L 7 KA 18/23 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 18/23 KL
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Schiedsstelle nach § 18a KHG darf über gestellte Anträge nicht nur „dem Grunde nach“ entscheiden. Damit unterschreitet sie ihren Gestaltungsspielraum. 

2. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität darf den Bemühungen eines Trägers von Hochschulambulanzen in den Vergütungsverhandlungen nach § 120 Abs. 2 SGB V nicht pauschal entgegen gehalten werden; die Vergütung der Hochschulambulanz muss die Leistungsfähigkeit der ermächtigten Einrichtung bei wirtschaftlicher Betrachtung gewährleisten.


                 
 

Der Schiedsspruch der Beklagten vom 24. Januar 2023 (schriftliche Fassung vom 20. April 2023) wird aufgehoben, soweit er folgende Posten betrifft:

  • ergänzende Vergütungspauschale für die Behandlung von Post-Covid-Patienten mit der Diagnose nach ICD-10-GM U09.9! sowie
  • aus dem Bereich seltene Erkrankungen – Genetik und Beratung/Diagnostik die ergänzende Vergütungspauschale S07 (Primärdiagnostik-Pauschale) und S08 (Folgediagnostik).

Insoweit wird die Beklagte verpflichtet, über die Schiedsstellenanträge  unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1. und die Beklagte zu je einem Viertel und die Klägerin zu 2. zur Hälfte.

Die außergerichtlichen Kostender Klägerin zu 1. trägt sie selbst zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel.

Die außergerichtlichen Kostender Klägerin zu 2. trägt sie selbst zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel.

Die außergerichtlichen Kostender Beklagten trägt sie selbst zu einem Viertel und die Klägerinnen zu 1. und zu 2. je zu drei Achteln. 

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Charité Universitätsmedizin Berlin (Klägerin zu 2.) betreibt eine Vielzahl von Hochschulambulanzen nach § 117 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Streitig ist die Vergütung der Leistungen dieser Hochschulambulanzen nach § 120 SGB V in den Jahren 2021 und 2022. Die klagende Krankenkasse (Klägerin zu 1.) und die Klägerin zu 2. wenden sich jeweils eigenständig und aus verschiedenen Gründen gegen einen insoweit ergangenen Schiedsspruch der Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze in Berlin (Schiedsstelle nach § 18a Krankenhausfinanzierungsgesetz [KHG], Beklagte) vom 24. Januar 2023 (schriftliche Fassung vom 20. April 2023).

Mit Wirkung vom 23. Juli 2015 regelte das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz die Vergütung der Hochschulambulanzen neu, im Wesentlichen durch Neufassung der §§ 117, 120 SGB V. Die Klägerin zu 2. und die Kassenverbände (die Klägerin zu 1. sowie die Beigeladenen zu 2. bis 6.) nahmen im Jahre 2018 Verhandlungen zur Umsetzung der Neuregelungen für die Jahre 2018 und 2019 auf. Dies mündete im Abschluss eines Vertrages nach §§ 117 und 120 SGB V über die Leistungen und Vergütung der Hochschulambulanzen („Rahmenvertrag“) vom 19. Oktober 2018. Wegen der Einzelheiten dieses Rahmenvertrages nebst Anlagen wird auf die im Schiedsverfahren von der Klägerin zu 2. mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 vorgelegte Anlage AS 1 Bezug genommen. Anlage 2 zum Rahmenvertrag enthielt eine Vergütungsvereinbarung für die Jahre 2018 und 2019. Nach § 1 dieser Vergütungsvereinbarung erfolgte die Vergütung nach Pauschalen in fünf Preisgruppen. Die jeweils vereinbarte Gesamtfallzahl wurde prozentual nach dem Leistungsgeschehen im Jahr 2017 auf die fünf Preisgruppen verteilt. Es wurde ein Budget für die einzelnen Preisgruppen, ein Gesamtbudget (2019: 44.655.625,00 Euro) sowie eine durchschnittliche Fallpauschale (Gesamtbudget./.Gesamtfallzahl) vereinbart. Nach der Vergütungsvereinbarung waren Mehrleistungen vergütungsfähig. Bis zu 5.000 Mehrfälle werden mit 55 % der durchschnittlichen Fallpauschale vergütet. Darüber hinausgehende Fälle blieben ohne Vergütung.

Für das Jahr 2020 konnten sich die Vertragsparteien nicht auf eine Vergütungsregelung einigen. In der Folge erging ein Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle vom 22. Juni 2021, der u.a. regelte:

1.a) Für die Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen der Antragstellerin nach § 117 SGB V Im Jahr 2020 werden fünf Pauschalen für die den Vergütungsgruppen jeweils zugeordneten Hochschulambulanzen pro Fall im Quartal festgesetzt:

Gruppe 1: 102,08 Euro

Gruppe 2: 123,02 Euro

Gruppe 3: 151,11 Euro

Gruppe 4: 189,88 Euro

Gruppe 5: 339, 82 Euro

b) Die tatsächliche Fallzahl von 297.397 Fällen im Jahr 2020 verteilt sich auf die Vergütungsgruppen wie folgt: 16,19 % Gruppe 1, 13,16 % Gruppe 2, 29,76 % Gruppe 3, 37,69 % Gruppe 4, 3,20 % Gruppe 5.

2. Das Gesamtbudget der Hochschulambulanzen der Antragstellerin für das Jahr 2020 beträgt bei 300.000 Fällen und unter Berücksichtigung eines Mindererlösausgleiches von 55 v. H. der durchschnittlichen gewichteten Pauschale von 160,13 Euro (229.250,11 Euro, bezogen auf das Budget von 47.622.859 Euro bei 297.397 Fällen) insgesamt 47.852.109,11 Euro.

3. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung ergänzender Pauschalen wird abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten dieses nicht gerichtlich angegriffenen Schiedsspruchs wird auf Bl. 189 bis 195 der Akte zum Verfahren L 7 KA 20/23 KL Bezug genommen.   

Ohne Einigung blieben auch die Vergütungsverhandlungen der Vertragspartner für die Jahre 2021 und 2022. Umstritten war insbesondere die Einführung neuer bzw. ergänzender Pauschalen.

Am 24. Januar 2023 (schriftliche Fassung vom 20. April 2023) traf die beklagte Schiedsstelle auf Schiedsantrag der Klägerin zu 2. eine Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen gemäß §§ 117, 120 Abs. 2, Abs. 4 SGB V für die Jahre 2021 und 2022.

Für das Jahr 2021 wurde beschlossen:

l. Anträge der Antragstellerin 2021

1. Den Anträgen der Antragstellerin vom 24.10.2022 unter den Ziffern 1. bis 4. und bezüglich der Grundpauschalen, Fallzahlen und Gesamtbetrag wird modifiziert wie folgt entsprochen:

Es wird für das Jahr 2021 festgesetzt:

 

 

Vergütungsgruppen

 

Anteil Fallzahl

in %                 Ist 2019 – 2021

 

 

Fallzahl 2021

bei Verteilung

aus Ist 2019-2021

 

Pauschale

in Euro

 

Budget 2021 in Euro

(bisherige Pauschalen)

 

 

 

 

Gruppe 1

16,87%

51.468

104,66 €

5.386.641 €

Gruppe 2

13,65%

41.622

126,13 €

5.249.783 €

Gruppe 3

31,01%

94.580

154,93 €

14.653.279 €

Gruppe 4

35,38%

107.921

194,68 €

21.010.060 €

Gruppe 5

3,09%

9.409

348,42 €

3.278.284 €

Zwischensumme

 

305.000

 

49.578.047 €

zzgl. 55 %

 

7.182

89,40 €

642.071 €

Gesamtbudget aus Pauschalen gemäß § 2 HSA-SV

 

 

312.182

 

 

50.220.118 €

Dem liegen folgende Entscheidungen im Einzelnen zugrunde:

  • Die Aufteilung der Grundpauschalen erfolgt weiterhin in fünf Gruppen, deren Vergütung sich nach dem durchschnittlichen, tatsächlichen Anteil der Fallzahlen in den Jahren 2019 bis 2021 bemisst.
  • Die Gesamtfallzahl für das Jahr 2021 beträgt 305.000.
  • Zu diesen Fällen gehören auch Fälle der Weiterbehandlung, die nicht nach § 5 Abs. 1 HSA-SV als ein Behandlungsfall zu klassifizieren sind und dafür folgende Voraussetzungen erfüllen: Die Behandlung des Patienten mit einer Ambulanzdiagnose ist in der entlassenden Hochschulambulanz abgeschlossen. Der Patient wird in einer anderen Hochschulambulanz mit einer anderen Ambulanzdiagnose behandelt.
  • Der Gesamtbetrag/das Budget wird für das Jahr 2021 in Höhe von 49.578.047 € festgesetzt. Dabei wurde eine Erhöhung um die Veränderungsrate in Höhe von 2,53 % berücksichtigt.
  • Die durchschnittliche Fallpauschale beträgt 162,55 € (kaufmännisch gerundet).
  • Nach Erreichen des Gesamtbetrages in Höhe von 49.578.047 € und der Fallzahl von 305.000 werden alle zusätzlich erbrachten Fälle mit 55 % der durchschnittlichen Fallpauschale in Höhe von 162,55 € und damit mit 89,40 € vergütet (kaufmännisch gerundet).

2. Antrag Ziffer 5.: Mindererlösausgleich

Dem Antrag der Antragstellerin auf Mindererlösausgleich in Höhe von 55 % wird nicht stattgegeben.

3. Antrag Ziffer 6.: Neue Pauschalen

a) Dem Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung neuer Pauschalen als neue Gruppen 6 bis 10 für spezielle Leistungen wird nicht stattgegeben.

b) Die Schiedsstelle setzt fest, dass statt der unter der Ziffer 6 beantragten neuen Pauschalen folgende ergänzende Vergütungspauschalen nach § 2 Abs. 3 HSA-SV abgerechnet werden können:

  • Für die Nachsorge Onasemnogene abeparvovec (Zolgensma) wird als ergänzende Vergütung eine Quartalspauschale in Höhe von 982,31 € festgesetzt, die zusätzlich zu der Quartalspauschale der Hochschulambulanz Pädiatrie (Vergütungsgruppe 3) abgerechnet werden kann. Die für diese Leistung im Jahr 2021 bereits abgerechneten SPZ-Pauschalen sind von der Antragstellerin zu stornieren und die Beträge sind zurückzuzahlen.
  • Für die Post-Covid-Patienten mit der Diagnose nach ICD-10-GM U09.9! kommt eine ergänzende Vergütungspauschale in Betracht als eine für alle Gruppenpauschalen 1-5 einheitliche ergänzende Pauschale je Behandlungsfall. Die Höhe dieser Pauschale ist von den Vertragsparteien zu verhandeln und zu vereinbaren.

c) Die Schiedsstelle lehnt die drei beantragten Pauschalen für die Kryokonservierung ab.

4. Antrag Ziffer 7.: Ergänzende Pauschalen:

a) Zu den beantragten ergänzenden Pauschalen hat die Schiedsstelle entschieden:

  • Seltene Erkrankungen - Genetik und Beratung/Diagnostik (S01-S08):

Die beantragten ergänzenden Pauschalen S07 und S08 werden dem Grunde nach zugesprochen.

Eine Entgelthöhe für die ergänzenden Pauschalen S07 und S08 wird nicht festgesetzt. Der Antragstellerin wird aufgegeben, eine plausible und nachprüfbare Kalkulation für unterschiedliche Behandlungsfälle auf der Grundlage von Leistungs- und Kostendaten aufzustellen und diese den  Antragsgegnern mit dem Ziel vorzulegen, eine angemessene pauschale Zusatzvergütung zu vereinbaren. Dabei sind die Gruppenpauschalen bzw. die durchschnittliche Quartalspauschale zu berücksichtigen.

Die beantragten ergänzenden Pauschalen S01 bis S06 werden abgelehnt.

•   Radiologische Diagnostik/ Nuklearmedizin (R01 - N07):

a) Für die PET-CT-Leistungen setzt die Schiedsstelle die beantragten ergänzenden Pauschalen:

N01:    854,40 EUR

N02: 1.637,59 EUR

N03: 1.616,92 EUR

fest.

Die übrigen beantragten ergänzenden Vergütungen für die Leistungen (R01, R02, N04, N07) werden abgelehnt.

b) Die Schiedsstelle lehnt den Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung einer ergänzenden Pauschale für die präzisionsonkologische Beratung (P01) ab.

5. Antrag Ziffer 8.:

Die Pauschalen und ergänzenden Vergütungen, die bisher ganz oder der Höhe nach nicht abgerechnet werden konnten, sind im nächsten Vereinbarungszeitraum auszugleichen.

Il. Anträge der Antragsgegner 2021

Den Anträgen der Antragsgegner unter den Ziffern 1 und 3 wird nicht stattgegeben.

Dem Antrag der Antragsgegner vom 24.01.2023 wird ebenfalls nicht stattgegeben.

Dem Antrag unter der Ziffer 2 wird, wie unter Abschnitt A. l. 1. dieses Beschlusses dargestellt, modifiziert entsprochen.

Für das Jahr 2022 wurde beschlossen:

l. Anträge der Antragstellerin 2022

1. Den Anträgen der Antragstellerin vom 24.10.2022 und 24.01.2023 unter den Ziffern 1. bis 4. bezüglich der Grundpauschalen, Fallzahlen und Gesamtbetrag wird modifiziert wie folgt entsprochen:

Es wird für das Jahr 2022 festgesetzt:

 

 

Vergütungsgruppen

 

Anteil Fallzahl

in %                 Ist 2020 – 2022

 

 

Fallzahl 2022

bei Verteilung

aus Ist 2020-2022

 

Pauschale

in Euro

 

Budget 2022  in Euro

(bisherige Pauschalen)

 

 

 

 

Gruppe 1

16,44 %

50.952

107,06 €

5.454914 €

Gruppe 2

13,41 %

41.576

129,02 €

5.364.178 €

Gruppe 3

30,60 %

94.855

158,48 €

15.032.573 €

Gruppe 4

35,86 %

111.152

199,14 €

22.134.813 €

Gruppe 5

3,70 %

11.465

356,40 €

4.086.137 €

Summe 100 %

100 %

310.000

 

52.072.615 €

zzgl. 55 %

 

16.908

92,39 €

1.562.130 €

Gesamtbudget aus Pauschalen gemäß § 2 HSA-SV

 

 

326.908

 

 

53.634.745 €

Dem liegen folgende Entscheidungen im Einzelnen zugrunde:

  • Die Aufteilung der Grundpauschalen erfolgt weiterhin in fünf Gruppen, deren Vergütung sich nach dem durchschnittlichen, tatsächlichen Anteil der Fallzahlen in den Jahren 2020 bis 2022 bemisst.
  • Die Gesamtfallzahl für das Jahr 2022 beträgt 310.000.
  • Der Gesamtbetrag/das Budget wird für das Jahr 2022 in Höhe von 52.072.615 € festgesetzt. Dabei wurde eine Erhöhung um die Veränderungsrate in Höhe von 2,29 % berücksichtigt.
  • Die durchschnittliche Fallpauschale beträgt 167,98 € (kaufmännisch gerundet).
  • Nach Erreichen des Gesamtbetrages in Höhe von 52.072.615 € und der Fallzahl von 310.000 werden alle zusätzlich erbrachten Fälle mit 55 % der durchschnittlichen Fallpauschale in Höhe von 167,98 EUR und damit mit 92,39 € vergütet (kaufmännisch gerundet).

2. Zu den gleichlautenden Anträgen unter den Ziffern 5. bis 8. hat die Schiedsstelle wie zuvor unter Abschnitt I. 2. bis 5. entschieden.

Für die Nachsorge Onasemnogene abeparvovec (Zolgensma) wird die ergänzende Quartalsvergütung jedoch in Höhe von 1.007,59 EUR festgesetzt. Die für diese Leistung im Jahr 2022 bereits abgerechneten SPZ-Pauschalen sind von der Antragstellerin zu stornieren und die Beträge sind zurückzuzahlen.

III. Anträge der Antragsgegner 2022

Den Anträgen der Antragsgegner unter den Ziffern 1 und 5. sowie dem Antrag vom 24.01.2023 wird nicht stattgegeben.

Dem Antrag unter der Ziffer 4 wird modifiziert entsprochen, siehe zuvor unter Abschnitt B. l. 1 dieses Beschlusses.

Dem Antrag unter der Ziffer 6 wird nicht stattgegeben.

Wegen der im Schiedsverfahren gestellten Anträge und der Einzelheiten des Schiedsspruchs nebst seiner Begründung wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Gegen den Schiedsspruch vom 24. Januar 2023 hat die AOK Nordost (die Klägerin zu 1.) am 16. Mai 2023 Klage erhoben. Die weiteren fünf Kassenverbände, hier beigeladen zu 2. bis 6., haben keine Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin zu 1. im Wesentlichen an: Der Schiedsspruch werde „vollumfänglich zur gerichtlichen Überprüfung gestellt“; insbesondere ergebe sich seine Rechtswidrigkeit unter folgenden Aspekten:

Die Beklagte sei nicht befugt gewesen, eine Festsetzung zur Einbeziehung der Fälle der Weiterbehandlung als eigenständige Behandlungsfälle innerhalb eines Quartals zu treffen. Denn die Fallzählung bzw. Behandlungsfalldefinition bestimme sich abschließend nach § 5 der Hochschulambulanz-Struktur-Vereinbarung (HSA-SV). Insoweit bestünden keine Vereinbarungsbefugnisse der Vertragspartner und keine Festsetzungsbefugnis der Beklagten. Unabhängig davon lägen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 HSA-SV Fälle der Weiterbehandlung als „neuer Behandlungsfall“ nur dann vor, wenn die anderweitige Weiterbehandlung im Folgequartal erfolge. Behandlungen innerhalb desselben Quartals sehe § 5 Abs. 1 Satz 4 HSA-SV als Mitbehandlung an. Fälle der Weiterbehandlung könne es daher nach den Regelungen der HSA-SV nicht geben. Ohnehin habe die Beklagte die streitige Regelung nur für 2021 und nicht für 2022 getroffen.

In den Festsetzungen der Beklagten liege ein Verstoß gegen die Beitragssatzstabilität, denn ausgehend von einem Gesamtbudget im Jahre 2020 von 47.622.859 €  habe die Beklagte das Gesamtbudget für 2021 um 4,11 Prozent erhöht und für das Jahr 2022 um 5,03 Prozent und damit weit über die jeweilige Veränderungsrate hinaus. Dazu finde sich in dem Beschlusstext auch keine Begründung. Zwar regele § 120 Abs. 2 SGB V eine Pauschalierungsbefugnis und gebe keine zwingende Budgetvereinbarung vor. Allerdings hätte die Beklagte an die Vergütungsstruktur der Vorjahre mit ihren ausgabenbegrenzenden Regelungen anknüpfen müssen. Das Prinzip der Vorjahresanknüpfung beziehe sich sowohl auf die Vergütungshöhe einzelner Leistungen bzw. Leistungspauschalen als auch auf die Vergütungshöhe bezogen auf die Gesamtheit aller Leistungen. Die Beklagte hätte die bisherigen ausgabenrelevanten Festsetzungen unter Beachtung der Beitragssatzstabilität fortentwickeln müssen. Ausgabenvolumen und Mengenentwicklung seien selbst bei reinen Preisvereinbarungen stets zu berücksichtigen.

Mit ihrem Schiedsspruch habe die Beklagte eine Mengensteuerung in Form einer fallzahlabhängigen Abstaffelung ohne Fallzahlobergrenze beschlossen und weiche damit ohne tragfähige Grundlage ausgabenerhöhend von den Vergütungsstrukturen der Vorjahre ab. So habe man für die Jahre 2018 und 2019 eine abgestaffelte Vergütung zu 55 Prozent für maximal 5.000 Fälle vereinbart. Der Schiedsspruch für 2020 habe diese Systematik beibehalten. Die Festsetzung im angefochtenen Schiedsspruch führe zu Mehrausgaben oberhalb der Veränderungsrate. Die Beklagte habe insoweit ungeprüft gelassen, ob ein Ausnahmefall vorliege, der ein Überschreiten der Veränderungsrate ermögliche. Allein auf das Kriterium des Patientenzulaufs hätte nicht abgestellt werden dürfen. Das um die Veränderungsrate gesteigerte maximale Ausgabenvolumen dürfe nicht überschritten werden. Im Übrigen sei der Schiedsspruch in Bezug auf die Einhaltung der Mengensteuerung nicht eindeutig; es sei nämlich fraglich, ob auch die ergänzende Vergütung nach § 2 Abs. 3 HSA-SV der Mengensteuerung unterliege. Insgesamt lägen mehrere unterschiedliche Festsetzungen der Beklagten vor, die je für sich und erst recht zusammen genommen das um die Veränderungsrate gesteigerte Ausgabevolumen überstiegen, was rechtsfehlerhaft sei.

In Bezug auf „Nachsorge Zolgensma“ und PET-CT habe die Beklagte ergänzende Vergütungspauschalen im Sinne von § 2 Abs. 3 HSA-SV festgesetzt, was jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen möglich sei. Der von der Beklagten zur Begründung angeführte „regelhaft erhöhte Behandlungsaufwand“ sei insoweit kein zureichender Grund. Zudem seien über ergänzende Pauschalen vergütete Leistungen der Mengensteuerung entzogen. Bei der „Nachsorge Zolgensma“ habe die Beklagte sich auch vorschnell kritiklos den Kalkulationen der Klägerin zu 2. angeschlossen, ohne die Einwendungen der Klägerin zu 1. einzubeziehen oder sich mit ihnen auseinander zu setzen. Die Festsetzung einer ergänzenden Quartalspauschale beruhe damit auf einer offen gebliebenen kalkulatorischen Grundlage. Es gebe keine Begründung für die unterschiedliche Bewertung der kalkulatorischen Ansätze der Krankenkasse einerseits und des Krankenhauses andererseits. 

Die bei „Post-Covid“ und „seltene Erkrankungen – Genetik und Beratung/Diagnostik“, Pauschalen S07 und S08, vorgenommene Festsetzung nur dem Grunde nach hätte nicht erfolgen dürfen. Vielmehr hätte die Beklagte den Antrag der Klägerin zu 2. abweisen müssen, weil es an schlüssiger Darlegung zu den Gestehungskosten gefehlt habe. Die Beklagte sei ihrem gesetzlichen Auftrag zur Konfliktlösung mit der erfolgten Rückdelegation nicht gerecht geworden.

Die PET-CT-Pauschalen hätte die Beklagte nicht zusprechen dürfen. Sie hätte den Antrag der Klägerin zu 2. bereits auf der ersten Prüfungsstufe abweisen müssen. Denn die vorgelegte EBM-Kalkulation sei keine taugliche Grundlage für die Vergütung einer Hochschulambulanz. Die Beklagte hätte gesondert prüfen müssen, inwieweit Vertragsarztpraxen mit einer Hochschulambulanz vergleichbar seien.

 Im Übrigen sei der Inhalt einzelner Festsetzungen unklar. Die einzelnen in Form von Tabellen für die Jahre 2021 und 2022 vorgenommenen Festsetzungen seien widersprüchlich. So sei z.B. für 2021 von einem „Gesamtbetrag“ von 49.578.047 € die Rede; nach der Tabelle träten dann nur 7.182 zu 55 Prozent zu vergütende weitere Fälle hinzu („Gesamtbudget“ dann: 50.220.118 €), während der Fließtext weiter unten den Eindruck erwecke, als gebe es keine gedeckelte Anzahl abgestaffelt zu vergütender Fälle. Unschlüssig sei außerdem, dass der Aspekt „Weiterbehandlung als Behandlungsfall“ nur für 2021, nicht aber für 2022 geregelt worden sei.

Am 17. Mai 2023 hat auch die Charité Universitätsmedizin Berlin, die Klägerin zu 2., Klage erhoben; jenes Klageverfahren ist zunächst zum Aktenzeichen L 7 KA 20/23 KL geführt worden.

Mit Beschluss vom 24. April 2024 hat der Senat die Rechtssachen L 7 KA 18/23 KL und L 7 KA 20/23 KL zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 7 KA 18/23 KL verbunden.

Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin zu 2. im Wesentlichen aus: Entsprechend dem gesetzgeberischen Willen (§ 120 Abs. 2 Satz 3 SGB V) müsse die Vergütung der Hochschulambulanzen deren Leistungsfähigkeit bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten. Es bestünden maßgebliche Unterschiede zur vertragsärztlichen Vergütung. Zwar sei nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HSA-SV der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu berücksichtigen, es gelte aber auch § 71 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V, wonach die notwendige medizinische Versorgung zu gewährleisten sei. Die Beklagte habe weder die verfahrensrechtlichen Anforderungen in Gestalt der Vorjahresanknüpfung sowie der erforderlichen Amtsermittlung noch die Vorgaben des Bundessozialgerichts für die Vergütung der Hochschulambulanzen beachtet.

Die Beklagte habe den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung verletzt. Sie hätte sich für die Fallzahlgrenze und die prozentuale Verteilung an dem von keiner Seite angefochtenen Schiedsspruch für das Jahr 2020 und den dort gesetzten Prämissen orientieren müssen. Insoweit genieße die Klägerin zu 2. Vertrauensschutz. Die Fallzahlen und die Fallzahlverteilung hätten auch für 2021/2022 auf Grundlage der retrospektiv bekannten Ist-Leistungen festgesetzt werden müssen und nicht nach einem Dreijahresschnitt. Eine inhaltliche Begründung für die geänderte Verfahrensweise liefere der angefochtene Schiedsspruch nicht. Mit der Auffassung, nur eine mehrjährige Betrachtung führe zu angemessenen Ergebnissen, überschreite die Beklagte ihren Gestaltungsspielraum. Für abgelaufene Zeiträume trage das Argument der Mengensteuerung nicht. Für das Jahr 2021 habe die Klägerin zu 2. eine Festsetzung der Ist-Fallzahl gefordert, für das Jahr 2022 nur die ursprünglich kalkulierten, unter den Ist-Zahlen liegenden Leistungen; damit sei man der Kassenseite schon entgegen gekommen.

Rechtswidrig sei die Ablehnung einer neuen Pauschale für Kryokonservierung. Die von den Hochschulambulanzen erbringbaren Leistungen seien inhaltlich nicht einschränkbar. Daher habe die Beklagte keine Kompetenz, die Leistungen einer Hochschulambulanz zu begrenzen. Unabhängig von § 117 Abs. 4 SGB V hätten die Versicherten auch einen Anspruch auf Leistungen der Kryokonservierung. Die Beklagte konstruiere einen Nachrang der Hochschulambulanzen gegenüber dem vertragsärztlichen Bereich, der rechtlich nicht vorgesehen sei.

Mit der Behandlung der Anträge, weitere Pauschalen festzusetzen, habe die Beklagte gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Festgesetzt worden seien von den beantragten Pauschalen lediglich Leistungen in Zusammenhang mit Zolgensma und radiologischer Diagnostik (PET-CT). Dagegen seien für die Behandlung von Post-Covid-Fällen und seltener Erkrankungen (S07 und S08) Pauschalen nur dem Grunde nach festgesetzt worden. Das verstoße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und lasse den Schiedsstellenauftrag unerfüllt. Nach einem Scheitern von Verhandlungen dürften die Beteiligten nicht von der Schiedsstelle in eine weitere Verhandlungsrunde geschickt werden. Mit den diesbezüglichen detaillierten Kalkulationen der Klägerin zu 2., wie zum Beispiel zu Post-Covid als Anlage AS 32 zum Schriftsatz vom 20. Januar 2023, hätte die Beklagte sich auseinandersetzen müssen, zumal die Kassenverbände sie nicht substantiiert bestritten hätten.

Zu Unrecht habe die Beklagte außerdem die Festsetzung der beantragten Pauschalen für seltene Erkrankungen (S01 bis S06), für präzisionsonkologische Behandlung (P01) und für radiologische Diagnostik/Nukearmedizin (R01 – CT, R02 – MRT, N04 – Szintigraphie, N07 – Spect), abgelehnt. Zumindest hätte die Beklagte, die einen Finanzierungsbedarf gesehen habe, insoweit die Vergütung der Grundpauschalen erhöhen müssen; die Ablehnung jeglicher Vergütung überschreite den Gestaltungsspielraum der Beklagten. Im Falle von Klärungsbedarf hätte sie entsprechende Fragen an die Vertragspartner richten müssen; als „verspätet“ hätte das Vorbringen der Klägerin zu 2. keinesfalls zurückgewiesen werden dürfen, denn es gebe keine Präklusionsvorschrift.

Zur Klage der Klägerin zu 1. hat die Klägerin zu 2. entgegnet:

Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. und in Abgrenzung zu den Fällen der Mitbehandlung seien die Fälle der Weiterbehandlung als eigene Behandlungsfälle anzusehen. Schon für das Jahr 2020 habe die Beklagte durch den Schiedsspruch vom 22. Juni 2021 die Fallzahlen unter Einbeziehung der Fälle der Weiterbehandlung festgesetzt. Die Differenzierung zwischen Weiterbehandlung und Mitbehandlung entspreche auch der Definition in § 24 Abs. 7 Ziffer 3 und 4 BMV-Ä in Zusammenhang mit den Überweisungsmöglichkeiten im vertragsärztlichen Bereich. Erst wenn eine weitere Erkrankung hinzu trete oder erstmals auftrete und diese an einer anderen Hochschulambulanz behandelt werde, sei dies ein neuer Behandlungsfall.

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei nicht verletzt. Die Beklagte habe beanstandungsfrei die Pauschalen der einzelnen Preisgruppen um die Veränderungsrate erhöht und nicht das für das Vorjahr festgesetzte Gesamtbudget. Das entspreche auch der Spruchpraxis der Beklagten aus dem Vorjahr und bewege sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes.

Die Beklagte habe die Forderung der Klägerin zu 1. nach einer absoluten Fallzahlgrenze mit einer Nichtvergütung oberhalb dieser Grenze liegender Fälle beurteilungsfehlerfrei abgelehnt. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gelte nicht absolut. Eine Überschreitung der Veränderungsrate sei zulässig. Entscheidend komme es auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Einrichtung an.

Die Berechtigung der Beklagten zur Festsetzung  ergänzender Vergütungspauschalen ergebe sich aus § 2 Abs. 3 HSA-SV. Was die PET-CT-Pauschalen betreffe, so habe die Bundesschiedsstelle ausdrücklich erklärt, keine Vorgaben im Hinblick auf den EBM als Kalkulationsgrundlage zu machen. Der EBM könne als Maßstab für die wirtschaftliche Erbringung dieser Leistungen gelten.

 Die Klägerinnen beantragen jeweils unabhängig von einander,

den Beschluss der Beklagten vom 24. Januar 2023 (schriftliche Fassung vom 20. April 2023) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge auf Festsetzung der Vergütung der Hochschulambulanzen gemäß §§ 117, 120 SGB V für die Jahre 2021 und 2022 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Schiedsspruch und beantragt,

           die Klagen abzuweisen.

Zu den einzelnen von der Klägerin zu 1. aufgeworfenen Aspekten führt sie im Wesentlichen aus:

In Bezug auf die „Weiterbehandlung als Behandlungsfall“ sei nicht etwa gegen § 5 HSA-SV verstoßen worden, denn geregelt worden sei ein dort nicht erfasster Fall. Es müsse möglich sein, eine Behandlung innerhalb eines Quartals zu beenden und eine neue Behandlung in einer anderen Hochschulambulanz zu beginnen und entsprechend abrechnen zu können.

Der Schiedsspruch wahre auch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Anders als bei der Vergütung der Krankenhäuser nach § 4 KHEntgG (leistungsorientiertes Erlösbudget) sehe § 120 Abs. 2 SGB V keine Bildung eines Jahresbudgets aus Menge und Preis vor. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 SGB V finde daher keine Anwendung bei der Bewertung des Gesamtbudgets, sondern allein bei der Vergütung der einzelnen Leistungen. Der Hinweis auf die jeweilige Erhöhung um die Veränderungsrate sei daher bezogen auf die Erhöhung der fünf Grundpauschalen bzw. der Vergütung und nicht auf das Gesamtbudget.

Eine Mengensteuerung sehe § 120 SGB V nicht vor. Es sei zu gewährleisten, dass die festgesetzten Vergütungshöhen leistungsgerecht seien und es dem Träger der Hochschulambulanzen ermöglichten, seine Aufwendungen zu finanzieren und dem Versorgungsauftrag nachzukommen. § 2 Abs. 4 HSA-SV zwinge die Vertragspartner nicht zur Vereinbarung mengensteuernder Komponenten. Zwar habe man sich für die Jahre 2018 und 2019 auf eine Deckelung geeinigt (Budget plus Fallzahl), es sei dem Krankenhaus aber nicht verwehrt, nach dieser Erfahrungszeit eine andere Mengensteuerung zu verfolgen. Gegen die Höhe einer anteiligen Vergütung von 55 Prozent habe die Klägerin zu 1. nichts vorgebracht, weshalb die Schiedsstelle die von der Klägerin zu 2. beantragten 55 Prozent ohne feste Deckelung festgesetzt habe.

Die in begrenztem Maße vorgenommene Festsetzung neuer ergänzender Pauschalen nach § 2 Abs. 3 HSA-SV sei rechtlich einwandfrei. Die Vergütung nach § 120 Abs. 2 SGB V müsse die Leistungsfähigkeit der einzelnen Hochschulambulanz gewährleisten. Dies könne nur mit der ergänzenden Vergütung sichergestellt werden, sofern sich aufgrund der Leistungsentwicklung ergebe, dass in begründeten Ausnahmefällen die Kosten nicht sachgerecht durch die bisherigen Pauschalen abgedeckt seien. Bei den vier neu hinzugenommenen Pauschalen bzw. Behandlungsfeldern habe die Schiedsstelle sich nach intensiver Verhandlung davon überzeugen können, dass die jeweiligen Behandlungskosten nicht von den bisherigen Pauschalen abgedeckt seien. Genau für diesen Fall seien ergänzende Pauschalen vorgesehen. Die Höhe der ergänzenden Vergütung für Zolgensma beruhe auf eingehender Kalkulation seitens der Schiedsstelle; die Kalkulationsansätze der Klägerin zu 1. seien nicht belegt gewesen. Bei den Leistungen der radiologischen Diagnostik sei eine Bezugnahme auf den EBM statthaft gewesen, weil es keine wesentlichen Unterschiede bei der Nutzung und der Kostenentstehung zwischen ambulanter Diagnostik in der Hochschulambulanz und der niedergelassenen Praxis gebe. Die weiteren ergänzenden Vergütungen seien für Post-Covid-Behandlungen und bei seltenen Erkrankungen nur dem Grunde nach zugesprochen worden, weil die Beteiligten insoweit noch keine abschließenden Verhandlungen geführt hätten.

Der Festsetzungsinhalt in den Tabellen auf den Seiten 3 und 6 des Beschlusses entspreche der bisherigen Darstellung in den Vereinbarungen der Parteien und den Anträgen im vorliegenden Verfahren. Die Einwände der Klägerin zu 1. seien nicht nachvollziehbar. Die Budgetjahre 2021 und 2022 seien abgeschlossen, die tatsächlich erbrachten Leistungen stünden fest und seien berücksichtigt worden. Es gebe keine weiteren Fälle über die für das Budgetjahr 2021 genannten 312.182 Fälle bzw. 326.908 für das Budgetjahr 2022 hinaus. Die Gesamtbudgets hätten damit festgesetzt werden können, anders als bei prospektiver Betrachtung.

Die Erläuterung zur Zählung der definierten Weiterbehandlungsfälle sei nur bei den Festsetzungen für das Jahr 2021 aufgenommen worden, weil sie erstmalig dort relevant werde. Die Entscheidung selbst gelte für beide Budgetjahre. Bezüglich der Weiterbehandlung gebe es keinen Unterschied zwischen den Budgetjahren, sodass eine Wiederholung des Textes für das Jahr 2022 nicht erfolgt sei. Im Übrigen sei der Entwurf des Beschlusses allen Beteiligten vor der endgültigen Abfassung vorgelegt worden, um mögliche Unklarheiten bei diesem komplexen Sachverhalt zu erkennen und abzustellen. Kein Beteiligter habe auf die jetzt benannten Unklarheiten hingewiesen.

Zur Klage der Klägerin zu 2. entgegnet die Beklagte im Wesentlichen:

Was die Vorjahresanknüpfung betreffe, so habe die Beklagte ihre Entscheidung für das Jahr 2020 nicht in Frage gestellt. Zugleich sei es aber auch nicht Aufgabe der Schiedsstelle, eine für die Zukunft unverrückbar verbindliche Verwaltungspraxis zu entwickeln. Für 2020 sei über ein Budgetjahr zu entscheiden gewesen, in dem die Fallzahlen pandemiebedingt um etwa 10.000 unter den Vorjahresmengen gelegen hätten. Unter „Vorjahresanknüpfung“ werde nur verstanden, dass das Vorjahresbudget hinsichtlich der Leistungsmenge und hinsichtlich der Vergütungshöhe Ausgangspunkt für die Bemessung der Steigerungsraten sei. Danach würden Mehr- und Mindermengen bestimmt und Vergütungssteigerungen unter Berücksichtigung der Veränderungsrate bewertet. Die erforderliche Mengensteuerung sei nicht mehr möglich, wenn das Budgetjahr bei Festsetzung der Vergütung bereits abgeschlossen sei und allein die Ist-Leistungsmenge und die Ist-Verteilung auf die Leistungsgruppen berücksichtigt werde; daher sei eine Berücksichtigung der Ist-Zahlen nicht in Betracht gekommen. Eine Berücksichtigung der Leistungsentwicklung in den drei Vorjahren sei angemessen und bewege sich im Rahmen des Beurteilungsspielraumes der Schiedsstelle.

Kryokonservierung sei nicht als Aufgabe bzw. Leistung der Hochschulambulanzen anzusehen; sie falle nicht unter § 2 Abs. 2 der Patientengruppen-Vereinbarung vom 23. November 2016. Für diese Leistung stünden ausreichende Versorgungsstrukturen außerhalb der Hochschulambulanzen zur Verfügung.

Gegen ihre Pflicht zur Amtsermittlung habe die Beklagte nicht verstoßen. Für 2020 seien ergänzende Pauschalen noch vollständig abgelehnt worden. Seitdem habe die Klägerin zu 2. wissen müssen, dass die bisher vorgelegten Kalkulationen nicht ausreichten. Trotz langwieriger mündlicher Verhandlungen habe die Schiedsstelle die Kalkulationen der Klägerin zu 2. und die Gegenvorschläge der Krankenkassen nicht abschließend nachvollziehen können. Das gehe grundsätzlich zu Lasten der Klägerin zu 2., die eine Festsetzung ergänzender Pauschalen beantragt habe. Gleichzeitig sei erkennbar geworden, dass es bei den Post-Covid-Fällen und bei den Fällen der seltenen Erkrankungen noch nicht zu ausreichenden Verhandlungen über die Höhe einer ergänzenden Pauschale oder über eine Erhöhung der Grundpauschale gekommen sei. Hinsichtlich der übrigen Pauschalen verweise die Beklagte auf die jüngste Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Amtsermittlungsgrundsatz bei Schiedsstellen (B 3 P 6/22 R).

Die Beigeladenen zu 2. bis 6. haben sich nicht zu den Verfahren geäußert und stellen keine Anträge.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten (zwei Ordner) sowie der Akte zum Klageverfahren L 7 KA 20/23 KL und zum Eilverfahren L 7 KA 29/23 KL ER Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

 Entscheidungsgründe

I. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für den Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig, denn Streitgegenstand ist eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 120 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der für das Vertragsarztrecht zuständige 7. Senat gemäß § 31 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 2 SGG berufen. Bei Streitigkeiten über eine Entscheidung der Schiedsstelle gemäß § 120 Abs. 4 SGB V handelt es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechtes gemäß § 10 Abs. 2 SGG (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14; Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13). 

II. Die Klagen sind zulässig.

Die Klägerinnen haben mit ihrem Neubescheidungsbegehren gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m. § 131 Abs. 3 SGG - mit dem Ziel, einen inhaltlich neuen Schiedsspruch zu erreichen - die richtige Klageart gewählt. Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass einer neuen Regelung berücksichtigt, dass die Festsetzung der Vergütung durch die Schiedsstelle nach § 120 Abs. 4 SGB V als Verwaltungsakt anzusehen ist. Die Schiedsstelle nach § 18a KHG wird hier als Stelle tätig, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X wahrnimmt, und damit als Behörde im funktionalen Sinne. Die Schiedsstelle trifft mit ihrer Festsetzung eine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen im Sinne von  § 31 Satz 1 SGB X (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21; Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17).

Die Klägerinnen sind als Vertragspartner der Vergütungsvereinbarung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB V sowie Adressatinnen des Schiedsspruchs auch klagebefugt im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG. Die von ihnen jeweils gegen den streitigen Schiedsspruch erhobenen Beanstandungen lassen es möglich erscheinen, dass sie durch den Schiedsspruch beschwert sind. Die erforderliche formelle Beschwer (vgl. dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, Rdnr. 9 zu § 54) liegt damit vor.

Ein Vorverfahren nach § 78 SGG war nicht durchzuführen. Das ergibt sich aus der Eigenart der Tätigkeit der Schiedsstelle, die bei der Vergütungsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24; Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19).

Die einmonatige Klagefrist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist jeweils gewahrt. Die Klagen gegen den Schiedsspruch in Gestalt seiner schriftlichen Fassung vom 20. April 2023 sind am 16. bzw. 17. Mai 2023 bei Gericht eingegangen.

III. Die Klagen haben (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der streitige Schiedsspruch ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten; insoweit ist die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Im Übrigen hat der Schiedsspruch Bestand.

1. Die Entscheidung der beklagten Schiedsstelle unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nur in eingeschränktem Umfang. Der Schiedsstelle nach § 120 Abs. 4 SGB V kommt bei der Festsetzung der Vergütung für Hochschulambulanzen ein Gestaltungsspielraum zu. Ihre Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt, sind nicht immer die einzig sachlich vertretbare Entscheidung  und haben Kompromisscharakter. Insofern gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Überprüfung der Entscheidungen der Schiedsämter nach § 89 SGB V. Dementsprechend sind sie auch nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten. Nach Maßgabe dieser engen Prüfungsbefugnis ist es dem Senat eröffnet, den angefochtenen Schiedsspruch nicht nur in formeller Hinsicht, sondern auch inhaltlich zu überprüfen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33; Urteil vom 19. April 2023, B 3 P 6/22 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23).

Der Senat nimmt danach keine Kontrolle des Ergebnisses des Schiedsspruchs vor, sondern überprüft sein gesetzmäßiges Zustandekommen auf der Grundlage seiner Begründung. Im Gegensatz zur offenbar vor allem von der Klägerin zu 1. vertretenen Auffassung tritt der Senat also nicht wie im Wege eines Devolutiveffekts in die Position einer „übergeordneten Schiedsstelle“, die die Zweckmäßigkeit der im Schiedsspruch getroffenen Regelungen in eigener Autorität prüft und gegebenenfalls andere Regelungen trifft. Die sozialgerichtliche Fehlerkontrolle unterscheidet sich insoweit nicht grundsätzlich von der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte beim Vorhandensein von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, Rdnrn. 28 und 31 zu § 54). Hat die Schiedsstelle den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, die zu beachtenden gesetzlichen und vertraglichen Regelungen bei ihrer Entscheidung beachtet und diese nachvollziehbar begründet (vgl. § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X), muss eine Klage gegen den Schiedsspruch ohne Erfolg bleiben.

2. In formeller Hinsicht ist der Schiedsspruch nicht zu beanstanden. Er genügt insbesondere den an einen Verwaltungsakt zu stellenden Begründungsanforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss ein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lassen (vgl. Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 55). Die sich grundsätzlich aus § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergebenden Anforderungen an die Begründung eines Schiedsspruchs orientieren sich wesentlich an den für den Schiedsspruch geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften. Bei Entscheidungen mit Kompromisscharakter, die – wie hier – durch die Mehrheit von Mitgliedern eines hierzu berufenen pluralistischen Gremiums getroffen werden, dürfen die Begründungsanforderungen innerhalb des eröffneten Beurteilungsspielraums nicht überspannt werden.

Diesen Anforderungen wird der Schiedsspruch auch im Hinblick auf die Wahrnehmung von Rechtsschutzmöglichkeiten der Beteiligten (Art. 19 Abs. 4 GG) einschränkungslos gerecht. Die Beklagte hat die für ihre Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt. Die Begründung des Schiedsspruchs ist sogar außerordentlich intensiv und widmet jedem streitigen Aspekt einen eigenen, die Erwägungen der Schiedsstelle ausführlich nachvollziehbar machenden Abschnitt, was weit über die Begründungsqualität anderer dem Senat bekannter Schiedssprüche auf dem Gebiet des Gesundheitsrechts hinausgeht (vgl. etwa Urteil vom 28. Juni 2017, L 9 KR 213/16 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 55).

3. Für die Bemessung der Vergütung nach § 120 Abs. 2 SGB V gelten allgemein folgende Maßstäbe (vgl. insoweit Bundessozialgericht, Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34 bis 42):

Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB V wird die Vergütung der Leistungen einer Hochschulambulanz von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Hochschulen oder Hochschulkliniken, den Krankenhäusern oder den sie vertretenden Vereinigungen im Land vereinbart. Kommt eine Vereinbarung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB V ganz oder teilweise nicht zustande, setzt die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG auf Antrag einer Vertragspartei die Vergütung fest (§ 120 Abs. 4 SGB V). Die Vergütung muss die Leistungsfähigkeit der Hochschulambulanz bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten (§ 120 Abs. 2 Satz 3 SGB V i.d.F. des GKV-VSG m.W.v. 23. Juli 2015). Die Vergütung kann pauschaliert werden (§ 120 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Ergänzend sind die von den Vertragsparteien nach § 120 Abs. 3 Satz 4 SGB V i.V.m. § 301 Abs. 3 SGB V vereinbarten Grundsätze (Hochschulambulanz-Struktur-Vereinbarung) zu berücksichtigen. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Vergütung ist mithin die Leistungsfähigkeit der Hochschulambulanz bei wirtschaftlicher Betriebsführung unter Wahrung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (dazu a), ohne dass es einer Modifikation der vom Bundessozialgericht entwickelten Grund­sätze wegen der bedarfsunabhängigen Ermächtigung der Hochschulambulanzen bedarf (dazu b). Dabei hat die Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung nach § 120 Abs. 2 SGB V in Anlehnung an das vom 3. Senat des BSG für die Vergütungen von Pflegeleistungen nach dem SGB XI entwickelte zweistufige Prüfungsprogramm zu erfolgen (dazu c).

a) Eine Vergütung, die allein an den von der Einrichtung als wirtschaftlich angesehenen Selbstkosten orientiert ist, kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu wahren ist. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Um den Vorgaben nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V zu entsprechen, darf gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von Satz 1 ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden (§ 71 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in § 120 Abs. 2 SGB V auf § 71 SGB V bei der Vereinbarung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu beachten. Denn er gilt allgemein für die im Vierten Kapitel des SGB V geregelten Vergütungsvereinbarungen, ohne dass es einer auf die jeweilige Vergütungsvereinbarung bezogenen speziellen Regelung bedarf. Es handelt sich hierbei um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, die auch bei Schiedssprüchen zu beachten ist und die eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen darstellt.

Dabei ist neben den in § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB V normierten Ausnahmen kein Raum für die Berücksichtigung anderer als der gesetzlich benannten Umstände. Dies bedeutet, dass selbst bei einer signifikanten Änderung der Sach- und/oder Rechtslage einer der normierten Ausnahmetatbestände wegen einer solchen Änderung tatsächlich erfüllt sein muss. Entscheidend ist daher im Rahmen von § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V allein, wie sich die geänderte Sach- und/oder Rechtslage auf die wirtschaftliche Betriebsführung der Einrichtung konkret auswirkt.

Sofern die Gesetzesbegründung zum GKV-VSG im Zusammenhang mit den Änderungen der Vergütungsstruktur der Hochschulen in § 120 SGB V ausführt, der „Anpassung der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen steht der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht entgegen“ (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095 S. 115), ist nicht gemeint, dass dieser im Fall der Hochschulambulanzen nicht eingreife. Aus der Formulierung „steht … nicht entgegen“ lässt sich der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber auch in diesem Fall von einer Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausgeht, diesen aber nicht in Konflikt mit dem Ziel einer angemessenen Vergütung für die Leistungen der Hochschulambulanzen sieht. Dies wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz [HHVG]), wonach einer „notwendigen Anpassung der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen an die HSA-SV … der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht entgegen“ stehe. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 13. Mai 2015 (B 6 KA 20/14 R) zu den sozialpädiatrischen Zentren betont der Ausschuss für Gesundheit, dass die Anpassung der Vergütungsvereinbarungen der Leistungen einer Hochschulambulanz sich vielmehr vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach der gemessen am Leistungsspektrum wirtschaftlichen Betriebsführung der Hochschulambulanzen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimme (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines HHVG, BT-Drucks 18/11205, S. 65).

Auch soweit es in § 2 Abs. 1 Satz 3 der von der Bundesschiedsstelle gemäß § 18a Abs. 6 KHG getroffenen Hochschulambulanz-Struktur-Vereinbarung (HSA-SV) vom 9. Dezember 2016 lediglich heißt, der Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei „zu berücksichtigen“ (und nicht zu beachten), folgt hieraus nicht, dass es zulässig wäre, über die in § 71 Abs. 1 und 2 SGB V normierten Ausnahmefälle hinaus vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität abzuweichen. Die Ermächtigung der Vertragsparteien nach § 301 Abs. 3 SGB V in § 120 Abs. 3 Satz 4 SGB V umfasst nur die Vereinbarung bundeseinheitlicher Grundsätze, die die Besonderheiten der Hochschulambulanzen angemessen abbilden, insbesondere zur Vergütungsstruktur und zur Leistungsdokumentation. Eine Befugnis zum Abweichen von dem in § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V verbindlich festgelegten Grundsatz der Beitragssatzstabilität enthält diese nicht.

Die Geltendmachung höherer Kosten aufgrund eines spezifischen Leistungsspektrums und/oder einer besonderen Kostenstruktur ist allerdings trotz der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität im Hinblick auf § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht ausgeschlossen, selbst wenn dies im Einzelfall zu einer die maßgebliche Veränderungsrate übersteigenden Erhöhung der Vergütung führt. Insofern bestehen bei der Vereinbarung der Vergütung mit einem einzelnen Leistungserbringer Besonderheiten gegenüber der Vereinbarung von Vergütungen in Kollektivverträgen für eine Vielzahl von Leistungserbringern. Ähnlich wie bei der Bemessung der Pflegesätze nach § 84 SGB XI, die ermöglichen müssen, dass eine Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung ihrem Versorgungsauftrag nachkommen kann, muss die Vergütung der Hochschulambulanzen nach § 120 Abs. 2 SGB V die Leistungsfähigkeit der einzelnen ermächtigten Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten. Hier wie dort ist mithin jeweils zu prüfen, ob die von der Einrichtung zu leistende Versorgung bei wirtschaftlicher Betriebsführung durch die Vergütung sichergestellt werden kann. Wird festgestellt, dass nur mit einer bestimmten Höhe der Vergütung die Leistungsfähigkeit der Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu gewährleisten ist, liegt ein Fall des § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V vor. Die notwendige medizinische Versorgung ist mithin auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven anders nicht zu gewährleisten.

b) Diese Grundsätze bedürfen keiner Modifizierung bei Hochschulambulanzen im Hinblick darauf, dass diese - anders als etwa sozialpädiatrische Zentren - unmittelbar kraft Gesetzes und damit unabhängig von einer Bedarfsprüfung zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung ermächtigt sind (§ 117 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Soweit § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V verlangt, dass „die notwendige medizinische Versorgung … nicht zu gewährleisten“ ist, erfasst dies nicht lediglich Versorgungsbereiche, in denen die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung einer vorherigen Bedarfsprüfung unterliegt. Ausreichend ist, dass der Gesetzgeber von einem Versorgungsbedarf ausgeht, der durch die Einrichtung gedeckt werden soll. Dies ist für die Hochschulambulanzen der Fall. Die Leistungen der Hochschulambulanzen stellen, selbst wenn diese im Bereich des § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V allein im Interesse von Forschung und Lehre ermächtigt werden, medizinisch notwendige Behandlungen dar. Bezogen auf den einzelnen Behandlungsfall ist eine Abgrenzung des Forschungs- und Lehranteils nicht möglich. Sie sind insgesamt Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und leisten dazu faktisch einen wesentlichen Beitrag. Der Vorbehalt einer Überweisung durch einen Facharzt (§ 117 Abs. 1 Satz 2 SGB V), stellt dabei sicher, dass die Hochschulambulanzen den von ihnen zu versorgenden Personenkreis nicht selbst definieren können und dass sie sich auf die Personen konzentrieren, die auf ihr besonderes Leistungsangebot angewiesen sind („Facharztfilter“).

c) Die Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung nach § 120 Abs. 2 SGB V hat in Form eines zweistufigen Prüfungsprogramms zu erfolgen. Grundlage der Verhandlungen ist danach zunächst die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich). 

Vor dem Hintergrund des § 71 SGB V ist daher bei Vergütungen nach § 120 Abs. 2 SGB V zunächst zu fragen, ob die Betriebsführung gemessen am Leistungsspektrum der ermächtigten Einrichtung plausibel dargelegt ist und/oder Wirtschaftlichkeitsreserven erkennen lässt und in einem zweiten Schritt zu überprüfen, ob der nachvollziehbar begründete Vergütungsanspruch einem Vergleich mit anderen ermächtigten Einrichtungen standhält. Nur bei neu hinzutretenden Einrichtungen kann es dabei darum gehen, dass die entstehenden Kosten insgesamt nachvollziehbar dargelegt werden. Soweit an vorangegangene Vergütungen angeknüpft wird, kann es - ähnlich wie bei der Vorjahresanknüpfung für die Gesamtvergütung - nur um die Frage gehen, ob Veränderungen eingetreten sind, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung über den nach § 71 Abs. 3 SGB V festgelegten Veränderungssatz hinaus rechtfertigen. Das ist nur dann der Fall, wenn ohne eine solche Erhöhung die von der Einrichtung zu leistende Versorgung gefährdet ist. Gerechtfertigt kann eine solche Erhöhung etwa sein in Fällen einer Steigerung der tariflich zu zahlenden Entgelte über die durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen hinaus oder bei einer notwendigen Änderung des Personalschlüssels bzw. der Fachkraftquote. Ebenfalls denkbar sind nicht vorhersehbare Veränderungen in der Zusammensetzung des Patientenklientels, die die Kosten pro Fall deutlich erhöhen. Auch eine Erhöhung von Kostensätzen, die auf einer in den Vorjahren erfolgten fehlerhaften Kalkulation beruht oder sogar bewusst – z.B. um Marktsegmente zu erschließen – zu niedrig angesetzt worden sind, ist nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen, sofern dies substantiiert begründet wird. Diese Konstellationen, die durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bislang anerkannt worden sind, fügen sich in das Regelungsschema der Ausnahmetatbestände nach § 71 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V ein. Die Darlegungs- und Substantiierungslast hierfür liegt bei dem Träger der Einrichtung, der insoweit über die erforderlichen Daten verfügt. Die ermächtigte Einrichtung muss ihre voraussichtlichen Kosten so darlegen und belegen, dass sie nachvollziehbar sind und eine zuverlässige Prognose ermöglichen.

4. Gemessen an alledem erweist sich der angefochtene Schiedsspruch zur Überzeugung des Senats nur unter einem, gleichermaßen von beiden Klägerinnen beanstandeten Aspekt als rechtswidrig (unten a), im Übrigen aber als rechtlich beanstandungsfrei (unten b). 

a) Rechtswidrig ist der angefochtene Schiedsspruch im Hinblick auf die Entscheidung zu der von der Klägerin zu 2. beantragten neuen Pauschale „Gruppe 7, Post-Covid, 496,52 Euro“ sowie im Hinblick auf die beantragten ergänzenden Pauschalen „S07, Primärdiagnostik-Pauschale, 1.086,15 Euro“ und „S08, Folgediagnostik, 246,15 Euro“.

Insoweit hat die Beklagte entschieden:

Für die Post-Covid-Patienten mit der Diagnose nach ICD-10-GM U09.9! kommt eine ergänzende Vergütungspauschale in Betracht als eine für alle Gruppenpauschalen 1-5 einheitliche ergänzende Pauschale je Behandlungsfall. Die Höhe dieser Pauschale ist von den Vertragsparteien zu verhandeln und zu vereinbaren.

Die beantragten ergänzenden Pauschalen S07 und S08 werden dem Grunde nach zugesprochen. Eine Entgelthöhe für die ergänzenden Pauschalen S07 und S08 wird nicht festgesetzt. Der Antragstellerin wird aufgegeben, eine plausible und nachprüfbare Kalkulation für unterschiedliche Behandlungsfälle auf der Grundlage von Leistungs- und Kostendaten aufzustellen und diese den Antragsgegnern mit dem Ziel vorzulegen, eine angemessene pauschale Zusatzvergütung zu vereinbaren. Dabei sind die Gruppenpauschalen bzw. die durchschnittliche Quartalspauschale zu berücksichtigen.

Zur Begründung führt die schriftliche Fassung des Schiedsspruchs insoweit aus (Bl. 22 bis 24):

Auch für Behandlung der Post-Covid-Fälle nach ICD-10-GM U09.9! erkennt die Schiedsstelle einen höheren Behandlungsaufwand an. Die Antragstellerin hat nachvollziehbar darlegen können, dass für die Post-Covid-Patienten insbesondere ein regelmäßig höherer Mitbehandlungsaufwand anfällt, der bei der bisherigen Kalkulation der Behandlungspauschalen in den fünf Vergütungsgruppen nicht hinreichend berücksichtigt werden konnte und nicht eingepreist worden ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass diese Patienten je nach ihren Symptomen in unterschiedliche Hochschulambulanzen kommen, sodass nicht in jedem Fall gewährleistet ist, dass die für die jeweilige Hochschulambulanz abrechenbare Pauschale aufwandsgerecht ist. Die Nachkalkulation einzelner Pauschalen kam daher nicht in Betracht.     

Bei den Post-Covid-Patienten handelt es sich daher nach Überzeugung der Schiedsstelle nach derzeitigem Stand ebenfalls um eine Patientengruppe mit erhöhtem Behandlungsaufwand nach § 2 Abs. 3 HSA-SV. Dafür kommt eine ergänzende Vergütungspauschale als eine für alle Gruppenpauschalen 1-5 einheitliche ergänzende Pauschale je Behandlungsfall in Betracht.

Mit dieser Entscheidung dem Grunde nach kann nun die Kalkulation, Verhandlung und Einigung auf eine ergänzende Vergütung erfolgen. Im Falle der Einigung erfolgt eine Nachberechnung durch Zahlbetragsausgleich, siehe Entscheidung der Schiedsstelle unter Ziffer 5. Im Falle der Nichteinigung wäre die Schiedsstelle erneut anzurufen.

(…)

Bei den Patienten mit seltenen Erkrankungen gibt es Patienten, die zur Feststellung ihrer Erkrankung einer interdisziplinären Diagnostik mit besonders hohem Aufwand bedürfen. Die Antragstellerin hat die Schiedsstelle davon überzeugt, dass dieser hohe Aufwand weder in der Grundpauschale enthalten ist noch in der Ursprungskalkulation im Jahr 2018 berücksichtigt wurde und auch nicht über die Selektiverträge abgedeckt wird. Dieser erhöhte Aufwand soll über die ergänzenden Vergütungen nach S07 (Primärdiagnostik) und S 08 (Folgediagnostik) ausgeglichen werden. Da die Antragsgegner diesbezüglich keine gravierenden Bedenken vorgetragen haben, hat die Schiedsstelle diesem Begehren stattgegeben.

Eine Entgelthöhe für die zusätzliche Vergütung wird allerdings nicht festgesetzt, da die vorgelegten Kosten von der Schiedsstelle aufgrund einer fehlenden plausiblen Kalkulation nicht nachvollzogen werden konnten. Die Aufstellung zu den Vergütungen S07 und S08 enthalten eine Beschreibung der Leistungen, aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie die Kostensätze auf Vollkostenbasis berechnet wurden. Der Antragstellerin wird entsprechend aufgegeben, eine plausible und nachprüfbare Kalkulation für unterschiedliche Behandlungsfälle auf der Grundlage von Leistungs- und Kostendaten aufzustellen und diese den Antragsgegnern mit dem Ziel vorzulegen, eine angemessene pauschale Zusatzvergütung zu vereinbaren. Im Nichteinigungsfall kann die Schiedsstelle erneut angerufen werden. Im Falle der Einigung erfolgt die Abrechnung auf der Basis der vereinbarten Vergütung im Wege des Zahlbetragsausgleichs.

Mit diesem Ausspruch, der die Pauschalen jeweils „dem Grunde nach“ zuspricht, die Höhe der Pauschale aber Verhandlungen der Vertragspartner überlässt, ist die Beklagte ihrer gesetzlichen Aufgabe zur konfliktlösenden Entscheidung über einen Schiedsantrag nicht hinreichend nachgekommen; sie hat ihren Gestaltungsspielraum unterschritten. Insoweit ist sie zur erneuten Entscheidung zu verpflichten.

Die Klägerin zu 2. als Antragstellerin im Schiedsverfahren hat – ebenso wie die Seite der Kassenverbände und damit die Klägerin zu 1. – nach dem Scheitern von Vertragsverhandlungen Anspruch auf eine dezidierte Entscheidung über den Schiedsantrag. Eine solche Entscheidung kann dem Schiedsantrag entweder stattgeben oder ihn zurückweisen. Ausgeschlossen ist es hingegen, eine Entscheidung über einzelne Pauschalen „dem Grunde nach“ zu treffen und den Vertragspartnern die Bestimmung der Entgelthöhe zu überlassen. Diese Art der Zurückverweisung zur Neu- oder Weiterverhandlung sieht das Gesetz nicht vor und läuft dem Schiedsstellenauftrag zuwider.

Zwanglos ergibt sich das schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, das der Schiedsstelle in § 120 Abs. 4 Satz 1 SGB V aufgibt, nach Scheitern der Vertragsverhandlungen „die Vergütung“ festzusetzen. Das korrespondiert etwa mit der Aufgabe der Schiedsämter nach § 89 SGB V, „den Vertragsinhalt“ festzusetzen (§ 89 Abs. 3 Satz 1 SGB V) oder mit der Aufgabe ebenfalls der Schiedsstelle nach § 18a KHG, „die Pflegesätze“ festzusetzen (§ 18 Abs. 4 KHG). Gemeint ist damit ein Schiedsspruch, der vollständig an die Stelle des zu verhandelnden Vertragswerks tritt und die Vergütung bzw. den Vertragsinhalt so festsetzt, wie es die Vertragspartner bei erfolgreichen Vertragsverhandlungen getan hätten. Nur das wird der Aufgabe der Schiedsstelle gerecht, einen effektiven, abschließenden und praktisch handhabbaren Abschluss der Bemühungen um das gesetzlich vorgesehene Vertragswerk herbeizuführen.

Damit ist es nicht vereinbar, etwa – wie vorliegend geschehen – eine Vergütung nur dem Grunde nach festzusetzen und die Festlegung der Höhe der Vergütung den Vertragspartnern zu weiteren Verhandlungen zu überlassen.

Die Klägerin zu 2. hatte im Schiedsverfahren die begehrte Vergütung für die drei nur dem Grunde nach beschiedenen Pauschalen genau beziffert (Post-Covid: 496,52 Euro; Primärdiagnostik-Pauschale: 1.086,15 Euro; Folgediagnostik: 246,15 Euro). Der Beklagten hätte es oblegen zu prüfen, ob die bezifferte Höhe jeweils sachgerecht ist bzw. ob sich eine sachgerechte Höhe ermitteln lässt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45; Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37). Hätte sich ergeben, dass nach dem Vorbringen der Klägerin zu 2. die Höhe der jeweiligen Pauschalen schlechthin nicht ermittelbar ist und dass auch weitere Bemühungen um Ermittlung von Amts wegen nicht fruchten, hätte die Zuerkennung der Pauschalen in dem Schiedsspruch abgelehnt werden müssen. So ging die Beklagte offenbar selbst davon aus, dass die Klägerin zu 2. in Bezug auf die ergänzenden Pauschalen S07 und S08 gerade noch keine „plausible und nachprüfbare Kalkulation für unterschiedliche Behandlungsfälle auf der Grundlage von Leistungs- und Kostendaten“ aufgestellt hatte. Umgekehrt würde eine Ermittelbarkeit konkreter sachgerechter Beträge dazu führen, dass die Beklagte für die in Frage stehenden Pauschalen auch einen Euro-Betrag festzusetzen hat.

b) Im Übrigen bleiben beide Klagen ohne Erfolg, und zwar sowohl diejenige des klagenden Kassenverbandes (unten aa) als auch diejenige der klagenden Hochschulklinik (unten bb).

aa) Für die Klage der Klägerin zu 1. gilt insoweit Folgendes:

(1) Rechtlich beanstandungsfrei hat die Beklagte Fälle der „Weiterbehandlung“ als unter die Gesamtfallzahl fallend angesehen. Insoweit heißt es in dem Schiedsspruch (Bl. 3):

Zu diesen Fällen gehören auch Fälle der Weiterbehandlung, die nicht nach § 5 Abs. 1 HSA-SV als ein Behandlungsfall zu klassifizieren sind und dafür folgende Voraussetzungen erfüllen: Die Behandlung des Patienten mit einer Ambulanzdiagnose ist in der entlassenden Hochschulambulanz abgeschlossen. Der Patient wird in einer anderen Hochschulambulanz mit einer anderen Ambulanzdiagnose behandelt.

Die Begründung hierfür lautet (Bl. 17f.):

Die Schiedsstelle hat entschieden, dass die Behandlung eines Patienten in einem Quartal in verschiedenen Hochschulambulanzen der Antragstellerin unter engen Voraussetzungen als eigenständig abzurechnender Fall der Weiterbehandlung anzusehen ist.

Dieser als Weiterbehandlungsfall bezeichnete Fall ist abzugrenzen von dem einheitlichen Behandlungsfall, wie er in § 5 Abs. 1 Satz 3 HSA-SV definiert ist, und vom Fall der Mitbehandlung nach § 5 Abs. 1 Satz 4 HSA-SV. Sowohl beim einheitlichen Behandlungsfall als auch im Fall der Mitbehandlung kann weder die mehrfache Inanspruchnahme einer Hochschulambulanz noch die zusätzliche Inanspruchnahme einer anderen Hochschulambulanz als neuer Ambulanzfall abgerechnet werden.

Auch in diesen Fällen kann es sein, dass der Patient eine Behandlung in verschiedenen Hochschulambulanzen erfährt. Dies allein führt aber nicht zur Abrechnungsfähigkeit einer neuen Pauschale.

Ausgehend von der Definition der Ambulanzpauschale in § 3 Abs. 2 Satz 8 HSA-SV sieht die Schiedsstelle allerdings einen Unterschied, wenn die Behandlung eines Patienten im Hinblick auf die erstellte Ambulanzdiagnose abgeschlossen wurde und der Patient mit einer neuen Ambulanzdiagnose in einer andere Hochschulambulanz der Klinik weiterbehandelt wird. Die Ambulanzdiagnose ist die Diagnose, die nach Analyse als für die Behandlung des Patienten maßgeblich dokumentiert wurde. Danach richtet sich die fachliche Auswahl der Hochschulambulanz und auch bei eventuell mitzubehandelnden Diagnosen (siehe § 3 Abs. 3 Satz 9 HSA-SV) das Behandlungs- bzw. Patientenmanagement. Vor allen Dingen nach der Ambulanzdiagnose richtet sich auch die Einordnung des Behandlungsfalls in eine der fünf Vergütungsgruppen. Eine Vergütungsgruppe umfasst dabei Hochschulambulanzen mit ähnlich großem Behandlungsaufwand, zum Beispiel durch die Häufigkeit der Wiedervorstellungen in einem Quartal. Bei der Mitbehandlung anderer Erkrankungen auch in anderen Hochschulambulanzen wird der zusätzliche Aufwand und die möglicherweise höhere Pauschale nicht zusätzlich vergütet. Dies ist nach § 5 HSA-SV ausdrücklich so vorgesehen und in diesem System der Pauschalvergütung zu akzeptieren. Allerdings erscheint es der Schiedsstelle plausibel zu sein, dass sich der Aufwand in einer Hochschulambulanz erhöhen kann, wenn typischerweise Mitbehandlungen vorkommen. In einem solchen Fall würde der Mehraufwand bei der Kalkulation der Vergütungspauschale zu berücksichtigen sein. Dazu hat die Antragstellerin vorgebracht, dass bis 2018 Fälle der Weiterbehandlung in einem Quartal abgerechnet werden konnten und dies bei der Höhe der Pauschalen berücksichtigt wurde. Dem haben die Antragsgegner nicht zur Überzeugung der Schiedsstelle widersprochen.

Über die Ambulanzdiagnose wird also der Behandlungsfall bestimmt, der die gesamte Untersuchung und Behandlung auch bei weiteren Erkrankungen und bei Mitbehandlungen in anderen Ambulanzen bestimmt.

Davon ausgehend hat es die Schiedsstelle als berechtigt angesehen, dass bei Abschluss einer Behandlung unter einer bestimmten Ambulanzpauschale und eines Wechsels in eine andere Hochschulambulanz mit einer anderen Ambulanzpauschale der unterschiedliche Behandlungsaufwand berücksichtigt wird und solche Fälle nicht nur unter Mitbehandlung subsumiert werden.

Voraussetzung ist allerdings, dass unter Beachtung des § 3 HSA-SV (mit Betriebsstättennummer, Entgeltschlüssel) die erste Ambulanzdiagnose, der Abschluss der Behandlung und die Neuaufnahme in die weitere Hochschulambulanz mit einer neuen Ambulanzdiagnose hinreichend und prüfbar dokumentiert werden.

Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern, denn die Regelung verstößt – anders als die Klägerin zu 1. meint – nicht gegen § 5 Abs. 1 HSA-SV. Der von der Beklagten sehr eng gefasste Sachverhalt ist dort nicht geregelt. Nicht nur als ein Behandlungsfall pro Quartal sollen danach Vorgänge gelten, in denen die Behandlung des Patienten mit einer bestimmten Ambulanzdiagnose im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 8 HSA-SV in der einen Hochschulambulanz abgeschlossen ist und der Betroffene sodann in einer anderen Hochschulambulanz aufgrund einer anderen Ambulanzdiagnose behandelt wird. Es handelt sich mithin um von einander völlig unabhängige Vorgänge, die der Inanspruchnahme zweier Hochschulambulanzen durch zwei verschiedene Patienten gleichkommen. Die Regelung in § 5 Abs. 1 HSA-SV zum einheitlichen Behandlungsfall trifft zu dieser Konstellation, die nach dem Willen der Beklagten mit sorgfältiger Dokumentation abzusichern ist, keine Aussage; der Senat vermag auch nicht zu erkennen, warum es nicht in der Kompetenz der Vertragsparteien nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB V (und damit auch der beklagten Schiedsstelle) stehen sollte, die auf Bundesebene in der HSA-SV bestehende Regelung zu Behandlungsfällen für ihren Vertragsbereich zu verfeinern.

(2) Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Handhabung der Veränderungsrate im Sinne von § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB V durch die Beklagte. Diese betrug für das Jahr 2021 2,53 Prozent und für das Jahr 2022 2,29 Prozent. Die Beklagte hat sie rechnerisch korrekt berücksichtigt bei Ermittlung des Werts der einzelnen Pauschalen, so z.B. bezogen auf die Vergütungsgruppe 1 von 102,08 Euro im Jahr 2020 auf 104,66 Euro im Jahr 2021 und auf 107,06 Euro im Jahr 2022. Dies entspricht den rechtlichen Erfordernissen und mehr kann die Klägerin zu 1. nicht verlangen. Das Bundessozialgericht hat betont, dass die Veränderungsrate bei Ermittlung „der jeweiligen Vergütung“ zu berücksichtigen ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. November 2022, B 6 KA 9/21 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 35: “Um den Vorgaben nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V zu entsprechen, darf gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB V die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten.“).

Dass das für die Jahre 2021 und 2022 festgesetzte Gesamtbudget die Veränderungsrate überschreitet, ist demgegenüber arithmetisch erklärbar und rechtlich beanstandungsfrei. In den Blick nimmt der Senat insoweit das Budget der Klägerin zu 2., das sich aus einer ungekürzten Vergütung der Behandlungsfälle bis zur Fallzahlobergrenze ergibt. Hier hat sich die Summe von 47.852.109 Euro im Jahr 2020 (300.000 Behandlungsfälle) um 3,6 Prozent auf 49.578.047 Euro (305.000 Behandlungsfälle) im Jahr 2021 erhöht; dieser Wert wiederum steigerte sich um 5,03 Prozent auf 52.072.615 Euro (310.000 Behandlungsfälle) im Jahr 2022.

Arithmetisch ist dies nachvollziehbar, weil gleichzeitig – was die Klägerin zu 1. mit ihrer Klage nicht beanstandet – die Fallzahlobergrenze von 300.000 im Jahr 2020 auf 305.000 im Jahr 2021 und auf 310.000 im Jahr 2022 stieg.

Dass die Fallzahlobergrenze, bis zu der die Fälle mit 100 Prozent der jeweiligen Pauschale zu vergüten sind, von der Beklagten maßvoll angehoben wurde, ist auch im Lichte der Beitragssatzstabilität nicht zu beanstanden. Die tatsächlichen Fallzahlen stiegen von 297.397 Fällen im Jahr 2020 um 4,97 Prozent auf 312.182 im Jahr 2021 und wiederum um 4,71 Prozent auf 326.908 im Jahr 2022. Gleichzeitig hat die Beklagte die Fallzahlobergrenze nur um 1,67 bzw. 1,64 Prozent angehoben. Zu berücksichtigen ist bei alledem, dass die Klägerin zu 2. ihr Patientenklientel nicht „frei“ akquiriert, sondern zu einem erheblichen Anteil aufgrund des Facharztfilters in § 117 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur nach fachärztlicher Zuweisung in Anspruch genommen wird.

Die Leistungsmengenausweitung ist daher für die Klägerin zu 2. nur stark eingeschränkt steuerbar und darf zu einer Steigerung des Gesamtbudgets über die Veränderungsrate hinaus führen, so lange die Erhöhung der einzelnen Vergütungsgruppenpauschalen sich im Rahmen der Veränderungsrate bewegt. Das findet auch seine Grundlage im Gesetz, denn ohne eine dem Zuwachs der Patientenströme Rechnung tragende maßvolle Anhebung der Fallzahlobergrenze wäre für die Hochschulambulanzen der Klägerin zu 2. auch bei wirtschaftlicher Betriebsführung die notwendige medizinische Versorgung nicht zu gewährleisten (§ 120 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Hier liegt auch der vom Bundessozialgericht betonte Unterschied zwischen der Vereinbarung der Vergütung mit einem einzelnen Leistungserbringer einerseits und der Vereinbarung von Vergütungen in Kollektivverträgen für eine Vielzahl von Leistungserbringern andererseits (Bundessozialgericht,  a.a.O., Rdnr. 39).

Danach zeigt sich, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität aus § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Vergütungsbemühungen der Klägerin zu 2. nicht wahllos als Instrument der Blockade entgegen gehalten werden kann. Insbesondere nach den Einlassungen der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Eindruck gewonnen, als verschließe die Klägerin zu 1., die als einziger Kassenverband gegen den Schiedsspruch klagt, sich jeglicher Fortentwicklung der Vergütungsstruktur mit dem Argument, die Beitragssatzstabilität sei zu wahren. Eine solche Haltung wäre aus mehreren Gründen nicht tragfähig. So beruht das Vergütungssystem der Hochschulambulanzen immer noch auf neuem Recht und ist gewissermaßen in der Findungsphase, nachdem es Vergütungsvereinbarungen auf Grundlage der 2015 eingeführten Rechtslage erst seit dem Jahr 2018 gibt. Dass das Vergütungssystem nicht von Beginn an der Höhe und der Struktur nach festgezurrt sein kann, versteht sich daher von selbst. Zweitens wird es immer Entwicklungen im Krankheitsgeschehen und in der medizinischen Kunst geben, die gebieten, ein auf der Grundlage von § 120 Abs. 2 SGB V vorhandenes Vergütungssystem fortzuentwickeln und zu erweitern. Drittens sieht – wie in Wiedergabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 6 KA 9/21 R, juris Rdnr. 37) bereits ausgeführt, s.o. III. 3. a – auch der Gesetzgeber den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht in Konflikt mit dem Ziel einer angemessenen Vergütung für die Leistungen der Hochschulambulanzen; die Vergütung der Hochschulambulanz nach § 120 Abs. 2 SGB V muss die Leistungsfähigkeit der ermächtigten Einrichtung bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten.

(3) Auch die Regelung der Vergütung der über der Fallzahlobergrenze liegenden Behandlungsfälle bewegt sich innerhalb des Gestaltungsspielraums der Beklagten und verletzt den verbindlichen rechtlichen Rahmen nicht.

Für die Jahre 2018 und 2019 war insoweit geregelt, dass eine oberhalb der Fallzahlobergrenze liegende Summe von maximal 5.000 Fällen zu 55 Prozent der Durchschnittspauschale zu vergüten war.

Der Schiedsspruch des Jahres 2020 konnte hieran nicht anknüpfen, da die Fallzahlobergrenze pandemiebedingt knapp nicht erreicht wurde, so dass sogar ein Mindererlösausgleich festgesetzt wurde.

Der angefochtene Schiedsspruch hat festgesetzt, dass eine Deckelung nicht besteht und alle oberhalb der Fallzahlobergrenze liegenden Behandlungsfälle mit 55 Prozent der Durchschnittspauschale zu vergüten sind, nämlich 7.182 Fälle im Jahr 2021 und 16.908 Fälle im Jahr 2022. Damit bewegte sich die Beklagte deutlich unterhalb des Schiedsstellenantrags der Klägerin zu 2., die für 2021 die volle Vergütung der 312.182 Behandlungsfälle beantragt hatte und – insoweit inkonsequent und systematisch anders – für 2022 eine unbegrenzte Kappung auf 55 % der Durchschnittspauschale ab dem 315.001. Behandlungsfall. Die Beklagte hat hier ihrer Aufgabe, kompromissbildend zu wirken, zu Lasten beider Klägerinnen in besonderem Maße entsprochen. Der von der Beklagten beschrittene Weg ist eine von mehreren denkbaren Lösungen der Fragestellung, wie oberhalb der Fallzahlobergrenze liegende Behandlungsfälle vergütet werden sollen; eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zur strengen Vorjahresanknüpfung – hier anknüpfend an die Vergütungsregelungen für die Jahre 2018 und 2019 – vermag der Senat insoweit nicht zu erkennen, denn auch den Vertragsparteien hätte es freigestanden, die geschiedste Regelung selbst zu treffen. Die Reduzierung auf 55 Prozent der Durchschnittspauschale ist spürbar und trägt zur Beitragssatzstabilität bei. Die von der Beklagten für ihre Verfahrensweise gelieferte Begründung (Bl. 20) ist deshalb sachgerecht und rechtlich beanstandungsfrei:

Aus Sicht der Schiedsstelle ist es für die Mengensteuerung nicht notwendig, Mehrfälle gänzlich ohne Vergütung erbringen zu lassen. Der steuernde Anreiz ist auch bei einer Vergütung in Höhe von 55 % gegeben. Fraglich wäre ansonsten, ob eine solche Kappung auf 0 % dem Grundsatz aus § 2 Abs. 1 HSA-SV gerecht wird, nach dem die Entgeltbemessung auf Vollkostenbasis bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu erfolgen hat. Es kann durchaus die Ansicht vertreten werden, dass das wirtschaftliche Risiko eines nicht steuerbaren Zulaufs dann bei der Kalkulation der Pauschalen berücksichtigt werden müsste und man sich genauer damit befassen müsste, wie die Inanspruchnahme der Leistungen der Hochschulambulanzen tatsächlich effektiv zu steuern ist.

(4) Zu Unrecht beanstandet die Klägerin zu 1. weiter, ein rechtlich zu beanstandendes Versäumnis der Beklagten liege darin, die neu zuerkannten ergänzenden Vergütungspauschalen keiner gesonderten Mengensteuerung unterworfen zu haben. Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte sich auch insoweit im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums bewegt.

Die Beklagte hat von den 21 von der Klägerin zu 2. beantragten neuen oder ergänzenden Pauschalen lediglich vier als ergänzende Pauschalen einschränkungslos festgesetzt und dies im Falle von Zolgensma auch deutlich unterhalb des beantragten Betrages:

 

Leistungsinhalt

Entgelt

(statt neue Gruppe 6)

Ergänzende Pauschale

Nachsorge

Onasemnogene abparvovec

(Zolgensma)

 

982,31 €

(beantragt: 1.679,76 €)

N 01

PET-CT

854,40 €

N 02

PET-CT - 2

1.637,59 €

N 03

PET-CT - 3

1.616,92 €

Der Senat sieht keinen Ansatzpunkt, der durchgreifend gegen die Anerkennung dieser vier neuen Pauschalen sprechen könnte. Die Klagebegründung der Klägerin zu 1. hat insoweit auch nichts von Substanz geliefert.

Es wird Sache der Vertragsparteien sein, diese ergänzenden Pauschalen für die Zukunft in die Gesamtvergütungsstruktur einzuarbeiten und ggf. Fortentwicklungen vorzunehmen. Für den Moment hat die Beklagte aber die ihr obliegende Aufgabe erfüllt, indem sie mit tragfähiger Begründung (Bl. 21 und Bl. 24f.) eine gesonderte Vergütung der aufgeführten Leistungsinhalte festgelegt hat. Die Mengensteuerung passt sich zugleich ins gegebene System ein und wird sich ggf. an der Fallzahlobergrenze bzw. der Kappung auf 55 Prozent der Durchschnittspauschale zu orientieren haben.

Der von der Klägerin zu 1. zugleich in Bezug auf Zolgensma gerügte Begründungsmangel liegt nicht vor. Der Schiedsspruch führt insoweit aus (Bl. 21f.):

Die Schiedsstelle hat anerkannt, dass für die Nachsorge Onasemnogene abeparvovec (Zolgensma) ein erhöhter Behandlungsaufwand zu leisten ist, der sich aus den ATMP-Richtlinien des G-BA vom 04.11.2021 (zuletzt geändert am 03.11.2022) sowie aus Empfehlungen der Fachkreise ergibt.

Der Wirkstoff Zolgensma wird für die Behandlung von Kindern mit spinaler Muskelatrophie eingesetzt. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine der seltenen Erkrankungen. Es handelt sich damit um die Behandlung von in § 2 Abs. 2 lit A) Ziff. 1. der Patientengruppen-Vereinbarung genannten Patienten. Im Anschluss an die stationäre Behandlung zur Verabreichung des Zolgensma ist eine engmaschige ambulante Nachsorge über einen Zeitraum von einem Jahr vorgesehen. Diese Nachsorge erfordert einen erheblichen Ressourcenaufwand, Fachexpertise und die Beachtung von hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Die genauen Anforderungen für die Nachsorge ergeben sich aus den §§ 8-10 der Anlage II der ATMP-QS-RL (letzte Änderung in Kraft getreten am 01.01.2023). Damit erfüllt diese Nachsorge-Behandlung in einer Hochschulambulanz die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 HSA-SV; eine ergänzende Vergütung zusätzlich zu einer Behandlungspauschale ist möglich.

Streitig war zwischen den Parteien, ob die Nachsorge-Behandlung im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) der Antragstellerin zu erfolgen hat und über das SPZ abzurechnen ist. Die Schiedsstelle hat sich davon überzeugen lassen, dass das definierte Behandlungsprogramm des G-BA besser in der pädiatrischen Hochschulambulanz umgesetzt werden kann als in einem SPZ. SPZ sind eher ausgerichtet auf die Untersuchung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Kontext mit dem sozialen Umfeld einschließlich der Beratung und Anleitung von Bezugspersonen (Siehe Altöttinger Papier, Stand 2014, S. 11 und 17; unter: www.dgspj.de). Hier geht es eher um Frühförderung, ambulante Rehabilitation, Förderung der Persönlichkeitsentwicklung.

Die Nachsorge Onasemnogene abeparvovec (Zolgensma) wird der Hochschulambulanz Pädiatrie und demnach der Vergütungsgruppe 3 zugeordnet. Der dargestellte Mehraufwand kann über eine ergänzende Pauschale nach § 2 Abs. 3 HSA-SV vergütet werden. Die ergänzende Pauschale war unter Berücksichtigung der Leistungen, die bereits in Gruppe 3 enthalten sind, entsprechend neu zu kalkulieren. Die als Anlage AS 30 vorgelegte Kalkulation war plausibel. Dabei hat die Schiedsstelle die vorgelegten Kalkulationsmodelle (Dt. Arzteblatt 2019 und Universität Heidelberg 2021) berücksichtigt. Allerdings hat sie die von der Antragstellerin einberechneten Infrastrukturkosten abgezogen, die in der Referenzkalkulation nicht vorkommen. Daraus ergibt sich die Festsetzung der folgenden ergänzenden Quartals-Vergütung

- für das Jahr 2021 in Höhe von 982,31 Euro

- für das Jahr 2022 in Höhe von 1.007,59 Euro.

Mit Einverständnis der Antragsgegner hat die Antragstellerin die Nachsorge-Behandlungen in den Jahren 2021 und 2022 mit der SPZ-Pauschale abgerechnet. Diese Pauschalen sind von der Antragstellerin zu stornieren und zurückzuzahlen.

Diese Begründung ist plausibel, nachvollziehbar und überzeugend und legt insbesondere sorgfältig dar, warum die Voraussetzungen erfüllt sind, die § 2 Abs. 3 HSA-SV an die Festlegung von ergänzenden Pauschalen knüpft („Sofern sich aufgrund der Unterschiede in den Kosten für die Patienten die Aufwände in den Behandlungspauschalen nach Absatz 2 nicht sachgerecht pauschalieren lassen, sind in begründeten Ausnahmefällen ergänzende Vergütungen zusätzlich zu den Behandlungspauschalen nach Absatz 2 möglich.“).

(5) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet der angefochtene Schiedsspruch, soweit er sich für die Bemessung der als ergänzende Pauschalen anerkannten PET-CT-Leistungen am EBM orientiert hat. In diesem Zusammenhang hat der Schiedsspruch von sieben beantragten Leistungen der radiologischen Diagnostik bzw. der Nuklearmedizin drei anerkannt und vier abgelehnt. Zur Begründung führt der Schiedsspruch insoweit aus (Bl. 24f.):

Die Schiedsstelle erkennt einen erhöhten Behandlungsaufwand aufgrund des gegenüber dem Jahr 2017 deutlich gestiegenen Leistungsumfangs bei radiologischer Diagnostik und Nuklearmedizin grundsätzlich an. Die Antragstellerin hat in der letzten Verhandlung mit einer Tischvorlage dargelegt, dass alle Untersuchungen mit radiologischen Großgeräten seit dem Jahr 2017 sehr stark zugenommen haben (zum Teil um mehr als das Zehn- bis Zwanzigfache). Die Inanspruchnahme der radiologischen Großgeräte erfolgt dabei grundsätzlich in allen Hochschulambulanzen; sie kann nicht allein der Radiologie mit der Vergütungsgruppe 4 zugeordnet werden.

Schon bei der vergleichsweise geringen Nutzung der radiologischen Großgeräte durch die Hochschulambulanzen im Jahr 2017 hat die Antragstellerin versucht zu erreichen, dass diese Kosten bei der Bemessung der Ambulanzpauschalen gesondert berücksichtigt werden. Das ist jedoch nicht erfolgt. Die Antragsgegner haben dies seinerzeit als nicht erforderlich zur Kostendeckung angesehen. Die Kosten für alle medizinischen und nichtmedizinischen Leistungen sollten mit den vereinbarten Pauschalen als abgegolten gelten, siehe auch § 5 Abs. 1 Rahmenvertrag. Die Antragstellerin hat das für die Jahre 2018 und 2019 akzeptiert. Für das Jahr 2020 hat die Schiedsstelle der erneut aufgemachten Forderung zwar nicht entsprochen, allerdings wegen fehlender Plausibilität hinsichtlich der Leistungsentwicklung und Kostendarstellung.

Die jetzt vorgelegten Leistungsdaten sind zugrunde zu legen; Zweifel an ihrer Plausibilität haben sich nach den Erörterungen vor der Schiedsstelle nicht ergeben. Der Aufwuchs der Inanspruchnahme der radiologischen Großgeräte wird mit der medizinischen Entwicklung erklärt. Die Leistungen der radiologischen Diagnostik sind allerdings unterschiedlich kostenintensiv. So ist nach dem Antrag der Antragstellerin für eine Computertomographie ein Entgelt von 166,79 EUR und für eine MRT-Untersuchung ein Entgelt in Höhe von 176,88 EUR anzusetzen. Für die Untersuchungen mit einem PET-CT wird ein Entgelt zwischen 854,40 EUR bis 1.637,59 EUR angesetzt. Bei den CT- und MRT-Untersuchungen ist die Fallzunahme über alle Hochschulambulanzen kostentreibend. Bei den PET-CT-Untersuchungen ist es das besonders hohe Entgelt pro Fall. Denn vergleicht man deren Entgelt mit der Pauschale für die höchste Vergütungsgruppe 5 (festgesetzt: 348,42 EUR/2021 und 356,40 EUR/2022) wird sofort ersichtlich, dass selbst die höchste Pauschale nicht kostendeckend sein kann. Beide Faktoren führen zu erhöhten Kosten in den einzelnen Ambulanzen, die durch die Pauschalen für die fünf Vergütungsgruppen nach Überzeugung der Schiedsstelle nicht abgedeckt sind.

Für die PET-CT-Leistungen (N01 - N03) sieht die Schiedsstelle die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 HSA-SV wegen eines besonders hohen Aufwandes im einzelnen Behandlungsfall als gegeben an. Für diese Leistungen setzt sie die beantragten ergänzenden Pauschalen fest. Der Kalkulation der Antragstellerin liegen die Vergütungen nach dem EBM zugrunde. Es handelt sich bei den Leistungen um gerätebasierte Untersuchungen, die mit den Leistungen in der niedergelassenen Ambulanz vergleichbar sind. Die Antragsgegner haben nicht substantiiert und mit Gegenvorschlägen widersprochen.

Die übrigen beantragten ergänzenden Vergütungen für Leistungen (R01, R02, N04, N07) werden abgelehnt. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 HSA-SV, denn sie können aufgrund der Menge ihrer Inanspruchnahme als Standardleistungen angesehen werden, die mit der Quartalspauschale zu vergüten sind.

Es erscheint nicht abwegig, die Vergütung der in Frage stehenden Geräteleistungen, die hier wie dort auf die gleiche technische Weise erbracht werden, an den im EBM für den vertragsärztlichen Bereich getroffenen Festlegungen zu orientieren. Sachfremd ist dies keineswegs. Obergrenze der Vergütungsforderung ist das Maß des auch im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39; vgl. Rdnr. 41 zum regionalen Bezug des externen Vergleichs). Im Raum Berlin gibt es keine anderen Hochschulambulanzen als diejenigen der Klägerin zu 2. Ein externer Vergleich, gerichtet auf die Hochschulambulanzen anderer Bundesländer, ist jedenfalls für die Klägerin zu 2. kaum anstellbar. Im Falle von schlichten Geräteleistungen ist es damit jedenfalls belastbar, das ebenfalls der Beitragssatzstabilität verpflichtete Preisgefüge des EBM im Wege des externen Vergleichs heranzuziehen. Mangels entsprechenden Vorbringens der Klägerin zu 1. ist auch nicht erkennbar, welcher andere Vergütungsansatz hier aus welchen Gründen hätte gefunden werden können oder müssen. Eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Verpflichtung zur Amtsermittlung ist daher auch hier nicht erkennbar.

(6) Die von der Klägerin zu 1. gerügten Unklarheiten im Schiedsspruch schließlich vermag der Senat nicht im Ansatz nachzuvollziehen. Die Tabellenwerte harmonieren mit dem Fließtext der schriftlichen Fassung des Schiedsspruchs und sind ohne Weiteres nachvollziehbar.

Soweit die Klägerin zu 1. rügt, der Aspekt „Weiterbehandlung als Behandlungsfall“ sei nur für 2021, nicht aber für 2022 ausformuliert, geht dies ins Leere. Unabhängig von der Auslegungsfähigkeit des Schiedsspruchs kann dieser Aspekt die Klägerin zu 1. nicht in eigenen Rechten verletzen, da sie die Regelung an sich für rechtswidrig hält und daher nicht beanstanden kann, dass sie - nach ihrer Lesart - für 2022 keine Aufnahme in den Schiedsspruch gefunden habe.

bb) Ohne Erfolg bleibt im Übrigen auch die Klage der Klägerin zu 2.

(1) Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin zu 2. bewegt der angefochtene Schiedsspruch sich rechtsfehlerfrei innerhalb des Gestaltungsspielraumes der Beklagten, soweit er für die zu regelnden Jahre 2021 und 2022 die prozentuale Größe der fünf Vergütungsgruppen nicht an den Ist-Zahlen der Jahre 2021 bzw. 2022, sondern anhand eines dreijährigen Zeitraumes einschließlich des abgeschlossenen Budgetjahres orientiert („Fallzahlverteilung“). Es ist nicht etwa rechtlich zwingend, die prozentuale Größe der Vergütungsgruppen anhand der Ist-Zahlen des abgelaufenen und zu regelnden Budgetjahres zu bemessen.

Für das Budgetjahr 2020 hatte die beklagte Schiedsstelle das noch anders gehandhabt: Der Schiedsspruch vom 22. Juni 2021 für das Jahr 2020 hatte geregelt, dass sich die tatsächliche Fallzahl von 297.397 Fällen im Jahr 2020 entsprechend den tatsächlichen Quoten des Jahres 2020 auf die fünf Vergütungsgruppen verteile; dabei ging die Schiedsstelle davon aus, dass die sich tatsächlich ergebende Verteilung des Patientenklientels auf die fünf Gruppen keiner festen Verteilung folge und daher von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein könne. Diese Erwägung ist im Kern sachgerecht und nicht zu beanstanden, denn, ausgehend von fünf unterschiedlich zu vergütenden Vergütungsgruppen, kann sich die Größe der jeweiligen Gruppe als beweglich darstellen; auf diese Beweglichkeit muss reagiert werden können, um den Vergütungsbedarf realistisch abbilden zu können. Dementsprechend hatte z.B. auf Grundlage des Schiedsspruchs für 2020 die am höchsten vergütete Vergütungsgruppe 5 eine Größe von 3,2 Prozent des gesamten Patientenklientels. Gleichzeitig muss zur Überzeugung des Senats feststehen, dass die Ermittlung der konkreten prozentualen Größe der Vergütungsgruppe auch auf anderem Wege erfolgen kann, und zwar besonders wenn man in Erwägung stellt, dass eine Vereinbarung über die Vergütung der Hochschulambulanz in der Regel vor Abschluss des Budgetjahres zustande kommen soll; allein dieser zeitliche Ablauf wäre sinnvoll und würde Planungssicherheit verschaffen.

Dementsprechend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich für die Jahre 2021 und 2022 von dem vormals praktizierten Modell gelöst hat und die Größe der Vergütungsgruppen an dem Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre einschließlich des zu regelnden Budgetjahres bemisst. Hier ergab sich z.B. für die Vergütungsgruppe 5 für das Jahr 2021 ein Größenanteil von 3,09 Prozent und für das Jahr 2022 von 3,70 Prozent. Der Senat hält das gewählte Berechnungsmodell sogar für in besonderem Maße sachgerecht, da es auch für die Zukunft ein praktikables Verfahren skizziert und es den Vertragsparteien ermöglicht, diese eine Prämisse der Preisbildung nachvollziehbar zu handhaben.

Der von der Klägerin zu 2. reklamierte Vertrauensschutz im Hinblick auf die von der Schiedsstelle im Jahre 2020 praktizierte Verfahrensweise mit Orientierung nur an den Ist-Zahlen des (im Nachhinein) zu regelnden Budgetjahres besteht nicht. Es ist schon überaus fraglich, ob von einzelnen Schiedssprüchen für die Zukunft Vertrauensschutz ausgehen kann; dies anzunehmen würde der besonderen Rolle eines nur bei dem Scheitern von Vertragsverhandlungen tätig werdenden Schiedsorgans zur Überzeugung des Senats nicht gerecht. Vertrauenstatbestände werden gar nicht erst gesetzt. Vertrauensschutz würde für nachfolgende Budgetverhandlungen bzw. Schiedsstellenentscheidungen zu einer unstatthaften rechtlichen Bindung in Bezug auf einen Aspekt führen, der im gegebenen rechtlichen Rahmen grundsätzlich frei verhandelbar ist.

Ein Kriterium für die Rechtskontrolle des vorliegend streitigen Schiedsspruchs ist insoweit, ob – wie bereits bejaht – die gewählte Verfahrensweise sachangemessen erscheint und ob die getroffene Entscheidung plausibel begründet ist. Auch letzteres ist der Fall. Auf Bl. 19 der schriftlichen Begründung des Schiedsspruchs ist nachvollziehbar erklärt, warum die Schiedsstelle die Orientierung am Dreijahresdurchschnitt gewählt hat. Absicht ist eine in die Zukunft wirkende Mengenkontrolle, die auf diese Weise ohne Zweifel bewirkt wird. Die auf drei Jahre erstreckte Datenbasis hat größere Verlässlichkeit als die auf ein Jahr bezogene Datenbasis, denn auf diese Weise können nur für einen begrenzten Zeitraum relevante Entwicklungen in einen größeren Zusammenhang gestellt werden, ohne dass sie sich zwingend massiv auf das Folgejahr auswirken. Insgesamt hat die Beklagte sich hier also sicher im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums bewegt.

(2) Ebenso wenig rechtlich zu beanstanden ist die Festlegung der Fallzahlgrenze, innerhalb derer die Fälle zur vollen Pauschale vergütet werden.

Die Beklagte hat hier für das Jahr 2021 eine Fallzahlgrenze von 305.000 und für das Jahr 2022 von 310.000 festgelegt. Die tatsächlichen Fallzahlen betrugen 2021 312.182 und im Folgejahr 326.908. Dementsprechend sollen für 2021 7.182 Fälle und für 2022 16.908 Fälle mit 55 Prozent der durchschnittlichen Fallpauschale vergütet werden.

Die Klägerin zu 2. demgegenüber hatte im Schiedsverfahren beantragt, für 2021 die Ist-Zahl von 312.182 ohne Abschläge und für 2022 einen Wert von 315.000 Fällen als Fallzahlgrenze anzusetzen. Die Kassenverbände hatten gleichzeitig für beide Jahre eine Fortschreibung der für 2020 festgesetzten Fallzahlgrenze von 300.000 beantragt.

Die Festsetzung der Fallzahlgrenze für die streitigen Jahre 2021 und 2022 konnte sich nur bedingt an dem Schiedsspruch für das Jahr 2020 orientieren, da in jenem Jahr die tatsächlichen Fallzahlen (297.397) unter der Fallzahlgrenze (300.000) lagen, so dass es sogar zur Festsetzung eines Mindererlösausgleichs kam. Schon insoweit geht der Ansatz der Klägerin zu 2. fehl, aus dem Schiedsspruch für 2020 „Vertrauensschutz“ ableiten und ihn schematisch als Vorlage für die Folgejahre verwenden zu wollen.

Die Beklagte begründet die vorgenommene Fallzahlbegrenzung in Form einer Kappungsgrenze rechtlich beanstandungsfrei mit dem Argument der Mengensteuerung. Die Auffassung der Klägerin zu 2., bei retrospektiver Regelung der Vergütung für ein abgelaufenes Budgetjahr trage das Argument der Mengensteuerung nicht, geht fehl. Denn – was die Klägerin zu 2. ja auch selbst für sich beansprucht – die Festlegungen für das eine Jahr haben direkte oder indirekte Auswirkungen für die Festsetzungen der Folgejahre, so dass die Erwägung einer maßvollen Mengensteuerung nicht sachwidrig ist.

Es erscheint sogar in besonderem Maße sachgerecht und wird der Rolle der Schiedsstelle als um einen Kompromiss ringendes Organ gerecht, dass die Fallzahlgrenzen für beide streitigen Jahre nach Art eines zwischen den Positionen der Vertragsparteien liegenden Mittelwertes geregelt worden sind. Die Bemessung der Fallzahlgrenze, oberhalb derer die Fallpauschale nur noch in Höhe von 55 Prozent gezahlt wird, liegt typischer Weise im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Beklagten und ist einer gerichtlichen Kontrolle weiter nicht zugänglich. Es ist insbesondere nicht erkennbar, warum sich die Fallzahlgrenze für das Jahr 2021 in der Höhe der tatsächlichen Fallzahlen bewegen sollte. Letztlich argumentiert die Klägerin zu 2. hier auch widersprüchlich, da sie für das Jahr 2021 eine unbudgetierte Vergütung anstrebt und für das Jahr 2022 eine Kappung von 11.908 Fällen auf 55 Prozent der Durchschnittspauschale in Kauf nimmt.

In der Gesamtbetrachtung kommt hinzu, dass die von der Beklagten festgesetzten Fallzahlgrenzen gerade auch deshalb rechtlich beanstandungsfrei sind, weil sämtliche darüber liegenden Fälle mit 55 Prozent der Durchschnittspauschale vergütet werden, was die nach Auffassung der Klägerin zu 2. zu niedrige Fallzahlgrenze in ihren Auswirkungen stark abmildert.

(3) Rechtsfehlerfrei hat die Beklagte auch die Festlegung neuer Pauschalen für Kryokonservierung abgelehnt.

Als „Festsetzung neuer Pauschalen für spezielle Leistungen“ hatte die Klägerin zu 2. insoweit als drei neue Vergütungsgruppen Pauschalen für Kryokonservierung von Samenzellen, für Kryokonservierung von Hodengewebe und für Kryokonservierung, Lagerung ab dem 2. Quartal, beantragt, mithin bezogen ausschließlich auf beim Mann gewonnenes Material. Die Klägerin zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit erklärt, dass die Kryokonservierung von Samenzellen und Hodengewebe in der Regel zur Fertilitätsprotektion im Vorfeld onkologischer Behandlungen erfolge, die negativen Einfluss auf die Zeugungsfähigkeit haben könnten.

Die Beklagte hat dies abgelehnt mit der Begründung, die Bildung diagnose- oder behandlungsbezogener Pauschalen komme grundsätzlich nicht in Betracht. Denn nach dem Rahmenvertrag 2018 richteten sich die Vergütungsgruppen nach der jeweils in Anspruch genommenen Hochschulambulanz, in der der Patient mit seiner Ambulanzdiagnose behandelt werde und damit nicht nach dem patientenbezogenen Aufwand bei bestimmten Erkrankungen, wie es nach § 2 der Patientengruppen-Vereinbarung vom 1. Dezember 2016 auch möglich wäre. Die neu beantragten Vergütungsgruppen sollten nicht mehr an die Fachabteilung anknüpfen, sondern an die Diagnose der Erkrankung bzw. die durchgeführte Behandlung. Für eine solche Abkehr vom System seien keine einleuchtenden Gründe genannt worden. Zudem seien nach § 2 Abs. 3 HSA-SV in begründeten Ausnahmefällen ergänzende Vergütungen bei schweren oder komplexen Behandlungen möglich.

Gegen diese Begründung ist nichts zu erinnern. Es liegt im Gestaltungsspielraum der nach einem Scheitern der Vergütungsverhandlungen angerufenen Beklagten, das System zur Vergütung der Hochschulambulanz zu steuern und darauf zu achten, Systembrüche zu vermeiden. Ein solcher läge in Bezug auf die Kryokonservierung nach dem Antrag der Klägerin zu 2. vor, weil die Bildung einer diagnose- oder behandlungsbezogenen Vergütungsgruppe nicht mit dem bisherigen System der in Anspruch genommenen Hochschulambulanz konform ginge.

Unabhängig davon durfte die Beklagte von der Annahme ausgehen, dass eine Aufnahme von Pauschalen für Kryokonservierung auch aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht komme. Unter Kryokonservierung (vgl. insoweit auch § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB V) versteht man das Aufbewahren von Zellen oder Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff. Mit Hilfe dieses Verfahrens ist es möglich, die Vitalität der Zellen langfristig aufrechtzuerhalten. Kryokonservierung kann sowohl bei Pflanzenzellen als auch bei tierischen Zellen angewandt werden, beim Menschen zum Beispiel auch bei Blut, SpermienEizellen und Embryonen. Die Lagerung findet in Kryo­banken statt. In der Reproduktionsmedizin kommt die Kryokonservierung sowohl als Bestandteil einer Kinderwunschbehandlung mittels Präimplan­tationsdiagnostik zum Einsatz, als auch im Rahmen von Maßnahmen der Fertilitätsprotektion aus medizinischer Indikation und beim Social Freezing, bei dem der Schwangerschaftsbeginn noch nicht sofort angestrebt wird.

Die Beklagte hat beanstandungsfrei darauf hingewiesen, dass Kryokonservierung nicht als Leistung der Hochschulambulanzen anzusehen sei, da sie nicht unter die Bestimmung der Patientengruppen falle, wie § 2 Abs. 2 der Patientengruppenvereinbarung vom 23. November 2016 sie treffe. Kryokonservierung von Samenzellen oder Hodengewebe als Leistung der Reproduktionsmedizin betrifft keine Patientengruppe, die wegen der Art, Schwere oder Komplexität der Erkrankung eine Untersuchung oder Behandlung (nämlich die Kryokonservierung) gerade in einer Hochschulambulanz in Anspruch nehmen muss. Gegenteiliges hat auch die Klägerin zu 2. nicht dargelegt. Das von der Klägerin zu 2. vorgebrachte Argument, die Situation der Versorgung mit Leistungen der Kryokonservierung sei in Berlin für gesetzlich Versicherte mit langen Wartezeiten verbunden, kann dabei nicht ins Gewicht fallen, denn der Auftrag der Hochschulambulanzen bemisst sich an den Vorgaben in § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit der Patientengruppenvereinbarung, ist bedarfsunabhängig (vgl. Rademacker in Hauck/Noftz, SGB V, Rdnr. 6 zu § 117) und umfasst keine „Auffangfunktion“ gegenüber einer gegebenenfalls defizitären vertragsärztlichen Versorgung. Unabhängig davon ist auch nach oberflächlicher Internetrecherche erkennbar, dass im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin eine nennenswerte Anzahl von Vertragsärzten niedergelassen ist, die Leistungen der Kryokonservierung anbieten.

Die Klägerin zu 2. hat auch nicht nachvollziehbar erklärt, warum Kryokonservierung für Forschung und Lehre relevant sein könnte. Inwieweit noch Forschungsbedarf besteht, ist nicht erkennbar geworden. Ebenso wenig ist ersichtlich geworden für eine Relevanz der Kryokonservierung von Samenzellen bzw. Hodengewebe im Rahmen der universitären Lehre. Nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin vom 22. September 2021 spielt der Vorgang der Kryokonservierung selbst in der Weiterbildung Urologie keine Rolle und in der Zusatz-Weiterbildung Andrologie eine stark untergeordnete, denn dort ist nur eine „andrologische Beratung, auch onkologischer Patienten, bezüglich Kryokonservierung von Spermatozoen und Hodengewebe“ mit einer Richtzahl von 25 vorgesehen.  

Zu Recht hat die Beklagte in der Begründung des Schiedsspruchs weiter ausgeführt, dass es sich bei Hochschulambulanzen gerade nicht um offene Fachambulanzen für die allgemeine ambulante Patientenversorgung handele. Das zeigt schon der Wortlaut von § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB V, der Hochschulambulanzen nicht als offenes Auffangbecken und ohne jede Begrenzung ermächtigt und für Fälle der „Art, Schwere und Komplexität“ sogar zusätzlich den Facharztfilter nach § 117 Abs. 1 Satz 2 SGB V einzieht. Da sich also eine Begrenzung der in Hochschulambulanzen erbringbaren Leistungen schon aus dem Gesetz ergibt, ist die Rüge der Klägerin zu 2., die Beklagte besitze keine Kompetenz, „die Leistungen einer Hochschulambulanz zu begrenzen“ bzw. es bestehe kein „Nachrang“ der Hochschulambulanzen gegenüber dem vertragsärztlichen Bereich, nicht tragfähig.

Sofern die Klägerin zu 2. für künftige Vertragsverhandlungen daran festhält, auf Kryokonservierung bezogene Pauschalen vereinbaren zu wollen, wird es entscheidend auf substantiiertes Vorbringen zu der Frage ankommen, ob und inwieweit genau die Kryokonservierung von Bedeutung für Forschung und Lehre ist (vgl. § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V).

(4) Ebenso rechtsfehlerfrei hat die Beklagte die Festlegung ergänzender Pauschalen abgelehnt, soweit von der Klägerin zu 2. beantragt waren:

Seltene Erkrankungen - Genetik und Beratung/Diagnostik:

 

Leistungsinhalt

Entgelt

S 01

Humangenetische Beratung 1

197,93 €

S 02

Humangenetische Beratung 2

544,47 €

S 03

Exomanalyse

3.196,25 €

S 04

Mutationssuche <25kb. Notwendig zur gezielten Untersuchung von Krankheitsgenen

2.895,91 €

S 05

Zytogenetik

148,96 €

S 06

Postnatale gesamtgenomische Untersuchung auf konstitutionelle Imbalancen (Array)

1.005,87 €

Radiologische Diagnostik / Nuklearmedizin

 

Leistungsinhalt

Entgelt

R 01

Computertomographie

166,79 €

R 02

Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT)

176,88 €

N 04

Szintigraphie

60,64 €

N 07

SPECT

123,30 €

Ergänzende Pauschalen für spezielle Leistungen:

 

Leistungsinhalt

Entgelt

P 01

Präzisionsonkologische Beratung

1.140,00 €

In der Vergütungsvereinbarung der Jahre 2018 / 2019 waren diese ergänzenden Pauschalen nicht enthalten. Im ohne Weiteres bestandskräftig gewordenen Schiedsspruch der Beklagten vom 22. Juni 2021 für das Budgetjahr 2020 wurde „der weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung ergänzender Pauschalen“ (in den gewünschten Leistungsinhalten identisch mit dem Antrag der Klägerin zu 2. für die Jahre 2021 und 2022) vollständig abgewiesen; zur Begründung heißt es in jenem Schiedsspruch im Wesentlichen:

Der Forderung der Antragstellerin, weitere ergänzende Pauschalen festzulegen, konnte die Schiedsstelle nicht folgen. Dabei lässt die Schiedsstelle ausdrücklich offen, unter welchen Voraussetzungen eine veränderte Vergütungsstruktur mit den gesetzlichen Vorgaben der §§ 120 Abs. 3 S. 3, 71 Abs. 1 u. 2 SGB V vereinbar sein kann. Die Ausführungen beider Seiten, in den vorbereitenden Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle, lassen nicht erkennen, ob überhaupt und ggf. wie nur durch zusätzliche Pauschalen besonderer Behandlungsaufwand sachgerecht vergütet werden kann. Die Schiedsstelle ist daher der Meinung und hat dies zu 3. als Aufforderung in den Entscheidungsausspruch aufgenommen, dass die Parteien bei den Verhandlungen zur Vergütung der Hochschulambulanzen 2021 alle zur Verfügung stehenden Evaluationen und Kostenkalkulationen zu berücksichtigen haben, um zu einer für beide Seiten angemessenen Lösung zu kommen. Zwar hätte die Schiedsstelle - wenn die tatsächlichen Voraussetzungen dargelegt wären, dass die bisherigen Pauschalen und die daraus sich ergebende Vergütungsstruktur der Antragstellerin keine wirtschaftliche Betriebsführung erlaubt - die Möglichkeit, durch einen Schiedsspruch die bisherige Vergütungsstruktur zu erweitern. Hierbei ist aber Zurückhaltung geboten. Zu solchen Veränderungen sollten primär Verhandlungen zwischen den Parteien führen. Sie müssen zu Veränderungen führen, wenn Kalkulationen der Antragstellerin belegen, dass die in den Vorjahren festgelegten Strukturen den gesetzlichen Anforderungen an die Vergütung nicht mehr Rechnung tragen, weil Veränderungen stattgefunden haben, die in der bisherigen Struktur nicht abgebildet werden können.

Im vorliegend streitigen Schiedsverfahren hat die Beklagte diese Position zu Gunsten der Klägerin zu 2. teilweise aufgegeben und folgende ergänzende Pauschalen mit entsprechender Begründung festgesetzt:

 

Leistungsinhalt

Entgelt

(statt neue Gruppe 6)

Ergänzende Pauschale

Nachsorge

Onasemnogene abparvovec

(Zolgensma)

 

982,31 €

(beantragt: 1.679,76 €)

N 01

PET-CT

854,40 €

N 02

PET-CT - 2

1.637,59 €

N 03

PET-CT - 3

1.616,92 €

Hierin zeigt sich, dass die Klägerin zu 2. im Schiedsverfahren teilweise Erfolg hatte und in Bezug auf neue bzw. ergänzende Pauschalen im Verhältnis zum Jahr 2020 einen Schritt weiter gekommen ist. Das ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht ohne Bedeutung, denn der gerichtlich nur stark eingeschränkt überprüfbare Schiedsspruch hat der Natur der Sache nach Kompromisscharakter.

Auf der anderen Seite hat der streitige Schiedsspruch die oben bezeichneten Pauschalen abgelehnt, und zwar mit im Wesentlichen folgender Begründung (Seite 23 bis 25 der schriftlichen Fassung):

Die beantragten ergänzenden Pauschalen S01-S06 werden nicht festgesetzt.

Die Behandlung von Patienten mit seltenen Erkrankungen ist nach § 2 Abs. 2 lit. A) Ziff. 1 der Patientengruppen-Vereinbarung ausdrücklich für die Hochschulambulanzen vorgesehen. Grundsätzlich ist daher davon auszugeben, dass die Behandlung von Patienten mit seltenen Erkrankungen in den Pauschalen für die Hochschulambulanzen der Antragstellerin berücksichtigt worden ist. Fraglich war daher, ob in diesem Behandlungsspektrum neuer Aufwand zu Tage getreten ist, der eine ergänzende Vergütung für den Einzel- oder Ausnahmefall rechtfertigt.

Zwar liegt seit dem 01.04.2022 der Evaluationsbericht des G-BA zum Projekt Translate-Namse vor, der nun, wie von der Schiedsstelle im Beschluss vom 22.06.2021 gefordert, berücksichtigt werden könnte. Allerdings lassen sich aus der Evaluation direkt keine Anforderungen an die ambulanten Behandlungen in den Hochschulambulanzen ableiten, die das regelmäßige Aufgabenspektrum übersteigen und zusätzlichen Kostenaufwand bedingen. Der G-BA spricht vielmehr Empfehlungen für die Überführung in die Regelversorgung aus und leitet die in dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse zunächst zur weiteren Prüfung und Umsetzung an verschiedene Verantwortungsträger des Gesundheitswesens weiter.

In der mündlichen Verhandlung wurde zudem unstreitig vorgetragen, dass die Krankenkassen auch aktuell schon entscheiden können, ob sie einem Selektivvertrag zustimmen. Bis auf einige Krankenkassen seien alle den entsprechenden Selektivverträgen beigetreten, die die Leistungen nach den Vergütungsgruppen S01 bis S06 abdecken. Wenn für Patienten die Abrechnung auf der Basis eines Selektivvertrages in Betracht kommt, muss eine Vergütung über die ergänzende HSA-Pauschale nicht mehr erfolgen.

(…)

Die Schiedsstelle erkennt einen erhöhten Behandlungsaufwand aufgrund des gegenüber dem Jahr 2017 deutlich gestiegenen Leistungsumfangs bei radiologischer Diagnostik und Nuklearmedizin grundsätzlich an. Die Antragstellerin hat in der letzten Verhandlung mit einer Tischvorlage dargelegt, dass alle Untersuchungen mit radiologischen Großgeräten seit dem Jahr 2017 sehr stark zugenommen haben (zum Teil um mehr als das Zehn- bis Zwanzigfache). Die Inanspruchnahme der radiologischen Großgeräte erfolgt dabei grundsätzlich in allen Hochschulambulanzen; sie kann nicht allein der Radiologie mit der Vergütungsgruppe 4 zugeordnet werden.

Schon bei der vergleichsweise geringen Nutzung der radiologischen Großgeräte durch die Hochschulambulanzen im Jahr 2017 hat die Antragstellerin versucht zu erreichen, dass diese Kosten bei der Bemessung der Ambulanzpauschalen gesondert berücksichtigt werden. Das ist jedoch nicht erfolgt. Die Antragsgegner haben dies seinerzeit als nicht erforderlich zur Kostendeckung angesehen. Die Kosten für alle medizinischen und nichtmedizinischen Leistungen sollten mit den vereinbarten Pauschalen als abgegolten gelten, siehe auch § 5 Abs. 1 Rahmenvertrag. Die Antragstellerin hat das für die Jahre 2018 und 2019 akzeptiert. Für das Jahr 2020 hat die Schiedsstelle der erneut aufgemachten Forderung zwar nicht entsprochen, allerdings wegen fehlender Plausibilität hinsichtlich der Leistungsentwicklung und Kostendarstellung.

Die jetzt vorgelegten Leistungsdaten sind zugrunde zu legen; Zweifel an ihrer Plausibilität haben sich nach den Erörterungen vor der Schiedsstelle nicht ergeben. Der Aufwuchs der Inanspruchnahme der radiologischen Großgeräte wird mit der medizinischen Entwicklung erklärt. Die Leistungen der radiologischen Diagnostik sind allerdings unterschiedlich kostenintensiv. So ist nach dem Antrag der Antragstellerin für eine Computertomographie ein Entgelt von 166,79 EUR und für eine MRT-Untersuchung ein Entgelt in Höhe von 176,88 EUR anzusetzen. Für die Untersuchungen mit einem PET-CT wird ein Entgelt zwischen 854,40 EUR bis 1.637,59 EUR angesetzt. Bei den CT- und MRT-Untersuchungen ist die Fallzunahme über alle Hochschulambulanzen kostentreibend. Bei den PET-CT-Untersuchungen ist es das besonders hohe Entgelt pro Fall. Denn vergleicht man deren Entgelt mit der Pauschale für die höchste Vergütungsgruppe 5 (festgesetzt: 348,42 EUR / 2021 und 356,40 EUR / 2022) wird sofort ersichtlich, dass selbst die höchste Pauschale nicht kostendeckend sein kann. Beide Faktoren führen zu erhöhten Kosten in den einzelnen Ambulanzen, die durch die Pauschalen für die fünf Vergütungsgruppen nach Überzeugung der Schiedsstelle nicht abgedeckt sind.

Für die PET-CT-Leistungen (N01 - N03) sieht die Schiedsstelle die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 HSA-SV wegen eines besonders hohen Aufwandes im einzelnen Behandlungsfall als gegeben an. Für diese Leistungen setzt sie die beantragten ergänzenden Pauschalen fest. Der Kalkulation der Antragstellerin liegen die Vergütungen nach dem EBM zugrunde. Es handelt sich bei den Leistungen um gerätebasierte Untersuchungen, die mit den Leistungen in der niedergelassenen Ambulanz vergleichbar sind. Die Antragsgegner haben nicht substantiiert und mit Gegenvorschlägen widersprochen.

Die übrigen beantragten ergänzenden Vergütungen für Leistungen (R01, R02, N04, N07) werden abgelehnt. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 HSA-SV, denn sie können aufgrund der Menge ihrer Inanspruchnahme als Standardleistungen angesehen werden, die mit der Quartalspauschale zu vergüten sind.

Die Schiedsstelle empfiehlt daher, diese Leistungen in die relevanten Gruppen einzupreisen. Dazu sollten, ausgehend von den „bisherigen“ Leistungen im Jahr 2017, die Steigerungen in den Folgejahren, die aus der Tischvorlage vom 24.01.2023 hervorgehen, gegenüber den Antragsgegnern dargestellt und begründet werden. Zudem ist darzustellen, für welche Hochschulambulanzen die Leistungen schwerpunktmäßig erbracht wurden bzw. werden.

(…)

Dem Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung einer ergänzenden Pauschale für die präzisionsonkologische Beratung gibt die Schiedsstelle nicht statt.

Schon in ihrem Antrag vom 24.10.2022 hat es die Antragstellerin versäumt, diese Beratungsleistung im Zusammenhang mit den Aufgaben der Hochschulambulanzen darzustellen und die zusätzliche Vergütung plausibel zu begründen. Sie verweist allein auf die vorgelegte Kalkulation für diese Leistung. Die Antragsgegner lehnen eine zusätzliche Vergütung ab, da die onkologische Beratung zum Versorgungsspektrum einer Hochschulambulanz gehört.

Die Schiedsstelle konnte sich aufgrund der fehlenden hinreichenden Erläuterungen nicht davon überzeugen, dass es sich bei der präzisionsonkologischen Beratung um eine Leistung handelt, für die eine ergänzende Vergütung nach § 2 Abs. 3 HSA-SV in Betracht kommt.

Diese Begründung ist in jeder Hinsicht abwägend, nachvollziehbar und sogar überzeugend. Beurteilungsfehler sind in Zusammenhang mit der Ablehnung der genannten ergänzenden Pauschalen nicht ersichtlich. Fehler der Beklagten in der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts sind nicht erkennbar; insbesondere liegt keine Verletzung der Verpflichtung zur Amtsermittlung vor. In Würdigung des Gestaltungsspielraums der Beklagten ist daher die abgewogene und differenzierte Entscheidung zur Anerkennung bzw. Ablehnung neuer bzw. ergänzender Pauschalen nicht zu beanstanden. Im Zuge der Ablehnung der oben genannten Pauschalen durfte die Beklagte darauf hinweisen, dass die geltend gemachten zusätzlichen Pauschalen entweder Bestandteil von Selektivverträgen oder bereits in der Grundpauschale enthalten sind bzw. dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 3 HSA-SV nicht erfüllt sind. Im Einzelnen:

Soweit die Beklagte es abgelehnt hat, die beantragten ergänzenden Pauschalen S01-S06 für seltene Erkrankungen betreffende Leistungen festzusetzen, hat sie weder gegen grundlegende verfahrensrechtliche Anforderungen noch gegen zwingende inhaltliche rechtliche Vorgaben verstoßen. Die Beklagte ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ergänzende Vergütungen überhaupt nur in begründeten Ausnahmefällen zusätzlich zu den Behandlungspauschalen möglich sind (vgl. § 2 Abs. 3 HSA-SV) und ihre Festsetzung daher besonderer Rechtfertigung bedarf (vgl. auch den Schiedsspruch vom 22. Juni 2021 betreffend das Jahr 2020: „Hierbei ist Zurückhaltung geboten“). Dass die Beklagte die Festsetzung der Ergänzungspauschalen S01-S06 gemessen an diesen engen Anforderungen nicht für gerechtfertigt hielt, ist unter Berücksichtigung ihres Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der hier für eine Vergütung allenfalls in Betracht kommende ohnehin beschränkte Umfang von Leistungen in Bezug auf seltene Erkrankungen zusätzlich dadurch reduziert war, dass die betreffenden Leistungen regelmäßig über Selektivverträge abgerechnet werden konnten (vgl. Schriftsatz der Klägerin zu 2. vom 13. März 2024: Für diesen „zahlenmäßig nicht sehr hohen Anteil“ von Patienten muss eine Vergütungspauschale festgesetzt werden; vgl. auch Beschluss des Innovationsausschusses beim GBA zum Projekt TRANSLATE-NAMSE vom 1. April 2022, Seite 3: „Auf Basis der Projektergebnisse wurden bereits bundesweit über verschiedene Kassenarten hinweg Selektivverträge geschlossen“). In ihrem auf den Streitwert bezogenen Schriftsatz vom 22. April 2024 hat die Klägerin zu 2. insoweit eine Fallzahl von nur 10 pro Pauschale und Jahr geschätzt. Zudem hat die Beklagte die für seltene Erkrankungen geltend gemachten Leistungen lediglich teilweise, hinsichtlich der Pauschalen S01-S06, abgelehnt. Pauschalen für Primärdiagnostik und Folgediagnostik (S07 und S08) hat sie (dem Grunde nach) anerkannt, weil insoweit ein besonders hoher Aufwand entstehe und dieser Aufwand nicht über Selektivverträge abgedeckt werde.

Die Klägerin zu 2. kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Beklagte die mit den Ergänzungspauschalen S01 - S06 geltend gemachten Kosten im Rahmen der Grundpauschalen hätte berücksichtigen müssen. Dies war der Beklagten als (nur) zur Streitschlichtung berufenen Stelle schon deshalb verwehrt, weil die Höhe der Grundpauschalen unstreitig war und insoweit übereinstimmende Anträge der beiden Klägerinnen vorlagen (vgl. auch § 120 Abs. 4 Satz 1 SGB V, wonach die Schiedsstelle Vergütungen festsetzt, wenn eine Vereinbarung „ganz oder teilweise nicht zustande“ kommt; vgl. auch Hess, in BeckOGK, SGB V, § 120 Rn. 18: Die Schiedsstelle […] hat die Aufgabe, bei „Nichteinigung“ der Pflegesatzpartner das jeweilige Krankenhausbudget bzw. die Sonderentgelte durch Schiedsspruch festzulegen). Die Klägerin zu 2. und die Kassenverbände haben ihre insoweit übereinstimmenden Anträge aus den Schriftsätzen vom 24. Oktober 2022 und 6. Dezember 2022 in der Sitzung der Beklagten am 24. Januar 2023 auf Nachfrage der Vorsitzenden bestätigt (vgl. Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 25. Januar 2023).   

Gegen die Ablehnung der ergänzenden Pauschalen R01 (CT), R02 (MRT), N04 (Szintigraphie) und N07 (Spect) durch die Beklagte hat die Klägerin zu 2. im Klageverfahren allein eingewandt, die Beklagte hätte die entsprechen Kosten im Rahmen der Grundpauschalen berücksichtigen müssen. Dies war jedoch – wie gesehen – nicht zulässig, da hinsichtlich der Höhe der Grundpauschalen Einigkeit bestand und identische Anträge vorlagen. Daher verstößt es auch nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz, dass die Beklagte die Beteiligten angehalten hat, die auch nach ihrer Einschätzung erheblich gestiegenen Kosten zukünftig einzupreisen.

Ebenso wenig ist – unter Berücksichtigung des vom Senat zu beachtenden Beurteilungsmaßstabes – zu beanstanden, dass die Beklagte davon abgesehen hat, ausnahmsweise (§ 2 Abs. 3 HSA-SV) eine ergänzende Pauschale für die präzisionsonkologische Beratung (P01) festzusetzen. Die Klägerin zu 2. hat im Schiedsstellenverfahren (vgl. zum Zeitpunkt des Schiedsspruchs als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt Kania in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 120 SGB V, Stand: 26. Juli 2023, Rn. 90; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. September 2017, L 11 KA 54/16 KL, zitiert nach juris, Rn. 57) soweit ersichtlich nicht näher erläutert, inwiefern es sich dabei um eine Leistung nach § 2 Abs. 3 HSA-SV handelt (vgl. z.B. den Schriftsatz der Klägerin zu 2. vom 20. Januar 2023, Seite 10), u.z. obwohl die Kassenverbände im Schiedsverfahren mehrfach auf den insoweit nicht ausreichenden Vortrag der Klägerin zu 2. hingewiesen hatten (vgl. z.B. Schriftsatz der Kassenverbände vom 6. Dezember 2022, Seite 29). Dass die Klägerin zu 2., wie sie im Klageverfahren vorträgt, „im Rahmen der mündlichen Verhandlung“ den Leistungsinhalt näher dargelegt und erläutert habe, lässt sich anhand der Niederschriften der Sitzungen der Schiedsstelle nicht nachvollziehen. Die Beklagte durfte daher darauf verweisen, dass sie sich vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 HSA-SV hinsichtlich der präzisionsonkologischen Beratung nicht habe überzeugen können.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 162 Abs. 3 VwGO sowie § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 der Zivilprozessordnung. Für die Quotierung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten hat der Senat das Unterliegen der Beklagten mit einem Viertel bewertet. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1. nur ein Viertel und die Klägerin zu 2. die Hälfte, weil der Wert der von der Klägerin zu 2. betriebenen Klage deutlich höher war.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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