L 11 EG 3069/23

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 2879/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 3069/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20.10.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Elterngeld.

Die 1999 geborene Klägerin ist albanische Staatsangehörige und hält sich seit dem 01.09.2021 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Sie verfügte zunächst über eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), eine Erwerbstätigkeit war ihr nicht gestattet (Bl. 35 Verwaltungsakte).

Am 08.06.2022 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer 2021 geborenen Tochter M1. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2022 mit der Begründung ab, die Klägerin besitze nicht die deutsche Staatsangehörigkeit bzw. die eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz, so dass ein Anspruch auf Elterngeld nur für die Lebensmonate bestehe, in denen die Klägerin über einen Aufenthaltstitel verfüge, der nach § 1 Abs. 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zum Bezug von Elterngeld berechtige. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2022 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.10.2022 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und eine am 20.10.2022 ausgestellte vorläufige Bescheinigung über einen bewilligten Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG) vorgelegt. Sie verfüge über eine Aufenthaltserlaubnis und habe deren Verlängerung beantragt. Die Fiktionsbescheinigung stelle den erforderlichen Titel dar. Die Dauer des Verwaltungsverfahrens dürfe nicht dazu führen, dass Leistungen vereitelt würden. Dies verstoße gegen Art. 3 sowie Art. 6 Grundgesetz (GG). Sie halte sich ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes rechtmäßig mit Aufenthaltstitel in Deutschland auf. Sie sei als Familienmitglied zu einem Daueraufenthalt berechtigt gewesen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht über eine elterngeldrelevante Aufenthaltserlaubnis i.S.v. § 1 Abs. 7 BEEG verfügt. Die jetzt eingereichte Bescheinigung seit erst am 20.10.2022 und damit nach Ablauf des Bezugszeitraums ausgestellt worden. Die Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 AufenthG habe ihr keine Erwerbstätigkeit gestattet. Hierdurch werde lediglich die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes fingiert.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides bzw. des Widerspruchsbescheides sowie die Gründe im Beschluss des Senats im PKH-Beschwerdeverfahren (L 11 EG 2046/23 B) bezogen.

Gegen den am 23.10.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03.11.2023 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben unter Wiederholung der bisherigen Begründung. Die Differenzierungen zwischen den sogenannten Fiktionsbescheinigungen dürften nicht als Rechtfertigung für die Diskriminierung der Klägerin dienen. Die Klägerin hätte einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Dass das Verwaltungsverfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Zeit in Anspruch nehme, dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20.10.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.06.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2022 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.10.2021 bis 30.09.2022 Elterngeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, es komme allein auf den Besitz des entsprechenden Aufenthaltstitels an und eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3
AufenthG genüge nicht, einen Anspruch auf Elterngeld zu begründen. Der Entscheidung der Ausländerbehörde komme Tatbestandswirkung zu. Die Bescheinigung des Landratsamts E1 vom 22.10.2022 sei erst nach dem Bezugszeitraum ausgestellt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.


Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten 30.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2022, mit dem die Beklagte die Gewährung von Elterngeld abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt Elterngeld.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat keinen Elterngeldanspruch.

Gem. § 1 BEEG (in der bis zum 31.05.2022 gültigen Fassung vom 15.02.2021) hat Anspruch auf Elterngeld, wer 1
. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Nach Absatz 7 dieser Vorschrift ist ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person
1. eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2. eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a) nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b) nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c) nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24 oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5. eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.

Die Klägerin ist als albanische Staatsangehörige nicht freizügigkeitsberechtigt und verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über keine der in § 1 Abs. 7 BEEG genannten Titel.
Ihr war vielmehr lediglich eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt worden. Diese reicht nicht aus, einen Anspruch auf Elterngeld zu begründen.

Da der Aufenthalt im Bundesgebiet eines Ausländers grundsätzlich rechtmäßig sein soll, bedarf es einer gesetzlichen Regelung für den Zeitraum des Aufenthalts zwischen der Antragsstellung des Aufenthaltstitels und der Entscheidung der Ausländerbehörde. Daher wird dem Ausländer für den Bearbeitungszeitraum eine Fiktionsbescheinigung ausgehändigt, die nachweist, dass sich der Ausländer trotz Ablaufs seines Aufenthaltstitels rechtmäßig und damit in nicht strafbarer Weise im Bundesgebiet aufhält. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen verschiedenen Arten der Fiktionsbescheinigung: Besitzt der Ausländer einen Aufenthaltstitel und beantragt er rechtzeitig vor Ablauf die Verlängerung oder einen anderen Aufenthaltstitel, dann gilt der bisherige Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend (§ 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG). Dies hat zur Folge, dass alle an den Aufenthaltstitel geknüpften Wirkungen fortgelten - einschließlich der Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit. Der Auslänger ist dann so zu stellen, als hätte er einen Aufenthaltstitel. Anders verhält es sich nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG: Hiernach gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und einen Aufenthaltstitel beantragt, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, als erlaubt. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Darüber hinaus gibt es noch die hier nicht relevante Duldungsfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG.

Vorliegend war der Klägerin entgegen dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten keine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG, sondern eine solche nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgestellt worden. Dies lässt sich der Kopie ihrer Fiktionsbescheinigung in der Verwaltungsakte eindeutig entnehmen, in der auf Seite 3 angekreuzt ist „Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag gilt der Aufenthalt als erlaubt (§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG)“. Die Variante „… gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG)“ ist demgegenüber durchgestrichen (vgl. Bl. 16 Verwaltungsakte [in der Paginierung der Senatsakte]). Die Ausländerbehörde (Landratsamt E1) hat dies zudem ausdrücklich gegenüber der Beklagten bestätigt (vgl. Bl. 9 Verwaltungsakte). Der Unterschied zwischen den beiden Absätzen des § 81 AufenthG ist vorliegend entscheidend: § 81 Abs. 4 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer über einen Aufenthaltstitel verfügte und rechtzeitig dessen Verlängerung beantragt hat – in diesem Fall gilt der bisherige Aufenthaltstitel als fortbestehend. Dieser Fortbestand ist nach der Rechtsprechung ausreichend, um von § 1 Abs. 7 BEEG erfasst zu werden (vgl. Bayerisches LSG 18.12.2013, L 12 EG 31/12, Rn. 26, juris). Anders verhält es sich aber gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 BEEG: Beantragt hiernach ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Über einen Aufenthaltstitel, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen würde und unter § 1 Abs. 7 BEEG fiele, verfügt der Ausländer dann eben (noch) nicht. § 81 Abs. 4 AufenthG vermittelt somit eine weiterreichende Rechtsposition als § 81 Abs. 3 AufenthG.

Diese Differenzierung zwischen Antragstellern, die unter Abs. 3 oder Abs. 4 des § 81 AufenthG fallen, ist auch sachgerecht: Nach dem Willen des Gesetzgebers erhalten nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer Elterngeld nur dann, wenn sie voraussichtlich dauerhaft in Deutschland leben. Ein dauerhafter Aufenthalt im Inland ist durch eine Niederlassungs- und Aufenthaltserlaubnis gekennzeichnet, die außerdem zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (vgl. hierzu Graue in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl., § 1 BEEG [Stand: 06.06.2023], Rn. 63; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/von Koppenfels-Spies, 7. Aufl. 2021, BEEG § 1 Rn. 30). Vom Gesetzgeber wird primär das Ziel verfolgt, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen, wenn sich die Eltern in der Frühphase der Elternschaft vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Es soll dazu beigetragen werden, dass es beiden Elternteilen auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Dabei soll das Elterngeld dauerhafte Einbußen mit der Gefahr einer Abhängigkeit von staatlichen Fürsorgeleistungen vermeiden, Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf eröffnen und die wirtschaftliche Selbstständigkeit fördern (Bundessozialgericht [BSG] 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, juris, unter Verweis auf BT-Drucks 16/1889 Seite 2, 15). In erster Linie wollte der Gesetzgeber durch das Elterngeld demjenigen betreuenden Elternteil helfen, der seine Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung des Kindes unterbricht oder reduziert. Dieser erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes (BSG 30.09.2010 a.a.O. unter Verweis auf BT-Drucks 16/1889 S. 2, 14 f.). Insofern ist es sachgerecht, diejenigen Ausländer vom Leistungsbezug auszuschließen, die aus Rechtsgründen ohnehin keiner Erwerbstätigkeit nachgehen dürften (vgl. BVerfG 06.07.2004, 1 BvR 2515/95, juris). So liegt der Fall auch hier: Ausweislich der Fiktionsbescheinigung durfte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit ausüben.

Der Ausschluss der Klägerin und vergleichbarer Ausländer vom Elterngeld verstößt nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der hier ausschlaggebenden Ausprägung als Willkürverbot i.V.m. Art. 6 GG (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG 10.07.2014, B 10 EG 5/14 R, juris Rn. 29 ff.; vgl. zu diesem Maßstab BSG 20.05.2014, B 10 EG 9/13 R, juris Rn. 28. ff.; BSG 05.04.2012, B 10 EG 3/11 R, juris). Für die Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu Inhabern der in § 1 Abs. 7 BEEG genannten Aufenthaltstitel gibt es vielmehr hinreichend gewichtige Gründe. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann die unterschiedliche Bleibedauer von Ausländern in Deutschland eine ungleiche Behandlung bei der Elterngeldgewährung rechtfertigen. Danach stellt es einen legitimen Zweck dar, Elterngeld nur solchen Eltern zu gewähren, die voraussichtlich dauerhaft in Deutschland bleiben, soweit der Gesetzgeber mit dem Elterngeld eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland fördern will. Dieses Ziel würde bei der Gewährung an Personen, die das Bundesgebiet bald wieder verlassen, verfehlt (vgl. BVerfG 10.07.2012, 1 BvL 2/10, 1 BvL 3/10, 1 BvL 4/10, 1 BvL 3/11, juris). Die Anknüpfung an den rechtlichen Aufenthaltsstatus nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer ist auch ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel, um den genannten legitimen Zweck zu erreichen (BSG 10.07.2014 a.a.O. unter Verweis auf BSG 03.12.2009, B 10 EG 6/08 R, juris). Der Ausschluss der Klägerin vom Elterngeld erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig im engeren Sinne. Einerseits kommt dem Gesetzgeber bei der Gewährung steuerfinanzierter Sozialleistungen wie dem Elterngeld - auch bei zusätzlicher Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG - ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BSG 10.07.2014 a.a.O. unter Verweis auf BSG 26.03.2014, B 10 EG 4/13 R, juris Rn. 29), andererseits lässt die demographische Entwicklung in Deutschland die gezielte Förderung von Eltern, die mit ihren Kindern dauerhaft in Deutschland bleiben, besonders dringlich erscheinen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Ausländerbehörde über den Antrag der Klägerin verspätet entschieden hat bzw. ob die von der Ausländerbehörde getroffene Entscheidung, der Klägerin eine Erwerbstätigkeit zu verwehren, rechtmäßig war.  § 1 Abs. 7 BEEG verlangt den Besitz, also das tatsächliche Innehaben, eines der genannten Aufenthaltstitel (vgl. zum Erziehungsgeld BSG 28.02.1996, 14 REg 8/95, juris; BSG 03.12.2009, B 10 EG 6/08 R, juris Rn. 33 m.w.N.) und nicht nur einen entsprechenden Anspruch. Ob und zu welchem Zeitpunkt der Ausländer in den Besitz des Aufenthaltstitels gelangt, ist allein im Verhältnis zwischen Ausländer und Ausländerbehörde zu klären. Das BSG hat hierzu - in Bezug auf das insofern vergleichbare Erziehungsgeld, vgl. § 1 Abs. 6 BErzGG - ausdrücklich entschieden, dass mögliche Härten, die insoweit auftreten, als die Regelung auf die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung abstellt und damit den Anspruch auf Erziehungsgeld auch von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängig macht (BSGE 70, 197, 204), durch den Gesetzgeber in Kauf genommen werden, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre (vgl. dazu BSG 28.02.1996, 14 REg 8/95, juris Rn. 19 unter Verweis auf BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 10). Selbst im Falle rechtswidriger Verzögerung eines Asylverfahrens oder eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens seien die Antragsteller grundsätzlich gehalten, den dafür vorgesehenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz, insbesondere die Form der Untätigkeitsklage, in Anspruch zu nehmen (BSG 28.02.1996 a.a.O. unter Verweis auf BSGE 70, 197, 209). Dieser überzeugenden Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Dass der Klägerin am 20.10.2022 eine vorläufige Bescheinigung über einen bewilligten Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG) ausgestellt wurde, verbunden mit der Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl. Bl. 15 SG-Akte), hat vorliegend keine Auswirkungen auf einen Elterngeldanspruch, weil zu diesem Zeitpunkt der begehrte Bezugszeitraum bereits abgelaufen war. Selbst wenn die Geltungsdauer des Titels auf einen Zeitpunkt vor der tatsächlichen Erteilung zurückreichte, entfaltete die Erteilung keine rückwirkende Kraft (BSG 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, juris, unter Verweis auf BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 24 S. 80 f, m.w.N.). Hier aber ist ohnehin nicht ersichtlich, dass die Ausländerbehörde Rückwirkung angeordnet hat.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere war die Revision vor dem Hintergrund der eindeutigen Rechtslage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.



 

Rechtskraft
Aus
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