L 12 AL 1000/24 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AL 243/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1000/24 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.03.2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten



Gründe


Die nach § 173 SGG Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1.
Der Antragsteller hat die zunächst formunwirksam per nicht absenderbestätigter De-Mail eingelegte Beschwerde gegen den ihm am 14.03.2024 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) nochmals schriftlich per Briefpost am 04.04.2024 und damit formwirksam innerhalb der bis zum Montag, den 15.04.2024 laufenden Beschwerdefrist (§ 173 SGG) eingelegt.

Auch ist der beim SG gestellte Eilantrag nicht bereits unzulässig. Zwar hat der Antragsteller den Eilantrag am 24.01.2024 beim SG mit einer nicht absenderbestätigten De-Mail erhoben und auch in der Folgezeit ausschließlich mit nicht absenderbestätigten De-Mails mit dem SG kommuniziert, ohne dass dies vom SG beanstandet worden wäre. Allerdings hat der persönlich erschienene Antragsteller im Erörterungstermin vor dem SG am 07.03.2024 einen ausdrücklichen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über den 13.03.2024 hinaus zu Protokoll gegeben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt lag also ein formwirksamer Eilantrag vor.

2.
Der danach zulässige Eilantrag ist aber unbegründet.

Das SG hat die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend dargestellt, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt und von einer eigenen Darstellung absieht (§ 143 Abs. 2 Satz 3 SGG). Nach den dort dargestellten Maßstäben kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Überzeugung des Senats bereits deshalb nicht in Betracht, weil kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass ein vom Antragsteller geltend gemachter Anspruch auf Arbeitslosengeld über den 13.03.2024 hinaus wahrscheinlich ist. Denn der Arbeitslosengeldanspruch des Antragstellers war gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) durch Erfüllung zum 13.03.2024 erschöpft.




a)
Die Antragsgegnerin hat mit bestandskräftigen, allerdings nur vorläufigen Bescheiden (Bewilligungsbescheid vom 20.10.2022 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.02.2023 und des Änderungsbescheids vom 20.03.2023) vorläufig Arbeitslosengeld ab 14.09.2022 bis einschließlich 13.03.2024, d. h. für 540 Tage bewilligt. Wenngleich es sich hierbei nur um eine vorläufige Bewilligung handelt – wobei unklar bleibt, worauf zuletzt die Vorläufigkeit gestützt werden konnte – ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass diese vorläufige Entscheidung rechtmäßig ist und endgültig Bestand haben wird (§ 328 Abs. 2 SGB III).

(1)
Das SG hat mit zutreffenden Erwägungen dargelegt, dass beim Antragsteller zum 14.09.2022 sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nach §§ 137 Abs. 1, § 138 SGB III vorgelegen haben und er insbesondere beschäftigungslos war (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Der Senat macht sich die dortigen Ausführungen in vollem Umstand zu eigen und sieht von weiteren Darlegungen ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Mit dem Vorliegen der Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt ist das Stammrecht auf Arbeitslosengeld begründet worden. Insbesondere hat der Antragsteller keine Disposition über die Entstehung des Stammrechts nach § 137 Abs. 2 SGB III getroffen, indem er bspw. eine Bestimmung des Inhalts getroffen hätte, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen solle. Vielmehr hat er durchgehend deutlich gemacht, eine Bewilligung bzw. Auszahlung des Arbeitslosengelds zum schnellstmöglichen Zeitpunkt zu begehren, so z.B. in der Mail vom 25.09.2022 („Somit hat der Kläger, Arbeitnehmer in der Schwebe, weil Klage läuft und nun auch ArbeitslosenGeld-Antrag-Steller sofortigen Anspruch auf Arbeitslosen-Geld.--- Wovon soll er sonst sein Leben bestreiten ???“). Damit stand dem 1965 geborenen und damit am 14.09.2022 noch keine 58 Jahre alten Antragsteller ab diesem Tag Arbeitslosengeld für 540 Tage (18 Monate) zu (§ 147 Abs. 2 SGB III).


(2)
Auch ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht nach § 157 Abs. 1 SGB III. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Soweit der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld gemäß § 157 Abs. 3 Satz 1 SGB III aber auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Vorliegend steht dem Antragsteller im Falle eines ihm günstigen Ausgangs des Kündigungsstreitverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg zwar möglicherweise Annahmeverzugslohn für die Zeit ab 14.09.2022 zu. Nachdem der Antragsteller diesen (Annahmeverzugs-)Lohn aber tatsächlich nicht erhalten hat, weil das Bestehen des Anspruchs zwischen dem Antragsteller und seiner (ehemaligen) Arbeitgeberin noch nicht abschließend geklärt ist, war ihm im Wege der sogenannten Gleichwohlgewährung gemäß § 157 Abs. 3 Satz 1 SGB III Arbeitslosengeld entgegen § 157 Abs. 1 SGB III zu zahlen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gleichwohlgewährung nicht etwa um eine vorläufige Leistung an den Arbeitslosen handelt; die Zahlung von Arbeitslosengeld im Wege der Gleichwohlgewährung gemäß § 157 Abs. 3 Satz 1 SGB III bleibt auch dann rechtmäßig, wenn die zunächst nicht erhaltene Leistung nach Bewilligung des Arbeitslosengelds an den Arbeitslosen gezahlt wird (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 22.09.2022, B 11 AL 32/21 R, juris; Schmitz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., Stand: 15.01.2023, § 157 Rn. 22). Deshalb bleibt auch die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 147 SGB III von einer späteren „Rückabwicklung“ des im Rahmen der Gleichwohlgewährung gewährten Arbeitslosengelds unberührt (BSG, Urteil vom 11.12.2014, B 11 AL 2/14 R, juris, zur Rahmenfrist).

Dem Antragsteller stand damit ab dem 14.09.2022 bis einschließlich 13.03.2024 Arbeitslosengeld zu. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum durch die Antragsgegnerin ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig und bleibt dies auch für den Fall, dass der Antragsteller in seinem arbeitsgerichtlichen Verfahren obsiegen und rückwirkend Annahmeverzugslohn erlangen sollte. Die rechtmäßige Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum von 540 Tagen führt zum Erlöschen des in dieser Höhe bestehenden ursprünglichen Arbeitslosengeldanspruchs des Antragstellers (§ 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), weshalb ein darüber hinausgehender Arbeitslosengeldanspruch ausscheidet.

b)
Dies gilt auch im Hinblick auf § 148 Abs. 4 SGB III.

(1)
Zwar verweist das SG zu Recht darauf, dass nicht ausgeschlossen sei,
dass die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nachträglich wieder entfällt. Dies ist gemäß § 148 Abs. 4 SGB III unter anderem für Tage der Fall, für die der Bundesagentur das nach § 157 Abs. 3 SGB III geleistete Arbeitslosengeld einschließlich der darauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung erstattet oder ersetzt wurde. Eine solche Erstattung kommt in Betracht, wenn die bisherige Arbeitgeberin des Antragstellers nach einem Unterliegen im Kündigungsschutzklageverfahren gegen den Antragsteller und entsprechend des ihr von der Antragsgegnerin angezeigten Anspruchsübergangs dieser das nachzuzahlende Arbeitsentgelt einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge zahlt.


(2)
Eine solche Erstattung ist zwar möglich, aber nicht glaubhaft gemacht. Der Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ist für den Senat nicht absehbar. Die Verpflichtung der früheren Arbeitgeberin zur Nachzahlung von Annahmeverzugslohn hängt ausschließlich von der Beurteilung durch die zur Entscheidung berufenen Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit ab; eine inzidente arbeitsrechtliche Beurteilung durch den Senat ist für deren Entscheidung ohne Relevanz. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Vielzahl von arbeitsgerichtlichen Verfahren durch eine vergleichsweise Einigung endet. Darüber hinaus ist auch nicht absehbar, ob die Arbeitgeberin im Falle eines Unterliegens ihrer grundsätzlichen Verpflichtung zur Erstattung des nachzuzahlenden Annahmeverzugslohns nebst Sozialversicherungsbeiträgen an die Antragsgegnerin nachkommt. Daher ist ein nachträglicher Wegfall der Minderung des Arbeitslosengelds nach § 148 Abs. 4 SGB III zwar möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich und damit nicht glaubhaft gemacht.

c)
Dieses Ergebnis ist auch keinesfalls unbillig. Denn gerade durch die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gleichwohlgewährung nach § 157 Abs. 3 Satz 1 SGB III soll möglichen wirtschaftlichen Härten, die aus der (möglicherweise rechtswidrigen) Verweigerung des Arbeitslohns resultieren, begegnet werden.
Ohne Gleichwohlgewährung wäre die Entgeltersatzfunktion des Arbeitslosengelds und möglicherweise der Lebensunterhalt des Arbeitslosen nicht gewährleistet, weil dieser die ihm zustehende Leistung aus dem Arbeitsverhältnis nicht erhält. Darüber hinaus hat es der Arbeitslose in der Hand, durch den Antrag von Arbeitslosengeld bzw. dessen Unterlassen und durch die Bestimmung über den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch entstehen soll (§ 137 Abs. 2 SGB III) über die Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld zu verfügen.

d)
Das SG hat zwar zu Recht darauf verwiesen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller die Anwartschaftszeit nach den §§ 142, 143 SGB III erneut erfüllt, wenn die bisherige Arbeitgeberin dem Antragsteller in Folge einer ihr ungünstigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsbeiträge (nach-)zahlt. Denn aus einem während des Bezugs von Arbeitslosengeld gemäß § 157 Abs. 3 Satz 1 SGB III fortbestehenden Arbeitsverhältnis kann eine (neue) Anwartschaft auf Arbeitslosengeld entstehen (BSG, Urteil vom 11.06.1987, 7 RAr 16/86, juris). Der Antragsteller könnte somit aufgrund seines neuerlichen (während des Bezugs von Arbeitslosengeld vorgenommen) Antrags auf Arbeitslosengeld am 02.08.2023 mit Wirkung zum 01.11.2023 einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den hier streitgegenständlichen Zeitraum haben. Ein hieraus sich ergebender Anspruch auf Arbeitslosengeld über den 13.03.2024 hinaus ist aber aus den oben beschriebenen Gründen ebenfalls nur möglich, nicht aber wahrscheinlich. Er hängt in seiner Existenz von der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg bzw. im Hinblick auf die weitere ausgesprochene Kündigung der bisherigen Arbeitgeberin vom 30.03.2023 zunächst von derjenigen des Arbeitsgerichts Karlsruhe ab.

3.
Nach alledem bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Die Kostenregelung ergibt sich aus einer analogen Anwendung von § 193 SGG.

4.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).


 

Rechtskraft
Aus
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