L 2 SO 3242/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 1919/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 SO 3242/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger macht eine Untätigkeit des Beklagten im Hinblick auf die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Sozialen Teilhabe und Assistenzleistungen im eigenen Wohn- und Sozialraum geltend.

Der 1995 geborene Kläger leidet an einer dauerhaften geistigen Behinderung bei Trisomie 21 (sog. Down-Syndrom). Er ist seit seiner Geburt schwerbehindert. Es wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen „G“ und „H“ festgestellt (vgl. Schwerbehindertenausweis, gültig ab 30.10.1995). Der Kläger ist in einer Werkstatt für behinderte Menschen der Lebenshilfe P1 tätig und bezieht vom Beklagten inzwischen (ergänzend) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Mutter des Klägers, W1, ist dessen rechtliche Betreuerin.

Mit Schreiben vom 20.10.2022, eingegangen beim Beklagten am 24.10.2022 (Bl. 67 VA), beantragte der Kläger, vertreten durch seine Betreuerin, Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets „rückwirkend zum 01.01.2021 bzw. zum 01.12.2021“. Man habe von diesem Anspruch erst am 13.10.2022 erfahren und könne den Antrag daher erst jetzt stellen. Eigentlich habe der Beklagte hier eine Auskunfts- und Beratungspflicht gehabt.

Mit Schreiben vom 17.04.2023, beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe am 18.04.2023 eingegangen, hat der Kläger Untätigkeitsklage erheben lassen und die Bescheidung seines Antrages auf Eingliederungshilfeleistungen begehrt. Aus Erfahrung wisse man, dass der Beklagte seinen Antrag, auch nach mehr als sechs Monaten, noch nicht einmal begonnen habe zu bearbeiten. Der Beklagte spreche nicht mit dem Kläger und wolle ihn ausgrenzen. Das Verfahren ist beim SG zunächst unter dem Aktenzeichen S 5 SO 904/23 geführt worden.

Nachdem der Beklagte mitgeteilt hat, dass noch eine Bedarfsermittlung durch den Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) erfolgen müsse, hat das SG das Verfahren mit Beschluss vom 04.05.2023 (Bl. 15/16 SG-Akte) bis zum 31.07.2023, längstens bis zur Bescheidung des Antrags auf Eingliederungshilfe, ausgesetzt. Die hiergegen vom Kläger zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Beschwerde ist von diesem am 11.07.2023 (- L 2 SO 1562/23 B -) zurückgenommen worden.

Mit Schreiben vom 08.08.2023 hat das SG Karlsruhe den Beteiligten mitgeteilt, dass das Verfahren nun unter dem Aktenzeichen S 5 SO 1919/23 fortgesetzt werde.

Mit Bescheid vom 14.08.2023 (Bl. 308 VA) hat der Beklagte dem Kläger Leistungen zur sozialen Teilhabe gemäß § 113 Abs. 1 und Absatz 2 Nr. 2 und Absatz 3 in Verbindung mit § 105 Abs. 4 und § 29 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Form von Assistenzleistungen im eigenen Wohn- und Sozialraum als persönliches Budget ab 01.10.2022 bis auf weiteres gewährt. Der Zahlbetrag belaufe sich auf 520,00 Euro monatlich.

Auf Nachfrage des SG mit Schreiben vom 25.08.2023, ob sich die Untätigkeitsklage mit Bescheiderlass erledigt habe, ist seitens des Klägers keine Reaktion erfolgt.

Dessen Betreuerin hat allerdings beim Beklagten am 01.09.2023 Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.08.2023 erhoben, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2023 (Bl. 533 VA) zurückgewiesen hat. Die hiergegen zum SG Karlsruhe erhobene Klage (- S 19 SO 135/24 -) ist mit Urteil vom 22.03.2024 abgewiesen worden, wogegen der Kläger am 16.04.2024 Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben hat. Dieses Verfahren ist noch anhängig (- L 2 SO 1237/24 -).

Der Beklagte hat dem Kläger zudem mit Schreiben vom 06.09.2023 mitgeteilt, dass der Kläger hinsichtlich einer rückwirkenden Auszahlung/ Nachzahlung des persönlichen Budgets ab dem 01.01.2021 bzw. 01.12.2021 noch einen separaten rechtsmittelfähigen Bescheid erhalte.

Mit Bescheid vom 07.09.2023 (Bl. 529 VA) hat der Beklagte dann den Antrag auf rückwirkende Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe ab dem 01.01.2021 bzw. 01.12.2021 abgelehnt.

Das SG hat sodann die vorliegende Untätigkeitsklage nach vorheriger Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2023 zurückgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei bereits unzulässig, denn der Beklagte habe über den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets mittlerweile durch Bescheid vom 14.08.2023 entschieden. Eine Verurteilung zur nochmaligen Bescheidung des Antrages scheide aus.

Gegen den der Betreuerin am 24.10.2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese für den Kläger am 21.11.2023 Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben und vorgetragen, es bleibe beim „Vortrag des Klägers samt Beweisangeboten“.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Angesichts der vorliegenden Sach- und Rechtslage bleibe die Berufung ohne Erfolg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 15.05.2024 in Abwesenheit des Klägers bzw. seiner Vertreterin über den Rechtsstreit entscheiden, da diese ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat keinen Verlegungsantrag gestellt.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage, mit der er vom Beklagten die Bescheidung seines Antrages vom 20.10.2022 auf (rückwirkende) Gewährung von Eingliederungsleistungen ab 01.01.2021 bzw. 01.12.2021 begehrt.

Die so verstandene Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die (Untätigkeits- )Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage dargestellt (§ 88 Abs. 1 SGG) und richtig ausgeführt, dass diese hier nicht vorliegen, da der Beklagte bereits mit dem Bescheid vom 14.08.2023 sowie dem Bescheid vom 07.09.2023 über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen entschieden hat und damit keine Untätigkeit des Beklagten (mehr) vorliegt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass es zu keinem anderen Ergebnis führt, dass dem Kläger die begehrten Eingliederungsleistungen erst ab 01.10.2022 (dem Monat der Antragstellung) und nicht wie ursprünglich beantragt bereits ab 01.01.2021 bzw. ab 01.12.2021 gewährt worden sind (vgl. Bescheid vom 14.08.2023 und Bescheid vom 07.09.2023). Denn eine Untätigkeitsklage kann nur auf die hier bereits erfolgte Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet sein, nicht aber auf den Erlass eines Verwaltungsakts bestimmten Inhalts (Claus in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. § 88 SGG [Stand: 15.06.2022], Rn. 8). Eine Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs oder die Bewilligung einer Leistung erfolgt durch das Gericht bei einer Untätigkeitsklage gerade nicht (vgl. Bundessozialgericht [BSG] Beschluss vom 16.11.2014 - B 13 R 282/14 B - juris, Rn. 6; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.11.2010 - L 7 SO 2708/10 - juris, Rn. 15).

Vorliegend kommt nach Überzeugung des Senats auch keine Klageänderung und damit Fortführung der Untätigkeitsklage als Anfechtungs- und Leistungsklage in Betracht. Unabhängig davon, dass eine solche Umstellung von Klägerseite bislang nicht erfolgt ist, scheitert dies bereits daran, dass, da sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage vorliegen müssen, bereits Klagen gegen den Bescheid vom 14.08.2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2023 sowie gegen den Bescheid vom 07.09.2023 (- S 5 SO 1919/23 - und - S 19 SO 135/24 -) erhoben worden sind. Die Untätigkeitsklage kann in einem solchen Fall nicht als Anfechtungs- und Leistungsklage fortgeführt werden, weil dann bereits eine anderweitige Rechtshängigkeit gegeben ist, die der Zulässigkeit entgegensteht (Claus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 88 SGG [Stand: 15.06.2022], Rn. 65).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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