L 4 KR 82/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 589/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 82/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Im Einkommenssteuerbescheid als Einkünfte berücksichtigte Zuschüsse aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ unterliegen bei einer freiwilligen Krankenversicherung der Beitragspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
2. Vorläufige Beitragsfestsetzungen entfalten keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung, sondern erledigen sich im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X mit der formellen endgültigen Festsetzung.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020.

Der 1974 geborene ledige und kinderlose Kläger ist seit März 2014 als hauptberuflich Selbstständiger bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2 sozial pflegeversichert.

Die Beklagte zu 1 setzte – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 6. Dezember 2019 vorläufig in Höhe von monatlich 196,35 € (Krankenversicherung: 160,75 €; Pflegeversicherung: 35,60 €) ab dem 1. Juli 2019 fest. Grundlage für die vorläufige Beitragsberechnung war das Arbeitseinkommen aus dem Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2018 in Höhe von 12.946 €. Mit Bescheid vom 9. September 2020 setzte sie – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – einen vorläufigen Monatsbeitrag in Höhe von 203,91 € (Krankenversicherung: 166,94 €; Pflegeversicherung: 36,97 €) ab dem 1. Juni 2020 aufgrund des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2019, der Arbeitseinkommen in Höhe von 13.445 € auswies, fest.

Auf seinen Antrag vom 30. März 2020 bewilligte die L1-bank Baden-Württemberg (im Folgenden: L-Bank) dem Kläger mit Zuwendungsbescheid vom 30. April 2020 einen Zuschuss in Höhe von 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“.

Am 9. Juli 2021 legte der Kläger den Fragebogen „Einkommenserklärung zur Beitragseinstufung“ zusammen mit dem Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes E1 für das Jahr 2020 vom 22. Juni 2021 vor (Bl. 29 ff. der vorgelegten Verwaltungsakte <VA>), der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 20.921 € auswies. Daraufhin setzte die Beklagte zu 1 – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – mit Bescheid vom 16. Juli 2021 (Bl. 19 ff. VA) den monatlichen Beitrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 endgültig in Höhe von 317,30 € (Krankenversicherung: 259,77 €; Pflegeversicherung: 57,53 €) fest. Für diesen Zeitraum bestehe eine Nachzahlungspflicht in Höhe von insgesamt 1.398,48 € (Krankenversicherung: 1.144,91 €; Pflegeversicherung: 253,57 €). Mit weiterem Bescheid vom 16. Juli 2021 (Bl. 22 ff. VA) setzte die Beklagte zu 1 – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – den Monatsbeitrag ab dem 1. Juli 2021 vorläufig auf 320,79 € (Krankenversicherung: 263,26 €; Pflegeversicherung: 57,53 €) fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er den bisherigen Beitragsbescheid mit Wirkung zum 1. Juli 2021 ersetze.

Mit seinem Widerspruch „gegen die Entscheidung vom 16.07.2021“ machte der anwaltlich vertretene Kläger geltend, bei der Beurteilung des Verdienstes seien die Leistungen, die aufgrund des Corona-Hilfsfonds gezahlt worden seien, nicht zu berücksichtigen. Diese beliefen sich auf 4.500 €. Die Beklagte zu 1 wertete den Widerspruch des Klägers als Widerspruch gegen beide Bescheide vom 16. Juli 2021 und erläuterte mit Schreiben vom 6. August 2021 ausführlich, wie sie die endgültige Festsetzung der Monatsbeiträge für den Zeitraum vom Januar 2020 bis Dezember 2020 errechnet habe (Bl. 11 ff. VA). Nachdem der Kläger an seinem Widerspruch festhielt, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1 – zugleich auch als Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 2 – mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2022 „den Widerspruch“ des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, unter Beachtung von § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (BeitrVerfGrds SelbstZ) seien die Beiträge für das Jahr 2020 endgültig und ab dem 1. Juli 2021 vorläufig mit dem Arbeitseinkommen aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 festgesetzt worden. Die Corona-Soforthilfen des Bundes seien als einmalige steuerbare Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssten, konzipiert (Bezugnahme auf BT-Drucks. 19/18105). Das Ziel der Förderung bestehe darin, selbstständig Erwerbstätige bei der Überbrückung aktueller Liquiditätsengpässe wegen laufender Betriebskosten zu unterstützen. Dagegen sei die Abdeckung der Lebenshaltungskosten kein Bestandteil dieser Leistung. Für diesen Zweck sei für selbstständig Erwerbstätige mit dem Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27. März 2020 (BGBI I, S. 575) ein vereinfachter Zugang zu Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere dem Arbeitslosengeld II, geschaffen worden. Der Zuschuss werde als Betriebseinnahme erfasst und wirke sich unmittelbar auf die Höhe des nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten und später mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 nachgewiesenen Gewinns aus. Als Bestandteil des Gewinns und somit des Arbeitseinkommens im Sinne des § 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gehöre der Zuschuss zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Anwendungsbereich des § 240 SGB V. Im Ergebnis würden jedoch bei selbstständig Erwerbstätigen, die im Wirtschaftsjahr 2020 aus dieser Tätigkeit Verluste erzielten, die den Betrag des Zuschusses überstiegen, faktisch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den Corona-Soforthilfen anfallen. Die Heranziehung der Zuschüsse zur Beitragspflicht als Bestandteil des Arbeitseinkommens werde im Rahmen einer endgültigen Beitragsfestsetzung nach § 240 Abs. 4a Satz 3 SGB V für die betroffenen Mitglieder für das Kalenderjahr 2020 berücksichtigt. Der Betrag des monatlichen beitragspflichtigen Arbeitseinkommens werde nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrds SelbstZ ermittelt, indem der Jahresbetrag des Arbeitseinkommens durch die Anzahl der Kalendermonate, in denen es erzielt worden sei, dividiert werde. Die Corona-Soforthilfe der Bundesländer seien nach den gleichen Rahmenbedingungen konzipiert wie die Bundesleistung. Vor diesem Hintergrund würden die Ausführungen für die Corona-Soforthilfen der Länder entsprechend gelten. Die Beklagten hätten die Bestimmungen entsprechend umgesetzt und 1/12 aus dem Arbeitseinkommen 20.921 € (= 1.743,42 €) des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2020 als Ausgangswert für die monatliche Beitragsfestsetzung angesetzt. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 2. Februar 2022 zugestellt.

Hiergegen erhob der Kläger am 2. März 2022 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage und trug zur Begründung vor, zu den Betriebseinnahmen zählten nur solche Einnahmen, die einen objektiven Anknüpfungspunkt zur selbstständigen Tätigkeit hätten. Die sogenannte Corona-Soforthilfe erfülle diese Voraussetzungen nicht. Die öffentlich-rechtliche Regelung, die der Corona-Soforthilfe zugrunde liege, bezwecke die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz für Kleinstunternehmen und Selbständige. Es handle sich daher nicht um eine Betriebseinnahme.

Die vom SG allein als Beklagte geführte Beklagte zu 1 trat der Klage entgegen und führte aus, nachdem die Einkommenserklärung zur Beitragseinstufung vom 22. Juni 2021 zusammen mit dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 vorgelegt worden sei, sei die endgültige Beitragsfestsetzung für das Kalenderjahr 2020 zu Recht durch Bescheid vom 16. Juli 2021 erfolgt. Aus der Bundestagsdrucksache 19/18105 vom 23. März 2020 folge, dass die Corona-Soforthilfen als finanzielle Soforthilfe in Form von steuerbaren Zuschüssen konzipiert seien. Die Corona-Soforthilfen seien damit grundsätzlich als Betriebseinnahme zu bewerten. Dies führe dazu, dass bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns die Corona-Soforthilfen zu beachten seien. Der Auszahlungsbetrag der Corona-Soforthilfen würde zwar nicht unmittelbar der Beitragsbemessung zugrunde gelegt, er werde jedoch bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns als Betriebseinnahme mitberücksichtigt. Erwirtschafte der Selbstständige im Gesamtjahr unter Berücksichtigung der Zuschüsse insgesamt einen (positiven) Gewinn, dann stelle dies ein beitragspflichtiges Arbeitseinkommen dar. Die Soforthilfe sei somit indirekt eine beitragspflichtige Einnahme. Erwirtschafte der Selbständige dagegen keinen Gewinn oder einen Verlust, bleibe die Soforthilfe im Ergebnis unberücksichtigt und beitragsfrei. Der gleiche Effekt ergebe sich auch dann, wenn der steuerlich positive Gewinn insgesamt unterhalb der Mindestbemessungsgrundlage verbleibe. Müsse die Corona-Soforthilfe dagegen zurückgezahlt werden, weil sich im Nachhinein herausgestellt habe, dass die Voraussetzungen für die Gewährung nicht vorgelegen hätten, so führe dies dazu, dass im Folgejahr die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe als Betriebsausgabe zu bewerten sei. Dies mindere entsprechend den Gewinn dieses Kalenderjahres, so dass im Ergebnis auch im Falle einer Rückzahlung über den geminderten Gewinn nur das insoweit geminderte Arbeitseinkommen im Kalenderjahr der Rückzahlung beitragsrechtlich berücksichtigt werde.

Während des Klageverfahrens widerrief die L-Bank mit Bescheid vom 3. August 2022 den Zuwendungsbescheid in Höhe von 4.500 € und forderte den Kläger zur Erstattung des Betrags bis zum 30. Juni 2023 auf. Der Kläger habe im Rahmen des Rückmeldeverfahrens Soforthilfe Corona einen Rückzahlungsbedarf in Höhe von 4.500 € mitgeteilt. Die Zuwendung stehe ihm somit nicht mehr zur Verfügung und sei von ihm zu erstatten.

Nachdem der Kläger den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes E1 für das Jahr 2021 vom 22. August 2022, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 17.278 € auswies, vorgelegt hatte, setzte die Beklagte zu 1 – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – mit Bescheid vom 19. Januar 2023 (Bl. 32 ff. VA) den monatlichen Beitrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 endgültig in Höhe von 264,93 € (Krankenversicherung: 217,42 €; Pflegeversicherung: 47,51 €) fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er die bisherigen Beitragsbescheide vom 30. Dezember 2020 und 16. Juli 2021 mit Wirkung zum 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 ersetze. Mit weiterem Bescheid vom 19. Januar 2023 (Bl. 35 ff. VA) setzte die Beklagte zu 1 – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – den Monatsbeitrag ab dem 1. September 2022 vorläufig auf 273,57 € (Krankenversicherung: 224,62 €; Pflegeversicherung: 48,95 €) fest.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2023 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte zu 1 habe den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung für 2020 endgültig zutreffend mit monatlich 259,77 € und ab Juli 2021 vorläufig ohne Beanstandung mit 263,26 € je Monat berechnet. Zur Begründung führte das SG unter Bezugnahme auf die Gründe in den Bescheiden vom 16. Juli 2021 aus, die dem Kläger im Jahr 2020 zugeflossenen 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ stellten Geldmittel dar, die Selbstständigen helfen sollten, die sich in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Lage befunden hätten und massive Liquiditätsengpässe erlitten hätten. Sie hätten verbraucht werden können und stellten daher Einkommen dar, welches der Gesetzgeber im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht privilegiert habe. Die Rückzahlungsverpflichtung sei erst mit dem Widerruf der Bewilligung durch die L-Bank mit Bescheid vom 3. August 2022 entstanden. Hierin liege der Unterschied zu einem Darlehen, bei dem bereits der zugrundeliegende Vertrag eine solche für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft enthalte, was der Kläger verkenne. Damit sei auch die Festsetzung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung mit durchgängig 57,53 € nicht zu beanstanden. Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung seien nach § 20 Abs. 3 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Dabei sei für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Hierdurch ergebe sich der Nachzahlungsbetrag für das Jahr 2020 in Höhe von 1.398,48 €.

Hiergegen richtet sich die am 5. Januar 2024 beim SG zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers, mit der er auf sein bisheriges Vorbringen verweist und ausführt, das SG habe nicht berücksichtigt, dass die Coronabeihilfen von vornherein nicht als Ersatzeinkommen, sondern als rückzahlbare Hilfen in einer besonderen Notlage gedacht gewesen seien. Da diese Beihilfen jederzeit zurückgefordert werden könnten, handle es sich nicht um beitragsrelevantes Einkommen. Steuerrechtlich gesehen handle es sich auch nicht um Einnahmen im Sinne des Gesetzes. Die Auffassung des Senats, dass die Coronabeihilfe bei Eingang einkommenserhöhend und bei Ausgang einkommensmindernd zu berücksichtigen sei, sei weder wirtschaftlich noch rechtlich nachvollziehbar. Es handle sich nicht um eine beim Unternehmen zu verbleibende Leistung, sondern um eine darlehensähnliche Förderung. Genauso wenig wie ein Darlehen bei der Bestimmung der Beiträge der Sozialversicherungskassen zu berücksichtigen sei, dürfe der öffentliche Zuschuss, der als Überbrückungshilfe rückzahlbar bewilligt worden sei, als Einkommen angesehen werden.

Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Dezember 2023 abzuändern und den Bescheid vom 16. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2022 aufzuheben, soweit 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ bei der endgültigen Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 als Einkommen berücksichtigt worden sind.


Die Beklagten beantragen,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend und tragen ergänzend vor, auch der Umstand, dass die Corona-Sofortbeihilfe im Nachhinein durch einen Widerrufs- und Erstattungsbescheid der L-Bank vom 3. August 2022 zurückgefordert worden sei, ändere nichts an der beitragsrechtlichen Bewertung für das Kalenderjahr 2020. Der im Jahr 2020 dem Kläger tatsächlich zugeflossene Betrag sei nach der steuerrechtlichen Bewertung im Einkommenssteuerbescheid 2020 bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt worden. Eine rückwirkende Änderung des Steuerbescheids für das Kalenderjahr 2020 sei nach Vorliegen des Erstattungsbescheids der L-Bank nicht erfolgt. Dem Kläger habe im Jahr 2020 der zugeflossene Betrag tatsächlich zur Verfügung gestanden. Die steuerrechtliche Berücksichtigung der Rückzahlung könne im Jahr des tatsächlichen Rückflusses einkommensmindernd erfolgen. Dies wirke sich dann entsprechend auch in diesem Jahr bei der Beitragsbemessung aus. Bei einer Einkommensanfrage vom 8. Mai 2023 sei vom Kläger angegeben worden, dass weiterhin nur der Steuerbescheid für das Jahr 2021 vorliege. Daraufhin sei die bisherige vorläufige Beitragseinstufung bestätigt und mit weiterem Bescheid vom 25. Juli 2023 lediglich eine Anpassung der Beiträge zur Pflegeversicherung vorgenommen worden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2022 sei bislang nicht vorgelegt worden.

Mit Schreiben vom 25. März 2024 hat der Senat die Beteiligten unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg zur „Soforthilfe Corona“ (Stand August 2022, Ziffer 2.15) darauf hingewiesen, dass die Absicht bestehe, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Einwände gegen eine derartige Verfahrensweise haben sie nicht erhoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von den Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


1. Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden. Einwände gegen eine derartige Verfahrensweise haben sie nicht erhoben.

2. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.
Sie bedurfte nicht der Zulassung, da sich der Kläger gegen die Nachzahlungspflicht von Beiträgen in Höhe von insgesamt 1.398,48 € wendet.

2. Streitbefangen ist nach dem erkennbaren Begehren des Klägers (§ 123 SGG) der die Beiträge und die Nachzahlungspflicht für den vom Zeitraum 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 endgültig festsetzende Bescheid vom 16. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2022 (§ 95 SGG), soweit bei der Beitragsbemessung 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ als Einkommen im Jahr 2020 berücksichtigt worden sind. Der weitere Bescheid vom 16. Juli 2021 über die vorläufige Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2021, der – wenn auch nicht ausdrücklich – vom anwaltlich vertretenen Kläger ursprünglich ebenfalls angefochten war, erledigte sich bereits während des Klageverfahrens durch den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2023. Mit diesem Bescheid setzte die Beklagte zu 1 – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – für den Zeitraum 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 die Monatsbeiträge endgültig fest. Der Bescheid enthielt dementsprechend den ausdrücklichen Hinweis, dass er den diesbezüglichen (den Monatsbeitrag vorläufig festsetzenden) bisherigen Beitragsbescheid vom 16. Juli 2021 mit Wirkung vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 ersetze. Der (den Monatsbeitrag vorläufig festsetzende) Bescheid vom 16. Juli 2021 erledigte sich dadurch gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). „Auf andere Weise“ i.S. des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt sich ein vorläufiger Verwaltungsakt durch den Erlass des endgültigen Verwaltungsakts. Der endgültige Bescheid ersetzt den vorläufigen, so dass es daneben keiner Aufhebung bedarf (BSG, Urteil vom 30. März 2011 – B 12 KR 18/09 R – juris, Rn. 18; Senatsurteil vom 25. September 2023 – L 4 KR 1768/20 – juris, Rn. 27 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hat der anwaltlich vertretene Kläger zu Recht auch weder im Klage- noch im Berufungsverfahren seine Klage gegen den Bescheid vom 19. Januar 2023 erweitert (§ 99 SGG), da diesem Bescheid der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2021 zugrunde lag und nicht der die streitige Corona-Beihilfe berücksichtigende Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020. Das Klagebegehren beschränkt sich damit auf den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 und die damit zusammenhängende Nachzahlungspflicht in Höhe von 1.398,48 €. Vor diesem Hintergrund sind im weiteren Verlauf ergangene Bescheide, mit denen Beiträge nach Vorlage von aktuellen Einkommensteuerbescheiden endgültig bzw. auf dieser Grundlage ggf. vorläufig neu festgesetzt wurden, nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden.

Die Klage richtete sich von vornherein nicht nur gegen die zu 1 beklagte Krankenkasse, sondern auch gegen die zu 2 beklagte Pflegekasse, weshalb eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite – auch noch im Berufungsverfahren – möglich und keine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG ist (vgl. Urteile des Senats vom 23. Februar 2018 – L 4 KR 807/17 – www.sozialgerichtbeitkeit.de und 12. September 2014 – L 4 KR 75/14 – juris, Rn. 17). Zwar hatte der Kläger in der Klageschrift die Pflegekasse nicht ausdrücklich bezeichnet. Er wandte sich aber gegen die Gesamtbeitragsforderung. Nach dem erkennbaren Klagebegehren betraf die Klage daher von Anfang an nicht nur die Höhe der Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch zur Pflegeversicherung. Dies ergibt sich bereits aus dem Regelungsinhalt des angefochtenen Bescheids, der Beiträge zu beiden Versicherungen festsetzte.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 16. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung wurden für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 zu Recht endgültig neu (dazu a) und in zutreffender Höhe festgesetzt (dazu b). Daraus resultiert eine Nachzahlungspflicht in Höhe von 1.398,48 €. Die Beklagten haben hierbei zutreffend die im Einkommenssteuerbescheid vom 16. Februar 2022 festgesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 20.921 € als Arbeitseinkommen berücksichtigt, ohne diese um 4.500 € zu kürzen.

a) Die Beklagte zu 1 durfte – auch im Namen der Beklagten zu 2 – die Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung endgültig neu festsetzen.

aa) Die Beklagte zu 1 war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2 auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI in der ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung [Pflege-Weiterentwicklungsgesetz] vom 28. Mai 2008, BGBl. I, S. 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die – wie vorliegend – ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1 im angefochtenen Bescheid gegeben.

bb) Für die Neufestsetzung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung bedurfte es keiner Aufhebung oder Rücknahme der vorangegangenen Beitragsfestsetzung für den streitbefangenen Zeitraum.

Bei freiwilligen Mitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung, wie vorliegend dem Kläger, werden nach § 240 Abs. 4a Satz 1 Halbsatz 1 SGB V (Abs. 4a in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 16b Buchst. b Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung [Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG] vom 4. April 2017, BGBl. I, S. 778) die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt. Die vorläufig festgesetzten Beiträge werden nach Satz 3 auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt.

Zuletzt war die Höhe der für den streitbefangenen Zeitraum zu zahlenden Beiträge mit den für die Beteiligten bindend gewordenen Bescheiden vom 6. Dezember 2019 und 9. September 2020 ausdrücklich lediglich vorläufig nach § 240 Abs. 4a Satz 1 und 5 SGB V festgesetzt worden. Solche vorläufigen Festsetzungen entfalten keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung, sondern erledigen sich – wie bereits dargelegt – i.S. des § 39 Abs. 2 SGB X mit der formellen endgültigen Festsetzung.

b) Die im Einkommensteuerbescheid vom 22. Juni 2021 für das Jahr 2020 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbetrieb in Höhe von 20.921 € sind bei der Beitragsberechnung für das Jahr 2020 zu berücksichtigen, ohne sie in Höhe des von der L-Bank im Jahr 2020 an den Kläger gezahlten Zuschusses in Höhe von 4.500 € zu mindern.

Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder werden in § 240 SGB V bestimmt, der entsprechend für die Beiträge zur Pflegeversicherung anzuwenden ist (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Nach Abs. 1 Satz 1 (hier in der Fassung seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378) wird diese Beitragsbemessung - im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in den weiteren Bestimmungen des § 240 SGB V - einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt, der hierzu die BeitrVerfGrds SelbstZ erlassen hat. Die BeitrVerfGrds SelbstZ sind als untergesetzliche Normen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, die als solche im Einklang mit höherrangigem Recht stehen (BSG, Urteile vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 6/20 R – juris, Rn. 11 m.w.N.; vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 12/13 R – juris, Rn. 28; vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 10/12 R – juris, Rn. 15, vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 13 ff. und vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 – juris, Rn. 13). Bei der Beitragsbemessung ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Art. 1 Gesundheits-Reformgesetzes [GRG] vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, S. 2477). Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. b Doppelbuchst. aa GKV-WSG).

§ 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrds SelbstZ bestimmt näher die Einnahmearten, die der Beitragspflicht unterliegen. Danach sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Geldleistungen gelten nicht als beitragspflichtige Einnahmen (Satz 4). Arbeitseinkommen ist dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheids zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen (vgl. § 5 Abs. 2 BeitrVerfGrds SelbstZ).

Arbeitseinkommen ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (Satz 2). Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der selbstständigen Tätigkeit ist weiter als derjenige des Steuerrechts. Der daraus erzielte Gewinn erfasst die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG und damit u.a. auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der das Arbeitseinkommen bestimmende und nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts festzustellende Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen oder der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 EStG).

Durch diese Verweisung in § 15 Abs. 1 SGB IV wird eine vollständige Übereinstimmung des Arbeitseinkommens im sozialversicherungsrechtlichen Sinne mit dem Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts hergestellt (Senatsurteil vom 29. Januar 2024 – L 4 KR 1150/23 – juris, Rn. 35 f. m.w.N.; vom 25. September 2023 – L 4 KR 1768/20 – juris, Rn. 32 m.w.N.; Schudmann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, Stand Januar 2022, § 82 SGB VII, Rn. 61). Denn nach der Intention des Gesetzgebers soll eine individuelle Ermittlung des Gewinns unabhängig vom Steuerrecht unterbleiben, um im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die gleichmäßige Ermittlung des Einkommens Selbständiger im Steuer- und Sozialleistungsrecht zu gewährleisten (BT-Drs 12/5700, S. 92). Das Arbeitseinkommen der selbstständig Erwerbstätigen bildet das Gegenstück zum Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) der abhängig Beschäftigten. Beide Begriffe sollen Einnahmen aus Erwerbstätigkeit für das Sozialversicherungsrecht handhabbar machen. Mit der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 SGB IV wurde eine für die Sozialversicherungsträger praktikable dynamische Anbindung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an den von den Finanzbehörden festgestellten Gewinn aus solcher Tätigkeit für alle Zweige der Sozialversicherung und die Arbeitsförderung hergestellt (Fischer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand Juli 2022, § 15 SGB IV, Rn. 21). Damit sollte eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht werden (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 – B 3 KS 3/18 R – juris, Rn. 26; Urteil vom 16. Mai 2001 – B 5 RJ 46/00 R – juris, Rn. 15; Senatsurteil vom 29. Januar 2024 – L 4 KR 1150/23 – juris, Rn. 36).

Ausgehend hiervon zählen zu den beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers im hier streitigen Zeitraum die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die als Arbeitseinkommen beitragspflichtig sind (vgl. BSG, Urteile vom 23. September 1999 – B 12 KR 12/98 R – juris, Rn. 13 ff. m.w.N., vom 27. Januar 2010 – B 12 KR 28/08 R – juris, Rn. 15 f., vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – juris, Rn. 18 ff.). Die Beklagten haben daher zu Recht Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 20.921 € berücksichtigt. Ein Zwölftel hiervon beträgt 1.743,42 €. Diesen Betrag haben die Beklagten für das Jahr 2020 zutreffend bei der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Die Beitragsbemessungsgrenze von 4.687,50 € monatlich im Jahr 2020 hat der Kläger nicht überschritten. Dies führt zu einem monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 317,30 € (Krankenversicherung, Beitragssatz von 14,0 %, Zusatzbeitrag von 0,9 %: 259,77 €; Pflegeversicherung, 3,3 %: 57,53 €) und zu einer Nachzahlungspflicht (unter Berücksichtigung der bereits monatlich gezahlten Beiträge von 196,35 € vom 1. Januar 2020 bis 31. Mai 2020 und von 203,91 € vom 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2020) in Höhe von insgesamt 1.398,48 € (Krankenversicherung: 1.144,91 €; Pflegeversicherung: 253,57 €).

Entgegen der Auffassung des Klägers war das von den Beklagten für das Jahr 2020 zugrunde gelegte Arbeitseinkommen in Höhe von 20.921 € nicht um den vom Kläger im Jahr 2020 von der L-Bank erhaltene Zuschuss in Höhe von 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ zu reduzieren. In diesem Zusammenhang stellt der Senat zunächst fest, dass der Kläger entsprechend seines Antrags vom 30. März 2020 mit Zuwendungsbescheid der L-Bank vom 30. April 2020 tatsächlich einen Zuschuss in Höhe von 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ im Jahr 2020 erhalten hat, der zugleich bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb im Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes E1 für das Jahr 2020 vom 22. Juni 2021 berücksichtigt wurde. Zwar wird dieser Zuschuss im genannten Einkommenssteuerbescheid nicht ausdrücklich erwähnt. Aus dem Gesamtzusammenhang und den Angaben des Klägers folgt jedoch, dass das Finanzamt E1 den Zuschuss i.H.v. 4.500 € bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2020 tatsächlich berücksichtigt hat.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Einspruch gegen den Einkommenssteuerbescheid vom 22. Juni 2021 eingelegt hat, sind nicht ersichtlich. Entsprechendes wird vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Einkommenssteuerbescheid vom 22. Juni 2021 ist danach bestandskräftig geworden und war von der Beklagten bei der Berechnung der endgültigen Beiträge für das Jahr 2020 – entsprechend der oben genannten Ausführungen – zugrunde zu legen. Die Berücksichtigung des an den Kläger geleisteten Zuschusses aus dem Programm „Soforthilfe Corona“ in Höhe von 4.500 € bei der Gewinnermittlung entsprach zudem den Ausführungen des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg zur „Soforthilfe Corona“ (Stand August 2022, Ziffer 2.15, abrufbar unter: https://wm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Dateien_Downloads/FAQ_Soforthilfe_Corona_Stand_1August_2022.pd; zuletzt abgerufen am 18. Juni 2024). Danach sind die „als Soforthilfe bezogenen Billigkeitsleistungen […] steuerbar und nach den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.“ Dies entspricht zudem auch den Hinweisen der Bundesregierung (BT-Drucks. 19/18105), wonach bei „der Steuerveranlagung für die Einkommens- oder Körperschaftsteuer im kommenden Jahr [der] Zuschuss gewinnwirksam berücksichtigt“ wird. Im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 wurde der dem Kläger bewilligte Zuschuss daher zurecht gewinnwirksam berücksichtigt.

Der Umstand, dass die L-Bank mit Bescheid vom 3. August 2022 den Zuwendungsbescheid in Höhe von 4.500 € widerrief und den Kläger zur Erstattung des Betrags bis zum 30. Juni 2023 aufforderte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Solange der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 nicht vom zuständigen Finanzamt abgeändert worden ist, bleibt dieser Einkommenssteuerbescheid Grundlage für die endgültige Berechnung der hier streitigen endgültigen Beiträge für das Jahr 2020. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in dem Jahr, in dem der Kläger den Zuschuss in Höhe von 4.500 € an die L-Bank zurückzahlt, er dies gegenüber dem Finanzamt einkommensmindernd geltend machen kann. Diese Gewinnminderung führt dann – nach Erlass eines Einkommenssteuerbescheids für das Rückzahlungsjahr – zu einer entsprechend geringeren Beitragsbemessungsgrundlage.

Eine einkommensmindernde Berücksichtigung des Zuschusses – wie vom Klägerin geltend gemacht – sieht das Beitragsrecht nicht vor. Dieser ist weder durch Gesetz noch durch eine das Gesetz konkretisierende Regelung der BeitrVerfGrds SelbstZ von der Beitragspflicht ausgenommen. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 4 BeitrVerfGrds SelbstZ regelt, dass Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Geldleistungen nicht als beitragspflichtige Einnahmen gelten, greift diese Regelung vorliegend nicht. Denn bei dem dem Kläger im Jahr 2020 von der L-Bank gewährten Zuschuss in Höhe von 4.500 € handelt es sich nicht um ein Darlehen, sondern um einen Zuschuss, der vom Grundsatz her nicht zurückzuzahlen ist. Dies ergibt sich ebenfalls aus den Ausführungen des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg zur „Soforthilfe Corona“ (a.a.O., Ziffer 1.1: „Sie müssen Ihre Soforthilfe grundsätzlich nicht zurückzahlen, wenn die Angaben im Antrag richtig und vollständig waren. […]“). Nur wenn sich im Nachhinein die Angaben bzw. Prognosen als falsch erwiesen haben, kann ein „Rückzahlungsbedarf“ entstehen (vgl. das – a.a.O. – in Ziff. 1.1 genannte Beispiel: „Zum Beispiel, weil nachträglich festgestellt wird, dass die Kosten im Betrachtungszeitraum geringer waren als bei Antragstellung erwartet, oder die Einnahmen höher ausfielen.“). Mit einer ggf. bestehenden Rückzahlungsverpflichtung sollte nur im Einzelfall eine „Überkompensation“ vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 19/18105). Damit ist der Zuschuss aus dem Programm „Corona Soforthilfe“ aber schon im Grundsatz als „nicht zurückzahlbarer verlorener Zuschuss“ und gerade nicht als Darlehen oder dergleichen ausgestaltet (Verwaltungsgericht <VG> Bayreuth, Urteil vom 15. Februar 2024 – B 7 K 23.378 – juris, Rn. 38; VG Ansbach, Urteil vom 29. Januar 2024 – AN 15 K 23.1634 – juris, Rn. 122; VG Bremen, Urteil vom 25. Mai 2023 – 5 K 2264/21 – juris, Rn. 24; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 4. Februar 2021 – 10 B 2762/20 – juris, Rn. 8). Angesichts der durch § 15 Abs. 1 SGB IV angeordneten Parallelität von Einkommensteuer- und Sozialversicherungsrecht ist daher kein Grund ersichtlich, den in dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 enthaltenen Zuschuss bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt zu lassen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.



 

Rechtskraft
Aus
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