I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.546,00 € Kindergeld für C. für den Zeitraum 01.10.2017 bis 31.05.2018 zu erstatten.
II. Die Beklagte trägt 75 % der Kosten des Verfahrens.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.124,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Erstattung von Kindergeld, zuletzt nur noch für den Zeitraum 01.10.2017 bis 31.05.2018 iHv 1.546,00 € für H. C. (geb.xx.xx.xxxx).
Die Klägerin ist eine Kommune. Sie leistete für den vormals minderjährigen afghanischen Flüchtling, nunmehr Jugendlichen C. (im Folgenden Z.M., geboren xx.xx.xxxx) im streitigen Zeitraum Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in Verbindung mit § 34 SGB VIII von über 3.000,00 € monatlich. Der junge Flüchtling lebte in diesem Zeitraum in einer Wohngemeinschaft für Flüchtlingskinder und erhielt über die Klägerin die Unterkunft sowie ein Taschengeld und Fahrtkosten gezahlt.
Am 15.08.2017 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und begehrte die Erstattung in Höhe des Kindergeldes nach § 104 SGB X. Sofern noch kein Kindergeld vom berechtigten Jugendlichen Z.M. beantragt worden sei, werde um Übersendung der Antragsformulare gebeten. Z.M. sei Afghane und Halbwaise, der Vater sei verstorben, zur Mutter bestehe kein Kontakt. Die Beklagte forderte im Oktober 2017 noch anspruchsbegründende Unterlagen vom kindergeldberechtigten Z.M. an. In der Folgezeit fragte die Klägerin mehrfach bei der Beklagten nach dem Sachstand nach. Am 11.10.2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Erstattungsersuchen nicht stattgegeben werden könne, weil ein Kostenfestsetzungsbescheid gegenüber dem Kindergeldberechtigten Z.M. fehle. Die Klägerin übersandte der Beklagten den Kostenfestsetzungsbescheid vom 11.06.2018, mit welchem Z.M. verpflichtet worden ist, einen Kostenbeitrag in Form seines Kindergeldes zu leisten. Am 03.12.2018 gewährte die Beklagte Z.M. Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz für den Zeitraum Oktober 2017 bis Juli 2018 in Höhe von 192,00 € monatlich. Ein Betrag in Höhe von 1.576,00 € wurde an Z.M. ausbezahlt, für den Monat Juni 2018 erfolgte keine Auszahlung, weil der Anspruch aufgrund der Zahlungen der Klägerin als erfüllt angesehen werde, für den Monat Juli bestehe ein Erstattungsanspruch des Jobcenters N., von welchem Z.M. seit Juli 2018 Leistungen bezieht.
Am 31.01.2019 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, Kindergeld ab 01.08.2017 bis 30.06.2018 in Höhe von 2.124,00 € zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, dass sie Z.M. im streitigen Zeitraum über die vollstationäre Jugendhilfe den gesamten Unterhalt sichergestellt habe. Ein Erstattungsanspruch sei gegeben, da die vollstationäre Jugendhilfe und Kindergeld, welches nach § 1 Abs. 2 BKGG an Voll- bzw. Halbwaisen gezahlt werde, zweckgleich seien. Beides diene dem Zweck der Deckung des Lebensunterhalts des Berechtigten. In diesem Fall sei das Kindergeld eine reine Sozialleistung. Bei anderen Sozialleistungen für Jugendliche wie BAB, Waisenrente etc. sei die Zweckgleichheit unstrittig. Es bestehe bei Zweckgleichheit ausdrücklich die Möglichkeit, beim zuständigen Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X anzumelden. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihr das Kindergeld im streitigen Zeitraum zu erstatten.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass kein Erstattungsanspruch besteht. § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII bestimme ausdrücklich, dass Kindergeld nicht als Einkommen bei dem Jugendlichen zu berücksichtigen sei. Auch könne der Jugendliche nicht nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII herangezogen werden, da diese Vorschrift nur die Erhebung eines Beitrags von den Eltern regele. Hierauf erwiderte die Klägerin, dass aus ihrer Sicht das Kindergeld an Vollwaise zur Deckung des Lebensunterhalts gewährt werde. Daher könne es auch nicht anders behandelt werden als andere Sozialleistungen wie z.B. eine Waisenrente etc.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, Kindegeld für C. an die Klägerin für den Zeitraum ab 01.10.2017 bis 31.05.2018 in Höhe von 1.546,00 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage zum örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg ist zulässig. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft, da ein Rechtsanspruch auf die Erstattung geltend gemacht wird und ein Verwaltungsakt vorab nicht zu ergehen braucht. Zwischen den Beteiligten besteht kein Über- und Unterordnungsverhältnis, d.h., dass bei den gleichrangigen Beteiligten eine Leistung nicht durch einen Verwaltungsakt einseitig festgesetzt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 01.04.1993, 1 RK 10/92 m. w. N.).
Die Klage ist auch begründet, der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 104 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB X. Danach ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Versicherte vorrangig einen Anspruch hatte, soweit ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 SGB X vorliegen und der vorrangig zuständige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Trägers Kenntnis erlang hat.
Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB X sind erfüllt. Bei rechtzeitiger Kindergeldbewilligung hätte Z.M. das Kindergeld entsprechend § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII zur Sicherung seines Unterhalts einsetzten müssen mit der Folge, dass die Klägerin weniger Leistungen der vollstationären Jugendhilfe gewähren hätte müssen. Die Klägerin war damit nachrangiger Leistungsträger. Auch ein Fall des § 103 SGB X lag nicht vor. Die Beklagte hat das für den streitigen Zeitraum bewilligte Kindergeld zwar an den Berechtigten ausgezahlt, jedoch nicht mit befreiender Wirkung, da die Beklagte vor der Auszahlung an den Jugendlichen Kenntnis von dem Erstattungsbegehren der Klägerin hatte. Die Höhe der geltend gemachten Forderung ist nicht zu beanstanden, insoweit wurden von der Beklagten auch keine Einwände erhoben.
1. Gemäß § 104 Abs. 1 SGB X ist ein Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.
a)
Nach § 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X besteht auch dann ein Erstattungsanspruch gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge oder der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag festgesetzt werden kann. Gesetzeszweck des § 104 Abs. 4 Satz 4 SGB X ist der Ausdruck eines Nachrangs dieser grundsätzlich bedürftigkeitsgeprüften Leistungssysteme (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 104 SGB X, Rn. 44). Dem Jugendlichen sind von der Klägerin Leistungen nach § 41 SGB VIII gewährt worden. Gem. § 92 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sind junge Volljährige zu den entstehenden Kosten heranzuziehen. Einzusetzen ist zunächst das Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII (von Koppenfels-Spies in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 41 SGB VIII, Rn. 32).
aa)
Nach Ansicht der Kammer wäre das Kindergeld für Vollwaisen nach dem BKGG von dem Jugendlichen gem. § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII vorrangig zur Unterhaltssicherung einzusetzen gewesen. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII zählen Geldleistungen, die dem gleichen Zwecke wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, nicht zum Einkommen und sind unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen. Eine Doppelverwendung staatlicher Mittel für denselben Zweck soll dadurch vermieden werden (Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 93 Rn. 11). Die Prüfung der Zweckidentität muss jeweils bezogen auf die konkrete Maßnahme der Jugendhilfe ermittelt werden (BVerwG, U.v.22.12.1998 - 5 C 25/97 - juris Rn. 18).
Die Z.M. konkret geleistete Hilfe erfolgte gem. § 41 iVm § 34 SGB VIII als stationäre Jugendhilfe in der Form der Heimerziehung. Ziel der Heimerziehung war es, die Verselbständigung in allen Lebensbereichen zu erreichen, eine Stabilisierung im persönlichen Bereich, Hilfe in lebenspraktischen Bereichen etc. Daneben wird auch der notwendige Lebensunterhalt sichergestellt (§§ 34, 39, 40 SGB VIII).
Der Zweck des sozialrechtlichen Kindergeldes beschränkt sich bei Vollwaisen auf die Unterhaltssicherung (vgl. VG München, Urteil vom 16. Januar 2019 - M 18 K 17.3303 -, Rn. 22 - 39, juris). Da diese im vorliegenden Fall bereits durch die von der Beklagten gewährleistete Heimunterbringung gewährt wird, liegt Zweckidentität zwischen der jugendhilferechtlichen Leistung und der Kindergeldleistung vor.
Das Kindergeld ist seit seiner Einführung dazu bestimmt, die wirtschaftliche Belastung, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht, teilweise auszugleichen (so bereits BVerf-GE 11, 105,115; BSG Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R mwN). Mit der Einführung eines Kindergeldes für ein alleinstehendes Kind selbst (§ 1 Abs. 2 BKGG) ab 1.1.1986 wollte der Gesetzgeber aus sozialen Erwägungen für alleinstehende Kinder eine neue eigenständige (Sozial-)Leistung einführen, weil diese keine kindergeldberechtigten Bezugspersonen (im vorgenannten Sinne) haben (vgl. BT-Drucks 10/2563 S 3 f; BT-Drucks 10/3369 S 11; BT-Drucks 13/1558 S 16). Es handelt sich demnach um eine allein im BKGG enthaltene Sonderregelung, die abweichend vom dem Grundsatz, dass (sozialrechtliches und steuerrechtliches) Kindergeld nur Eltern oder elternähnlichen Personen gewährt wird, die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben, eine Zahlung an das Kind selbst vorsieht, um die elterliche oder quasi-elterliche Belastung zu mindern (vgl. BT-Drs. 10 3369 S. 11). Der Kindergeldanspruch für Vollwaisen wurde dem o.g. Zweck entsprechend in § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 BKGG a.F. übernommen, ohne im Gesetzestext auf das Merkmal der Haushaltsführung einzugehen (BT-Drs. 10/3369 S. 11f.). 1996 erfolgte die Aufsplittung des Kindergeldes in ein Kindergeld nach § 31 i.V.m. Abschnitt X des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: steuerrechtliches Kindergeld) für Personen, die dem EStG unterliegen, und einem Kindergeld für andere Personenkreise (Jahressteuergesetz 1996 vom 11.Oktober 1995, BGBl. I S. 1250, 1378f.).
Mit Urteil vom 5. Mai 2015 bestätigte das Bundessozialgericht die Zwecksetzung des sozialrechtlichen Kindergelds, finanzielle Belastungen durch die Personensorge für Kinder und finanzielle Mehrbelastungen durch die Kindererziehung bzw. besonderen Bedürfnisse von Kindern und Heranwachsenden auszugleichen ("Kinder kosten"). Im Fall von alleinstehenden Vollwaisen dient es als Ausgleich für die eigenen Belastungen (Az. B 10 KG 1/14 R - juris Rn. 10, 27).
Eine andere Bewertung des Kindergeldes für Vollwaisen ergibt sich auch nicht aus der höchstrichterliche Rechtsprechung zum Zweck des steuerrechtlichen Kindergeldes.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes dient das steuerrechtliche Kindergeld dem allgemeinen Zweck des Familienlastenausgleiches, wobei den Eltern ein weiter Verwendungsrahmen zugunsten des Kindes für das Geld zukommt (BVerwG, U.v. 22.12.1998 - 5 C 25/97 - juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 12.5.2011 - 5 C 10/10 - juris Rn.15). Systematisch handelt es sich hierbei um die steuerliche Freistellung des Eltern-einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung, § 31 Abs. 1 S. 1 EStG. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie, § 31 Abs. 1 Satz 2 EStG (BVerwG, U.v. 12.5.2011 - 5 C 10/10 - juris Rn.14). Auch das Bundesverfassungsgericht sieht das steuerrechtliche Kindergeld als eine Leistung zur Förderung der Familie, die dazu dient, die wirtschaftliche Lage von Familien mit Kindern im Verhältnis zu solchen ohne Kinder zu verbessern und deren Lebensunterhalt zu sichern (BVerfG, B.v.11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - juris Rn. 5). Erhält ein Kind das Kindergeld ausnahmsweise "für sich", da es als Vollwaise keinen anderen Kindergeldberechtigten gibt, dient das Kindergeld eben auch der Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes. Das Kindergeld für Vollwaisen nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG dient damit ausschließlich dem Unterhalt und ist als zweckidentische Leistung nach § 93 Abs. 1 S. 3 SGB VIII einzusetzen.
bb)
Die Kammer folgt zudem der Ansicht des VG München (aaO), dass § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII einer Subsumtion des Kindergeldes nach § 1 Abs. 2 BKGG unter § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII nicht entgegensteht (aA VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 27. Februar 2019 - 4 K 1861/18 -, Rn. 18 - 19, juris).
Nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 S. 4 SGB VIII ist Kindergeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Eine Unterscheidung bezüglich der Rechtsgrundlage des Kindergeldes ist der Vorschrift nach dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Allerdings ist die Norm des § 93 Abs 1 Satz 4 SGB VIII einschränkend im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass hiervon nur Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz umfasst ist. Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG Beschluss vom 15.10.2004 - 2 BvR 1316/04 - NJW 2005, 352, 353; BVerfG Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BVerfG Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - NZS 2011, 812). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BSG vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10; BSG, Urteil vom 04. Dezember 2014 - B 2 U 18/13 R -, BSGE 118, 18-30, SozR 4-2700 § 101 Nr 2, Rn. 27).
Aus der Gesetzesbegründung bezüglich der Einfügung der Formulierung "Kindergeld" in § 93 Abs. 1 S. 4 SGB VIII ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung lediglich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nachvollziehen wollte, die jedoch nur das steuerrechtliche Kindergeld betraf (Bt-Drs. 17/13023, S. 14 Punkt 7a). Aus dem Zusammenhang der Begründung mit der Begründung zur Änderung des § 94 Abs. 3 S. 1 SGB VIII unter Nr. 8a) (Bt-Drs. 17/13023 S. 15) folgt, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des Begriffs "Kindergeld" in § 93 Abs. 1 S. 4 SGB VIII lediglich das steuerrechtliche Kindergeld, das die Eltern der Leistungsempfänger beziehen, bedacht hatte.
Auch ist der Grund, weshalb das steuerrechtliche Kindergeld in § 93 Abs. 1 S. 4 SGB VIII ausgenommen wurde, nicht für die Situation des Kindergelds nach § 1 Abs. 2 BKGG anwendbar. Das steuerrechtliche Kindergeld sollte nach § 94 Abs. 3 S. 1 SGB VIII unabhängig von einem etwaigen einkommensbezogenen Kostenbeitrag nach § 93 Abs. 1 SGB VIII als eigenständiger Kostenbeitrag erhoben werden, um eine Ungleichbehandlung der Elternteile bei der Kostenheranziehung zu verhindern. Da nur ein Elternteil das steuerrechtliche Kindergeld bezieht, konnte dieser das Kindergeld zur Erfüllung des Kostenbeitrags heranziehen und musste nur die Differenz zwischen dem Kindergeld und Kostenbeitrag aus seinem Einkommen bestreiten, während der andere Elternteil den gesamten Kostenbeitrag aus seinem Einkommen bezahlen musste. Deshalb sollte zur Gleichbehandlung der Eltern untereinander ein eigenständiger Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes nur beim kindergeldbeziehenden Elternteil erfolgen, während der einkommensabhängige Kostenbeitrag ohne das steuerrechtliche Kindergeld berechnet wurde (Bt-Drs. 17/13023 S. 15 unter Punkt 8a); Wiesner, Kommentar SGB VIII, § 93 Rn. 13f.). Dieser Zweck der Ausgliederung des Kindergeldes aus dem Einkommensbegriff im Sinne des § 93 Abs. 1 SGB VIII durch die Aufnahme in § 93 Abs. 1 S. 4 SGB VIII kann offensichtlich im Fall des hier vorliegenden Kindergeldes für Vollwaise nicht erreicht werden. Der Kindergeldbegriff in § 93 Abs. 1 S. 4 SGB VIII umfasst daher im Wege einer teleologischen Reduktion nicht auch das Kindergeld für Vollwaisen nach § 1 Abs. 2 BKGG.
b) Die tatsächlich erbrachten Leistungen müssen zu den Leistungen des vorrangig verpflichteten Trägers kongruent sein. Das bedeutet, dass sie gleichartig zu den tatsächlich erbrachten Leistungen sein müssen, für den gleichen Zeitraum geschuldet sein müssen, für den die tatsächlich erbrachten Leistungen erbracht worden sind, und dass die Leistungen des vorrangig verpflichteten Trägers grundsätzlich auch an dieselbe Person geschuldet sind, welcher der nachrangig verpflichtete Träger tatsächlich Leistungen erbracht hat. (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 104 SGB X, Rn. 29). Wie bereits oben ausgeführt liegt eine Zweckidentität zwischen dem Kindergeld und den Leistungen der Klägerin vor, selbst wenn die Klägerin in Teilbereichen eine Sachleistung erbracht haben sollte, da beide Leistungen wie oben ausgeführt dem gleichen Zweck, nämlich der Unterhaltssicherung dienen. Zudem ist der Leistungszeitraum kongruent, wie auch der Leistungsberechtigte.
c) Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin für den streitigen Zeitraum keinen Leistungsbescheid gegenüber dem Jugendlichen erlassen hat. Zwar hat nach § 92 Absatz 2 SGB VIII die Heranziehung des Jugendlichen zu einem Kostenbeitrag grundsätzlich durch einen Leistungsbescheid, d. h. durch einen Verwaltungsakt, zu erfolgen (Krome in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 92 SGB VIII, Rn. 24). So hat das BSG in seinem Urteil vom 22.09.1988 - 2 RU 9/88 - juris Rn. 24 festgestellt, dass die Verpflichtung, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach einen Kostenbeitrag zur freiwilligen Erziehungsbeihilfe leisten zu müssen, nicht kraft Gesetzes feststehe. Die zuständige Landesbehörde habe in dem dort streitigen Fall darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang von dem dort Beigeladenen ein Kostenbeitrag erhoben werden soll, und auf welchem Wege er geltend gemacht werden soll Die Kostenfestsetzung und die Art der Einziehung seien in das Ermessen der Behörde gestellt und hätten als Verwaltungsakte zu erfolgen (vgl BVerwG vom 18.6.70 - 5 C 39/69 = BVerwGE 35, 304). Ein Erstattungsanspruch bestehe daher nur insoweit, als dass der Kostenbeitrag durch Leistungsbescheid festgesetzt worden ist (BSG aaO). Diese Maßstäbe sind vorliegend jedoch nicht anwendbar. Geldleistungen nach § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII (wie hier das sozialrechtliche Kindergeld für Vollwaise) sind unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen, ein Leistungsbescheid gem. § 92 Abs. 2 SGB VIII hat jedoch nur für Kostenbeiträge zu erfolgen. Zudem steht die einzusetzende Geldleistung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach (in voller Höhe des Kindergeldes) fest. Ein Leistungsbescheid ist für den Erfolg des Erstattungsbegehrens der Klägerin nicht erforderlich.
Der Klage war daher stattzugeben.
2. Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass Z.M. zum Verfahren nicht notwendig beigeladen werden musste. Einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG bedarf es im Erstattungsstreit nur dann, wenn sich die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X auf weitere Rechte des Leistungsempfängers auswirkt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 10a mwN). Hat der Berechtigte - wie vorliegend - die Leistung bereits erhalten, kann er diese folglich nicht noch einmal beanspruchen. Darum hat die vorliegende Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkung auf die Rechtsposition des Jugendlichen, so dass eine notwendige Beiladung nicht erforderlich ist (BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 1 KR 12/14 R -, SozR 4-2500 § 264 Nr 6).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO und basiert darauf, dass die Klägerin ihren ursprünglich geltend gemachten Anspruch zuletzt auf 1.546,00 € begrenzt hat.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der ursprüngliche Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
Die Berufung war gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.