L 7 SO 1131/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1133/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1131/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 2. April 2024 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt (noch) die Verbescheidung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung seines Antrags auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von 440,00 Euro für einen Fernseher durch die Beklagte.

Der 1961 geborene, auf Dauer voll erwerbsgeminderte Kläger steht bei der Beklagten seit Langem im Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII). Mit Schreiben vom 14. Januar 2023 (Bl. 805 Bd. AB II der Verw.-Akte) beantragte er bei dieser die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 500,00 Euro für die Anschaffung eines neuen Fernsehgerätes, da sein bisheriges genau 14 Tage nach Ablauf der Garantie plötzlich defekt sei. Zusätzlich beantrage er, die Transportkosten zu übernehmen, da ein Transport auf dem Fahrrad nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2023 (Bl. 807 f. Bd. AB II der Verw.-Akte) lehnte die Beklagte die Darlehensgewährung ab, da der Fernseher keinen von der Regelleistung abgedeckten Bedarf nach § 37 Abs. 1 SGB XII darstelle. In der Rechtsbehelfsbelehrung, auf welche hinsichtlich des genauen Wortlauts Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei ihr schriftlich oder zur Niederschrift unter der angegebenen Anschrift sowie auf elektronischem Weg über das besondere Behördenpostfach erheben könne. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid ist der Verwaltungsakte der Beklagten nicht zu entnehmen.

Am 7. Juni 2023 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) eine Untätigkeitsklage (S 9 SO 1133/23) erhoben und die Verpflichtung der Beklagten zur Verbescheidung seiner Anträge auf die Übernahme von Reparaturkosten seines Therapierades, auf Aus- bzw. Nachzahlung der ihm aufgrund des Urteils des Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in der Sache L 7 SO 980/22 zustehenden Beträge und auf Übernahme der Kosten der Rundfunk- und Fernsehgebühren sowie seiner Widersprüche gegen die Ablehnung der Gewährung eines Darlehens für ein Fernsehgerät und der Übernahme eines Diebstahlschadens (Portemonnaie) begehrt. Die Beklagte hat u.a. ausgeführt, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 2. Februar 2023 keinen Widerspruch eingelegt habe.
 
Am 31. Juli 2023 hat der Kläger eine weitere Untätigkeitsklage (S 9 SO 1534/23) bei dem SG erhoben, mit welcher er geltend gemacht hat, dass die Beklagte bislang seine Anträge auf Übernahme der Kosten seiner hauswirtschaftlichen Pflege, der Rundfunk- und Fernsehgebühren und der Reparaturkosten seines Therapierades (Kette, Kettenblätter etc.) auf die Ausstellung von Bescheinigungen über den Bezug von Grundsicherung für die Zeit ab Januar 2012 bis zur Gegenwart für den SWR bzw. die GEZ sowie ebenso seinen Widerspruch wegen eines Darlehens zur Anschaffung eines Fernsehgeräts nicht verbeschieden habe.

Mit Beschluss vom 22. November 2023 hat das SG die vorgenannten Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und im Weiteren die Beteiligten zur vorgesehenen Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Nachdem der Kläger im Verlauf des Verfahrens u.a. mitgeteilt hatte, dass die Kette und Kettenblätter seines Therapierads im Sommer 2023 getauscht worden seien und dies die Beklagte bezahlt habe, ein schadhafter Kabelzug auf Kulanzbasis kostenfrei von der Werkstatt ersetzt worden sei, die Beklagte ihm zwischenzeitlich die erforderlichen Bescheinigungen für die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag erteilt habe und er eine handschriftliche Abschrift eines Antrags vom 5. Februar 2023 auf Wiederaufnahme der im Dezember 2021 eingestellten Pflege vorgelegt hatte, hat das SG im Gerichtsbescheid vom 2. April 2024 die Klagebegehren sinngemäß dahingehend gefasst, dass der Kläger noch die Verurteilung der Beklagten zur Verbescheidung seines Antrags auf Übernahme des Rundfunkbeitrages, seines Antrags auf Hilfe zur Pflege und seines Widerspruchs bezüglich der (abgelehnten) Gewährung eines Darlehens für die Anschaffung eines Fernsehgerätes begehre sowie daneben die Auszahlung der ihm aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 2. März 2023 (L 7 SO 980/22) zustehenden Beträge. Auf die so gefassten Klageanträge hat das SG die Beklagte verurteilt, zu dem Antrag des Klägers vom 5. Februar 2023 (Hilfe zur hauswirtschaftlichen Pflege) unverzüglich einen Bescheid zu erteilen und die Klagen im Übrigen abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 11. April 2024 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt insbesondere vor, dass ein Gerichtsbescheid nur zulässig sei, wenn die Sache geklärt und einfach sei. Dies sei hier nicht der Fall. Es sei daher festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht gegeben gewesen seien. Es verbleibe aus diesem Gerichtsbescheid – der Rest sei erledigt oder bei anderen Gerichten rechtshängig – das Darlehen für den Fernseher. Die Beklagte habe bereits zweimal einen Fernseher bewilligt. Der dritte Antrag sei abgelehnt worden, der Widerspruch leider fruchtlos gewesen.

Der Kläger beantragt, sachgerecht gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 2. April 2024 abzuändern sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 2023 zu verurteilen, ihm für die Anschaffung eines Fernsehers ein zinsloses Darlehen in Höhe von 440,00 Euro, rückzahlbar in 30 monatlichen Raten, zu gewähren,
hilfsweise die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

            Die Berufung zurückzuweisen.

Auf den Hinweis des Berichterstatters, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteige und auch keine laufenden oder wiederkehrenden Leistungen für mehr als ein Jahr streitig seien, führt der Kläger ergänzend aus, dass zur Bestimmung des Beschwerdewertes auf den „Gesamtwert der ganzen Beschwerde“ abzustellen sei. Die hauswirtschaftliche Pflege betreffe eine Dauer von vielen Jahren, so dass bereits damit die Berufung zulässig sei. Auch die aufgrund des Urteils vom 2. März 2023 nachzuzahlenden Beträge seien mit mehr als einem Jahr Verzugszinsen mehr als 750 Euro.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Prozessakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers den Rechtsstreit mündlich verhandeln und entscheiden, denn der Kläger ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Der Senat hat ihm zudem trotz der Nichtanordnung seines persönlichen Erscheinens auf seinen Wunsch, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, vorab eine Bahnfahrkarte übersandt. 

Die Berufung ist bereits unzulässig und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Für die Frage, ob die Berufung der Zulassung bedarf, ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels entscheidend (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. Oktober 1981 – 7 RAr 72/80 – juris Rdnr. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. Februar 2011 – B 11 AL 15/10 R – juris Rdnr. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2015 – L 4 R 3257/13 – juris Rdnr. 41; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 144 Rdnr. 19). Der Beschwerdewert bemisst sich ausschließlich nach der Höhe des Geldbetrages, um den unmittelbar gestritten wird (BSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 – B 4 AS 77/10 B – juris Rdnr. 6). Auch bei Untätigkeitsklagen kommt es darauf an, auf welches Ziel der begehrte Verwaltungsakt oder Widerspruchsbescheid gerichtet ist (BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B –, SozR 4-1500 § 144 Nr. 7, SozR 4-1500 § 160a Nr. 27, juris Rdnr. 10 f.; BSG, Urteil vom 10. Oktober 2017 – B 12 KR 3/16 R –, juris Rdnr. 14; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 144 SGG, Stand: 21. November 2023, Rdnr. 19)

Für die Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstandes und die Frage, ob die Berufung ohne Zulassung statthaft ist oder nicht, kommt es regelmäßig darauf an, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (vgl. nur Keller a.a.O. Rdnr. 14 m.w.N.).

Nachdem der Kläger zum einen in erster Instanz mit seiner Untätigkeitsklage auf Verbescheidung seines Antrags auf Hilfe zur hauswirtschaftlichen Pflege obsiegt hat und er zum anderen in der vorliegenden Berufung lediglich die Frage der Darlehensgewährung für die Anschaffung eines neuen Fernsehgerätes weiterverfolgt, wie er mit der Berufungsschrift vom 8. April 2024 ausdrücklich klargestellt hat, bestimmt sich der sogenannte Beschwerdewert einzig nach diesem Rechtsschutzziel. Dieses hat der Kläger mit 440 Euro beziffert, so dass die Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG ohne Zulassung ausgeschlossen ist.

Unerheblich ist dagegen, entgegen der Auffassung des Klägers, welche Gegenstände insgesamt in erster Instanz streitig gewesen sind oder auch, inwieweit der Kläger insgesamt durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert ist, solange er – wie bereits ausgeführt – lediglich einen Teil seines ursprünglichen Begehrens in der Berufung weiterverfolgt. Eine Erhöhung des Beschwerdewertes folgt auch nicht aus dem Wunsch des Klägers feststellen zu lassen, dass die Entscheidung des SG nicht hätte im Wege des Gerichtsbescheides ergehen dürfen – ungeachtet dessen, dass der Senat die Auffassung des Klägers nicht teilt, betrifft diese Frage nicht das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter und stellt mithin insoweit keine Beschwer dar – oder dass der Kläger eine Darlehensgewährung ohne Zinsen und Gebühren begehrt. Denn etwaige wirtschaftliche Folgewirkungen und auch Nebenforderungen, wie Zinsen bleiben außer Betracht (vgl. Wehrhahn, a.a.O., Rdnr. 25). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Kläger vorliegend zulässigerweise eine Umstellung von einer Untätigkeitsklage auf eine Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) unmittelbar auf die Gewährung eines Darlehens in der Berufungsinstanz vornehmen konnte und die besonderen Prozessvoraussetzungen – insbesondere der Abschluss des Vorverfahrens gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG – der Anfechtungsklage erfüllt sind, da dies auf die Bemessung des Beschwerdewertes keine Auswirkung hat.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
Saved