L 7 VE 7/22 B ER

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 9 VE 9/22 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 7 VE 7/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Der Erfolg einer Behandlung mit einer hyperbaren Sauerstofftherapie nach einer Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ist bislang nicht nachgewiesen. Der Antragsteller ist auf mögliche Behandlungsalternativen zu verweisen.
2. Die Feststellung eines Impfschadens durch eine einstweilige Anordnung setzt die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung voraus. Insoweit genügt nicht der allgemeine Hinweis auf finanzielle Einbußen durch eine fortwährende Arbeitsunfähigkeit. Vielmehr ist die Einkommens- und Vermögenssituation substantiiert darzulegen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Nachfolgenden Antragsteller) macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung eines Impfschadens und die Versorgung mit einer hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) geltend.

Am 12. August 2021 beantragte der 1970 geborene Antragsteller (Rechtsanwalt und Angestellter einer Krankenkasse) die Feststellung eines Impfschadens wegen Impfungen am 29. April 2021 und am 10. Juni 2021 gegen Covid 19 (SARS-CoV-2-Impfung) mit dem Impfstoff der Firma B.. Er sei seit dem 11. Juni 2021 arbeitsunfähig erkrankt und leide seitdem an Kopfschmerzen, extremer Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Störungen von Konzentration und des Kurzzeitgedächtnisses sowie einer Hypästhesie im Bereich der linken Stirn und des linken Oberkiefers. Eine SARS-CoV-2 Infektion wurde beim Antragsteller nicht nachgewiesen.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Nachfolgenden Antragsgegner) veranlasste medizinische Ermittlungen. Nach dem Bericht der Fachärztin für Neurologie B. vom 9. November 2021 leidet der Antragsteller an chronischem Kopfschmerz. Dieser Kopfschmerz sei anders als der bei ihm bekannte Spannungskopfschmerz. Diesbezüglich habe der Antragsteller vor 10 Jahren an einer Reha-Maßnahme teilgenommen. Die Ärztin stellte fest, dass die beklagte Symptomatik aus neurologischer Sicht unklar sei. Eine co-analgetische Therapie mit Amitriptylin werde vom Antragsteller derzeit nicht gewünscht. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin H. teilte am 3. Februar 2022 mit, die ausführliche Diagnostik habe lediglich ein Schlafapnoe-Syndrom objektiviert. Mittlerweile resultiere aus der Symptomatik eine Anpassungsstörung. Mit Schreiben vom 21. Januar 2022 wandte sich die Ärztin H. an das Universitätsklinikum H. (UKH) und bat um die Terminierung einer HBO aufgrund einer fortbestehenden Fatigue-Symptomatik mit erheblichen Konzentrationsstörungen. Die Symptomatik sei mit der eines Long-Covid-Syndroms vergleichbar.

Außerdem zog der Antragsgegner eine Aufstellung über Arbeitsunfähigkeitszeiten bei. Danach erfolgten seit September 2011 jeweils wiederholt Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer Zervikalneuralgie, Kopfschmerzen, eines Zervikobrachialsyndroms sowie einer Sensibilitätsstörung der Haut.

Am 22. Februar 2022 teilte der Antragsteller mit, er leide nunmehr auch verstärkt an zeitweisen Sehstörungen und einer leichten Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.

In einer Sozialmedizinischen Versorgungsbegutachtung nach Aktenlage führte Dr. P. am 28. März 2022 aus, es sei von einem zufälligen zeitlichen Zusammentreffen von kausal unabhängigen Begebenheiten auszugehen. Die Anerkennung eines Impfschadens sei nicht zu befürworten.

Mit Schreiben vom 31. März 2022 beantragte der Antragsteller die Übernahme der Kosten für die HBO und übersandte ein Schreiben des UKH vom 17. März 2022 an die AOK. Danach sei die Indikation für diese Behandlung gestellt worden. Obwohl die Datenlage noch begrenzt sei, gebe es erfolgversprechende Studien, die eine HBO insbesondere bei einer Fatigue empfehlen würden. Der Kostenvoranschlag betrug 7.667,32 Euro.

Mit Bescheid vom 6. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juni 2022 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen eines Impfschadens ab und führte aus: Es könne nicht festgestellt werden, dass die Impfungen ursächlich für die beim Antragsteller vorliegenden Gesundheitsstörungen seien. Bei fehlendem Anspruch auf Anerkennung eines Impfschadens seien Ausführungen bezüglich der beantragten Kostenübernahme für die HBO als Leistung der Heil- und Krankenbehandlung in Anlehnung an die Vorschrift des § 11 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlässlich.

Der Antragsteller hat am 7. Juni 2022 beim Sozialgericht (SG) Halle im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen als Impfschaden sowie die vorläufige Kostenübernahme einer HBO begehrt und am 16. Juni 2020 dort Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe dieselben Symptome wie Menschen, welche nach einer Corona-Infektion an einem Long-Covid-Syndrom litten. Ihm sei das Abwarten auf die Hauptsache nicht möglich, da er nur noch Krankengeld erhalte und schon erhebliche finanzielle Verluste erlitten habe. Die Krankenkasse habe die Kostenübernahme abgelehnt, da die Therapie zur Behandlung der vorliegenden Beschwerden nicht zugelassen sei. Auch nach seiner eigenen Einschätzung handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche Krankheit. Da er zur Impfung ausdrücklich aufgefordert worden sei, obwohl nur eine begrenzte Datenlage zur Verfügung gestanden habe, sei hier aber von einer Ausnahmesituation auszugehen, die seinen Antrag rechtfertige.

Mit Beschluss von 27. Juli 2022 hat das SG den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolge die Versorgung bei Vorliegen eines Impfschadens hinsichtlich der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) könne die Heilbehandlung nur im Umfang der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfolgen. Unabhängig vom Vorliegen eines Impfschadens unterfalle die Behandlung mittels HBO nicht der Leistungspflicht des Antragsgegners. Der Bundesausschuss Krankenhaus habe die HBO-Wirkung bei den Indikationen Tauchunfall, Gasembolie, Kohlenmonoxidvergiftung, Neuroblastom Stadium IV und Diabetischer Fuß Wagner III und IV als wissenschaftlich abgesichert angesehen. Zu diesen Indikationen für eine stationäre Behandlung gehörten nicht die vom Antragsteller geltend gemachten Impfschäden. Durch Beschluss vom 11. April 2000 (zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“ des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen für die Beratungen der Jahre 1999 und 2000 zur Bewertung der HBO gemäß § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V]) sei die ambulante HBO ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen und unterfalle grundsätzlich nicht der Leistungspflicht der GKV und damit des Antragsgegners. Es werde auch auf die vom Antragsteller übersandten Bescheide und Stellungnahmen des MDK zur Kostenübernahme durch die GKV ergänzend Bezug genommen. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen der sogenannten „Nikolaus“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 vor, da es sich hier nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung nach aktuellem Kenntnisstand handele. Ein Härteausgleich nach § 89 BVG entsprechend oder analog komme auch nicht in Betracht. Es gebe aktuell keinerlei Studien, die dafürsprächen, in der HBO eine notwendige Behandlung zu sehen. Es fänden sich keine Hinweise, die das sogenannte „Post-Vac-Syndrom“ als Folge einer Impfung in Betracht zögen. Darüber hinaus bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Impfschadens beim Antragsteller. Zum jetzigen Zeitpunkt deute sich zwar an, dass es ein sogenanntes „Post-Vac-Syndrom“ gebe, das auch die vom Antragsteller geltend gemachten Symptome teilweise umfasse. Jedoch gebe es keinerlei Studien, die einen Zusammenhang zur Impfung wissenschaftlich fundierten. Zudem bestehe auch kein Anordnungsgrund für eine isolierte Feststellung eines Impfschadens ohne Leistungsanspruch. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei für diese Feststellung nicht zu erkennen. Aus diesem Grund scheide auch die Feststellung eines Anspruchs im Wege der Kannversorgung nach § 61 IfSG aus.

Der Antragsteller hat am 29. Juli 2022 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er gehe davon aus, dass bei ihm ein Impfschaden vorliege. Insbesondere ergebe sich aus einer Studie der Universität T. A. der Nutzen bzw. Erfolg einer HBO bei der Behandlung des Post-Covid-Syndroms. Damit liege eine Studie vor, nach welcher die HBO eine notwendige und wirksame Behandlung sei, insbesondere nachdem die weiteren Behandlungsoptionen bereits erfolglos ausgeschöpft worden seien. Es bestehe Eilbedürftigkeit für die Feststellung eines Impfschadens, da bei Vorliegen eines Impfschadens der Antragsgegner auch Leistungen zur Unterhaltssicherung zu erbringen und den Einkommensverlust aufgrund der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit auszugleichen habe. Mit Schreiben vom 31. Januar 2023 hat der Antragsteller mitgeteilt, er habe sich nach dem Erreichen der Höchstbezugsdauer des Krankengeldes arbeitslos gemeldet. Nach dem von ihm übersandten Bescheid vom 11. Januar 2023 hat die Bundesagentur für Arbeit ihm Arbeitslosengeld nach § 145 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch bis zur Feststellung der Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 27. Juli 2022 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, einen Impfschaden aufgrund der Impfungen gegen Covid 19 mit dem Impfstoff der Firma B. festzustellen und die Kostenübernahme für eine HBO zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf seinen Bescheid, die erstinstanzliche Entscheidung und ergänzend auf die Stellungnahme seiner Leitenden Ärztin Dr. S1 vom 20. September 2022. Danach verifiziere keine der aktenkundig verfügbaren medizinischen Befundunterlagen einen Impfschaden. Nur weil ein Impfschaden nicht auszuschließen sei, ergebe sich nicht die im sozialen Entschädigungsrecht geforderte kausale Wahrscheinlichkeit. Eine Kannversorgung scheide aus, da die diffusen Beschwerden durch die gesicherten Diagnosen Spannungskopfschmerz und Schlafapnoe-Syndrom zu erklären seien. Die Diagnosen seien von eigenständiger, impfunabhängiger Natur und zählten auch nicht zu jenen Krankheitsbildern, welche die Zugangsvoraussetzung zur Kannversorgung eröffneten. Im Übrigen zeugten die Beharrlichkeit des entschlossenen Auftretens und die gekonnte, in jedweder Form geschliffene Methodik des Vorbringens einschließlich der Schriftsatzführung des Antragstellers weder von Müdigkeit/Abgeschlagenheit noch von Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

Der Senat hat die Krankenversicherungsakte des Antragstellers beigezogen. Danach war der Antrag auf Kostenübernahme für eine HBO mit Widerspruchsbescheid der AOK vom 28. September 2022 bestandskräftig abgelehnt worden. Nach dem Bescheid liege keine Indikation für die Gewährung einer HBO vor. Nach dem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. N. vom 29. Juni 2022 sei von den Diagnosen Hypästhesie im Bereich des Gesichtes und Fatigue-Symptomatik mit Kopfschmerz nach COVID-RNA-Impfung auszugehen. Aus den beschriebenen Symptomen könne keine Lebensbedrohlichkeit abgeleitet werden. Auch eine akute notstandsähnliche Situation könne derzeit nicht bestätigt werden. Im Vergleich zu den empfohlenen interdisziplinären Abklärungen und ganzheitlichen Betreuungen durch eine auf Covid-Langzeitsyndrome spezialisierte Einrichtung existiere für die angestrebte HBO bislang kein überzeugender rationaler medizinisch/pathophysiologischer Hintergrund. Ein solcher werde auch nicht durch den vorgelegten Fachartikel (Robbins et. al. 2021) bewiesen, auch wenn die Studie Ausgangspunkt für weitere Forschungen in dieser Richtung sein sollte. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass hier eine interdisziplinäre Diagnostik und Beratung noch nicht erfolgt seien. Auf eine erweiterte, in den Leitlinien für die Abklärung von Patienten mit schwerem „Long-Covid“ oder „Post-Covid-Syndrom“ empfohlene psychologische und psychiatrische Diagnostik fänden sich in den vorgelegten Arztberichten keine Hinweise. Der Antragsteller sei aus gutachterlicher Sicht nicht alternativlos. Vielmehr sei er auf spezialisierte und interdisziplinäre Versorgungsangebote in geeigneten Einrichtungen zu verweisen.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Antragstellers eingeholt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin H. hat am 8. Dezember 2022 mitgeteilt, dass seit Beginn der Symptomatik keine wesentliche Änderung zu verzeichnen sei. Es sei eine umfassende internistische und neurologische Diagnostik sowohl stationär als auch ambulant erfolgt. Pathologische Befunde seien nicht objektivierbar. Der Antragsteller leide weiterhin an einem Taubheitsgefühl der linken oberen Gesichtshälfte, Kopfdruck und Leistungsminderung, Fatigue und Konzentrationsstörungen. Lediglich gering erhöhte Blutdruckwerte sowie ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (Schlafmaskenversorgung sei erfolgt) hätten festgestellt werden können.

Mit Befundbericht vom 27. Januar 2023 hat die Oberärztin S2 (UKH) ausgeführt, der Antragsteller habe medizinische Unterlagen zugesandt und um einen Kostenvoranschlag für die Krankenkasse im Hinblick auf die HBO gebeten. Die körperliche Untersuchung und Aufklärung vor der Therapie seien noch nicht erfolgt. Die Diagnosestellung Long-Covid-Symptomkomplex mit ständiger Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Störungen von Konzentration, Kurzzeitgedächtnis und Denken habe dazu geführt, dass dem Antragsteller eine HBO als individueller Heilversuch angeboten worden sei. Es gebe keine entsprechenden Studien, die die Wirksamkeit der HBO nach der Impfung nachgewiesen hätten. Für den Erfolg einer HBO-Behandlung bei Long-Covid-Erkrankung nach Infektion mit Covid 19 gebe es allerdings vielversprechende wissenschaftliche Arbeiten.

Der Antragsteller hat dazu vorgetragen, dass die israelische Studie auch im Schreiben des UKH vom 27. Januar 2023 zitiert werde. Aufgrund der Gleichartigkeit der Symptome sei eine Behandlung analog dem Long-Covid-Syndrom empfohlen worden, u.a. auch im Gutachten für die Krankenversicherung. Daher sei von einer Wirksamkeit der HBO auch in seinem Fall auszugehen. Mit Schreiben vom 13. März 2023 hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass auch das Bundesgesundheitsministerium davon ausgehe, dass es Impfschäden nach einer Covid-Impfung gebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 27. Juli 2022 hat keinen Erfolg.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsanspruchs (also eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) als auch eines Anordnungsgrunds (also der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 16b).

Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa, weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte –, kann eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung ergehen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. März 2019 – 1 BvR 169/19 – Rn. 15 m.w.N., juris).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Das SG hat zutreffend den Antrag abgelehnt. Insoweit wird zur Begründung zunächst auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen und sich dieser vom Senat zu Eigen gemacht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist auszuführen:

I.

Für die Gewährung der HBO im Wege des Erlasses einer entsprechenden einstweiligen Anordnung fehlt es am Anordnungsanspruch, selbst wenn ein Impfschaden tatsächlich vorläge. Der Umfang der ambulanten ärztlichen Heilbehandlung aufgrund einer gesundheitlichen Schädigung nach einer Prophylaxe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 richtet sich nach § 60 Abs. 1 Nr. 1a IfSG i.V.m. § 11 Abs. 1 BVG. Der Antragsgegner hat die Leistungen zu gewähren, die Krankenkassen ihren Mitgliedern zu erbringen haben (§ 11 Abs. 1 Satz BVG). Danach muss eine Behandlung notwendig sein, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Soweit der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz die Bewilligung der HBO begehrt, ist zwar die hohe Bedeutung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit zu beachten. Nach dem aufgezeigten Maßstab ist die HBO aber keine Therapie, die für die Behandlung der Krankheiten des Antragstellers notwendig ist. Nach den Berichten des UKH, auch dem aktuellen vom 27. Januar 2023, gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die die Wirksamkeit einer HBO nach einer Sars-Cov-2-Impfung nachgewiesen haben. Auch die vom Antragsteller vorlegte Studie aus Israel weist dies nicht nach. Das hat Oberärztin S2 nochmals ausdrücklich bestätigt. Sie hat eingeschätzt, dass es „vielversprechende wissenschaftliche Arbeiten“ für den Erfolg einer Behandlung nach einer Infektion mit Covid 19 gebe hyperbaren Sauerstofftherapie, sodass der Hinweis des Antragstellers auf die vergleichbare Symptomatik nicht durchgreift.

Zudem hat durch das UKH die körperliche Untersuchung und Aufklärung des Antragstellers noch nicht stattgefunden, sodass überhaupt nicht feststeht, ob die HBO für ihn tatsächlich geeignet wäre. Lediglich der fremddiagnostizierte Long-Covid-Symptomkomplex im April und Juni 2021 hat zur Empfehlung der HBO geführt (Bericht des UKH vom 27. Januar 2023).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Zwar hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin H. mit Befundbericht vom 5. Dezember 2022 über eine fortbestehende Symptomatik berichtet und Ergebnisse aus der internistischen und neurologischen Diagnostik vorgelegt. Fachärztliche Behandlungen sind aber seit März 2022 nicht mehr aktenkundig. Zwar sind einige Behandlungen erfolgt (Kopfschmerzambulanz, Veränderung der medikamentösen Therapie, Therapie bei obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom). Die von Dr. N. angeführte psychologische und psychiatrische Abklärung, die nach den Leitlinien vorgesehen ist, hat der Antragsteller aber bislang nicht in Anspruch genommen. Dass eine solche auch beim Antragssteller vorrangig ist, wird deutlich, weil die Ärztin H. am 3. Februar 2022 eine Anpassungsstörung, also ein psychiatrisches Krankheitsbild diagnostiziert hat. Auch die Fachärztin für Neurologie B. hat eine Therapie mit Amitriptylin - also Antidepressiva - vorgeschlagen, die der Antragsteller bislang abgelehnt hat. Offensichtlich hat diese Ärztin auch in Erwägung gezogen, dass eine psychische Krankheit vorliegt. Darüber hinaus stehen Reha-Maßnahmen sowie die Behandlung in einer Einrichtung, die auf das „Post-Vac-Syndrom“ spezialisiert ist, als Behandlungsalternativen noch zur Verfügung.

II.

Für den Erfolg des Antrags auf Feststellung eines Impfschadens fehlt es am Anordnungsgrund, d. h. an der besonderen Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung. Eine solche hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Soll durch die begehrte Entscheidung der Ausgang des Hauptsacheverfahrens vorweggenommen werden, müssen besondere Gründe vorliegen, die eine solche Anordnung gebieten. Denn das vorläufige Rechtsschutzverfahren dient nicht dazu, unter Abkürzung des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens die geltend gemachte materielle Rechtsposition vorab zu realisieren (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. März 2013 – L 13 VE 43/12 B ER –, Rn. 4, juris). Vielmehr müssen schwere und möglicherweise irreparable Nachteile für die Lebensführung des Antragstellers entstehen. Insoweit ist die Einkommens- und Vermögenssituation substantiiert und plausibel darzulegen (Burkiczak, in: jurisPK-SGG, § 86b Rn. 419). Der Antragsteller hat das nicht getan, sondern ganz allgemein finanzielle Einbußen geltend gemacht. Er bezieht nach dem Krankengeld nunmehr Arbeitslosengeld, sodass schwere und möglicherweise irreparable Nachteile für seine Lebensführung nicht erkennbar sind, zumal seine Vermögensverhältnisse völlig unklar sind.

Darüber hinaus erscheint auch der Anordnungsanspruch zweifelhaft, da zuletzt Oberärztin S2 am 23. Januar 2023 mitgeteilt hat, dass es derzeit keinen Nachweis einer Long-Covid-Erkrankung nach Impfung gebe. Die weitere Sachaufklärung, insbesondere auch im Hinblick auf Alternativursachen, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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