S 4 EG 1/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 EG 1/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Der Verschiebetatbestand wegen Einkommensminderungen aufgrund der COVID-19-Pandemie nach § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG ist bei zeitlichem Auseinanderfallen der pandemiebedingten Umstände, wie die Quarantäne des Elterngeldberechtigten, und Einkommensminderung nicht anwendbar.


Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung höheren Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

Die 1985 geborene Klägerin ist Mutter des 2022 geborenen Kindes C. Vor der Geburt ihres Sohnes war die Klägerin als Kinderkrankenschwester berufstätig. Die Klägerin bezog vom 25.12.2021 bis zum 13.04.2022 Mutterschaftsgeld in Höhe eines kalendertäglichen Zahlbetrags von 13,00 Euro. Daneben bezog die Klägerin von ihrem Arbeitgeber einen kalendertäglichen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 78,14 Euro für die Zeit vom 16.02.2022 bis zum 31.03.2022. Die Klägerin nahm vom 14.04.2022 bis zum 13.04.2023 Elternzeit in Anspruch.

Der Arbeitgeber der Klägerin nahm im Januar 2021 eine Rückrechnung des Arbeitslohns für den November 2020 vor. So bezog die Klägerin ursprünglich für November 2020 einen steuerpflichtigen laufenden Bruttoarbeitslohn in Höhe von 4.009,81 Euro. Laut korrigierter Entgeltabrechnung für November 2020 betrug der steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn nunmehr 1.821,87 Euro, da eine Entschädigungsleistung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) für Quarantäne nach in Höhe von 1.034,96 Euro berücksichtigt wurde. Durch die Rückrechnung betrug der steuerpflichte Bruttoarbeitslohn für Januar 2021 laut Entgeltabrechnung nun nur noch 2.104,63 Euro. Ohne erfolgte Rückrechnung hätte der steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn für Januar 2021 3.926,50 Euro betragen.

Die Klägerin beantragte unter dem 14.04.2022 Elterngeld für ihren Sohn C. Der Beklagte bewilligte der Klägerin Elterngeld unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 8 Abs. 2 BEEG mit Bescheid vom 22.06.2022. Hierbei wurde Basiselterngeld für den ersten bis zweiten Lebensmonat (16.02.2022 bis 15.03.2022) in Höhe von 0,00 Euro, für den zweiten Lebensmonat (16.03.2022 bis 15.04.2022) in Höhe von 103,52 Euro und für den vierten bis zwölften Lebensmonat (16.04.2022 bis 15.02.2023) in Höhe von jeweils 1.604,69 Euro gewährt. Der Beklagte legte dabei das Einkommen der Klägerin der letzten zwölf Monate vor der Geburt ihres Kindes und damit die Kalendermonate Dezember 2020 bis November 2021 zugrunde. Hierbei wurde für den Kalendermonat Januar 2021 ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 2.104,63 Euro berücksichtig. Der Beklagte ermittelte ein monatliches Elterngeld-Brutto von 3.995,77 Euro, woraus er wiederum ein Elterngeld-Netto von monatlich 2.468,75 Euro errechnete; darauf wandte er einen Leistungssatz von 65,00 Prozent an.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.06.2022 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass die Rückrechnung auf der Quarantäne und deren Entschädigung resultiere und daher der Kalendermonat Januar 2021 für die Berechnung des vorgeburtlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit ausgeklammert werden und stattdessen der Kalendermonat November 2021 einbezogen werden müsste.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2022 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass für den Kalendermonat November 2020 der Verschiebetatbestand des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG grundsätzlich aufgrund der Quarantäne erfüllt sei. Allerdings habe die Klägerin zunächst bezogen., sodass ihr kein Einkommensverlust entstanden sei. Die Rückrechnung des Arbeitgebers habe zwar zu einer Einkommensverringerung im Januar 2021 geführt, aber nicht aufgrund der Corona-Pandemie, sodass die Voraussetzungen für den Verschiebetatbestand des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG für Januar 2021 nicht gegeben seien. Daneben könne der theoretische Bruttoarbeitslohn für Januar 2021 in Höhe von 3.926,50 Euro nicht berücksichtigt werden. Der Bescheid sei daher rechtmäßig.

Am 15.08.2022 hat die anwaltlich vertretene Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Marburg erhoben.

Die anwaltlich vertrete Klägerin trägt vor, dass sich in der Rückrechnung im Januar 2021 und der damit verbundenen Minderung des Bruttoarbeitslohns gerade die Einkommensminderung wegen der Quarantäne im November 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie niedergeschlagen habe. Der Umstand, dass die Quarantäne und rückrechnungsbedingte Einkommensminderung zeitlich auseinanderfalle, sei unerheblich für die Anwendung des Verschiebetatbestandes des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt schriftsätzlich (zweckdienlich),

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Zugrundelegung der Kalendermonate November 2020 bis November 2021 als Bemessungszeitraum und Ausklammerung des Kalendermonats Januar 2021 für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verteidigt seine Bescheide und verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022. 

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, die Klägerin mit anwaltlichen Schriftsatz vom 11.06.2024 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 31.05.2024, zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 22.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Der Beklagte hat mit ihnen zu Recht entschieden, dass ein Elterngeldanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der Kalendermonate Dezember 2020 bis November 2021 als Bemessungszeitraum besteht und damit zutreffend die Kalendermonate Dezember 2020 bis November 2021 bei der Berechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ihres 2022 geborenen Kindes C. berücksichtigt (siehe hierzu I.). Der Beklagte hat die Höhe des Elterngeldes zutreffend festgesetzt (siehe hierzu II.).

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach den am 01.01.2007 in Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 05.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 2748) in der aufgrund Art. 5 des Gesetzes zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen geltenden Fassung vom 18.03.2022 mit Wirkung zum 19.03.2022 (BGBl. I 2022, S.  473 f.). 

Zunächst steht fest, dass die Klägerin die Grundvoraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs auf Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BEEG für das 2022 geborene Kind C. erfüllt. 

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld,
1.    wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland,
2.    mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.    dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.    keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

All diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Sie hatte während des gesamten Bezugszeitraums ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit dem Kind C. in einem Haushalt, betreute und erzog ihn selbst und übte entsprechend ihrer Ankündigung im Elterngeldantrag während des Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Zudem lag ein ordnungsgemäßer Antrag vor. Dies alles ist hier ausweislich der Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren und im Übrigen unstreitig der Fall.

Die Bemessung der Höhe des Elterngeldanspruchs richten sich nach § 2 ff. BEEG. Soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, lauten diese Regelungen wie folgt:
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG wird das Elterngeld bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.
In § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG erfolgt die Bestimmung des Begriffs Einkommens aus Erwerbstätigkeit (auch sog. Erwerbseinkommen) unter Verweisung auf die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG errechnet sich das Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus
1.    nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG sowie
2.    Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat.
§ 2 Abs. 2 BEEG regelt die Höhe des Elterngeldes, indem die Ersatzrate des Elterngelds bei niedrigen Erwerbseinkommen erhöht und bei hohen Erwerbseinkommen reduziert wird. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 BEEG erhöht sich in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1.000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. Nach § 2 Abs. 2 S. 2 BEEG sinkt in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses den Betrag von 1.200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.
Eine zeitliche Bestimmung der Begrifflichkeit „vor der Geburt des Kindes“ erfolgt in § 2b Abs. 1 S. 1 BEEG. Danach sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit i. S. d. § 2c BEEG vor der Geburt gemäß § 2b Abs. 1 S. 1 BEEG die zwölf Kalendermonate vor dem Kalendermonat der Geburt des Kindes maßgeblich (sog. Bemessungszeitraum). Eine Verschiebung des Bemessungszeitraums erfolgt hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit unter den Voraussetzungen des § 2b Abs. 1 S. 2 bis S. 4 BEEG.

Gemäß § 2b Abs. 1 S. 2 BEEG bleiben bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums nach § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person
1.    im Zeitraum nach § 4 Abs. 1 S. 2 und 3 und Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BEEG Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, 

2.    während der Schutzfristen nach § 3 des Mutterschutzgesetzes nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen (KVLG) hat,

3.    eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war,

4.    Wehrdienst nach dem Wehrpflichtgesetz in der bis zum 31.05.2011 geltenden Fassung oder nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes oder Zivildienst nach dem Zivildienstgesetz geleistet hat 
und in den Fällen der Nr. 3 und 4 dadurch ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte.
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG sind abweichend von § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG Kalendermonate im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 4 BEEG auf Antrag der berechtigten Person zu berücksichtigen.
Nach § 2 Abs. 1 S. 4 BEEG bleiben abweichend von § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG bleiben auf Antrag bei der Ermittlung des Einkommens für die Zeit vom 1. März 2020 bis zum Ablauf des 23. September 2022 auch solche Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte und dies glaubhaft machen kann.

I.    Zutreffend hat der Beklagte den zwölfmonatigen Bemessungszeitraum für das 2022 geborene Kind auf die Zeit vom Dezember 2020 bis zum November 2021 bestimmt und den Kalendermonat Januar 2021 dabei nicht auf Antrag der Klägerin ausgeklammert und den Bemessungszeitraum um einen Kalendermonat in die Vergangenheit verschoben.

Zunächst ist festzuhalten, dass ausweislich der Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren und im Übrigen unstreitig für die Berechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit (§ 2 BEEG) auf die Regelungen für das Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit nach § 2c BEEG abzustellen ist, da die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BEEG i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 i. V. m. § 19 EStG vor der Geburt ihres Kindes hatte. Damit bestimmt sich der zwölfmonatige Bemessungszeitraum für das vorgeburtliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach § 2b Abs. 1 S. 1 BEEG.

Die Kalendermonate Dezember 2021 und Januar 2022 waren gemäß § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 BEEG nicht in den Bemessungszeitraum einzubeziehen, da die Klägerin ab dem 25.12.2021 und damit für diese Kalendermonate Mutterschaftsgeld bezog. Für die Auslassung von Kalendermonaten genügt es bereits, wenn die elterngeldberechtigte Person den jeweiligen Ausklammerungstatbestand für mindestens einen Tag im jeweiligen Kalendermonat erfüllt. Als Folge verschiebt sich der Bemessungszeitraum um die Zahl der ausgelassenen Monate in die Vergangenheit (Röhl, in: Rolfs/Giesen/ Meßling/Udsching (Hrsg.), BeckOK ArbR, Kommentar, 71. Ed. (Stand: 01.03.2024), § 2b BEEG Rn. 3). Folglich verschob sich durch die Auslassung der Kalendermonate Dezember 201 und Januar 2022 der Beginn des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums um zwei Monate in die Vergangenheit und damit auf den Kalendermonat Dezember 2020. Der Bemessungszeitraum endete damit folgerichtig mit Ablauf des Kalendermonats November 2021.

Mangels Erfüllung weiterer Ausklammerungstatbestände, insbesondere des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG, besteht kein Anspruch der Klägerin auf eine weitere Verschiebung des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums in die Vergangenheit.

Mit dem Gesetz für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID 19 Pandemie vom 20.05.2020 (BGBl. I 2020, S. 1061) hat der der Gesetzgeber die Ausnahmebestimmung des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG (damals noch als § 2b Abs. 1 S. 3 BEEG) eingeführt. Ihr zufolge bleiben abweichend von § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG auf Antrag bei der Ermittlung des Einkommens für die Zeit vom 01.03.2020 bis zum Ablauf des 23.09.2022 auch solche Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die elterngeldberechtigte Person aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte und dies glaubhaft machen kann. Diesen Ausnahmetatbestand hat der Gesetzgeber der vorgefundenen weiteren Ausnahmeregelung des § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG nachgebildet, nachdem unter den dort im Einzelnen normierten Voraussetzungen insbesondere Zeiträume eines Elterngeldbezuges für ein älteres Kind, Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges und Zeiten einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung ebenfalls „unberücksichtigt“ zu bleiben haben (vgl. Röhl, in: Rolfs/ Giesen/Meßling/Udsching (Hrsg.), BeckOK ArbR, Kommentar, 71. Ed. (Stand: 01.03.2024), § 2b BEEG Rn. 10a). Um in den Genuss der erweiterten Möglichkeit zur Ausklammerung zu kommen, müssen die Elterngeldberechtigten glaubhaft machen, dass sie in den betreffenden Monaten wegen der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen hatten. Die damit vorausgesetzte Kausalität ist nach allgemeinen sozialrechtlichen Maßstäben zu bestimmen; die Pandemie muss also bei wertender Betrachtung mindestens gleichwertige Ursache des Einkommensverlustes sein (vgl. Röhl, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching (Hrsg.), BeckOK ArbR, Kommentar, 71. Ed. (Stand: 01.03.2024), § 2b BEEG Rn. 10a). Nach der Gesetzesbegründung soll zu den Einkommensminderungen aufgrund der COVID-19-Pandemie auch mittelbare Änderungen der Einkommenssituation, wie zum Beispiel die Reduzierung der Arbeitszeit zugunsten der Kinderbetreuung sowie Kurzarbeit in den Betrieben bis hin zur Arbeitslosigkeit zählen (BT-Drucks. 19/18698, S. 7 f.; vgl. Grüner/u.a., in Wiegand (Hrsg.), BEEG, Kommentar, 24. EL (Stand: 05.2023), § 2b Bemessungszeitraum, Rn. 30a).

Die erforderliche Kausalität zwischen COVID-19-Pandemie und Einkommensminderung ist anhand der im Sozialrecht gängigen Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen (vgl. BSG, Urt. vom 16.03.2017 – B 10 EG 9/15 R, BSGE 123, 1, Juris Rn. 22 m. w. N.; Brose, in: Brose/Weth/Volk, MuSchG/BEEG, Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 2b BEEG Rn. 13). Dieses Zurechnungsmodell ist auch als Maßstab für die Kausalität zwischen COVID 19 Pandemie und Einkommensminderung heranzuziehen (so die Rspr. zur Einkommensminderung aufgrund schwangerschaftsbedingter Krankheit, BSG, Beschl. v. 05.03.2021 – B 10 EG 10/20 B, Juris Rn. 11; LSG Bayern, Urt. v. 11.09.2018 – L 9 EG 29/17, Juris Rn. 99). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden. Eine Ursache, die als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist, drängt die sonstigen Umstände in den Hintergrund; diese müssen in wertender Betrachtung als rechtlich nicht wesentliche Mitursachen für die Frage der Verursachung unberücksichtigt bleiben. Ein Verursachungsfaktor darf bei Vorhandensein mehrerer nur dann als wesentliche Bedingung qualifiziert werden, wenn annähernde Gleichwertigkeit besteht. Es reicht deshalb nicht aus, wenn die COVID-19-Pandemie bloße conditio sine qua non für eine Minderung von Erwerbseinkommen ist. Vielmehr müsste die COVID-19-Pandemie im Verhältnis zu anderen Kausalbeiträgen der dominierende Faktor sein oder wenigstens gleichwertig mit anderen dominieren (vgl. LSG Hamburg, Urt. v. 19.06.2019 – L 2 EG 1/19, Juris Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.01.2022 – L 11 EG 730/20, Juris Rn. 40; LSG Bayern, Urt. v. 11.09.2018 – L EG 29/17, Juris Rn. 99).

An diesen Maßstäben gemessen ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass wesentlich ursächlich für die Einkommensminderung die Rückrechnung des Arbeitgebers der Klägerin und nicht die COVID-19-Pandemie gewesen ist. Zwar hat diese Rückrechnung ihren Ursprung in der Quarantäne, der sich die Klägerin im November 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie unterziehen musste und daher nur Anspruch auf Arbeitslohn für 16 Arbeitstage hatte. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen solchen mittelbaren Umstand, den der Gesetzgeber im Blick bei der Schaffung des Verschiebetatbestandes des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG hatte. Der Gesetzgeber wollte nach der Gesetzesbegründung nur mittelbare Umstände wie zum Beispiel die Reduzierung der Arbeitszeit zugunsten der Kinderbetreuung, Betriebsschließungen, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit etc., die sich auf die Einkommenssituation im jeweiligen Kalendermonat auswirken, erfassen. Vorliegend hat der Arbeitgeber der Klägerin ihr zunächst für November 2020 den vollen Arbeitslohn gewährt, obwohl ihr eine Entschädigung nach § 56 IfSG aufgrund der Quarantäne zu stand. Die Verdienstausfallentschädigung aufgrund des IfSG ist nach § 3 Nr. 25 EStG steuerfrei. Daneben trägt die Entschädigungsbehörde nach § 57 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 IfSG die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung allein; ein Abzug von Arbeitnehmerbeitragsanteilen erfolgt nicht. Aufgrund dessen hatte der Arbeitgeber der Klägerin eine Korrektur (sog. Aufrollung) der Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeträge vorzunehmen. Hingegen hatte die Klägerin im Januar 2021, als die Aufrollung erfolgte, keine Einkommensminderung aufgrund der COVID-19-Pandemie. Ursächlich war vielmehr die Aufrollung zwecks Korrektur des Arbeitslohnes und der damit verbundenen Lohnsteuer sowie den Sozialversicherungsbeiträgen. Nach Auffassung der Kammer wollte der Gesetzgeber solche Umstände nicht unter dem Verschiebetatbestand des § 2b Abs. 1 S. 4 BEEG erfassen. Eine derartige Auslegung würde auch nicht der Systematik des elterngeldrechtlichen Regelungen entsprechen. Denn solche – wie im Fall der Klägerin – ungerecht erscheinenden Ergebnisse hat der Gesetzgeber durch die steuerliche Prägung des Einkommensbegriffs des BEEG hingenommen. Zu beachten ist auch, dass das Elterngeld keine echte Entgeltersatzleistung ist, sondern diesen nur ähnelt, es handelt sich vielmehr um eine im Kern steuerfinanzierte Leistung besonderer Art (von Koppenfels-Spies, in: Knickrehm/ Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, § 2 BEEG Rn. 1). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im BEEG gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.20211 – 1 BvR 2712/09, BVerfGK 18, 456, Juris Rn. 8; BSG, Urt. v. 18.08.20211 – B 10 EG 8/10 R, Juris Rn. 27). Dies gilt insbesondere, da es sich beim Elterngeld um eine freiwillige steuerfinanzierte Leistung des Staates handelt. Ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines Gestaltungsspielraums die gerechteste und zweckmäßigste Lösung trifft, ist von den Gerichten nicht zu überprüfen (BVerfG, Beschl. v. 09.11.2011 – 1 BvR 1853/11, BVerfGK 19, 186, Juris Rn. 10; Beschl. v. 05.11.1974 – 2 BvL 6/71).

II.    Zuletzt ist die Berechnung der Höhe des Elterngeldes in Form von Basiselterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat vom 16.02.2022 bis 15.02.2023 rechnerisch nicht zu beanstanden. Denn die Kammer vermag auch im Übrigen in den von dem Beklagten vorgenommenen Berechnungen hinsichtlich der besagten Elterngeldhöhe keine sachlichen oder rechtlichen Fehler, die sich zu Ungunsten der Klägerin auswirken könnten, zu erkennen – solche sind im Übrigen auch insoweit von der Klägerin nicht geltend gemacht worden –, sodass sich die Berechnung der Höhe des Elterngeldes für den ersten bis zwölften Lebensmonat als rechtmäßig erweist, ohne dass die Klägerin hierdurch in ihren beschwert ist (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

Nach alledem haben sich die angefochtenen Bescheide des Beklagten als rechtmäßig erwiesen. Die Klage war demgemäß abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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