L 7 SO 1130/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 2660/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1130/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. März 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Zuschusses für neue Oberbekleidung von der Beklagten.

Der 1961 geborene, auf Dauer voll erwerbsgeminderte Kläger steht seit Langem im Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) bei der Beklagten. Zusätzlich erhält er von der Beklagten aufgrund eines im Jahr 2014 getroffenen Vergleichs zweimal jährlich, jeweils im Februar und im August, ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht eine ergänzende Pauschale von 63,00 Euro für den Erwerb von Leibwäsche.

Am 29. April 2021 stellte der Kläger einen Antrag auf die Bewilligung von Kosten für Oberbekleidung wegen einer starker Gewichtszunahme von 28 kg als Erstausstattung in Höhe von 3.160,00 Euro. Jetzt wiege er knapp 150 kg, initial also 122 kg.


Nachdem der Kläger auf eine Rückfrage der Beklagten zu der berichteten Gewichtszunahme auf Nebenwirkungen von ihm eingenommener Medikamente verwies, sowie darauf, dass er wegen seiner Körpergröße von 1,96 m den Normalfall sprenge, zwei Operationen coronabedingt verschoben worden seien und er den Zeitraum seiner Gewichtszunahme nicht wisse, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 21. Mai 2021 ab. Der Bedarf für Bekleidung sei in der Regelleistung berücksichtigt. Ein plötzliches, unvorhergesehenes Ereignis oder andere außergewöhnliche Umstände, welche eine einmalige Sonderleistung für Bekleidung begründeten, seien nicht erkennbar. Wenn sich die Gewichtszunahme über anderthalb Jahre erstreckt habe, stelle sie ein planbares bzw. vorhersehbares Ereignis dar, dessen Folge der Notwendigkeit zur Beschaffung von passender Kleidung absehbar und planbar gewesen sei.

Den gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom 28. Mai 2021 am 4. Juni 2021 eingelegten Widerspruch – zu dem der Kläger mit weiterem Schreiben vom 1. Juni 2021 u.a. ausführte, dass es zu seiner Gewichtszunahme durch sehr hohe Insulindosen gekommen sei, die Alternative dazu wäre ein bis zu drei Monate dauernder Klinikaufenthalt gewesen; auch Nebenwirkungen von notwendigen Medikamenten in Form von Gewichtszunahmen seien nicht vom Regelsatz erfasst; es blieben nur die einmaligen Hilfen (§ 31 SGB XII) – wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2021 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 8. November 2021 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und insbesondere ausgeführt, dass sein Bekleidungsbedarf nicht ausreichend mit dem Regelbedarf zu decken sei. Sein Körpergewicht hat er mit 146 kg angegeben. Der Verschleiß durch Inkontinenz werde vom Regelbedarf nicht berücksichtigt, ebenso wenig der Verschleiß durch seine orthopädische Behinderung durch Haltungsschäden, die zu Fehl- und Überbelastung der Kleidung führten.

Nachdem der Kläger im Rahmen eines in anderer Sache bei dem SG geführten Eilverfahrens (S 3 SO 579/24 ER) sein Körpergewicht mit „heute 124,00 kg“ angegeben hatte (Antragsschrift vom 18. März 2024, dort Bl. 3 SG-Akte), hat das SG die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2024 abgewiesen. Bei dem Anspruch auf Leistungen für einmalige Bedarfe gemäß § 31 SGB XII handele es sich um einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand. Statthafte Klageart sei die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei für diese Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen bzw. bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, der Zeitpunkt der Entscheidung, vorliegend also der Erlass dieses Gerichtsbescheids. Die Voraussetzungen für eine Bekleidungsbeihilfe als Erstausstattung als einmaliger Bedarf lägen nicht vor. Zwar könne ein solcher bei großer Gewichtszu- oder -abnahme grundsätzlich bestehen, allerdings ergebe sich eine solche Gewichtszunahme aus den vorgelegten Unterlagen für keinen Zeitpunkt. Aus einem im Jahr 2020 wegen einer Bekleidungsbeihilfe aufgrund von Gewichtszunahme – letztere sei damals allerdings nicht nachweislich gewesen – geführten Verwaltungsverfahren sei dem Kläger bekannt gewesen, dass eine Änderung seines Gewichts nachvollziehbar sein müsse. Hinzu komme, dass grundsätzlich eine Gewichtszunahme sukzessive und nicht plötzlich erfolge, so dass die im Regelsatz enthaltene Pauschale für den Kauf größerer Kleidung verwendet werden könne. Entscheidend sei vorliegend allerdings, dass der Kläger sein Gewicht nunmehr mit 124 kg angebe. Das Gewicht nach Zunahme von 28 kg habe er als sich auf 146 kg belaufend angegeben. Abzüglich der 28 kg müsse sein Ausgangsgewicht damit bei 118 kg gelegen haben, so dass nunmehr nur noch ein Unterschied von 6 kg bei einer Größe von 196 „kg“ (gemeint: cm – Anm. d. Senats) verbleibe, der sich nur wenig auf die Kleidergröße auswirken dürfe. Der Kläger sei damit für die Beschaffung von neuer Kleidung auf den Regelbedarf zu verweisen. Denn die Kosten für die Beschaffung von Kleidung – diese werde bereits in § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB XII ausdrücklich bei den grundlegenden Bedarfsgegenständen als Teilelemente des „notwendigen Lebensunterhalts“ erwähnt – gehörten zu den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben. Die Höhe des Regelsatzes und der darin enthaltene Anteil für Bekleidung seien vorliegend allerdings nicht streitgegenständlich, da die angegriffenen Entscheidungen ausschließlich eine zusätzlich zum Regelsatz zu gewährende Bekleidungsbeihilfe beträfen, so dass sich Ausführungen zur Angemessenheit des Regelbedarfs erübrigten.

Mit seiner am 11. April 2024 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung macht der Kläger unter Verweis auf Stoffwechselprobleme insbesondere geltend, er habe von 236 kg auf 126 kg abgenommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. März 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2021 zu verurteilen, ihm Leistungen für einmalige Bedarfe für Bekleidung in Höhe von 3.160,00 Euro zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Prozessakten beider Instanzen sowie des Verfahrens S 3 SO 579/24 ER und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 27. März 2024 ist statthaft (§ 143 SGG), bedarf nicht der Zulassung (§ 144 Abs. 1 SGG) und ist auch im Übrigen zulässig. Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers den Rechtsstreit mündlich verhandeln und entscheiden, denn der Kläger ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Der Senat hat ihm zudem trotz der Nichtanordnung seines persönlichen Erscheinens auf seinen Wunsch, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, vorab eine Bahnfahrkarte übersandt. 

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) des Klägers zu Recht als unbegründet abgewiesen, da die angefochtene Entscheidung der Beklagten zutreffend ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung einer Beihilfe für einmalige Bedarfe nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII gegen die Beklagte. Denn als Begründung dieses Bedarfs kommt einzig die von dem Kläger berichtete starke Gewichtszunahme – nach seinen Angaben gegenüber dem SG in der Klageschrift auf 146 kg bzw. nach seinen Angaben im Berufungsverfahren sogar auf 236 kg – in Betracht, jedoch wiegt er nach seinen eigenen Angaben aktuell nurmehr 124 bzw. 126 kg, so dass, jedenfalls derzeit, keine derartige Gewichtsdifferenz zu dem von ihm im Antragsschreiben vom 29. April 2021 angegebenen Initialgewicht von 122 kg besteht, die die von dem Kläger begehrte vollständige Neueinkleidung rechtfertigen würde, wie das SG zutreffend und überzeugend – wenn auch unter Berechnung des Ausgangsgewichts unter Abzug der angegebenen Gewichtszunahme von 28 kg von dem in der Klageschrift angegebenen Gewicht und nicht dem in der Antragsschrift zu der Gewichtszunahme angegebenen Gewicht von 150 kg – dargestellt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat daher auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids vom 27. März 2024 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend und klarstellend ist auszuführen, dass selbst dann, wenn aufgrund der klägerseits berichteten Gewichtszunahme ein die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII erfüllender Bedarf bestanden hätte, dieser nachträglich nicht mehr erfüllt werden kann und damit aktuell keinen entsprechenden Anspruch des Klägers (mehr) begründet. Soweit der Kläger auch einen erhöhten Verschleiß anführt, ist dieser zum einen nicht belegt, zum anderen kann ein verschleißbedingter und damit fortlaufender Bedarf von vorneherein nicht durch eine einmalige Beihilfe gedeckt werden. Dafür, dass der Kläger nicht mehr über die Kleider in seiner Ausgangsgröße verfügen würde, insbesondere diese in einer einen Anspruch auf Erstausstattung auslösenden Weise untergegangen wären, ist von dem Kläger schon nichts vorgetragen und auch im Übrigen nichts ersichtlich.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.






 

Rechtskraft
Aus
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