerativ bedingte Radiokarpalarthrose mit entsprechenden Knochenzysten bei unauffälligen umgebenden Weichteilen. Auch die dort bereits sichtbare Dehiszenz im Bereich des scapholunären Spalts von 3,7 Bildmillimeter - eine ältere Läsion - sei der (vorbestehenden) Arthrose geschuldet; im Übrigen seien bildgebend auch im Bereich der rechten Hand bereits beginnende degenerative Veränderungen erkennbar. Die MRT vom 29.01.2020 bestätige nur, was bereits auf diesen Röntgenaufnahmen vom Unfalltag und den CT-Aufnahmen vom 14.03.2017 zu sehen sei, nämlich erhebliche degenerative Veränderungen ohne Hinweise auf traumatische bzw. posttraumatische Schädigungen. Es bestünden zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei dem Unfall eine Scaphoidfraktur erlitten habe. Klinisch und radiologisch habe der Unfall vielmehr zu überhaupt keiner überdauernden Gesundheitsstörung geführt - sondern allein zu einer oberflächlichen Weichteilläsion - und auch nicht zu einer solchen beigetragen. Insbesondere seien die arthrotischen Veränderungen nicht posttraumatisch bedingt. Auch die Behauptung einer traumabedingten Manifestation der vorbestehenden Handgelenksarthrose sei unzutreffend. Denn eine solche „Aktivierung“ setze einen progredienten Erguss entlang der Ossa carpalia und eine deutliche Tendopathie, namentlich der Streck- und Beugesehnen, mit ödematöser Durchtränkung auch der Weichteilstrukturen und teilweise auch mit entsprechendem Spongiosaödem an den artikulären knöchernen Elementen voraus. Nichts dergleichen habe beim Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt vorgelegen.

B3 hat nach Untersuchung des Klägers (zum klinischen Befund s. im Einzelnen S. 70 ff. SG-Akte) zusammengefasst als Primärschäden des Unfallereignisses eine Prellung/Quetschung des linken Handgelenks mit offener Wunde am distalen Unterarm links dorsal beschrieben und ausgeführt, dass Unfallfolgen nicht verblieben seien. Die Handgelenksarthralgie links (mit neuropathischen Schmerzen) und endgradiger Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks bei vorbestehender Handwurzelarthrose links und vorbestehenden älteren Veränderungen am Kahnbein links mit initialer Handwurzelarthrose (auch) rechts könnten nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Ereignis vom 17.11.2015 zurückgeführt werden und zwar weder i.S. einer Entstehung, noch i.S. einer Verschlimmerung. Der Sachverständige hat sich im Ergebnis der Beurteilung des B2 und der K1 angeschlossen. Es sei von einer „unfallunabhängig vorbestehenden, klinisch stummen Schadensanlage“ auszugehen, die „anlässlich, aber nicht kausal wegen des Ereignisses vom 17.11.2015 zu einer klinischen Manifestation i.S. einer aktivierten am linken Handgelenk geführt“ habe. Aus den Ausführungen des V1 lasse sich - auch schon zeitlich - ein Ursachenzusammenhang zwischen den in der MRT vom 29.01.2020 sichtbaren Veränderungen und dem angeschuldigten Ereignis nicht herleiten. Unabhängig davon ergebe sich unter Zugrundelegung der dokumentierten Funktionsbefunde der linken Hand auf der Grundlage der unfallmedizinischen Erfahrungswerte (Hinweis u.a. auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) allenfalls eine MdE von 10 v.H.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG bei H1 das Sachverständigengutachten vom 11.09.2021 (S. 127 ff. SG-Akte) eingeholt. H1 hat sich nach Untersuchung des Klägers insoweit den vorgutachtlichen Beurteilungen angeschlossen, als dass der Unfall zu einer (für sich gesehen nach einigen Wochen folgenlos ausgeheilten) Quetschung/Distorsion des linken Handgelenks ohne unfallbedingten Strukturschaden des Knochengewebes oder der Weichteile bzw. des Kapselbandapparates geführt habe. Auch stehe außer Frage, dass bereits auf den Röntgenaufnahmen vom Unfalltag deutliche arthrotische Veränderungen in der linken Handwurzel und am körperfernen Speichenende vorgelegen hätten - die nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten, eben da sie bereits am Unfalltag nachweisbar gewesen seien und solche Veränderungen nicht innerhalb von Stunden entstünden - und dass auch keine Anhaltspunkte für eine unfallbedingte Scaphoidfraktur vorlägen. Allerdings halte er es „für sehr unwahrscheinlich“, dass der Kläger ohne das Ereignis „zum Zeitpunkt des Unfalls die anhaltenden Beschwerden entwickelt hätte“; das Unfallereignis sei vielmehr auch und insbesondere in Ansehung der Beschwerdefreiheit des Klägers „Auslöser der Beschwerden“ und entgegen B3 keine „Gelegenheitsursache“, zumal „der dokumentierte Weichteilschaden eine relevante Körperverletzung“ darstelle. Die anhaltende schmerzhafte Funktionsstörung des linken Handgelenks bei fortgeschrittener (unfallunabhängiger) Handwurzelarthrose hätte sich zwar auch ohne das Unfallereignis eingestellt, es gäbe aber keine überzeugende Begründung dafür, dass sie etwa zum selben Zeitpunkt aufgetreten wäre. Wenn der jetzige Zustand des Klägers trotz unfallunabhängiger arthrotischer Vorschäden im linken Handgelenk als Unfallschaden betrachtet würde, betrage die MdE 20 v.H. (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 596: „Mondbeintod, mit Arthrose und Funktionseinbußen MdE 10-20 %“).

Dem ist der Beratungsarzt der Beklagten R2 in seiner Stellungnahme vom 20.09.2021 (S. 158 SG-Akte) entgegentreten. Eine richtungweisende Verschlimmerung der - auch von H1 als unfallvorbestehend angesehenen - Handwurzelarthrose sei im gesamten Behandlungsverlauf nicht erkennbar und keiner der Gutachter habe das abweichend gesehen. Die von H1 zur MdE-Bewertung herangezogene Mondbeinverletzung sei unrichtig, eine derartige Diagnose läge überhaupt nicht vor.

Das SG hat bei B3 eine ergänzende Stellungahme zum Gutachten des H1 eingeholt (S. 164 ff. SG-Akte), in der der Sachverständige darauf hingewiesen hat, dass die Kausalitätsbeurteilung des Wahlsachverständigen auf der Grundlage der objektivierten - und auch von ihm ( H1) zugrunde gelegten - Befunde gerade nicht nachvollziehbar sei und letztlich allein auf den subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers beruhe; namentlich sei eine überdauernde unfallbedingte Verschlimmerung der Arthrose nicht ersichtlich, worauf R2 zutreffend hingewiesen habe. Die MdE-Einschätzung sei überdies schon im Ansatz verfehlt, da beim Kläger kein Mondbeintod vorliege.

Sodann hat das SG nach § 109 Abs. 1 SGG bei H1 eine ergänzende Stellungnahme eingeholt (S. 178 ff. SG-Akte). Dieser ist bei seiner Einschätzung verblieben und hat gemeint, er habe lediglich den Zustand des verletzten Handgelenks mit dem eines Handgelenks nach Mondbeinverletzung mit Folgearthrose verglichen. Außerdem habe er in seinem Gutachten von einer richtungweisenden Verschlimmerung einer vorbestehenden arthrotischen Gelenkschädigung gesprochen und damit „nicht eine abgrenzbare zusätzliche Strukturschädigung“, sondern eine neue hinzugetretene massive Funktionseinschränkung gemeint, die „stumme Arthrose" sei „plötzlich symptomatisch“ geworden, der Unfall habe „das Fass zum Überlaufen“ gebracht. Entgegen B3 habe er auch nicht bloß die subjektiven Angaben des Klägers zugrunde gelegt. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden liege vor, der Kläger habe durchgängig belastungsabhängige Beschwerden gehabt. Zusammenfassend sei davon auszugehen, dass die arthrotischen (strukturellen) Veränderungen im Handgelenk des Klägers nicht auf den Unfall zurückzuführen seien, dass ohne diese arthrotischen Veränderungen die Unfallverletzung innerhalb weniger Wochen vollständig und dauerhaft ausgeheilt wäre und dass der Kläger über kurz oder lang die belastungsabhängigen Beschwerden im Handgelenk auch ohne Unfall entwickelt hätte, aber erst nach Monaten oder Jahren.

Mit Urteil vom 15.06.2022 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Verbliebene Unfallfolgen seien nicht festzustellen und damit komme auch eine Verletztenrente nicht in Betracht. Die Handgelenksarthrose und die entsprechenden Beschwerden, vom Kläger als chronisches Schmerzsyndrom bezeichnet, lägen zwar vor, diese seien jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch die bei dem Arbeitsunfall vom 17.11.2015 erlittene schwere Prellung des Handgelenks mit Rissquetschwunde verursacht worden. Dabei hat sich das SG maßgeblich auf die Gutachten des B3 und der K1 gestützt. Es fehle bereits an überdauernden, unfallbedingten strukturellen Schäden im Bereich der linken Hand bei erheblicher Schadensanlage. Entgegen H1, dessen Beurteilung nicht überzeuge, sei auch ein durchgängiges Beschwerdebild nicht nachgewiesen und der Kläger habe nach dem Unfall auch wieder schwere händische Tätigkeiten verrichtet. Überdies hätten alle behandelnden Ärzte seine Beschwerden explizit nicht als traumaassoziiert dokumentiert. Letztlich sei die Schadensanlage und die fortgesetzte schwere Arbeit des Klägers allein ursächlich für die Handgelenksbeschwerden links.

Gegen das seinen (seinerzeitigen) Prozessbevollmächtigten am 29.06.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.07.2022 Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt hat. Zur Begründung (s. im Einzelnen S. 3 f., 31 f. Senats-Akte) hat er das Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme des H1 verteidigt. Die Voraussetzungen für die Annahme einer „Gelegenheitsursache“ lägen entgegen dem SG nicht vor. Der Kläger habe bis zum Unfall keine Beschwerden gehabt und nach dem Unfall fortlaufend. Nach der herzinfarktbedingten Arbeitsunfähigkeit bis 04.03.2016 habe ihn der Arbeitgeber „zunächst“ zu „in der Regel leichterer“ Arbeit eingeteilt, nachdem die bisherige Arbeit dazu geführt habe, dass ein starker Schmerz aufgetreten und das Handgelenk angeschwollen sei. Es habe „immer nach Ausdrucksweise des Klägers seit dem Unfall fortlaufend ein kleiner Schmerz und auch erst seit dem Unfall durchgehend eine Schwellung des Handgelenks“ bestanden. Der Schmerz und die Schwellung hätten sich verstärkt, soweit und sobald der Kläger belastendende Arbeitstätigkeiten ausgeübt habe. Zu allem müsse der Kläger „vernommen“ werden. Soweit unfallunabhängig von einer klinisch stummen Arthrose im linken Handgelenk auszugehen wäre, müsste ja auch bei anderen Gelenken, insbesondere bei stärker belasteten rechten Handgelenk, eine Arthrose und zwischenzeitlich fast sieben Jahre nach dem Unfall Beschwerden aufgetreten sein, was nicht der Fall sei; dazu müsse H1 ergänzend gehört werden. Selbst wenn anzunehmen wäre, dass im Fall des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls klinisch stumme arthrotische Veränderungen vorgelegen und selbst wenn anzunehmen wäre, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft zu Schmerzen geführt hätten, könne im vorliegenden Fall „wie im vom Senat mit Urteil (L 6 4073/08) vom 21.07.2011“ entschiedenen Fall keine überragende Bedeutung der Krankheitsanlage angenommen werden.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15.06.2022 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 29.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 zu verurteilen, als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 17.11.2015 die Handgelenksarthrose Grad IV und ein chronisches Schmerzsyndrom bei Radiokarpalarthrose anzuerkennen sowie ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.11.2015 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren,
hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15.06.2022 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 29.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.11.2015 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 09.10.2023 (S. 39 f. Senats-Akte) ist u.a. darauf hingewiesen worden, dass die Klage hinsichtlich des prozessualen Begehrens auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen bereits unzulässig sein dürfte und dass selbst H1 ausgeführt habe, dass auch er „davon ausgehe, dass die arthrotischen Veränderungen im linken Handgelenk des Klägers nicht ursächlich auf das geschilderte Unfallereignis zurückzuführen“ seien, „da sie bereits am Unfalltag nachweisbar waren und solche Veränderungen nicht innerhalb von Stunden entstehen können“. Außerdem ist mitgeteilt worden, dass weitere Ermittlungen nicht veranlasst seien, weder von Amts wegen, noch nach § 109 SGG; eine „Vernehmung“ des Klägers (§§ 447 f. Zivilprozessordnung - ZPO -) komme ohnehin in der hiesigen Prozessart nicht in Betracht (arg. ex § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind zugleich zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits nach § 153 Abs. 4 SGG im Beschlussweg ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter und ohne mündliche Verhandlung angehört worden.

Die Klägerseite hat sodann gemeint (s. im Einzelnen S. 45 f. Senats-Akte), der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29.04.2019 sei unbeschränkt erhoben worden und habe sich auch „gegen die Ablehnung der Feststellung der weitergehenden Folgen des Arbeitsunfalles“ gerichtet. Zu einem Begehren auf „Rentenleistungen“ gehöre im Übrigen auch die Feststellung von Unfallfolgen. Darüber hinaus müsse der Kläger „zu den mit der Berufung dargelegten Punkten“ angehört werden. Dem Kläger sei erstinstanzlich die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung freigestellt worden. Er habe erst nachträglich von der bereits erfolgten Gerichtsverhandlung erfahren. Bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens hätte das persönliche Erscheinen des Klägers vom SG zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet werden müssen, um den Kläger „insbesondere zum Unfallhergang, der durchgehenden Schmerzsymptomatik und fehlenden Beschwerdesymptomatik hinsichtlich weiterer Gelenke“ anzuhören; dazu seien auch alle drei Sachverständigen zu hören. Dies müsse zur Gewährung rechtlichen Gehörs nun nachgeholt werden.

Mit Verfügung vom 30.10.2023 (S. 48 Senats-Akte) ist den Beteiligten mitgeteilt worden, dass es bei den bereits erteilten Hinweisen verbleibe. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt (Schriftsatz vom 03.11.2023, S. 51 f. Senats-Akte), dem Kläger in einer mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur persönlichen Äußerung zu geben; außerdem hat der den o.a. Hilfsantrag gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält; einer Zustimmung von Beteiligten dazu bedarf es nicht.

Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, den Kläger
„insbesondere zum Unfallhergang, der durchgehenden Schmerzsymptomatik und fehlenden Beschwerdesymptomatik hinsichtlich weiterer Gelenke“ in einer mündlichen Verhandlung anzuhören. Was den Unfallhergang anbelangt, steht dieser, soweit für die sachlich-inhaltliche Beurteilung von Relevanz, bereits fest und zwar gerade auf der Grundlage der aktenkundigen Angaben des Klägers. Ebenfalls fest steht, dass der Kläger - wie von ihm selbst auch reklamiert - vor dem angeschuldigten Ereignis keine (ärztlich dokumentierten) Beschwerden im Bereich der linken Hand hatte. Auf eine „fehlende Beschwerdesymptomatik hinsichtlich weiterer Gelenke“ kommt es schon nicht entscheidungserheblich an; ohnehin ist der Kläger als medizinischer Laie auch nicht geeignet, Art und Umfang arthrotischer Veränderungen respektive genauer deren unfallmedizinische Relevanz zu beurteilen. Zu der Frage einer „durchgehenden Schmerzsymptomatik“ hat sich der Kläger gegenüber seinen behandelnden Ärzten, dem Gutachter P1 sowie den medizinischen Sachverständigen B3 und H1 - die gerade dazu berufen gewesen sind, die Angaben des Klägers kritisch zu überprüfen und mit den dokumentierten ärztlichen Befunden abzugleichen - umfangreich geäußert, ebenso wie gegenüber der Beklagten und im gerichtlichen Verfahren. Zu was genau über diese dokumentierten Angaben des Klägers hinaus seine persönliche Anhörung in einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen sein soll, ist unerfindlich und auch nicht weiter konkret dargelegt worden; ohnehin hat der anwaltlich vertretene Kläger auch noch nach der Anhörung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG schriftsätzlich vortragen lassen und hatte damit hinreichend Gelegenheit, sein Anliegen vorzubringen, wovon er auch Gebrauch gemacht hat. Auch in Ansehung dessen hat der Senat im Rahmen seines Ermessens (Bundessozialgericht [BSG] 09.10.2014, B 13 R 157/14 B, in juris, Rn. 12 m.w.N., st. Rspr.) keine Erforderlichkeit zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung gesehen.

Die Meinung des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers, eine mündliche Verhandlung vor dem Senat sei zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich, liegt neben der Sache. Wie bereits ausgeführt, ist dem Kläger im Rechtsmittelverfahren hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden und davon hat er auch Gebrauch gemacht, insbesondere nach der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG, die gerade der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) dient. Der Versuch der Klägerseite, einen Gehörverstoß des SG zu konstruieren, liegt ebenfalls schon wegen prozessualer Überholung (vgl. § 157 SGG) neben der Sache. Ohnehin hat das SG aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden und der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausweislich des Protokolls vom 15.06.2022 von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten (VdK Sozialrechtsschutz gGmbH) vertreten worden; dass das persönliche Erscheinen des Klägers vom SG nicht angeordnet gewesen war, begründet in Ansehung dessen nicht ansatzweise eine Verletzung rechtlichen Gehörs, erst recht nicht nach Durchführung des Berufungsverfahrens.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 29.04.2019 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020, dies indes nur insoweit, wie die Beklagte damit die Gewährung von Verletztenrente in Folge des Ereignisses vom 17.11.2015 abgelehnt hat. Allein und ausdrücklich gegen diesen Verfügungssatz hat sich der im Widerspruchsverfahren rechtskundig vertretene Kläger gewandt (Widerspruchsantrag: den Ausgangsbescheid „dahingehend abzuändern“, dass dem Kläger eine „Unfallrente in Höhe von mindestens 20 Prozent der Vollrente“ gewährt wird; „der Widerspruch richtet sich gegen die Feststellung, dass ein Anspruch auf Rente nicht besteht“). Nicht angefochten worden ist, auch dies steht für den Senat zweifelsfrei auf Grundlage der mit dem Widerspruch zugleich abgegebenen weiteren Erklärungen fest, die weitere Verlautbarung der Beklagten, wonach als „wesentliche Folge“ des (mit weiterer Verfügung rein begünstigend zugunsten des Klägers verlautbarten Anerkennung des „Unfalls vom 17.11.2015 als Versicherungsfall [Arbeitsunfall]“) anerkannten Arbeitsunfalls eine „folgenlos ausgeheilte schwere Handgelenksprellung“ (links) - wonach es sich bei dieser der Sache nach und nach dem Sinnzusammenhang der Begründung des Ausgangsbescheids vom 29.04.2019 richtigerweise um den dem Begriff des Arbeitsunfalls immanenten Gesundheitserstschaden, sog. Primärschaden, handelt; s. dazu nur BSG 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, in juris, Rn. 20; 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, in juris, Rn. 19 m.w.N.; Senatsurteil vom 21.03.2024, L 10 U 1819/22, in juris, Rn. 31 m.w.N.) - „anerkannt“ wird. Denn der rechtskundig vertretene Kläger hat in seinem Widerspruch ausdrücklich ausgeführt, dass die stattgehabte Handgelenksprellung links „mittlerweile ausgeheilt“ - was mit der Verlautbarung der Beklagten im Bescheid übereinstimmt - und was „unstreitig“ sei.

Die ausdrückliche Ablehnung der Anerkennung einer „Handgelenksarthrose Grad II“ als Unfallfolge ist ebenfalls nicht - auch nicht sinngemäß - angefochten worden. Denn die (seinerzeitigen) Prozessbevollmächtigten haben diese Arthrose im Widerspruch nicht einmal auch nur erwähnt, sondern vielmehr ausdrücklich und ausschließlich gemeint, dass die fortbestehenden Beschwerden des Klägers im linken Handgelenk (bei „folgenlos ausgeheilter“ Handgelenksprellung) auf eine Nervenverletzung zurückzuführen seien, die sie als „chronische Schmerzstörung“ bezeichnet haben. Es hat auch überhaupt keine Veranlassung bestanden, die Ablehnung der Anerkennung der Handgelenksarthrose als Unfallfolge anzugreifen, nachdem zuvor alle der mit der Angelegenheit des Klägers befassten Ärzte (die D-Ärzte B1 und G1, die Ärzte der BGU, die Klinikärzte in N1) übereinstimmend und ausdrücklich eine Unfallursächlichkeit der Arthrose klar verneint hatten (wie im Ergebnis auch der Gutachter P1 in seinem urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten und später auch sämtliche Sachverständigen, einschließlich - was die Klägerseite verkannt hat - H1; dazu noch später).

Aus dem Widerspruch des Klägers ergibt sich damit eindeutig und für einen verständigen, objektiven Empfänger zweifelsfrei erkennbar eine Beschränkung des Begehrens auf Gewährung einer Rente (so ausdrücklich und ausschließlich auch noch mit Erhebung der Klage artikuliert: „wegen Rentenleistungen“) unter - so die Widerspruchsbegründung - Berücksichtigung einer Nervenverletzung bzw. „chronischen Schmerzstörung“ als Unfallfolgen. Auch wenn der Senat in Ansehung der obigen Ausführungen keinerlei Zweifel daran hat, dass das von den (seinerzeitigen) Prozessbevollmächtigten tatsächlich Erklärte (s.o.) auch so „gewollt“ erklärt worden ist, spielt dies keine entscheidende Rolle, eben weil es maßgeblich auf den erkennbaren Willen bei Erhebung des Widerspruchs nach dem objektiven Empfängerhorizont, d.h. wie ein verständiger Empfänger bei Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände das Rechtsschutzbegehren verstehen musste (vgl. BSG 23.02.2005, B 6 KA 77/03 R, in juris, Rn. 15; Senatsbeschluss vom 29.03.2022, L 10 U 145/18, in juris, Rn. 20, beide m.w.N.), ankommt. Wenn der Wille eines Widerspruchsführers zur Begrenzung des Streitgegenstands klar und eindeutig zum Ausdruck kommt respektive keine entgegenstehenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass nur die ausdrücklich bezeichnete Leistung begehrt wird, ist von einer Teilanfechtung bzw. entsprechenden Beschränkung des Widerspruchsbegehrens auszugehen (vgl. nur BSG a.a.O.; Senatsbeschluss a.a.O. m.w.N. zur Rspr. des BSG). So liegt der Fall hier. Die entgegenstehenden Ausführungen des hiesigen Prozessbevollmächtigten auf den Hinweis des Senats sind bereits am eigentlichen Thema und im Übrigen an den im Widerspruch abgegebenen Erklärungen vorbeigegangen.

Gegen die Ablehnung der Gewährung von Rente wegen der Folgen des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls am 17.11.2015 mit Bescheid vom 29.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.20200 wendet sich der Kläger statthaft und auch ansonsten zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und (unechten) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und Abs. 4, § 56 SGG; s. dazu nur BSG 20.03.2018, B 2 U 11/17 R, in juris, Rn. 9; 31.10.2007, B 2 U 4/06 R, in juris, Rn. 11, st. Rspr.).

Soweit der Kläger darüberhinausgehend erstmals mit der Klagebegründung vom 04.11.2020 ein prozessuales Begehren auf Verurteilung (richtig wäre: Verpflichtung) der Beklagten zur Anerkennung „der Handgelenksarthrose Grad IV“ sowie eines „chronischen Schmerzsyndroms bei Radiokarpalarthrose“ artikuliert hat, ist die entsprechende (erweiterte) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3, § 56 SGG) bereits unzulässig, worauf der Kläger vorab hingewiesen worden ist.

Wie bereits oben dargelegt, hat der Kläger den Bescheid vom 29.04.2019 allein hinsichtlich der Ablehnung von Rente angefochten. Damit sind die übrigen Verfügungssätze - namentlich der hinsichtlich der Ablehnung der „Handgelenksarthrose Grad II“ (über eine Handgelenksarthrose Grad IV hat die Beklagte schon nicht regelnd entschieden, nachdem eine solche auch überhaupt erst mit der Klagebegründung Anfang November 2020 von den damaligen Prozessbevollmächtigten erwähnt und geltend gemacht worden ist) als Unfallfolge - in Bestandskraft erwachsen (§ 77 SGG; s. dazu nur Senatsurteil vom 19.01.2023, L 10 U 4293/19, n.v.; Senatsbeschluss vom 29.03.2022, L 10 U 145/18, in juris, Rn. 19 ff. m.w.N.). Die spätere Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 04.11.2020 auf Anerkennung „der Handgelenksarthrose Grad IV“ ist - ungeachtet der Voraussetzungen des § 99 SGG - mithin ins Leere gegangen, denn eine (erweiterte) Klage gegen einen bestandskräftigen Verwaltungsakt ist unzulässig (BSG 09.12.2016, B 8 SO 1/15 R, in juris, Rn. 11; 25.03.2015, B 6 KA 22/14 R, in juris, Rn. 31 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 29.03.2022, L 10 U 145/18, a.a.O., Rn. 21 m.w.N.).

Nämliches gilt, soweit der Kläger mit dem o.a. Schriftsatz die (förmliche) Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung eines chronischen Schmerzsyndroms (der Sache nach: im Bereich der linken Hand) als Unfallfolge geltend gemacht hat. Die Unzulässigkeit der diesbezüglich erweiterten Klage resultiert bereits daraus, dass die Beklagte im Bescheid vom 29.04.2019 keine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X über eine derartige Gesundheitsstörung getroffen hat; ein chronisches Schmerzsyndrom ist im Bescheid nicht einmal auch nur erwähnt. Dazu hat im Übrigen auch nicht der geringste Anlass bestanden, nachdem eine solche Diagnose erstmals vom VdK im Widerspruch - vollkommen befundfrei und ohne dass ein Arzt zuvor eine solche Gesundheitsstörung überhaupt nur in Erwägung gezogen hat - behauptet worden ist. Insoweit erweist sich die erweiterte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mithin bereits mangels Klagebefugnis als unzulässig (s. dazu nur Senatsurteil vom 15.10.2020, L 10 U 421/17, www.sozialgerichtsbarkeit.de und vom 16.07.2020, L 10 U 1635/17, in juris, Rn. 30 ff., beide m.w.N. zur Rspr. des BSG; zuletzt etwa auch BSG 06.06.2023, B 12 KR 34/22 B, in juris, Rn. 14 m.w.N.).

Ist die erweiterte, auf die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung von Unfallfolgen gerichtete Klage mithin bereits unzulässig, folgt allein daraus insoweit die Unbegründetheit der Berufung. Davon abgesehen wäre die erweiterte Klage auch unbegründet, was die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden.

Das SG hat die - hier allein zulässige (s.o.) - Klage auf Gewährung von Rente im Ergebnis zu Recht aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2020 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.11.2015, dies schon deshalb, weil eine rentenberechtigende MdE zu keinem Zeitpunkt bis zur Entscheidung des Senats erreicht ist.

Anspruch auf eine Rente haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall (vorliegend also ab dem 17.05.2016) hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.

Vorliegend steht fest, dass der unfallpflichtversicherte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) Kläger am 17.11.2015 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit einen Arbeitsunfall (§ 7 Abs. 1 Var. 1 und § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) erlitt, denn dies hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 29.04.2019 zu seinen Gunsten anerkannt. Ebenfalls steht fest, dass sich der Kläger im Zuge dieses Ereignisses die linke Hand in einer Fahrzeugtür einklemmte - so seine eigenen Angaben - und sich dabei eine schwere Handgelenksprellung mit Riss-Quetschwunde ohne jegliche innere (traumaassoziierte) Strukturverletzungen zuzog. Davon sind alle Gutachter, auch der Wahlsachverständige, übereinstimmend und befundgestützt ausgegangen und diese Primärverletzung ergibt sich bereits aus dem d-ärztlichen Erstbefund vom Unfalltag; sie steht überdies bestandskräftig fest, nachdem die Beklagte auf Grundlage dessen das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt hat (s.o.). Soweit der Kläger die Begleitumstände des Unfallereignisses im Laufe des Verfahrens immer detaillierter beschrieben und ausgeschmückt hat (s. zuletzt seine Angaben ggü. H1 im August 2021, S. 130 ff. SG-Akte, mithin mehr als fünf Jahre nach dem Ereignis; s. demgegenüber die nur kargen und detailarmen Angaben in den Unfallanzeigen von November 2015 und Januar 2018, S. 1 und 9 VerwA, sowie ggü. P1, S. 98 VerwA, im Februar 2019), kommt es darauf mangels Relevanz nicht weiter an.

Fest steht ferner, dass diese schwere Handgelenksprellung mit Riss-Quetschwunde jedenfalls zum 17.05.2016 folgenlos ausgeheilt gewesen ist. Auch davon sind alle Gutachter übereinstimmend ausgegangen und selbst der Kläger hat dies in seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.04.2019 ausdrücklich eingeräumt („unstreitig“, s.o.). Mithin kann dieser Gesundheitserstschaden von vornherein keine MdE begründen.

Unabhängig davon, ob die vom Kläger über diese ausgeheilte Primärschädigung hinaus geltend gemachten Beschwerden tatsächlich vorliegen und unfallbedingt sind, liegt eine rentenberechtigende MdE von wenigstens 20 v.H. nicht vor.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. nur BSG 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, in juris, Rn. 12): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats aufgrund der unfallmedizinischen Literatur (der Senat legt seiner Rechtsprechung regelmäßig das unfallversicherungsmedizinische Standardwerk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 9. Aufl. 2017, zugrunde) richtet sich die MdE-Bewertung bei Handgelenksverletzungen maßgeblich nach den Bewegungsmaßen des verunfallten Handgelenks im Vergleich zur unverletzten Hand bzw. ggf. nach der Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit, wobei rechts- und linksseitige Verletzungen gleich bewertet werden (s. nur Senatsurteil vom 27.06.2023, L 10 U 961/21, n.v. und vom 15.12.2022, L 10 U 1783/18, in juris, Rn. 60 ff., jeweils unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 572 ff., 581). Der Funktionsbefund hat damit wegen der Bedeutung der Hand als Greif-, Druck-, Tast- und Ausdrucksorgan überragende Bedeutung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 572). Deswegen kommt rein bildgebenden Veränderungen für sich gesehen für die Höhe der MdE keine entscheidende Bedeutung zu. Namentlich die Bewertung arthrotischer Veränderungen hängt nicht von deren radiologischer Ausprägung ab, sondern von den daraus folgenden objektivierbaren Funktionseinschränkungen (Senatsurteil vom 27.06.2023, L 10 U 961/21, n.v.; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg 18.11.2013, L 3 U 285/11, www.sozialgerichtsbarkeit.de, unter Hinweis auf die unfallmedizinische Literatur).

Nach den MdE-Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 581) ist eine MdE von 10 v.H. bei einem Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 40° anzunehmen, eine MdE von 20 bis 30 v.H. bei einem Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80° bzw. bei einer isolierten Radius-Pseudarthrose, eine MdE von 25 v.H. bei einer Handgelenksversteifung in Neutralstellung, eine MdE von 40 v.H. bei einer Handgelenksversteifung in Beugung oder Überstreckung von je 45°, eine MdE von 20 v.H. bei einer Versteifung der Unterarmdrehung in Einwärtsdrehstellung, eine MdE von 30 v.H. bei einer Versteifung der Unterarmdrehung in Mittelstellung sowie eine MdE von 40 v.H. bei einer Versteifung der Unterarmdrehung in Auswärtsdrehstellung. Ferner bedingt eine konzentrische Bewegungseinschränkung des Handgelenks um die Hälfte eine MdE von 15 v.H., eine Versteifung des Handgelenks in Streckung/Beugung 10/10/0°, Ulnarabduktion 0-10°, bei freier Unterarmdrehung eine MdE von 25 v.H., eine Versteifung des Handgelenks in Streckstellung 0/0/0°, bei freier Unterarmdrehung eine MdE von 30 v.H. und eine Unterarmversteifung in Einwärtsdrehstellung 0/20/20° bis 0/40/40° eine MdE von 25 v.H. bzw. - bei Versteifung in Mittelstellung (0/0/0°) - von 30 v.H. sowie - bei Versteifung in Auswärtsdrehstellung (70/0/70°) - von 40 v.H. (s. zu allem Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 568).

Nichts dergleichen liegt indes beim Kläger im Bereich des linken Handgelenks vor - und zwar zu keinem Zeitpunkt -, namentlich kein Speichenbruch mit Achsenabknickung, keine isolierte Radius-Pseudarthrose („falsches Gelenk“), keine Handgelenks- und/oder Unterarmversteifung und auch keine konzentrische Bewegungseinschränkung des Handgelenks um die Hälfte. Aus den ärztlich-gutachtlich beschriebenen Handgelenksbeweglichkeiten (physiologische Normalmaße:
handrücken-/hohlhandwärts 50/0/60°, speichen-/ellenwärts 20/0/30°, s. nur Streicher/Pretterklieber in Anderhuber/Pera/Streicher, Waldeyer - Anatomie des Menschen, 19. Aufl. 2012, S. 221) bei jeweils allenfalls (links ggü. rechts) endgradig eingeschränkter Unterarm- und freier Fingerbeweglichkeit,

 

 

handrücken-/hohlhandwärts

speichen-/ellenwärts

 

links

rechts

links

rechts

G1
(April 2016)

links „allenfalls“ endgradig eingeschränkt

BGU-Ärzte
(März/April 2017)

45/0/50°

45/0/50°

10/0/20°

15/0/20°

P1
(Februar 2019)

40/0/40°

55/0/55°

10/0/30°

15/0/20°

Klinik L1
(Oktober 2019)

(links) „leichte“ Einschränkung der Extension (handrückenwärts)

B3
(Januar 2021)

45/0/60°

60/0/50°

10/0/15°

20/0/20°,



lässt sich klar und offensichtlich eine rentenberechtigende MdE nicht einmal auch nur ansatzweise ableiten, worauf namentlich der Sachverständige B3 vollkommen zutreffend hingewiesen hat. Die von H1 im August 2021 dokumentierten Bewegungsmaße (handrücken-/ hohlhandwärts links 15/0/30° ggü. rechts 40/0/60° sowie speichen-/ellenwärts links 10/0/20° ggü. rechts 20/0/40°) sind schon nicht plausibel, nachdem der Wahlsachverständige die Beweglichkeit klinisch ausdrücklich (S. 140 SG-Akte) als „vollumfänglich möglich“ (rechts) bzw. lediglich „endgradig“ (sic!) eingeschränkt (links) beschrieben hat; sie stehen auch mit dem von ihm im Übrigen erhobenen klinischen Befund (im Übrigen: keine auffälligen Schonungsmuster beim Entkleiden, nur leichte Verplumpung der Handgelenkskonturen links, Fingergelenkskonturen im Seitenvergleich unauffällig und ohne Beweglichkeitseinschränkung, Abspreizen/Heranführen in der Handebene sowie Abspreizen/Heranführen rechtwinklig zur Handebene ohne pathologische Veränderungen seitengleich, beide Hände seitengleich schwach beschwielt, normale Schweißabsonderung und Temperatur, Komplexbewegungen, namentlich Nackengriff und Schürzengriff, beidseits vollständig und schmerzfrei [sic!]) möglich, Faust-, Spitz- und Schlüsselgriff der Hände beidseits ausführbar) nicht in Einklang - ohnehin hat H1 die Winkelgradmessung „assistiv“, also mitarbeitsabhängig durchgeführt - und eine massive Beweglichkeitsverschlechterung seit der Begutachtung durch B3 (dort noch links 45/0/60° handrücken-/hohlhandwärts) hat der Wahlsachverständige nicht einmal auch nur angedeutet, geschweige denn eine solche auch nur in Erwägung gezogen; er hat stattdessen - wie dargelegt - im Fließtext seines Gutachtens ausdrücklich lediglich eine „endgradige“ Beweglichkeitseinschränkung links konstatiert und allein dies ist auch mit dem übrigen klinischen Befund schlüssig sowie nachvollziehbar in Einklang zu bringen.

Die MdE-Einschätzung des Wahlsachverständigen liegt unabhängig davon - auch insoweit ist B3 in seiner ergänzenden Stellungnahme sowie dem Beratungsarzt R2 (dessen Stellungnahme vom 20.09.2021 als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertbar ist) beizupflichten - vollkommen neben der Sache. Beim Kläger besteht, was H1 selbst eingeräumt hat, kein „Mondbeintod“ (Morbus Kienböck bzw. Lunatummalazie oder auch Mondbeinnekrose), sodass sein Rückgriff auf den entsprechenden MdE-Eckregelsatz ohne jegliche Grundlage ist. Auch seine „Meinung“, dieser Eckregelsatz sei - weil das Wort Arthrose darin vorkommt - irgendwie „vergleichbar“ mit dem Funktionszustand beim Kläger, ist abwegig, verkennt die oben dargestellten unfallmedizinischen Maßstäbe und ist in Ansehung der detaillierten MdE-Erfahrungswerte bei Handgelenksverletzungen (s.o.) schlicht nicht vertretbar. Dass H1 nicht auf die hier einschlägigen MdE-Erfahrungswerte zurückgegriffen hat - die ihm bekannt sind, was der Senat aus einer Vielzahl seiner Sachverständigengutachten in anderen Verfahren weiß -, zeigt im Übrigen eindrücklich, dass auch für ihn aus diesen Erfahrungswerten eine MdE in rentenberechtigendem Maße nicht herleitbar ist; sie lässt sich - wie dargelegt - auch nicht herleiten.

Dass es beim Kläger seit der Begutachtung durch H1 zu einer wesentlich verschlimmerten Beweglichkeitseinschränkung links gegenüber rechts (über eine bloß endgradige Einschränkung hinaus, s.o.) gekommen ist, ist weder ersichtlich - ärztliche Funktionsbefunde sind vom anwaltlich vertretenen Kläger nicht vorgelegt worden -, noch hat die Klägerseite Derartiges auch nur substantiiert behauptet.

Auch die vom Kläger geklagten Schmerzen im Bereich der linken Hand rechtfertigen keine MdE von wenigstens 20 v.H. Unabhängig davon, dass höhergradige Schmerzzustände schon von keinem der mit der Unfallsache des Klägers befassten Ärzte klinisch-objektiv bestätigt worden (im Gegenteil, s. namentlich den Bericht der BGU-Ärzte vom 22.03.2017: Behauptung des Klägers, er habe „deutliche“ Schmerzen und eine Schwellung, demgegenüber klinisch: keine Schwellung und auch keine Schmerzen mit Ausnahme eines bloßen Stauchungsschmerzes ohne Krepitation am linken Daumensattelgelenk) sind - auch nicht von H1 (s.o.), der entgegen seinen Behauptungen in der ergänzenden Stellungnahme maßgeblich die Schmerzangaben des Klägers zugrunde gelegt hat, obgleich der von ihm erhobene klinische Befund diese gerade nicht bestätigt hat (s.o.) -, sind die üblichen Schmerzen als Begleitsymptome einer körperlichen Schädigung in den Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung (s.o.) bereits berücksichtigt (s. nur Senatsurteile vom 15.12.2022, L 10 U 1783/18 und vom 15.11.2018, L 10 U 1969/17, beide in juris; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 244). Zwar können außergewöhnliche Schmerzen, beispielsweise CRPS (Complex Regional Pain Syndrome), Stumpf- und Phantomschmerz oder zentrale neuropathische Schmerzsyndrome, bei der MdE neben der Gewebeverletzung gesondert zu bewerten sein, wenn sie zu Funktionsbeeinträchtigungen führen, die die Funktionsbeeinträchtigungen der reinen Gewebeverletzung - mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit - deutlich übersteigen. Es sind aber nicht die Schmerzen als solches zu bewerten (statt vieler nur Senatsurteil vom 27.06.2023, L 10 U 961/21, n.v., unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 244). Derartige außergewöhnliche Schmerzen sind beim Kläger freilich gerade nicht nachgewiesen - und auch H1 hat nichts dergleichen beschrieben, geschweige denn einen entsprechenden klinischen Befund mitgeteilt -, sodass für eine irgendwie geartete MdE-Erhöhung der objektivierbaren Funktionseinschränkungen auf wenigstens 20 v.H. für die Zeit ab dem 17.05.2016 auch unter diesem Gesichtspunkt keinerlei Raum ist.

Entgegen dem SG ist auch mitnichten eine chronische Schmerzstörung (im Bereich der linken Hand) vollbeweislich nachgewiesen; das Gegenteil ist der Fall.

Diese Diagnose stammt zunächst von den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers, die mit ihrem Widerspruch vollkommen befundfrei, ohne jeglichen ärztlichen Sachverstand (keiner der behandelnden Ärzte hatte eine solche Diagnose gestellt) und allein aufgrund der Angaben des Klägers, dass er „bei geringster körperlicher Belastung im Bereich der linken Hand erhebliche Schmerzen“ habe (S. 135 VerwA) behauptet haben, der Kläger habe sich bei dem angeschuldigten Ereignis eine „Nervenverletzung“ zugezogen und leide deswegen nun an einer „chronischen Schmerzstörung“, weshalb eine neurologische Untersuchung erforderlich sei. Indes hat diese neurologische Untersuchung gerade keinerlei Nervenverletzung bzw., genauer, überhaupt keine neurologischen Auffälligkeiten ergeben (s. den neurologischen Befundbericht der Ärzte des Klinikums L1), ebenso wie schon zuvor im Rahmen der in der BGU stattgehabten Untersuchungen (der dort noch geäußerte V.a. auf ein - unfallunabhängiges - Karpaltunnelsyndrom links bestätigte sich in Folge nicht).

Dass B2 dann (fachfremd) in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.05.2020 (im Weges des Urkundsbeweises verwertbar) ein - freilich unfallunabhängiges - chronisches Schmerzsyndrom bei Radiokarpalarthrose links erwähnte, beruht allein auf dem entsprechenden Vorbringen im Widerspruch, denn ein entsprechender ärztlicher Befund lag und liegt gerade nicht vor (s.o.); unabhängig davon hat der Beratungsarzt ohnehin auch keinerlei Begründung, geschweige denn eine Grundlage für die „Übernahme“ dieser Diagnose genannt.

Auf welcher objektiv-klinischen Grundlage B3 dann wiederum einen (freilich ausdrücklich unfallunabhängigen) neuropathischen Schmerz (ohne weitere Begründung) angeführt hat (S. 81 SG-Akte), ist für den Senat ebenfalls nicht ansatzweise nachvollziehbar, nachdem die fachnäheren Neurologen irgendwelche Neuropathien im Bereich der linken Hand klar ausgeschlossen haben. Ohnehin erschließt sich die Annahme eines neuropathischen Schmerzzustands bzw. einer chronischen Schmerzstörung im Bereich der linken Hand aufgrund des von B3 mitgeteilten
neuroorthopädischen Befunds (s. dazu S. 74 f. SG-Akte: lediglich eine demonstrierte Allodynie bzw. Hyperpathie am linken Handgelenk dorsal respektive Hypästhesie dorsoradial) sowie des übrigen klinischen Befunds (namentlich: lediglich „diffuser Druckschmerz“ am linken Handgelenk auslösbar, dabei wiederum linke Mittelhand und sämtliche Finger nicht druckempfindlich, an allen übrigen Abschnitten des linken Arms kein Druckschmerz auslösbar, schmerzfrei vorführbarer Cross-Body-, Nacken- und Schürzengriff, lediglich „Angabe“ eines endgradigen [sic!] Bewegungsschmerzes bei der Hand-/Unterarmbeweglichkeitsprüfung) nicht. B3 hat ersichtlich auch allein auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren bzw. auf die Äußerung des B2 rekurriert (s. S. 91, 93 SG-Akte) und im Übrigen maßgeblich auf die Beschwerde- und Schmerzangaben des Klägers abgestellt, die mit den dokumentierten klinischen Befunden indes gerade nicht in Einklang stehen, ebenso wenig wie mit seiner Einlassung gegenüber B3, nur Ibuprofen und dies auch nur bedarfsabhängig („wenn ich stärkere Schmerzen habe“) einzunehmen.

Damit stehen bereits die dokumentierten neurologischen Befunde der Annahme eines irgendwie gearteten neuropathischen Schmerzgeschehens im Bereich der linken Hand klar entgegen und eine chronische Schmerzstörung ist beim Kläger von keinem Facharzt für Neurologie bzw. Nervenheilkunde zu irgendeinem Zeitpunkt bestätigt worden; Derartiges hat die Klägerseite auch nicht einmal nur behauptet und die bloße Angabe von Schmerzen ersetzt auch keine (fach-)ärztliche, auf Grundlage objektiv-klinischer Befunde nachvollziehbare Diagnose einer chronischen Schmerzstörung. Allein aus diesem Grund käme die Feststellung eines „chronischen Schmerzsyndroms bei Radiokarpalarthrose“, auch bei Zulässigkeit der diesbezüglichen Klage (s.o.), aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht in Betracht.

Nach alledem begründen die beim Kläger ärztlich-gutachtlich objektivierten Funktionsbefunde im Bereich der linken Hand keine rentenberechtigende MdE und zwar gänzlich unabhängig von der Ursache der angeschuldigten Handgelenksarthrose.

Insoweit merkt der Senat lediglich ergänzend an:

Bereits zum Unfallzeitpunkt haben beim Kläger ganz erhebliche degenerative arthrotische Veränderungen im Bereich der linken Hand vorgelegen. Dies ist schon aufgrund der Röntgenaufnahmen vom Unfalltag vollkommen zweifelsfrei und alle Gutachter haben dies bestätigt, ebenso, dass diese Arthrose als solche unfallunabhängig ist; auch der Wahlsachverständige H1 hat dies in seinem Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme mehrmals ausdrücklich festgehalten. Damit käme die Feststellung einer Arthrose als Unfallfolge, selbst wenn die Klage insoweit zulässig wäre (s.o.), nicht in Betracht.

Soweit der Wahlsachverständige - trotz seines mehrmaligen Hinweises darauf, dass die Arthrose gerade nicht unfallabhängig ist - im Anschluss an die Kausalitätsausführungen des B3 gemeint hat, die beim Kläger bestehenden (freilich objektiviert nur geringen, s.o.) Funktionseinschränkungen mit Schmerzen (ohne dass eine irgendwie geartete Schmerzstörung oder ein neuropathisches Schmerzgeschehen nachgewiesen ist, s. ebenfalls oben) beruhten auf dem Unfall, ist Derartiges im gerichtlichen Verfahren schon nicht zur Anerkennung gestellt worden, sondern allein die bezeichnete Handgelenksarthrose und ein chronisches Schmerzsyndrom.

Ungeachtet dessen ist den Kausalitätserwägungen des B3 (Verneinung der Kausalität auf der sog. 2. Stufe, s. sogleich) und den entgegenstehenden Erwägungen des H1 (Verneinung einer „Gelegenheitsursache“) bereits durch das (fachnähere) Sachverständigengutachten der K1 der Boden entzogen; auch die (ohnehin) rein spekulativen („vermutlich“) Ausführungen des P1 zu einer „traumabedingten Manifestation der Handgelenkarthrose“ durch das Unfallereignis („Aktivierung“) sind widerlegt, ebenso wie die nicht weiter begründete - und auch überhaupt nicht mit dem vorliegend in Rede stehenden Ereignis in Zusammenhang gebrachte - Angabe des V1 (über vier Jahre nach dem Unfall) einer „posttraumatischen“ Arthrose, zumal dieser einen Zustand nach Scaphoidfraktur beschrieben hat, obgleich der Unfall vom 17.11.2015 erwiesenermaßen zu keiner knöchernen Verletzung geführt hat.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden nur BSG 12.04.2005, B 2 U 27/04 R, in juris, Rn. 16). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war; eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
K1 hat für den Senat in jeder Hinsicht überzeugend dargelegt, dass die bildgebend sichtbaren arthrotischen Veränderungen im Bereich des linken Handgelenks des Klägers nicht nur bereits am Unfalltag in deutlich fortgeschrittenem Ausmaß vorlegen haben (so auch alle anderen Gutachter übereinstimmend), sondern auch, dass die Arthrose durch das Unfallereignis gerade nicht in irgendeiner Form „aktiviert“ oder in Folge des Ereignisses wesentlich verschlimmert worden ist, da sich entsprechende Anzeichen dafür (namentlich: fehlender progredienter Erguss entlang der Ossa carpalia, fehlende deutliche Tendopathie, insbesondere der Streck- und Beugesehnen, keine ödematöse Durchtränkung auch der Weichteilstrukturen, kein Spongiosaödem an den artikulären knöchernen Elementen) in der unfallnahen Bildgebung gerade nicht gezeigt haben und auch die nachfolgenden Bildgebungen (im Rahmen der Arthroskopie sowie die MRT) mangels jeglicher Anzeichen einer traumatischen Einwirkung auf die inneren Strukturen dafür rein nichts hergeben. Dem hat sich auch B3 ausdrücklich angeschlossen. Soweit dieser dann aber gemeint hat, K1 habe die unfallversicherungsrechtlichen (sic!) Maßstäbe verkannt und eine Unfallursächlichkeit scheitere vielmehr an der fehlenden rechtlichen Wesentlichkeit, ist dies wiederum für den Senat nicht nachvollziehbar. Denn K1 - die als Radiologin zuvörderst zur Beurteilung bildgebender Befunde berufen ist - hat klar (bereits) einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen den arthrotischen Veränderungen im Bereich der linken Hand des Klägers - sowohl i.S. einer Entstehung, als auch i.S. einer „Aktivierung“ und Verschlimmerung (Letzteres auch von B3 ausdrücklich bestätigt) - und dem Unfall vom 17.11.2015 verneint. Dem hat B3 auch gar nicht widersprochen (S. 98 SG-Akte), sondern bloß gemeint, dies ändere nichts an der fehlenden rechtlich-wertenden Kausalität. Indes ist für eine Kausalitätsbeurteilung auf der zweiten Stufe überhaupt kein Raum, wenn schon - wie hier - auf erster Stufe ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zu verneinen ist.

Damit gehen die diesbezüglichen Ausführungen der B3 und H1 am eigentlichen Thema vollkommen vorbei (zur bloßen Spekulation - die ohnehin nicht geeignet ist, einen Ursachenzusammenhang aufzuzeigen - des P1 s. bereits oben). Das angeschuldigte Ereignis war keine „Gelegenheitsursache“ für die Arthrose bzw. eine „Aktivierung“, sondern überhaupt keine Ursache, eben weil ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang nicht einmal auch nur wahrscheinlich ist.

Der Klage- und Berufungsvortrag, mit dem der Kläger seine (angeblich) seit dem Unfall durchgehend bestehenden Beschwerden und Schmerzen im Bereich der linken Hand in den Vordergrund gestellt hat, sind nicht ansatzweise geeignet, die obige, maßgeblich auf dem Gutachten der K1 beruhende (und auch von B3 - wenn auch unter Verkennung der rechtlichen Maßstäbe - letztlich bestätigte) Beurteilung in Zweifel zu ziehen, zumal die Beschwerdeangaben des Klägers gerade nicht mit den dokumentierten objektivierbaren Befunden in Übereinstimmung stehen. Auch seine Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis ändert an allem nichts. Zum einen genügt ein bloß zeitlicher Zusammenhang nicht zur Herstellung eines (überwiegend) wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs, dieser muss vielmehr auch sachlich-inhaltlich nachvollziehbar sei (s. nur BSG 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, in juris, Rn. 20 m.w.N.; Senatsurteil vom 20.04.2023, L 10 U 3956/20, in juris, Rn. 41; Senatsbeschluss vom 29.03.2022, L 10 U 145/18, in juris, Rn. 26 m.w.N.), was vorliegend gerade nicht der Fall ist; zum anderen ist auch die Behauptung durchgehender Beschwerden seit dem Unfall durch den Arztbrief des G1 von April 2016 klar widerlegt. Denn nach Abschluss der Behandlung der schweren Handgelenksprellung mit RQW - die zwanglos die klägerischen Beschwerden und Schmerzen nach dem Unfallereignis erklärt - ist es beim Kläger zu einer wochenlangen Beschwerdefreiheit im Bereich der linken Hand gekommen, worauf G1 ausdrücklich hingewiesen hat. Erst nach Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit mit schweren handbelastenden Arbeiten stellte sich der Kläger d-ärztlich erneut vor. Auch diese zeitliche Latenz hat H1, der maßgeblich auf die Beschwerdefreiheit vor dem Unfall abgestellt hat, verkannt. Es liegt damit vielmehr nahe, dass nicht der Unfall die (unzweifelhaft vorbestehende) Arthrose „aktiviert“ hat (dies steht ohnehin fest, s.o.), sondern die weitere Ausübung der beruflichen Tätigkeit Wochen nach dem Ereignis. Indes kommt es darauf nicht weiter an, eben weil es für die Frage einer Unfallursächlichkeit nicht hinreichend ist, bloß Alternativursachen „auszuschließen“ bzw. wegzudiskutieren, die vorliegend ohnehin nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden können, zumal K1 - dies nur am Rande - auch auf bildgebend bereits sichtbare degenerative Veränderungen im Bereich des rechten Handgelenks aufmerksam gemacht hat, ebenso wie B3 (beidseitig, links etwas ausgeprägter als rechts, bestehende, unfallunabhängige Ulna-Plus-Variante).

Soweit die Klägerseite auf ein Urteil des 6. Senats des LSG Baden-Württemberg verwiesen hat (L 6 U 4073/08, in juris), ergibt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts, was hier entscheidungsrelevant wäre. Wie oben umfassend dargelegt, sind beim Kläger zwar unfallbedingt schmerzhafte Beschwerden im Bereich des linken Handgelenks in Form einer schweren Handgelenksprellung mit RQW aufgetreten, die unfallvorbestehende Arthrose und die darauf beruhenden funktionellen Einschränkungen stehen aber in keinem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Ohnehin ist der erkennende Senat nicht an (Einzelfall-)Entscheidungen anderer Senate bzw. Obergerichte gebunden.

Der medizinische Sachverhalt ist ausreichend aufgeklärt. Insbesondere das Sachverständigengutachten der K1, die von B3 gutachtlich erhobenen Befunde und seine MdE-Bewertung sowie die des R2, der vom Sachverständigen H1 dokumentierte klinische Befund und die Arztbriefe der BGU-Ärzte sowie der Befundbericht der Ärzte des Klinikums L1 haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt. Soweit die Klägerseite zunächst noch (nur pauschal) gemeint hat, H1 müsse ergänzend zu „Arthrosen und Beschwerden an anderen Gelenken“ gehört werden (S. 32 Senats-Akte) bzw. alle Sachverständigen müssten ergänzend „in Bezug auf den durchgehend beim Kläger seit dem Unfall bestehenden Schmerz und der fehlenden Beschwerdesymptomatik hinsichtlich seiner weiteren Gelenke“ befragt werden (S. 47 Senats-Akte), hat sie daran zuletzt - nach erneutem Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG - nicht mehr festgehalten (s. Schriftsatz vom 03.11.2023, S. 51 f. Senats-Akte). Ohnehin hat es sich dabei schon nicht um prozessordnungsgemäße Beweisanträge gehandelt und als Beweisanregung musste dem der Senat nicht nachgehen, weil der Frage, ob und in welchen Umfang beim Kläger in anderen Gelenken Arthrosen bzw. Beschwerden bestehen, keine entscheidungserhebliche Relevanz zukommt. Ob und in welchem Umfang der Kläger „seit dem Unfall“ Schmerzen hat, ist durch die vorhandenen ärztlichen Dokumentationen sowie durch die Gutachten (ausgenommen das Sachverständigengutachten der K1, die als Radiologin zur Beurteilung vom Vorhandensein von Schmerzen freilich schon überhaupt nicht berufen ist), soweit es überhaupt entscheidungsrelevant ist, hinreichend geklärt, wenn auch nicht im Sinne des Klägers. Dass und warum beim Kläger namentlich keinerlei Anknüpfungstatsachen für eine chronische Schmerzstörung bzw. ein neuropathisches Schmerzgeschehen im Bereich der linken Hand bestehen, ist oben im Einzelnen dargelegt worden; darauf wird hier verwiesen.
Die Gerichte müssen ohne konkrete Anhaltspunkte nicht ins Blaue hinein ermitteln (dazu statt vieler nur BSG 24.02.2021, B 13 R 79/20 B, in juris, Rn. 14 m.w.N., auch zur Rspr. des Bundesverfassungsgerichts).

Der zuletzt vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellte „Hilfsantrag“ (S. 52 SG-Akte) ist im Übrigen gegenstandslos, nachdem der Senat über dieses prozessuale Begehren bereits als und gemäß dem Hauptantrag entschieden hat (s.o.). Dass und warum dem Kläger keine Verletztenrente zusteht, ist oben dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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