L 3 AS 1525/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2329/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1525/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.04.2023 aufgehoben, der Bescheid des Beklagten vom 17.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2021 abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von 632,00 € und für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.11.2021 in Höhe von 646,00 € zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2021 streitig.

Der 1958 geborene Kläger steht beim Beklagten seit dem 01.01.2005 – mit wenigen Monaten Unterbrechung – im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende.

Ausweislich des am 20.02.2014 mit dem in der H1-straße  in F1 wohnhaften S1 geschlossenen Mietvertrages bezog der Kläger zum 01.04.2014 eine dort im Obergeschoss befindliche und 44,28 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung gegen einen sich aus einer Grundmiete in Höhe von 238,05 €, Betriebskosten in Höhe von 88,00 € und Gasvorauszahlungen für Heizung und Warmwasser in Höhe von 34,00 € zusammensetzenden Mietzins in Höhe von 360,05 €. Aktenkundig ist ferner die unter dem 15.12.2020 erstellte Mietbescheinigung über eine sich aus einer Grundmiete in Höhe von 238,05 € und Betriebskosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 88,00 € zusammensetzende Gesamtmiete in Höhe von 326,05 €. Ursprünglich hatten diese Wohnung ausweislich des mit der Siedlungsgesellschaft F1 GmbH geschlossenen Mietvertrages vom 30.08.1955 die Eltern des S1 angemietet, ehe dieser ausweislich der mit seiner Mutter und der F2 Stadtbau GmbH geschlossenen Vereinbarung vom 24.08.2012 in dieses Mietverhältnis eingetreten war.

Im Rahmen der Weiterbewilligungsanträge vom 20.04.2014, 08.09.2014, 22.02.2015, 07.06.2016, 11.10.2016, 19.10.2017 und 15.10.2018 machte der Kläger unter dem Punkt „Weitere Personen im Haushalt“ jeweils keine Angaben, woraufhin der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des Regelsatzes für Alleinstehende und der Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe bewilligte.

Auf die Frage des Beklagten, in welchem Bezug S1 zu ihm stehe, teilte der Kläger mit Schreiben vom 23.01.2019 mit, S1 sei durchschnittlich nur einmal im Monat in F1, lediglich durch die Pflege seines Hundes während eines längeren Krankenhausaufenthaltes sei eine lose Freundschaft entstanden.

Am 04.09.2019 wurde der Beklagte durch einen anonymen Hinweis darüber informiert, dass der Kläger bereits seit vier oder fünf Jahren mit „seinem Lebensgefährten Herrn S1“ in der H1-straße  in F1 zusammenwohne und allen gegenüber behaupte, mit ihm verheiratet zu sein, was aber nicht stimme. Der Beklagte veranlasste daraufhin einen Hausbesuch durch seinen Außendienst, der am 12.09.2019 durchgeführt wurde. In dem Außendienstbericht vom 13.09.2019 wurde Folgendes wiedergegeben: „Im Schlafzimmer war 1 Doppelbett (mit 2 Kopfkissen und 2 Bettdecken) sowie 1 gemeinsamer Kleiderschrank für Herrn S2 und Herrn S3 vorhanden. In der Küche im Kühlschrank war auch keine Trennung als evtl. Wohngemeinschaft zu erkennen. Herr S2 hat gerade in der Küche für beide ein Essen gekocht, was er uns mitgeteilt hat. Er gab auch an, von Beruf Koch zu sein.“

Daraufhin verfügte der Beklagte mit Schreiben vom 13.09.2019 eine vorläufige Einstellung der Zahlungen.

In der auf Anforderung des Beklagten unter dem 27.09.2019 ausgefüllten Anlage VE (Anlage zur Überprüfung, ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliegt) verneinte der Kläger, dass eine nichtverwandte Person in seinem Haushalt lebe. Ferner gab er in dem unter dem 27.09.2019 ausgefüllten Fragebogen an, es bestehe keine sexuelle oder finanzielle Lebenspartnerschaft, es handele sich nach wie vor um eine unabhängige Nutzungsgemeinschaft und S1 pflege zwei Beziehungen außerhalb der Wohnung. Außerdem führte er in dem weiteren unter dem 27.09.2019 ausgefüllten Fragebogen aus, er habe bis März 2013 mit S1 in der H1-straße in F1 zusammengewohnt, bewohne nun alle Räume alleine, teile mit ihm gelegentlich das Wohnzimmer, bewahre seine Kleidung und privaten Dinge im Schlafzimmer auf, habe die Wohnung möbliert angemietet, bezahle alle Wohnungskosten selbst und habe mit ihm kein gemeinsames Bankkonto, es gebe keine gegenseitigen Kontovollmachten, sie würden sich finanziell im Notfall nicht aushelfen, S1 habe für die Wohnung eine Hausratversicherung abgeschlossen, er habe keine private Haftpflichtversicherung, putze die Wohnung, kaufe ein und bezahle die Einkäufe, es gebe keine gemeinsame Haushaltskasse, er bewahre die Lebensmittel in einem gemeinsamen Kühlschrank auf und koche immer, jeder koche immer für sich selbst, manchmal würden sie gemeinsam essen, sie hätten eine gemeinsame Waschmaschine und jeder wasche immer für sich.

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 15.10.2019, in dem der Kläger erneut unter dem Punkt „Weitere Personen im Haushalt“ keine Angaben gemacht hatte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2019 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.11.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 unter Berücksichtigung des Regelsatzes für Alleinstehende und der Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe.

Aktenkundig ist ferner der Vermerk vom 17.07.2020 über ein durch den Beklagten mit einem Mitarbeiter der F3 GmbH geführtes Gespräch, wonach 2015/2016 aufgrund einiger gravierender Vermittlungshemmnisse, insbesondere des ständigen Mitbringens seines Lebensgefährten zum Arbeitsplatz, habe festgestellt werden müssen, dass der Kläger der Arbeit in der Essensausgabe nicht gewachsen gewesen sei.

Aktenkundig wurde sodann ein Zeitungsartikel in „S4“ vom 23.08.2020 über die F2 Siedlung „M1“, in dem darüber berichtet wurde, S1 habe dort sein ganzes Leben, zuerst mit den Eltern, jetzt mit seinem Lebensgefährten, verbracht und ein Foto des Klägers mit S1 mit der Bildunterschrift, beide lebten seit 1955 dort, abgebildet war.

Deshalb verfügte der Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2020 erneut eine vorläufige Einstellung der Zahlungen.

Daraufhin teilte der Kläger in seiner unter der Adresse
T1 verfassten E-Mail vom 10.09.2020 mit, die Formulierung in dem Zeitungsbericht entspreche nicht den Tatsachen, die Partnerschaft habe aus gesundheitlichen Gründen seinerseits im Frühjahr 2013 geendet.

Die Stadt F1 legte auf Anfrage des Beklagten unter dem 22.09.2020 Abfallgebührenbescheide für die Jahre 2015 bis 2020 vor, aus denen hervorgeht, dass S1 die Abfallgebühren für einen Zwei-Personen-Haushalt seit dem 01.04.2014 bezahlte, und teilte mit, bei der zweiten unter dem Buchungszeichen erfassten Person handele es sich um den Kläger.

Im weiteren Verlauf teilte der Kläger in seiner E-Mail vom 01.10.2020 mit, S1 habe „heute“ das Mietverhältnis gekündigt. Dieser werde die Wohnung „anteilig nutzen“. Er legte sodann mit E-Mail vom 02.11.2020 die mit „Einschreiben“ überschriebene Kündigung des Mietverhältnisses vom 08.10.2020 zum 31.12.2020 vor und teilte mit, die Kündigung sei ihm am 25.10.2020 „persönlich“ ausgehändigt worden.

Sodann änderte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 03.11.2020 den Bescheid vom 23.11.2019 ab, hob die vorläufige Zahlungseinstellung auf und bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.09.2020 bis zum 30.11.2020 nur noch unter Berücksichtigung des Regelsatzes für Partner und ohne Kosten der Unterkunft und Heizung.

Aktenkundig ist das Schreiben des Klägers vom 06.11.2020, wonach S1 ihm Anfang September 2020 mit 200,00 € ausgeholfen habe.

Der Kläger gab in seinem Weiterbewilligungsantrag vom 16.11.2020 unter dem Punkt „Weitere Personen im Haushalt“ für die Zeit ab dem 01.11.2020 S1 an.

Die F2 Stadtbau GmbH legte auf Anforderung des Beklagten unter dem 16.12.2020 den Mietvertrag vom 30.08.1955, die Erklärung vom 24.08.2012 sowie eine Mietbescheinigung und Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2016 bis 2020 vor und führte aus, es sei dort bekannt, dass der Kläger in der Wohnung des S1 wohne.

Im Rahmen des am 17.12.2020 geführten Telefonats gab der Kläger gegenüber dem Beklagten an, er und S1 seien von Oktober 2012 bis Dezember 2013 liiert gewesen, seither seien sie kein Paar mehr. Im Dezember 2013 sei er zu S1 gezogen, nachdem dieser die Wohnung schön eingerichtet habe. Dieser sei dann ausgezogen und habe verschiedene Reisen unternommen und habe auch eine Zweier-Beziehung zwischen einer Frau und einem anderen Mann gehabt, sei aber regelmäßig in die Wohnung zurückgekehrt. In den letzten Monaten habe ihm S1 Geld geliehen. Dieser habe ihm erlaubt, bis die Mietzahlungen geklärt seien, in der Wohnung verbleiben zu können. S1 sei derzeit nicht in der Wohnung und sei erst im November 2020 wieder eingezogen. Er habe derzeit kein Internet, da er dieses aufgrund der ausbleibenden Miete nicht nutzen dürfe. Er dürfe das Internet nutzen, wenn S1 in der Wohnung sei. S1 habe eine Unter-Mailadresse für ihn eingerichtet, die er weiterhin nutzen dürfe. Der Zeitungsreporter habe falsche Angaben veröffentlicht. Zwischen S1 und ihm bestehe ein Untermietverhältnis. Es gebe die Überlegung, dass er weiterhin in der Wohnung bleiben könne, wenn S1 und er sich die Miete teilen würden. Sie würden in der Wohnung mit räumlicher Trennung wohnen.

Auf Anfrage des Beklagten teilte das Amt für Soziales und Senioren der Stadt F1 am 21.12.2020 mit, der Kläger habe dort am 02.12.2020 vorgesprochen.

Sodann versagte der Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2021 die Gewährung von Leistungen ab dem 01.12.2020.

Außerdem erstattete der Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2021 Strafanzeige wegen des Verdachts eines Betruges bei der Staatsanwaltschaft F1 die daraufhin das unter dem Aktenzeichen 425 Js 6567/21 geführte Ermittlungsverfahren aufnahm. Der Beklagte ging von einem sich für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.11.2020 belaufenden Schaden in Höhe von 70.788,12 € aus.
Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde entsprechend § 154d StPO bis zur Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren ruhend gestellt.

Auf den Widerspruch vom 03.03.2021 hob der Beklagte den Versagungsbescheid mit Abhilfebescheid vom 17.03.2021 auf.

Ferner bewilligte der Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 17.03.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2021 weiterhin nur unter Berücksichtigung des Regelsatzes für Partner in Höhe von 389,00 € vom 01.12.2020 bis zum 31.12.2020 sowie von 401,00 € vom 01.01.2021 bis zum 30.11.2021 und ohne Kosten der Unterkunft und Heizung.

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 17.03.2021 legte der Kläger am 16.04.2021 Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 18.06.2021 verfügte der Beklagte erneut eine vorläufige Einstellung der Zahlungen. Ferner hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18.06.2021 über die beabsichtigte Rücknahme der die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.11.2020 betreffenden Bescheide und Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 68.902,80 € an.

Mit Schreiben vom 21.06.2021 beantragte der Kläger, ihm den Regelbedarf für Alleinstehende und kopfanteilige Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung zu gewähren. Er und S1 seien zwar vor vielen Jahren einmal ein Paar gewesen, seien jedoch schon seit langem nur sehr gute Freunde. Beigefügt waren die Schreiben des B1 vom 17.06.2021 und der I1 vom 18.06.2021. B1 gab an, er könne bestätigen, dass der Kläger und S1 keine Partner-Beziehung hätten, sondern in einer Wohngemeinschaft lebende Freunde seien. Er habe S1 immer so verstanden, dass dieser nicht Partner des Klägers im Sinne einer Lebensgemeinschaft sei. I1 gab an, von einer Beziehung des Klägers in irgendeiner Art und Weise sei nie die Rede gewesen. S1 habe sie nur durch Zufall kennengelernt, als der Kläger länger erkrankt gewesen sei und sich deshalb S1 um den Hund gekümmert habe. Deshalb sei sie über einen Artikel in einer Wochenzeitung, in dem beide als Lebensgefährten dargestellt worden seien, sehr überrascht gewesen. Daraufhin habe ihr der Kläger von der vor vielen Jahren bestandenen Beziehung und darüber, wie das Mietverhältnis nach Kündigung der alten Wohnung zustande gekommen sei, erzählt. Eine regelmäßige Anwesenheit des S1 habe sie erst nach dessen Krebserkrankung im Sommer letzten Jahres feststellen können. Außerdem wisse sie von dessen langjähriger Beziehung mit einem gewissen K1.

Daraufhin führte der Kläger am 23.06.2021 aus, die kurzfristige Beziehung mit S1 habe bereits im Herbst 2013 geendet. Eine Lebensgemeinschaft habe nicht bestanden und bestehe nicht.

Mit Schreiben vom 23.06.2021 nahm der Beklagte die vorläufige Zahlungseinstellung zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2021 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Nach der Gesamtwürdigung aller vorliegenden Unterlagen sei zwischen dem Kläger und S1 von weit mehr als einer losen Freundschaft oder einer Vermieter-Mieter-Beziehung, sondern vielmehr von einer Partnerschaft auszugehen, so dass beide eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bildeten. Eine räumliche Trennung sei aufgrund der Größe der Wohnung kaum vorstellbar. Die Berücksichtigung des Regelsatzes für Partner sei daher rechtmäßig. Ebenso sei es korrekt, weiterhin keine Unterkunftskosten zu gewähren, da dem Kläger eine fehlende Mitwirkung vorgeworfen werden könne und die Lebensumstände dadurch nicht hinreichend hätten geklärt werden könnten, um eine abschließende Klärung des Leistungsanspruchs herbeizuführen.

Hiergegen hat der Kläger am 27.07.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben.

Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen worden, dass er und S1 in der Vergangenheit Partner gewesen seien, sich jedoch bereits im Jahr 2013 getrennt hätten. Da seine Wohnung zu teuer gewesen sei und S1 seine Wohnung zu wenig genutzt habe, sei er im April 2014 in dessen Wohnung eingezogen. Vor dem Einzug habe er dies zusammen mit S1 beim Beklagten abgeklärt. Der Beklagte habe ihm in der Folgezeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht und die volle Miete berücksichtigt. Im Jahr 2019 sei S1 an Krebs erkrankt und wieder in die Wohnung eingezogen. Nach dem Einzug hätten er und S1 vereinbart, dass dieser sich in Höhe von 200,00 € an der Miete beteiligen solle. Im Gegensatz zu dem Außendienstbericht sei es so, dass in dem Zimmer, das von ihm genutzt werde, eine Schlafcouch mit einer Breite von 1,20 Metern und in dem Zimmer, das von S1 genutzt werde, ein Bett mit einer Breite von 1,40 Metern stünden und sich sein eigener Kleiderschrank noch in dem Schlafzimmer des S1 befinde. Ferner seien die Angaben, er sei bei einer Maßnahme von F3 in den Jahren 2015/2016 ständig in Begleitung seines Partners erschienen, nicht richtig. Auch sei in dem Zeitungsartikel unzutreffend von einer Partnerschaft ausgegangen worden. Dass im Müllgebührenbescheid zwei Personen aufgeführt seien, liege schlicht daran, dass sowohl er als auch S1 unter derselben Adresse gemeldet seien. Die gemeinsame E-Mail-Adresse sei von S1 als gemeinsame Hausadresse angelegt worden. Seitdem werde sie fast ausschließlich von ihm benutzt, da S1 eine eigene E-Mail-Adresse habe. In rechtlicher Hinsicht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass es sich bei den Kriterien „Partnerschaft“ und „Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt“ um objektive Tatbestandsvoraussetzungen handele, die nach der Systematik des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssten. Er und S1 führten aber schon keine Partnerschaft, so dass es auf einen gemeinsamen Einstandswillen nicht ankomme. Nach § 22 Abs. 1 SGB II sei auch sein Mietanteil als Bedarf zu berücksichtigen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ergänzend ausgeführt, dass hinsichtlich der begehrten Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 200,00 € bislang kein Nachweis vorliege. Es gebe weder einen entsprechenden (Unter-)Mietvertrag noch seien Nachweise über tatsächliche Mietzahlungen in Höhe von 200,00 € ersichtlich.

Das SG Freiburg hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 09.02.2023 den Kläger angehört und S1 als Zeugen vernommen. Auf das Protokoll wird verwiesen.

Sodann hat der Kläger dargelegt, für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft müsse eine Partnerschaft zwischen ihm und S1 bewiesen sein, wobei die Beweislast hierfür den Beklagten treffe. Eine Partnerschaft liege aber schon deshalb nicht vor, weil S1 bekundet habe, schon lange Jahre eine sexuelle Beziehung zu einem anderen Mann gehabt zu haben.
Was die Bedarfe für Unterkunft und Heizung anbelange, sei eine schriftliche vertragliche Vereinbarung nicht erforderlich. Die Abrede, die er mit S1 im Sinne einer Kostenteilung getroffen habe, entspreche auch dem Kopfteilprinzip, wobei hierbei auch in der Hauptmiete nicht enthaltene Beträge wie Strom und Telefon mitinbegriffen seien.

Ferner hat der Kläger Befundberichte des Universitätsklinikums F1 und des B2, aus denen hervorgeht, dass bei S1 wegen eines Harnblasen-Karzinoms am 27.11.2019 eine transurethrale TUR-B-Harnblasenresektion, im November 2019 eine TUR-Blasen-Nachresektion und am 24.08.2020 erneut eine transurethrale TUR-B-Harnblasenresektion durchgeführt worden sind, vorgelegt.

Das SG Freiburg hat mit Urteil vom 27.04.2023 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2021. Der Beklagte sei zu Recht von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Kläger und S1 ausgegangen.

Der Kläger und S1 seien im hier streitigen Zeitraum Partner im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II. Eine strikte räumliche Trennung der Wohnbereiche finde weder nach dem Inhalt des Außendienstberichts vom 13.09.2019 noch nach den Angaben des Klägers und des S1 statt. Letztlich würden die vorhandenen Räume gemeinsam benutzt. Auch sei bereits allein angesichts der Größe der Wohnung davon auszugehen, dass weder der Kläger noch S1 über Rückzugsmöglichkeiten und eine Privatsphäre verfügten, die im Rahmen einer üblichen Wohngemeinschaft zu erwarten wären. Daran ändere auch nichts, dass S1 in der Vergangenheit häufig auf Reisen oder sonst abwesend gewesen sei. Über Häufigkeit und Dauer seiner Reisen und Abwesenheiten hätten weder er noch S1 genauere Angaben machen können. Die tageweise bis höchstens ein- bis maximal zweiwöchigen Abwesenheiten änderten nichts daran, dass beide seit April 2014 in sehr beengten und nicht getrennten Wohnverhältnissen zusammenlebten. Weiteres Indiz für das Bestehen einer Partnerschaft seien die regelmäßigen Urlaube, die sie seit dem Jahr 2014, zuletzt im Jahr 2020, miteinander verbracht hätten. Auch dass S1 sowohl Betreuer als auch eingetragene Pflegeperson des Klägers sei, zudem über eine Vertretungsvollmacht für den Kläger verfüge und der Kläger wiederum bei der Patientenverfügung des S1 angegeben sei, zeuge von einer Verbundenheit zwischen dem Kläger und S1, die weit über die von Mitbewohnern oder Freunden hinausgehe und einen eheähnlichen Charakter aufweise. Auch sei die Einrichtung und Verwendung einer gemeinsamen Email-Adresse weder bei einer reinen Wohngemeinschaft noch unter Freunden üblich. Das Bestehen einer sexuellen Beziehung des S1 mit einem Dritten reiche nicht aus, um zwingend eine Partnerschaft auszuschließen. Auch sei dieses Verhältnis nach den Angaben des S1 „nicht exklusiv“.

Der Kläger und S1 hätten im streitgegenständlichen Zeitraum auch in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II zusammengelebt. Das erforderliche Bestehen sowohl einer Wohn- als auch einer Wirtschaftsgemeinschaft sei gegeben. Der Kläger und S1 wohnten zusammen und teilten die wesentlichen Haushaltstätigkeiten untereinander auf oder erledigten sie gemeinsam. So würden nach den übereinstimmenden Angaben die Einkäufe, insbesondere größere Einkäufe, häufig zusammen erledigt. Das Putzen werde von beiden erledigt beziehungsweise übernehme mittlerweile jemand vom Pflegedienst des Klägers. Mittlerweile, seitdem der Kläger nicht mehr gut Treppen laufen könne, habe S1 das Waschen übernommen. Im Rahmen des Außendienstbesuchs habe der Kläger angegeben, gerade eine Mahlzeit für sich und S1 zuzubereiten. Insgesamt sei daher von einem gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften auszugehen.

Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, sei ebenfalls anzunehmen. Dieser sei bereits gemäß § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II zu vermuten, da die Partner bereits länger als ein Jahr zusammenlebten. Wie der Kläger dem Beklagten telefonisch am 17.12.2020 mitgeteilt habe, sei er in den Monaten, in denen die Zahlung der Leistungen eingestellt worden seien, von S1 unterstützt worden. Dieser habe ihm nicht nur gestattet, auch ohne Mietzahlungen in der Wohnung zu verbleiben, sondern ihn auch durch Darlehen finanziell unterstützt. Des Weiteren zeugten auch das Bestehen einer Vertretungsvollmacht sowie die Wahrnehmung der Aufgaben eines Betreuers und der Pflegeperson durch S1 sowie der Eintrag des Klägers in dessen Patientenverfügung vom Willen, wechselseitig Verantwortung füreinander zu tragen,

Da eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II vorliege, habe der Beklagte zu Recht den Regelsatz für Partner berücksichtigt.

Ein Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II sei nicht nachgewiesen, da unklar sei, ob der Kläger unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens des S1 insoweit hilfebedürftig sei. Angaben über Einkommen und Vermögen des S1 seien nicht gemacht beziehungsweise entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt worden.

Gegen das Urteil des SG Freiburg hat der Kläger am 25.05.2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, er und S1 seien gute Freunde, aber keine Partner. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei zwischen ihnen die Zahlung einer Miete in Höhe von 200,00 € mündlich vereinbart worden. S1 unterhalte mit B1 eine inoffizielle Beziehung. Allein der Umstand, dass er und S1 die Räumlichkeiten in der Wohnung teils gemeinsam nutzten und er (jetzt) krankheitsbedingt von diesem auch bei der Haushaltsführung (gegen die Zahlung von Pflegegeld) unterstützt werde, reiche für die Annahme einer Partnerschaft nicht aus. Auch dass er in der Vergangenheit eine E-Mail-Adresse genutzt habe, die auch den Namen des S1 beinhalte, und beide zusammen in den Urlaub gefahren seien, reiche nicht für eine solche Annahme. Dass er und S1 in einem Zeitungsartikel als Partner bezeichnet worden seien, liege an einem Missverständnis des Zeitungsreporters. Er und S1 seien gute Freunde und als solche stünden sie in Not auch füreinander ein. Dies mache sie aber nicht zu Partnern. Er und S1 lebten (unterdessen) in der Wohnung in einer Art zusammen, wie es zum Beispiel auch bei Alters- oder Pflegewohngemeinschaften der Fall sei. Daraus ergebe sich auch keine Partnerschaft. Dass es in der Wohnung keine strikte räumliche Trennung gebe, sei nur bedingt zutreffend. Tatsächlich seien die Wohnbereiche, soweit möglich, untereinander aufgeteilt. Es sei zwar richtig, dass er und S1 in der Vergangenheit einmal jährlich zusammen Wanderurlaub gemacht hätten. Vornehmlich sei S1 aber auch ohne ihn verreist. Dass die sexuelle Beziehung, die S1 zu einem Dritten unterhalte, nicht ausreiche, um eine Partnerschaft zu widerlegen, sei unzutreffend.

Der Kläger hat das Schreiben des S1 vom 17.05.2023 vorgelegt, in dem dieser zu den Ausführungen im Außendienstbericht, wonach ein Bett mit zwei Kopfkissen vorgefunden worden seien, angegeben habe, dass es, da er manchmal zuhause geschlafen habe, vorgekommen sei, dass auch ein anderer Mann mit ihm übernachtet habe. Außerdem habe der Kläger den Kühlschrank allein benutzt, er habe noch einen Kühlschrank im Keller, zumal sie völlig verschiedene Ernährungsweisen hätten. Während seiner Anwesenheit habe er sich meistens wegen seiner Werkstatt im Keller aufgehalten. Da er an dem Tag des Besuchs des Außendienstes nicht anwesend gewesen sei, habe der Kläger auch nicht für ihn gekocht. Außerdem stünden im Schlafzimmer, in der Küche und im Keller von jeher Fernsehgeräte. Es gebe übrigens zwei Kleiderschränke im Schlafzimmer sowie getrennte Wäschekisten mit entsprechender Beschriftung. Außerdem habe er im Keller einen eigenen Computer mit Drucker und Telefonanschluss, zudem auch eine Amateurfunkanlage. Er benutze übrigens auch eine eigene auf D1 lautende E-Mail-Adresse, während der Kläger von jeher die E-Mail-Adresse T1 und neuerdings die Adresse T2 benutze. Dass der Zeitungsartikel in „S4“ nicht stimmen könne, ergebe sich schon daraus, dass der Kläger danach schon seit 1955 dort wohnen müsse, aber erst 1958 geboren sei. Sie seien ausdrücklich gebeten worden, für das Foto nebeneinander zu sitzen. Zur F3 habe er den Kläger nie begleitet. Richtig sei, dass dieser täglich mit einem Arbeitskollegen, W1, der in unmittelbarer Nachbarschaft wohne, die Arbeit aufgesucht habe. Er habe auf den Hund des Klägers namens „B3“ aufgepasst und ihn mittags bei seiner Arbeitsstelle gelegentlich mit dem Hund zum Mittagsgassi abgeholt. Da er im Jahr 2019 an Krebs erkrankt und dadurch häufiger zu Hause gewesen sei, habe er mit dem Kläger mündlich eine Halbierung der Miete auf 200,00 € ausgemacht. Derzeit bezahle er aufgrund der Kostenentwicklung 270,00 €. Die meisten Reisen habe er alleine durchgeführt. Ausnahmen seien gemeinsame Reisen nach B4, zum gemeinsamen Wandern, gewesen. Sie hätten sich Jahre zuvor beim Wandern kennengelernt. Dort hätten sie jeweils ein Ferienhaus mit zwei beziehungsweise drei Schlafzimmern gehabt. Der Kläger habe sich übrigens auch um eine eigene Wohnung bemüht, was bei dem Wohnungsmarkt in F1 sehr schwierig sei, nachdem das Arbeitsamt ihn aus seiner Wohnung in der S5-Straße „rausgeworfen“ habe. Da sie zu diesem Zeitpunkt noch enger befreundet gewesen seien, habe er ihm angeboten, zu sich zu ziehen, da er seine Wohnung nur selten genutzt habe. Da der Kläger durch seine Diabetes-Erkrankung und Amputationen stärker pflegebedürftig geworden sei, habe er sich dazu bereit erklärt, ihm als Pflegeperson zur Seite zu stehen. Dies tue er aus Freundschaft, nicht wegen einer Beziehung, die schon seit Jahren nicht mehr bestehe. Angaben zu seiner finanziellen Situation gegenüber dem Arbeitsamt habe er nie gemacht, da er der Meinung sei, dass dies das Arbeitsamt nichts angehe, da der Kläger für ihn keine „Beziehung“, sondern nur ein guter Freund sei und auch bleibe. Als Zeugen für ihr Freundschaftsverhältnis benenne er I1 und seinen langjährigen Freund und Reisegefährten B1.

Dem Schreiben des S1 sind die Jahre 2014 bis 2019 betreffende Reisebestätigungen und -rechnungen beigefügt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.04.2023 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 17.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2021 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2021 unter Zugrundelegung des Regelbedarfs für Alleinstehende sowie von Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 200,00 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des SG Freiburg Berücksichtigung gefunden hätten. Die von S1 vorgelegten Buchungsbestätigungen und Rechnungen für Ausflüge und Reisen beträfen ausnahmslos zeitlich vor dem streitgegenständlichen Zeitraum liegende Zeiträume. Abgesehen davon sei es nichts Ungewöhnliches, dass auch in Partnerschaften Ausflüge und Reisen nicht immer gemeinsam unternommen würden.

Der Senat hat die unter dem Aktenzeichen 425 Js 6567/21 geführten strafrechtlichen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F1 beigezogen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2024 den Kläger angehört sowie S1 als Zeugen gehört. Auf das Protokoll wird verwiesen.

Entscheidungsgründe


1. Die gemäß § 143 und § 144 SGG statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der Aufhebung des Urteils des SG Freiburg vom

27.04.2023 die Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 17.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2021 und die Verurteilung des Beklagten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2021 unter Zugrundelegung des Regelbedarfs für Arbeitsuchende für Alleinstehende statt für Partner sowie von Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 200,00 € zu gewähren. Dieses Klageziel verfolgt der Kläger mit einer zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 SGG.

2. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
für Arbeitsuchende.

2.1 Rechtsgrundlage für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

2.2 Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht.

Nach § 7a Satz 1 SGB II erreichen Personen, die vor dem 01.01.1947 geboren sind, die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Nach § 7a Satz 2 SGB II wird für Personen, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, die Altersgrenze angehoben, indem für den Geburtsjahrgang 1958 eine Anhebung um 12 Monate auf den Ablauf des Monats, in dem ein Lebensalter von 66 Jahren vollendet wird, erfolgt.

Im streitgegenständlichen Zeitraum hatte der am 14.06.1958 geborene Kläger das 15. Lebensjahr vollendet und das 66. Lebensjahr noch nicht erreicht.

2.3 Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum auch erwerbsfähig.

Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum hierzu nicht in der Lage gewesen sein soll, bietet der Sachverhalt nicht.

2.4 Die Höhe des Leistungsanspruchs war im streitgegenständlichen Zeitraum unter Zugrundelegung des
Regelbedarfs für Alleinstehende statt für Partner zu bestimmen.

2.4.1 Rechtsgrundlage für die Höhe des Regelbedarfs sind § 7 Abs. 3, Abs. 3a und § 9 SGB II in Verbindung mit § 19 SGB II in der Fassung bis zum 31.12.2022 (a. F.) und § 20 SGB II sowie § 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2020 und § 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft neben den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F. umfassen die Leistungen unter anderem den Regelbedarf. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II a. F. werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach § 19 Abs. 1 und 2 SGB II erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind.

Nach § 20 Abs. 1a Satz 1 SGB II wird der Regelbedarf in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 SGB XII in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und § 28a und § 40 SGB XII in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II wird als Regelbedarf bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist nach § 20 Abs. 4 SGB II als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

Nach § 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2020 gilt für das Jahr 2020 für die Regelbedarfsstufe 1 ein Betrag in Höhe von 432,00 € und für die Regelbedarfsstufe 2 ein Betrag in Höhe von 389,00 €. Nach § 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz gilt für das Jahr 2021 für die Regelbedarfsstufe 1 ein Betrag in Höhe von 446,00 € und für die Regelbedarfsstufe 2 ein Betrag in Höhe von 401,00 €.

2.4.2 Von § 20 Abs. 4 SGB II erfasst sind Partner in Bedarfsgemeinschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II. Diese Regelung ist auf den nach dem SGB II Leistungsberechtigten auch dann anwendbar, wenn dieser in einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft lebt, was der Fall ist, wenn ein Partner keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, etwa, weil er die Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II überschritten hat und/oder leistungsberechtigt nach dem SGB XII ist (Behrend/König in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, § 20, Stand: 03.01.2023, Rn. 125; Breitkreuz in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 72. Edition, Stand: 01.03.2024, § 20 Rn. 8; Hannes in beck-online.Großkommentar [Gagel], Stand: 01.02.2021, § 20 Rn. 120-125; Krauß in Hauck/Noftz SGB II, 2. Ergänzungslieferung 2024, § 20 Rn. 150; Lenze in Münder/Geiger, SGB II, 8. Auflage 2023, § 20 Rn. 43; Saitzek in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 6. Auflage 2024, § 20 Rn. 28-29).

2.4.3 Bei der Prüfung, ob es sich um Partner in Bedarfsgemeinschaften im Sinne des § 20 Abs. 4 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II handelt, gelten folgende Kriterien:

Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II normiert für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Bei den Kriterien zu 1. und 2. (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II. Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen, füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, haben müssen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle – die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts wegen ermittelt werden müssen – allerdings vermutet. Es obliegt dann dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen. § 7 Abs. 3a SGB II regelt mithin (nur) die subjektive Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und gibt mit den dort aufgezählten, nicht abschließenden Fallgestaltungen Indizien für eine gesetzliche Vermutung von Tatsachen vor, mit deren Hilfe auf den inneren Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, geschlossen werden kann (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 14; ebenso BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R, juris Rn. 25).

2.4.4 Unter Zugrundelegung dieser Kriterien handelt es sich vorliegend bei dem Kläger und S1 nicht um Partner in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 20 Abs. 4 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II.

a. Der Kläger und S1 sind schon nicht Partner im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II.

Mit dem Begriff der Partnerschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II ist eine Gemeinschaft gemeint, die nicht durch bloßes Zusammenleben begründet wird, sondern Ausschließlichkeitscharakter im Sinne einer Eheähnlichkeit aufweist und keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Die Beziehung muss auf eine gewisse Ausschließlichkeit (Treue) hin ausgerichtet sein. Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit (Urlaube, Hobbys) verbracht wird und die sich regelmäßig (zum Beispiel am Wochenende) auch in der Wohnung aufhalten, sprechen gegen die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, juris Rn. 92, wonach mit einer eheähnlichen Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft gemeint ist, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen; ebenso BVerfG, Beschluss vom 02.09.2004 – 1 BvR 1962/04, juris Rn. 6; so auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung in Bundestags-Drucksache 16/1410, Seite 19; siehe dazu auch BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 R, juris Rn. 39; LSG Hamburg, Urteil vom 11.07.2019 – L 4 AS 108/16, juris Rn. 32; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.06.2013 – L 7 AS 914/12, juris Rn. 37; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.02.2008 – L 7 B 294/07 AS, juris Rn. 8; Thüringisches LSG, Beschluss vom 20.02.2007 – L 7 AS 924/06 ER, juris Rn. 21; Baldschun in beck-online.Großkommentar [Gagel], Stand: 01.12.2021, § 7 Rn. 64, wonach die Eheähnlichkeit einer Gemeinschaft in ihrem monogamen Charakter zum Ausdruck komme; Becker in Luik/Harich, SGB II, 6. Auflage 2024, § 7 Rn. 116, wonach eine restriktive Auslegung auch deshalb geboten sei, weil anderenfalls die verfassungsrechtlichen Angriffe gegen die Bedürftigkeitsvermutung erheblich an Gewicht erhielten; Fasselt in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 3. Auflage 2023, § 7 Rn. 41; Geiger in Münder/Geiger/Lenze, SGB II, 8. Auflage 2023, § 7 Rn. 86; Knickrehm in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Auflage 2023, § 7 Rn. 33, 34; Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, § 7, Stand: 09.08.2023, Rn. 222; Mushoff in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 72. Edition, Stand: 01.03.2024, § 7 Rn. 82; Valgolio in Hauck/Noftz SGB II, 2. Ergänzungslieferung 2024, § 7 Rn. 196).

Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat beziehungsweise Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz bestehen (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 20).

Hingegen trifft es nicht zu, dass unter dem Rechtsbegriff „Partner“ zwei Personen bereits dann zu erfassen sind, wenn sie grundsätzlich heiraten könnten oder eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingehen könnten. Denn hierbei handelt es sich lediglich um ein Element einer möglichen Partnerschaft, deren Kern indes durch das Zusammenleben im Sinne eines „Zusammenseins“ beziehungsweise „Sich-zueinander-Bekennens“ von gewisser Dauer und Intensität, unter Einschluss der genannten Ausschließlichkeit, geprägt ist. Auf die positive Feststellung dieser für die Annahme einer Partnerschaft unverzichtbaren Elemente kann nicht unter bloßem Hinweis auf die rechtlich bestehende Möglichkeit einer Eheschließung verzichtet werden. Eine Partnerschaft zeichnet sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nämlich dadurch aus, dass sich ihre Mitglieder zueinander in dem Sinne bekennen, der jeweils andere sei „die Partnerin“ beziehungsweise „der Partner“ oder „die Freundin oder „der Freund“, man sei „zusammen“ oder lebe in einer Beziehung oder dergleichen mehr. Wesensimmanent ist das all diesen Bezeichnungen zu Grunde liegende Bekenntnis zueinander, wobei es freilich nicht entscheidend ist, was die Beteiligten Dritten oder gar Behörden gegenüber auf Nachfrage angeben, sondern wie ihr Verhältnis zueinander, im Sinne eines objektiven Tatbestandsmerkmals, tatsächlich ausgestaltet ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.05.2013 – L 13 AS 268/11, juris Rn. 30).

Zwar besteht im Falle des Klägers und S1 die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz.

Vorliegend sind aber im streitgegenständlichen Zeitraum die oben dargelegten Voraussetzungen einer Partnerschaft nicht gegeben.

Nach den Feststellungen des Senats, insbesondere unter Zugrundelegung der Aktenlage sowie in der mündlichen Verhandlung des Senats erfolgten glaubhaften Ausführungen des Klägers sowie des als Zeugen gehörten S1 haben sich der Kläger und S1 im Jahr 2012 kennengelernt, woraufhin der Kläger, da er die ehemals von ihm angemietete Wohnung aufgeben musste, aufgrund der am 24.08.2012 geschlossenen Mietvereinbarung frühestens im Jahr 2013, spätestens im Jahr 2014 in die Wohnung des S1 eingezogen ist und sodann eine monatliche Miete in Höhe von 400,00 € entrichtet hat. Zwischen beiden, die eigentlich beabsichtigt hatten, dass der Kläger nur so lange dort wohnen bleibt, bis er eine neue Wohnung gefunden haben würde, hatte sich zunächst eine Freundschaft und sodann ab circa Oktober 2012 eine frühestens im Frühjahr 2013, spätestens im Jahr 2015 beendete Beziehung entwickelt. Ab Ende 2013 hat sich S1, da häufig auf Reisen befindlich und teilweise bei Bekannten, bei B1 oder in seinem Auto übernachtend, im weiteren Verlauf nur sporadisch in dieser Wohnung aufgehalten. Das Mietverhältnis ist über die ursprünglich beabsichtigte kürzere Verweildauer des Klägers hinaus fortgeführt worden, da er zum einen keine andere passende beziehungsweise bezahlbare Wohnung gefunden hat und zum anderen sich im Sinne des S1 um die Wohnung samt Garten gekümmert hat.
Der Kläger und S1 haben zwar gemeinsame Wanderurlaube, allerdings die Nächte in getrennten Schlafzimmern verbringend, gemacht. Seit 2017/2018 führt S1 eine – auch sexuelle – Beziehung mit dem mit einer Frau verheirateten B1 dergestalt, dass sie öfter mal zusammen wegfahren und Kurzurlaube verbringen und darüber hinaus ab und zu gemeinsame Übernachtungen in der Wohnung des B1 erfolgen. Da B1 verheiratet ist, wird diese Beziehung allerdings geheim gehalten. Erst im Zuge seiner Krebserkrankung im November 2019 ist S1 wieder in seine Wohnung dauerhaft eingezogen, woraufhin der Kläger aufgrund einer mündlichen Vereinbarung nur noch eine monatliche Miete in Höhe von 200,00 € entrichtet und bis zu der vom Beklagten erfolgten Zahlungseinstellung monatliche Nebenkosten in Höhe von 70,00 € in bar entrichtet hat. Wegen der vom Beklagten erfolgten Zahlungseinstellung hat S1 das Mietverhältnis zum 31.12.2020 gekündigt, ohne dies allerdings vollzogen zu haben.

Mithin handelt es sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht um eine Partnerschaft zwischen dem Kläger und S1. Das von ihnen gewählte Lebensmodell hat sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht durch innere Bindungen, die ein gegenseitiges Einstehen füreinander begründen und über Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen, ausgezeichnet. Denn der Kläger und S1 sind lediglich von circa Oktober 2012 bis spätestens 2015 ein Paar gewesen und sind seither nur noch gute Freunde, die zwar seit November 2019 gemeinsam in der Wohnung des S1 wohnen, aber nicht füreinander einstehen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sie ihre finanziellen Angelegenheiten getrennt voneinander regeln. Dass S1 vom Kläger eine Bankvollmacht erteilt worden ist, ist lediglich dem Umstand geschuldet, dass für den Kläger aufgrund des fehlenden Kontakts zu seiner Schwester lediglich dieser dafür in Frage gekommen ist, für ihn in Zeiten der Krankheit Geldabhebungen und den Ausdruck von Kontoauszügen vorzunehmen. Dass beide ihre finanziellen Angelegenheiten gegenseitig voneinander getrennt halten, hat sich auch darin gezeigt, dass beide den Inhalt der Kontoauszüge des anderen nicht kennen und beispielsweise S1 von der nach Eintritt der vom Beklagten vorgenommenen Leistungseinstellung aufgetretenen prekären finanziellen Situation des Klägers keine Kenntnis gehabt hat. Auch ist das im streitgegenständlichen Zeitraum gewählte Lebensmodell nicht auf Dauer angelegt, was sich schon daraus ergibt, dass der Kläger eine andere Wohnung sucht und sogar aktuell eine solche für ihn besser erreichbare Erdgeschosswohnung in Aussicht hat. Ferner fehlt es an einer daneben keine vergleichbare Lebensgemeinschaft zulassenden Ausschließlichkeit der Beziehung im Sinne einer Eheähnlichkeit zwischen dem Kläger und S1, da S1 im streitgegenständlichen Zeitraum bereits eine Beziehung mit B1 geführt hat. Zwar handelt es sich bei der Beziehung zwischen S1 und B1 angesichts dessen, dass diese wegen der von B1 geführten Ehe geheim gehalten wird und beide nur öfter mal zusammen wegfahren und Kurzurlaube verbringen und darüber hinaus ab und zu gemeinsame Übernachtungen in der Wohnung des B1 erfolgen, ebenfalls um keine Partnerschaft im Sinne des Gesetzes. Dies ist aber auch nicht erforderlich, um eine Ausschließlichkeit der Beziehung zwischen dem Kläger und S1 zu verneinen. Es genügt schon, dass der eine Mitbewohner eine Beziehung mit einer anderen Person führt, die eine Beziehung mit dem anderen Bewohner nicht zulässt. Dies ist vorliegend der Fall. Denn – wie oben bereits dargelegt – sprechen Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit verbracht wird – wie vorliegend die gemeinsamen Kurzurlaube und Übernachtungen – gegen die Annahme einer eine Bedarfsgemeinschaft voraussetzenden Partnerschaft.

Mithin hat es sich zwischen dem Kläger und S1 im streitgegenständlichen Zeitraum schon nicht um Partner gehandelt.

b. Abgesehen davon, dass es sich beim Kläger und S1 schon nicht um Partner im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II gehandelt hat, haben sie auch nicht gemeinsam gewirtschaftet im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II.

Das „Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt“ im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II erfordert das Bestehen einer „Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“. § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II stellt damit auf zwei Elemente ab, nämlich das Zusammenleben und kumulativ das Wirtschaften aus einem Topf (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 21).

Unter „Zusammenleben“ in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes „Zusammenwohnen“, wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen. Andererseits ist es für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht ehelich verbundenen Partnern zwingend, dass sie in „einer Wohnung“ zusammenleben. Auch bei einer Ehe ist die häusliche Gemeinschaft zwar ein Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft; jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt (Ehewohnung) eine solche im Sinne des § 1353 BGB sein. Haben die Ehegatten bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen. Hier ist vielmehr regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten erforderlich, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt. Da es bei einer nichtehelichen Partnerschaft an der einzig durch die Eheschließung bereits nach außen dokumentierten Verbundenheit mangelt und dort diese nur dann verneint werden kann, wenn sie ausdrücklich nach außen hin dokumentiert wird, erfordert die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten beziehungsweise nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbundenen Partnern umgekehrt, dass deren Verbundenheit durch das Zusammenleben in einer Wohnung nach außen erkennbar wird (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 22).

Zusätzlich bedarf es zum zweiten des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen dabei über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und gegebenenfalls Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend insoweit ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts muss gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 23; ebenso BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R, juris Rn. 25).

Die Prüfung, ob die genannten Voraussetzungen zur Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft berechtigen, ist anhand von Indizien im Wege einer Gesamtwürdigung vorzunehmen (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 13; ebenso BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R, juris Rn. 26). Im Rahmen der Prüfung, unter welchen Voraussetzungen der Wille, füreinander Verantwortung zu tragen und einzustehen, widerleglich vermutet wird, ist für die entsprechende Anwendung familienrechtlicher Regelungen (zum Beispiel § 1567 BGB) kein Raum; insbesondere sehen die Regelungen in § 7 Abs. 3 und 3a SGB II nicht vor, dass Leistungsberechtigte, zwischen denen irgendwann eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden hat, einen „nach außen erkennbaren Trennungswillen“ dokumentieren müssten (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R, juris Rn. 30).


Indizien für das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft sind eine nicht unerhebliche Dauer des Zusammenlebens, eine besonders beengte Wohnsituation, ein gemeinsames Zusammenleben mit Kindern, eine Befugnis eines Partners, über Einkommen und Vermögen des anderen Partners zu verfügen (wie beispielsweise eine Kontovollmacht, gemeinsame Bankkonten, eine Bezugsberechtigung des jeweils anderen Partners in Lebensversicherungen, ein Abschluss von Versicherungen für den Partner sowie gemeinsame Kreditverbindlichkeiten), Verfügungsbefugnisse tatsächlicher Art (wie beispielsweise eine gemeinsame Nutzung einer Immobilie oder von Räumen, Möbeln beziehungsweise Haushaltsgegenständen, eine Einräumung von Nutzungsrechten an eigenen Gegenständen oder die Existenz einer gemeinsamen Haushaltskasse), eine nach außen erkennbare Intensität der partnerschaftlichen Beziehung (wie beispielsweise eine gemeinsamen Nutzung des Schlafzimmers oder eine gemeinsame Freizeitgestaltung etwa in Form von Urlaubsreisen oder Freizeitparkbesuchen), der Anlass des Zusammenziehens, gemeinsame Investitionen (beispielsweise eine Anmietung einer Wohnung, die ein Partner allein nicht bezahlen könnte, ein Umbau von Wohnraum für gemeinsame Zwecke oder eine Übernahme von Schulden eines Partners durch den anderen, eine Einbeziehung in eine Todesanzeige der Familie eines der Partner), die Umstände der Antragstellung (beispielsweise eine gemeinsame Antragstellung, ein Ankreuzen einer „Eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ im Antragsformular oder ein Auftreten als „Lebens(abschnitts)gefährte“), eine Pflege des Partners, eine gemeinsame Pflege und Versorgung eines Angehörigen des Partners sowie eine häufige und regelmäßige gegenseitige Unterstützung bei Einkäufen oder Arztbesuchen. Die genannten Indizien brauchen nicht sämtlich und auch nicht kumulativ vorzuliegen. Entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild. Leitbild bleibt das der nicht dauernd getrennten Ehegatten. Dabei ist davon auszugehen, dass in einer (funktionierenden) Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zunächst der Bedarf der Lebensgemeinschaft gedeckt wird und die Partner erst anschließend ihren eigenen Bedürfnissen nachkommen (zum Ganzen Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, § 7 [Stand: 19.03.2024] Rn. 227-234).

Nach den Feststellungen des Senats, insbesondere unter Zugrundelegung der Aktenlage sowie der in der mündlichen Verhandlung des Senats erfolgten glaubhaften Ausführungen des Klägers sowie des als Zeugen gehörten S1 bewohnen beide eine von S1 angemietete Wohnung, deren Möbel S1 gehören. Der Kläger schläft
im Wohnzimmer auf einer Schlafcouch. S1 schläft im Schlafzimmer in einem Bett. Beide kochen in der Regel jeweils für sich. Der Hauptaufenthaltsraum des Klägers ist tagsüber die Wohnküche, in der auch ein Fernsehapparat steht, und abends zusätzlich das Wohnzimmer, in dem sich neben zwei Kommoden, von denen eine teilweise von ihm benutzt wird, ein Buffet und ebenfalls ein Fernsehapparat befinden. Beide haben im Schlafzimmer zwei Kleiderschränke, in denen deren Kleidung getrennt voneinander in Plastikkisten aufbewahrt wird. S1 hält sich tagsüber im Wohnzimmer, in dem sich sein Computer und ein Fernsehapparat befinden, und ansonsten häufig im Keller, in dem sich seine Werkstatt, ein zusätzliches Telefon, ein Kühlschrank und sein zweiter Computer befinden, auf. In dem in der Küche befindlichen Kühlschrank werden die Lebensmittel der beiden getrennt voneinander aufbewahrt, während sich in dem im Keller befindlichen Kühlschrank nur Lebensmittel des S1 befinden. Während der Kläger zuvor für beide gewaschen hat, erhält der Kläger seit dem im November 2021 erlittenen Schlaganfall von S1 Hilfe beim Anziehen und Waschen und durch Großeinkäufe mit schweren Sachen. Die Einkäufe rechnen, sofern es sich nicht um von beiden gemeinsam konsumierte Getränke handelt, beide getrennt voneinander ab. Der Kläger und S1 verfügen nicht über ein gemeinsames Bankkonto. Der Kläger hat S1 2016 eine Bankvollmacht erteilt, anhand derer er auch im Auftrag des Klägers Geldabhebungen für diesen vornimmt. Seit dem Schlaganfall hat der Kläger S1 als seinen Betreuer eingesetzt. Ferner ist der Kläger in der Patientenverfügung des S1 eingetragen.

Für das das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft spricht vorliegend also nur, dass der Kläger und S1 seit dem Wieder-Einzug des S1 im Zuge dessen Krebserkrankung im November 2019, mithin also bereits über ein Jahr lang vor Beginn des vorliegend streitigen Zeitraums im Dezember 2020 in derselben Wohnung gelebt haben, es sich doch um eine sehr beengte Wohnsituation in der nur 44,28 Quadratmeter großen Zwei-Zimmer-Wohnung handelt und Räume sowie Möbel beziehungsweise Haushaltsgegenstände wie beispielsweise die Küche gemeinsam genutzt werden. Demgegenüber spricht der Umstand, dass S1 den Kläger pflegt, beim Anziehen und Waschen hilft und eine häufige und regelmäßige Unterstützung bei Einkäufen erfolgt, nicht für das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft, da diese Pflege und Unterstützung erst seit dem Schlaganfall des Klägers im November 2021 und damit erst im letzten Monat des hier streitgegenständlichen Zeitraums begonnen hat.

Gegen das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft spricht aber, dass der Kläger und S1 ihre finanziellen Verhältnisse getrennt voneinander halten. Sie haben keine Befugnis, über Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass sie die Kosten der Lebensmitteleinkäufe getrennt abrechnen, und hat sich – wie oben bereits dargelegt – auch darin gezeigt, dass beide den Inhalt der Kontoauszüge des anderen nicht kennen und beispielsweise S1 von der nach Eintritt der vom Beklagten vorgenommenen Leistungseinstellung aufgetretenen prekären finanziellen Situation des Klägers keine Kenntnis gehabt hat. Der Umstand, dass der Kläger S1 eine Bankvollmacht erteilt hat, ist lediglich der gesundheitlichen Situation des Klägers und dem Umstand geschuldet, dass aufgrund des fehlenden Kontakts zu seiner Schwester lediglich dieser dafür in Frage gekommen ist, für ihn in Zeiten der Krankheit Geldabhebungen und den Ausdruck von Kontoauszügen vorzunehmen. Diese Bankvollmacht wird tatsächlich aber nur dergestalt genutzt, dass S1 im Auftrag des Klägers Barabhebungen vollzieht und Kontoauszüge ausdrucken lässt, um diese dem Kläger zu übergeben. Aktenkundig sind weder gemeinsame Bankkonten, noch Bezugsberechtigungen für Lebensversicherungen des anderen, noch Abschlüsse von Versicherungen für den anderen, noch gemeinsame Kreditverbindlichkeiten. Auch hat eine nach außen erkennbare Intensität der Beziehung der beiden nicht vorgelegen. An einer gemeinsamen Nutzung des Schlafzimmers hat es gefehlt. An einer überwiegend gemeinsamen Nutzung der im in der Küche befindlichen Kühlschrank gekühlten Lebensmittel fehlt es, da beide unterschiedliche Essgewohnheiten haben. Zwar ist eine gemeinsame Freizeitgestaltung in Form von Urlaubsreisen erfolgt, dies allerdings dergestalt, dass beide in voneinander getrennten Zimmern übernachtet haben. Ferner ist Anlass des Zusammenziehens nicht die Begründung einer partnerschaftlichen Beziehung gewesen, sondern ist die Rückkehr in die von ihm angemietete Wohnung durch S1 krankheitsbedingt erfolgt. Gemeinsame Investitionen oder Schulden sind nicht aktenkundig. So hat beispielsweise S1 die Kosten für die Möblierung der Wohnung allein getragen. Ferner sprechen die Umstände der Antragstellung nicht für das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft, da der Kläger von Anfang an und durchgehend
unter dem Punkt „Weitere Personen im Haushalt“ jeweils keine Angaben gemacht hat.

All diese wenigen für und vielen gegen das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft sprechenden Indizien ergeben aus Sicht des Senats ein Gesamtbild, das nicht dem Leitbild von nicht dauernd getrennten Ehegatten entspricht. Es ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass der Kläger und S1 zunächst den gemeinsamen Bedarf gedeckt haben und erst anschließend ihren jeweils eigenen Bedürfnissen nachgekommen sind.

Der Senat sieht sich nicht dazu veranlasst, an den Angaben des Klägers und S1 zu zweifeln. Der am 04.09.2019 erfolgte anonyme Hinweis, beide seien Lebensgefährten und würden zusammenwohnen, führt zu keiner anderen Einschätzung, da nicht offengelegt worden ist, aufgrund welcher Tatsachen die den Hinweis gebende Person ihre Erkenntnisse gehabt hat. Ferner ist dem Senat auch nicht klar, wie diese Person den Begriff des „Lebensgefährten“ definiert hat. Aufgrund der Anonymität dieses Hinweises sind insoweit keine weiteren Ermittlungen möglich. Auch der vom Außendienst des Beklagten am 12.09.2019 durchgeführte Hausbesuch führt zu keiner anderen Einschätzung. Zum einen ist dem Außendienstbericht nicht zu entnehmen, ob sich im Wohnzimmer eine vom Kläger als Schlafstätte benutzte Couch befunden hat. Zum anderen könnte es sich durchaus bei der sich auf dem im Schlafzimmer befindlichen Doppelbett aufliegenden zweiten Bettwäschegarnitur um diejenige gehandelt haben, die der Kläger – nach den  von S1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemachten Angaben – abends vor dem Schlafengehen auf die Schlafcouch platziert. Des Weiteren lässt sich dem Außendienstbericht nicht entnehmen, ob die sich in dem im Schlafzimmer stehenden gemeinsamen Kleiderschrank befindliche Kleidung entsprechend den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch beschriftete Plastikboxen getrennt aufbewahrt worden ist. Was die Frage anbelangt, ob in dem in der Küche stehenden Kühlschrank eine Trennung der Nahrungsmittel vorgelegen hat, gibt der Senat zu bedenken, dass es dem Kläger und S1 aufgrund ihrer unterschiedlichen Essgewohnheiten auch ohne Beschriftung oder Trennung in unterschiedlichen Fächern klar gewesen sein dürfte, wem welche Nahrungsmittel zuzuordnen gewesen sind. Dass der Kläger möglicherweise an dem Tag des Außendienstbesuchs für S1 gekocht haben mag, genügt für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nicht. Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Vermerk vom 17.07.2020 über ein durch den Beklagten mit einem Mitarbeiter der F3 GmbH geführtes Gespräch. Ihm lässt sich nicht entnehmen, ob es sich bei der Person, die der Kläger 2015/2016 – und damit im Übrigen vor dem streitgegenständlichen Zeitraum – ständig zum Arbeitsplatz gebracht haben soll, um S1 gehandelt hat. Auch der Zeitungsartikel in „S4“ vom 23.08.2020 führt zu keiner anderen Einschätzung, da dieser Artikel ersichtlich teilweise falsche Angaben enthält. So wird in der Bildunterschrift unter einem Foto mit dem Kläger mit S1 angeben, beide lebten seit 1955 dort, was angesichts des erst 2013/2014 erfolgten Einzugs des Klägers nicht zutreffen kann. Schließlich führen die von der Stadt F1 unter dem 22.09.2020 übermittelten Abfallgebührenbescheide für die Jahre 2015 bis 2020 zu keinem anderen Ergebnis. Die Bezahlung der Abfallgebühren durch S1 für einen Zwei-Personen-Haushalt seit dem 01.04.2014 beweist nicht, dass beide seither im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft zusammengelebt haben.

Nach alledem haben der Kläger und S1 im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gemeinsam gewirtschaftet. Die Kosten des Haushalts sind nicht gemeinschaftlich durch beide bestritten worden.

Daher war bei der Bemessung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ein monatlicher Regelbedarf für Alleinstehende für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von 432,00 € und für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.11.2021 in Höhe von 446,00 € zu berücksichtigen.

2.5 Die Höhe des Leistungsanspruchs war im streitgegenständlichen Zeitraum ferner unter Zugrundelegung von zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 200,00 € zu bestimmen.

2.5.1 Rechtsgrundlage für die zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung ist § 19 SGB II a. F. in Verbindung mit § 22 SGB II in der Fassung bis zum 31.12.2022 (a. F.).

Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II a. F. umfassen die Leistungen unter anderem den Bedarf für
Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F. werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Der Grundsicherungsträger hat nur solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Tatsächliche Aufwendungen für eine Wohnung liegen allerdings nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Denn bei Nichtzahlung der Miete droht regelmäßig Kündigung und Räumung der Unterkunft. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (BSG, Urteil vom 07.05.2009 – B 14 AS 31/07 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R, juris Rn. 24; Luik in Luik/Harich, SGB II, 6. Auflage 2024, § 22 Rn. 55, 59; Luthe in Hauck/Noftz SGB II, 2. Ergänzungslieferung 2024, § 22 Rn. 54, 55; Piepenstock/Senger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, § 22, Stand: 06.02.2023, Rn. 71)

Ferner ist ein Bedarf nicht erst dann grundsicherungsrechtlich relevant, wenn er mindestens die Höhe der Aufwendungen eines Dritten, also eines Nichthilfebedürftigen in vergleichbarer Situation erreicht. Andere Mittel oder beispielsweise Hilfen von Angehörigen in Form verbilligter Wohnraumüberlassung sind im SGB II zur Bedarfssenkung und damit zumindest zur Minderung der Hilfebedürftigkeit einzusetzen. Grundsicherungsrechtlich ist es mithin sogar erwünscht, wenn der vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verbundenheit niedriger ist, als dieses in einem Mietverhältnis unter Fremden der Fall wäre. Die Aufwendungen für einen solchen niedrigeren Mietzins bleiben jedoch tatsächlicher Bedarf, der durch Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung zu decken ist. Erscheint der Mietzins im Fremdvergleich zu hoch, wird einem Missbrauch dadurch vorgebeugt, dass nach § 22 Abs. 1 SGB II a. F. nur angemessene Kosten zu übernehmen sind. Einzig der Gesichtspunkt des tatsächlichen Vollzugs des Vertragsinhalts, also insbesondere die Feststellung, ob die Absicht bestand oder besteht den vereinbarten Mietzins zu zahlen, spielt im Falle der Grundsicherung eine Rolle. Für die Frage, ob ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf besteht, weil tatsächliche Aufwendungen getätigt werden, bedarf es jedoch keines darüber hinaus gehenden Fremdvergleichs (BSG, Urteil vom 07.05.2009 – B 14 AS 31/07 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 03.03. 02009 – B 4 AS 37/08 R, juris Rn. 27).


2.5.2 Nach den Feststellungen des Senats, insbesondere unter Zugrundelegung der Aktenlage sowie in der mündlichen Verhandlung des Senats erfolgten glaubhaften Ausführungen des Klägers sowie des als Zeugen gehörten S1 hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum S1 eine monatliche Miete in Höhe von 200,00 € mietvertraglich geschuldet und diese in bar entrichtet. Die Pflicht, den Mietzins zu entrichten, folgt aus dem am 20.02.2014 zwischen dem Kläger und S1 geschlossenen Mietvertrag, mit dem eine Grundmiete in Höhe von 238,05 €, Betriebskosten in Höhe von 88,00 € und Gasvorauszahlungen für Heizung und Warmwasser in Höhe von 34,00 € vereinbart worden waren. Diese Vereinbarung ist, als S1 im November 2019 wieder dauerhaft in diese Wohnung eingezogen war, durch mündliche Vereinbarungen zwischen dem Kläger und S1 dahingehend modifiziert worden, dass der Kläger zunächst nur noch einen Mietzins in Höhe von 270,00 € und, nachdem eine Leistungseinstellung durch den Beklagten erfolgt war, nur noch in Höhe von 200,00 € zu entrichten gehabt hat. Den Mietzins hat der Kläger – zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum – entrichtet, in dem er S1 dazu bevollmächtigt hat, für ihn Geld von seinem Bankkonto abzuheben und hiervon 200,00 € monatlich einzubehalten. Damit ist der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen, sondern er hat den Vertragsinhalt auch tatsächlich vollzogen.

2.6 Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum auch hilfebedürftig.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt aus zu berücksichtigendem Einkommen im Sinne des § 11 SGB II oder Vermögen im Sinne des § 12 SGB II hat sichern können und/oder die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, hat erhalten können, bietet der Sachverhalt nicht. Insbesondere wäre etwaiges Einkommen und/oder Vermögen des S1 nicht zu berücksichtigen, da es sich bei dem Kläger und ihm nicht um Personen handelt, die im streitgegenständlichen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt haben.

2.7 Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum in der
H1-str. in F1 gewohnt und damit auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt.

3. Nach alledem war auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG Freiburg vom 27.04.2023 aufzuheben, der Bescheid des Beklagten vom 17.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2021 abzuändern und der Beklagte zu verurteilen, dem Kläger monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von 632,00 € und für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.11.2021 in Höhe von 646,00 € zu gewähren.


4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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