L 11 KA 36/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KA 5/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 36/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. September 2020 wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Der Kläger wendet sich gegen Honorarkürzungen im Wege der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Quartale 1/2015 bis 4/2015 sowie 1/2016 bis 4/2016 in Höhe von insgesamt (noch) 7.084,35 Euro. Betroffen ist eine Kürzung der Gebührennummer 04 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen gemäß § 87 Abs. 2 und 2h Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (<SGB V> Stand: 1. April 2014 <BEMA>).

 

Der Kläger ist Fachzahnarzt für Parodontologie und für Oralchirurgie mit Praxissitz in E. und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

 

In vorangegangenen Prüfverfahren wurden bereits die Quartale 1/2007 bis 4/2008, 1/2010 bis 4/2011, 1/2013 bis 4/2013 sowie 1/2014 bis 4/2014 auf Antrag der Krankenkassen Wirtschaftlichkeitsprüfungen unterzogen:

 

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale 1/2007 bis 4/2008 bezog sich u.a. auf die Gebührennummer 04 des BEMA. Im Antrag wurde eine prozentuale Überschreitung um 2.981% bzw. 2.377,8% bemängelt. Die Prüfstelle wies die Prüfanträge mit Beschluss vom 14. September 2010 zurück. Der Nichtabrechneranteil der Vergleichsgruppe der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen (MKG-Chirurgen) belaufe sich auf durchschnittlich 70,3%. Die Prüfungsstelle sah zwar keine Praxisbesonderheit in dem Vortrag, dass es sich bei der Praxis des Klägers um eine solche handele, in die auch durch Zuweisung anderer Zahnärzte Patienten zur chirurgischen Behandlung kämen. Die Fachgruppe der MKG-Chirurgen arbeite grundsätzlich auf Zuweisung. Nachvollziehbar sei jedoch, dass insoweit eine Besonderheit vorliege, als auch Parodontalbehandlung (PAR)-Fälle zugewiesen würden. Konkret zu der Gebührennummer 04 sei zu berücksichtigen, dass es sich dabei um keine für die MKG-Chirurgen fachgruppenspezifische Leistung handele, was sich aus der Abrechnungsquote von unter 30% ergebe. Die statistische Abweichung sei insofern auf den geringen Vergleichswert und nicht auf unwirtschaftliche Leistungsansätze zurückzuführen. Die Beschwerde der Krankenkassen wurde mit Beschluss des Beklagten vom 24. Oktober 2012 zurückgewiesen. Ein unwirtschaftlicher Ansatz des Screening-Verfahrens sei nach Sichtung der beispielhaften Einzelfälle nicht ersichtlich.

 

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale 1/2010 bis 4/2011 bezog sich gleichfalls u.a. auf die Gebührennummer 04 des BEMA. Im Antrag wurde eine prozentuale Überschreitung um 1.715% bzw. 1.151,35% bemängelt. Die Prüfstelle wies die Prüfanträge mit Beschluss vom 31. Juli 2013 zurück. Es sei im Bereich der PAR-Behandlungen eine überdurchschnittliche Abrechnung festzustellen. Die Nichtabrechner-Quote bzgl. der Gebührennummer 04 liege nun bei 60,18% bis 67,83%. Dies zeige (weiterhin), dass es sich um keine für MKG-Chirurgen fachgruppenspezifische Leistung handele. Die statistische Abweichung sei insofern (weiterhin) auf den geringen Vergleichswert und nicht auf unwirtschaftliche Leistungsansätze zurückzuführen. Die Beschwerde der Krankenkassen verwies u.a. darauf, dass die Abrechnung der Gebührennummer 04 grundsätzlich eine Leistung des Hauszahnarztes und damit nicht Gegenstand des Zielauftrages sei. Sie legten eine Liste mit Beispielsfällen aus dem Quartal 1/2010 vor, in denen die Gebührennummer 04 innerhalb der Zweijahresfrist durch den Kläger und den Überweiser abgerechnet worden sei. Eine erste Sitzung des Beklagten vom 11. Dezember 2013 wurde vertagt, nachdem der Kläger die Qualität der Zielaufträge und die dortige Befundung bemängelt hatte. In der Sitzung vom 19. März 2014 verglichen sich die Beteiligten auf Zahlung von 19.000,00 €. Hinsichtlich der Gebührennummer 04 wurde ein Betrag von 7.410,00 € (39% der Kürzungssumme) in den Vergleich eingestellt. Der Rest entfiel auf die Gebührennummer 7750.

 

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale 1/2013 bis 4/2013 bezog sich gleichfalls u.a. auf die Gebührennummer 04 des BEMA. Im Antrag wurde eine prozentuale Überschreitung um 1.613,6% beanstandet. Die Prüfungsstelle bot den Beteiligten unmittelbar einen Vergleich über 9.000,00 € an, der am 5. Oktober 2015 geschlossen wurde.

 

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale 1/2014 bis 4/2014 bezog sich auf die Gebührennummer 04 des BEMA. Ein förmlicher Antrag wurde durch die Krankenlassen in diesem Fall nicht gestellt. Es verblieb vielmehr in Absprache der Prüfungsstelle mit den Krankenkassen bei einem Schreiben vom 18. November 2015 bezüglich der „Wirtschaftlichkeitsprüfung betreffend konservierend/chirurgische Abrechnung für das Jahr 2014“. Dort führte die Prüfungsstelle aus:

 

„Trotz auffälliger statistischer Überschreitungen bei den Gebührennummern 04 (siehe beigefügten Leistungsspiegel) verzichten die Krankenkassen auf einen Antrag zur Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, bitten jedoch, Sie auf diese Abweichungen aufmerksam zu machen, mit dem Hinweis, dass künftig bei entsprechenden statistischen Auffälligkeiten ein Prüfverfahren nicht auszuschließen ist.“

 

Die Beigeladene zu 3) beantragte sodann für die gesetzlichen Krankenkassen mit Schreiben vom 1. August 2016 bei der Prüfungsstelle der Beigeladenen zu 1), das Prüfverfahren für die Quartale 1/2015 bis 4/2015 und mit Schreiben vom 11. Juli 2017 für die Quartale 1/2016 bis 4/2016 zu eröffnen. In den Anträgen wies sie auf statistische Überschreitungen bei der Gebührennummer 04 von 1.256% bzw. 1.370,8% hin. Die Prüfungsstelle teilte dem Kläger mit, dass Prüfverfahren betreffend die konservierend/chirurgische Abrechnung für die jeweiligen Quartale eingeleitet worden seien (Schreiben vom 11. August 2016 und vom 27. Juli 2017). Gleichzeitig wurde der Kläger um Stellungnahme zu den jeweiligen Quartalen gebeten.

 

Der Kläger erklärte, die Gebührennummer 04 sei bereits Gegenstand einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale 1/2007 bis 4/2008 gewesen (Schreiben vom 1. Dezember 2016). Die Prüfungsstelle habe seinerzeit Kürzungsmaßnahmen abgelehnt. Die seitens der Krankenkasse erhobene Beschwerde sei mit Beschluss des Beklagten zurückgewiesen worden. In einem weiteren Prüfverfahren betreffend die Quartale 1/2010 bis 04/2011 habe die Prüfungsstelle ebenfalls „keine Maßnahmen“ festgestellt. Vor dem Beklagten sei ein Vergleich hinsichtlich der Abrechnungsposition 7750 (Umwandlung in 7700) geschlossen worden. Für den Prüfzeitraum betreffend die Quartale 1/2013 bis 4/2013 sei mit Vergleich vom 5. Oktober 2015 der Abrechnungssachverhalt bezüglich der Gebührennummer 7750 reguliert worden. Festzustellen sei, dass es bis dato keinerlei Kürzungsmaßnahmen im Hinblick auf die Gebührennummer 04 gegeben habe. Vielmehr sei ihm mit Schreiben vom 18. November 2015 mitgeteilt worden, dass die Kostenträger für 2014 auf eine weitere Prüfung der Gebührennummer 04 verzichten würden, mit der Bitte um eine strengere (wirtschaftlichere) Indikation für die Zukunft. Das Prüfverfahren für das Jahr 2015 sei daher ohne Maßnahmen einzustellen.

 

Die Prüfungsstelle kürzte mit Beschluss vom 10. Juli 2018 (ausgefertigt am 16. Juli 2018) das Honorar des Klägers bzgl. der Gebührennummer 04, soweit der allgemeine Durchschnitt dieser Leistungen um mehr als 400 % überschritten werde. Der Erstattungsbetrag betrage 9.603,06 Euro. Die Prüfungsstelle begründete die Entscheidung dahingehend, dass auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Besonderheiten die statistischen Abweichungen bei der gekürzten Gebührenposition nicht in vollem Umfang nachzuvollziehen seien.

 

Hiergegen erhoben sowohl der Kläger (mit Eingang bei dem Beklagten am 15. August 2018) als auch die gesetzlichen Krankenkassen (mit Eingang bei dem Beklagten am 16. August 2018) Beschwerde.

 

Der Kläger trug zur Begründung vor: Hinsichtlich der beanstandeten Leistungen nach Gebührennummer 04 lägen ausreichend Praxisbesonderheiten vor, um etwaige Überschreitungen vollständig aufzuklären. Das Hinweisschreiben des Vorverfahrens habe sich nicht mehr auf die Abrechnung auswirken können. Es stelle sich daher die Frage, aus welchen Gründen die Prüfungsstelle ihn auf sein Abrechnungsverhalten hingewiesen, jedoch für denselben Zeitraum eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt habe. Zudem habe die Gebührennummer 04 eine Ausnahmestellung. Der Parodontale-Screening-Index (PSI) sei dazu da, um aus dem Kollektiv kranke Patienten herauszufiltern. Es frage sich aber, bei welchen Patienten dann aber auf die Durchführung des Screenings verzichtet werden solle. Die statistischen Abweichungen seien vielmehr auf einen geringen Vergleichswert und nicht auf unwirtschaftliche Leistungsansätze zurückzuführen, da der Anteil der Nichtabrechner bei 52,38 % bis 59,40 % liege. Ebenso spreche zu seinen Gunsten, dass er eine von zwei parodontologisch-oralchirurgisch ausgerichteten Überweiserpraxen in ganz Deutschland führe. Für eine rein parodontologische Überweiserpraxis gebe es keine entsprechenden Statistiken. Hinzu komme, dass Kieferchirurgen grundsätzlich sehr wenig parodontologisch tätig seien und die Gebührenposition 04 dadurch selten bis gar nicht abgerechnet werde. Der Beschluss sei materiell rechtswidrig, da er sich nicht hinreichend mit den Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Einsparungen auseinandersetze. Seine, des Klägers, Praxis sei eine parodontologisch-oralchirurgische Überweiserpraxis. Die Abrechnung liege im oralchirurgischen Bereich unter dem Durchschnitt; dabei seien mehr PAR-Fälle erbracht worden als vom Durchschnitt der Kieferchirurgen und Zahnärzte. Die Anzahl der PAR-Anträge zu der Gebührenposition 04 müsse in einem Missverhältnis stehen, da Screeningverfahren regelmäßig anzuwenden seien. Entsprechend dem Kodex für Überweiserpraxen sei er zunächst an den Überweisungsauftrag gebunden, sodass Patienten im Zweifel an den behandelnden Zahnarzt zurückgeschickt würden. Darüber hinaus habe eine Anfrage anlässlich eines früheren Verfahrens ergeben, dass bei 1500 Patienten, die ein Screening in der Praxis durchlaufen hätten, lediglich acht Patienten zuvor bei ihrem Hauszahnarzt innerhalb der Zweijahresfrist im Rahmen eines PSI-Verfahrens untersucht worden seien. Demnach handele es sich hier um solche Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten auswirkten und in der Praxis der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen seien.

 

Die Beigeladene zu 2) bat zur Beschwerdebegründung um Überprüfung der gesamten Abrechnung des Klägers und begründete ihre Beschwerde dahingehend, dass anhand der KCH-Leistungsspiegel im Verhältnis zu den MKG-Chirurgen Auffälligkeiten bei den Gebührenpositionen 01, 04, 40/41a und 7750 festzustellen seien. Es stelle sich insoweit die Frage, ob die Gebührenpositionen 01 und 04 im Zusammenhang mit den zur Extraktion bzw. Wurzelspitzenresektion überwiesenen Behandlungsfällen zwingend erforderlich seien. Für die Beurteilung/Durchführung eines konkreten Zielauftrages seien die Mindestangaben zur Gebührenpositionen 01 bezogen auf die Feststellungen aller kariöser Defekte/fehlenden Zähne/Zahnstein/Mundkrankheiten in ihrer Gesamtheit unerheblich. Diese seien in der Regel Gegenstand der Behandlung durch den Hauszahnarzt. Zusätzlich zu den bis dahin genannten Gebührenpositionen sei die absolute Anzahl der abgerechneten Anästhesien nach den Gebührennummern 40/41a im Verhältnis zu den chirurgischen Leistungen auffällig. Die Durchsicht der Behandlungsfälle des Quartals 1/2016 zeige, dass im Zusammenhang mit den Wurzelspitzenresektionen (54a-c) und Osteotomien (Ost 1/2) regelhaft im Oberkiefer wie im Unterkiefer die kombinierte Anästhesie abgerechnet würde. Diese Vorgehensweise sei nach den Richtlinien in der Regel nicht angezeigt. Im Zusammenhang mit Parodontitis-Behandlungen werde zudem im Oberkiefer neben der Gebührenpositionen 40 regelmäßig die Position 41a abgerechnet. Zu den Gebührenpositionen 7750 bestünden nicht zuletzt aufgrund der Feststellungen des Beschwerdeausschusses in der Sitzung vom 19. März 2014 Zweifel hinsichtlich eines konkreten Leistungsansatzes, dies insbesondere auch zu den Berichten im Vorfeld der Behandlung.

 

Der Beklagte forderte Behandlungsunterlagen (Kopien der Karteikarten mit entsprechenden Röntgenaufnahmen in 26 Behandlungsfällen aus dem Quartal 1/2015) von dem Kläger an.

 

Im Sitzungstermin vom 16. Januar 2019 bei dem Beklagten wiederholte der Kläger sein Vorbringen und teilte ergänzend mit, Neupatienten würden einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Diese schließe neben der Gebührennummer 01 auch ein Screening und die Befundung der Schleimhäute mit ein. Das Parodontalscreening gebe regelmäßig Aufschluss über die indizierte Therapie. Auch bei Patienten, die mit Zielauftrag an die Praxis überwiesen würden, werde ein Screening durchgeführt, da die Zielaufträge in etwa 50 % der Fälle nicht vollständig oder teilweise gar nicht korrekt seien. Bevor die überwiesenen Patienten chirurgisch oder parodontal behandelt würden, erfolge oftmals zuvor eine Rücküberweisung an den Hauszahnarzt zur professionellen Zahnreinigung. Leistungen nach Gebührennummern 40 und 41a kämen in Kombination häufig vor, da bei den systematischen Parodontosebehandlungen Taschentiefen von 6 mm aufwärts behandelt würden. Dies sei nicht ohne Doppelanästhesie möglich. Ebenso würden bei chirurgischen Maßnahmen regelmäßig zwei Anästhesien notwendig, weil nur schwere Fälle in der Praxis anfielen. Leistungen nach Gebührennummer 7750 seien bereits Thema in einem vorherigen Prüfverfahren gewesen. Bei der Abrechnung dieser Leistungen sei die Vorgehensweise umgestellt worden. Die Richtlinien würden genau beachtet und nicht alle Briefe, die erstellt würden, würden auch abgerechnet.

 

Der Beklagte änderte mit Beschluss vom 16. Januar 2019 (ausgefertigt am 22. Februar 2019) auf die Beschwerde des Klägers und der Krankenkassen den Beschluss der Prüfungsstelle dahingehend ab, dass das Honorar der abgerechneten Leistungen nach der Gebührennummer 04 zu kürzen sei, soweit der allgemeine Durchschnitt dieser Leistungen um mehr als der 3-fache Durchschnitt der Abrechner dieser Leistungen überschritten werde. Dem Kläger wurde der Hinweis erteilt, künftig bei der kombinierten Abrechnung der Leistungen nach Gebührennummer 40 und Gebührennummer 41a die Grundsätze der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit strenger zu beachten. Im Übrigen erkannte der Beklagte die Abrechnung als wirtschaftlich an. Aus der Kürzung errechnet sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 7.084,35 Euro. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

 

Gegen den am 26. Februar 2019 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 20. März 2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Beschwerdeverfahren wiederholt und vertiefend vorgetragen, der Beschluss des Beklagten sei ermessensfehlerhaft und aufzuheben. Er sei hinsichtlich der Gebührennummer 04 bereits deshalb rechtswidrig, weil er sich auf eine zu ungenaue Vergleichsgruppe stütze und einen zu geringen Vergleichswert zugrunde lege. Angesichts der hohen Zahl an Nicht-Abrechnern in der Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen (52,38% bis 59,4%) sei davon auszugehen, dass es daneben unter den Vertragszahnärzten, die überhaupt das PSI-Verfahren durchführten, einen vergleichsweise hohen Anteil an „Wenig-Abrechnern“ gebe, die das Screening nicht in gebotenem Umfang durchführten und so den Vergleichswert ebenfalls verzerrten. Dies müsse dazu führen, dass eine statistische Vergleichsprüfung der Gebührennummer 04 von vornherein nicht anwendbar sei, zumindest aber müssten erheblich erhöhte Toleranzgrenzen für die Vertragszahnärzte eingeräumt werden, die gewissenhaft das PSI-Verfahren durchführten.

 

Der Beklagte lege seiner Entscheidung zudem eine ungenaue und damit heterogene Vergleichsgruppe zugrunde. Hinsichtlich des PSI verbiete sich eine Frage nach der Wirtschaftlichkeit bei der Gebührenposition 04. Gerade im Gegenteil werde durch das Screening das Wirtschaftlichkeitsgebot deshalb gewahrt, weil die Alternative eine routinemäßig eingelegte, viel aufwändigere Erhebung darstelle, die bei einem gesunden Patienten jedoch eine erhebliche Überbefundung sei. Auch ergebe sich aus der Besonderheit als Überweiserpraxis nichts Anderes. Vielmehr fehle es in vielen Fällen an einem vollständigen, korrekten Zielauftrag. In solchen Fällen sei er nicht an den Zielauftrag i.S.v. § 8 Abs. 3 Musterberufsordnung-Zahnärzte (MBO-Z) gebunden. Der Beklagte verkenne die Besonderheit der Gebührennummer 04, nämlich dass es sich bei dem PSI um eine erste Befundaufnahme handele, die zum Standard der zahnärztlichen Vorsorge gehören sollte.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

den Beschluss des Beklagten vom 16. Januar 2019 betreffend die Quartalsabrechnung 1/2015 bis 4/2015 sowie 1/2016 bis 4/2016 insoweit aufzuheben, als er sich auf die Gebührennummer 04 bezieht, und den Beklagten zu verpflichten, über seine Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 10. Juli 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er hat erklärt, dass er in seinem Beschluss auf das Hinweisschreiben vom 18. November 2015 eingegangen sei. Dort habe er ausgeführt, dass dem Kläger die Unwirtschaftlichkeit seiner Abrechnung bezogen auf die Gebührennummer 04 im Vorfeld des Beratungsschreibens bekannt gewesen sei und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen erläutert worden seien. Zudem sei eine Beratung vor einer Kürzung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zwingend nötig (Verweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 21. Mai 2003 – B 6 KA 32/02 R). Bezogen auf die dortige Ausnahme des offensichtlichen Missverhältnisses habe er ausgeführt, dass die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis mit den vorliegenden Werten – Überschreitung der Durchschnittswerte in Höhe von 882,8% bis 1.370,8% – deutlich erreicht werde. Wenn der Regress bereits ohne vorhergehende Beratung zulässig sei, gelte dies erst recht nach Absetzen eines Hinweisschreibens. Das Hinweisschreiben entfalte auch keinen Vertrauensschutz für die Vergangenheit. Aussagen könnten naturgemäß erst nach Vorliegen der Abrechnungsdaten getroffen werden. Das Hinweisschreiben habe daher allein die Quartale des Jahres 2014 betroffen. Ohnehin sei ein Regress nicht verschuldensabhängig. Im Übrigen sei weder die Vergleichsgruppe ungenau noch der Vergleichswert zu gering. Die klägerische Praxis werde zu Recht mit dem Durchschnitt der MKG-Praxen in Westfalen-Lippe verglichen. Im Rahmen seines Entscheidungsspielraums sehe er, der Beklagte, es als nicht erforderlich an, eine verfeinerte Vergleichsgruppe bezogen auf den vom Kläger vorgetragenen Schwerpunkt der Parodontologie zu bilden. Hierfür sprächen der Mehraufwand von nur acht systematischen Parodontosebehandlungen pro Quartal gegenüber der Facharztgruppe und die Tatsache, dass Vertragszahnärzte mit der Fachgebietskennung Parodontologie neben parodontologischen Maßnahmen ebenfalls zahnärztliche Leistungen abrechneten, die typischerweise auch bei MKG-Chirurgen anfielen. Folglich seien die relevanten Leistungsbedingungen nicht so verschieden, dass keine verwertbare Aussage über die (Un-)Wirtschaftlichkeit des Ansatzes der Gebührennummer 04 getroffen werden könne (Verweis auf BSG, Urteil vom14. Dezember 2005 – B 6 KA 4/05 R). Aufgrund der Nichtabrechnerquote von 52,38% bis 59,4% im Bereich der Gebührennummer 04 gehe er, der Beklagte, auch ermessensfehlerfrei davon aus, dass die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschritten, jedoch eine entsprechende höhere Toleranz zum Ausgleich statistischer Verzerrungen zu gewähren sei. Auch wenn es sich bei der Erhebung des PSI-Codes um ein Screening-Verfahren handele, lasse dies nicht den Rückschluss zu, dass diese Leistung nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V unterliege. Die Leistungseinschränkung in der Erhebungsfrequenz habe ihre Begründung in den begrenzten Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung. Ferner sei der Kläger an seinen jeweiligen Überweisungsauftrag gebunden. Unvollständige bzw. fehlerhafte Zielaufträge rechtfertigten nicht einen fehlerhaften Ansatz der Gebührennummer. Statt den Zielauftrag zu überschreiten, sei es Aufgaben des Klägers, diesen durch Nachfrage zu konkretisieren (Verweis auf Senat, Urteil vom 9. Juli 2014 – L 11 KA 142/11).

 

Die mit Beschluss vom 5. November 2019 am Verfahren beteiligten Beigeladenen zu 1) bis 7) haben keine Anträge gestellt.

 

In der mündlichen Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 14. September 2020 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

 

Gegen das ihm am 19. Oktober 2020 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 16. November 2020 eingelegten Berufung. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Vertiefend führt er aus, dass das Hinweisschreiben vom 18. November 2015 auf sein zukünftiges Verhalten einwirken sollte und sich damit eine frühere Regressierung ausschließe. Es gelte schließlich der Grundsatz „Beratung vor Regress“; hier sei ihm sogar eine Zusicherung erteilt worden. Hinsichtlich der Prüfung nach Durchschnittswerten sei nicht beachtet worden, dass die quantitative Fallzahlbetrachtung nicht alleiniger Maßstab dafür sein könne, dass eine „sachgerechte Prüfung auf der Grundlage nach Durchschnittswerten nicht möglich“ sei, § 6 Abs. 2 der Prüfvereinbarung. Es sei bei der Vergleichsgruppenbildung verkannt worden, dass der Prüfgegenstand nicht chirurgische Leistungen, sondern parodontologische Leistungen seien. Insofern sei eine sachgerechte Prüfung auf der Grundlage nach Durchschnittswerten nicht möglich, weil in der Vergleichsgruppe diese Leistungen per se nicht oder nur in sehr geringem Umfang abgerechnet würden. Das statistische Datenmaterial sei daher keineswegs valide; die Vergleichsgruppe nicht homogen. Es hätte eine bundesweite Vergleichsgruppe im Bereich der parodontologischen Leistungen gebildet werden sollen. Zudem gebe es im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) keine Bindung an einen Überweisungsauftrag.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. September 2020 zu ändern und den Beschluss des Beklagten vom 16. Januar 2019 betreffend die Quartale 1/2015 bis 4/2016 hinsichtlich der Kürzung der Gebührennummer 04 aufzuheben sowie ihn zu verpflichten, über die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Prüfungsstelle von 10. Juli 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

 

 

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ergänzend führt er aus, dass sich aus der Betreffzeile des Hinweisschreibens vom 18. November 2015 eindeutig ergebe, dass sich dieses auf die „Wirtschaftlichkeitsprüfung betreffend konservierend/chirurgische Abrechnung für das Jahr 2014“ bezogen habe. Das BSG habe zudem bereits ausgeführt, dass die Erwägung, auf ein Beratungsschreiben noch nicht reagieren zu können, weil es erst später erfolgt sei, vor dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebotes keinen Bestand habe (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. April 2004 – B 6 KA 24/03 R). Im Übrigen habe der Kläger in der Folge sein Abrechnungsverhalten auch im Jahr 2016 nicht geändert.

 

Soweit der Kläger sich auf § 6 Abs. 2 der Prüfvereinbarung beziehe, komme danach eine Sachverhaltsaufklärung anhand einzelner Behandlungsfälle dann in Betracht, wenn eine sachgerechte Prüfung auf der Grundlage nach Durchschnittswerten nicht möglich und die Prüfung ohne unverhältnismäßigen Aufwand durchgeführt werden könne. Eine Prüfung nach Durchschnittswerten sei aber nur dann ausgeschlossen, wenn die Fallzahl des Vertrags(zahn)arztes 20 von 100 des Fallzahldurchschnitts der Vergleichsgruppe nicht erreiche (Verweis auf BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 50/97 R). Dies sei vorliegend – auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrages zur Vergleichsgruppe – nicht der Fall. Er, der Beklagte, habe zudem dem Aspekt Rechnung getragen, indem er nur die Abrechner der Gebührennummer 04 als Vergleich herangezogen habe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

A. Die Anträge sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Dass die Hauptbeteiligten nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend waren, sondern von einem dritten Ort aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen haben, ist gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 25. März 2024 zulässig gewesen.

 

B. Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich der Beschluss des beklagten Beschwerdeausschusses vom 16. Januar 2019 (st. Rspr. seit BSG, Urteil vom 9. März 1994 – 6 RKa 5/92BSGE 74, 59; BSG, Beschluss vom 10. Mai 2017 – B 6 KA 58/16 B – juris). Das Verfahren vor dem beklagten Beschwerdeausschuss ist ein „eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz (BSG, Urteil vom 9. März 1994, a.a.O.; Senat, Beschluss vom 19. Mai 2021 – L 11 KA 39/19 – juris, Rn. 47). Das hat zur Folge, dass eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle in der Regel unzulässig ist. Ein nach der Rechtsprechung des BSG anerkannter Ausnahmefall in Gestalt eines „irreparablen Gesamtmangels“ (vgl. zu diesen Fällen BSG, Urteil vom 9. März 1994 – a.a.O.), liegt hier nicht vor.

 

C. Die am 16. November 2020 bei dem LSG Nordrhein-Westfalen schriftlich eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 19. Oktober 2020 zugestellte Urteil des SG Münster vom 14. September 2020 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2, 63, 65d SGG).

 

D. Die Berufung des Klägers ist indes unbegründet, denn das SG hat zu Recht die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 16. Januar 2019 als zulässig, aber unbegründet abgewiesen.

 

I. Für das Rechtsschutzziel des Klägers – die gerichtliche Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16. Januar 2019 – ist zwar im Grundsatz die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) statthaft. Im Hinblick auf den dem Beklagten eingeräumten Beurteilungsspielraum und sowie das auf Rechtsfolgenseite bestehenden Ermessen erfasst jedoch die durch den Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Wege der Neubescheidungsklage sein hier mögliches Rechtsschutzziel umfänglich (vgl. auch BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 25/19 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 63, Rn. 11, 16). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 20. März 2019 gegen die am 26. Februar 2019 zugestellte Ausfertigung des Beschlusses vom 16. Januar 2019 und damit binnen eines Monats nach der förmlichen Bekanntgabe des schriftlichen Beschlusses erhoben worden.

 

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Beschluss des Beklagten beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da er sich nicht als rechtswidrig erweist und damit den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

 

1. Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Feststellungen (Kürzung bzgl. der Gebührennummer 04 BEMA) ist der nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V für Zahnärzte entsprechend geltende § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 SGB V in der Fassung vom 19. Oktober 2012 (a.F.) i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 § 6 Abs. 1 der zwischen der Beigeladenen zu 1) und den Krankenkassen geschlossenen Prüfvereinbarung vom 20. November 2007 (PrüfV). Dabei ist grundsätzlich das im jeweiligen Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 3/14 RBSGE 117, 149 ff., Rn. 36 ff.).

 

Nach § 106 Abs. 1 SGB V überwachen die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB V durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Auffälligkeitsprüfung) und durch eine arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben geprüft, die mindestens 2 % der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung).

 

Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 SGB V können die (regionalen) Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren.

 

Diese gesetzliche Ermächtigung ist durch die ab dem 1. Januar 2008 in Kraft getretene regionale PrüfV wirksam umgesetzt worden. Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche PrüfV vom 20. November 2007 regelte in § 6 Abs. 1 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten als methodischen Regelfall. Dies stand im Einklang mit dem Wortlaut des § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2016 gültigen Fassung, der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 1. Januar 2004 aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich zuließ. Eine Rangfolge der verschiedenen Prüfmethoden oder ein Verbot, in der Regel anhand von Durchschnittswerten zu prüfen, war dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Daher konnten die Vertragspartner vereinbaren, dass diese Prüfmethode (weiterhin) als Regelprüfmethode anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 18; Rn. 17 ff.; BSG, Beschluss vom 14. September 2022 – B 6 KA 14/22 B – juris, Rn. 10 f. zur Zulässigkeit der Prüfung nach Durchschnittswerten auch bei Einzelleistungen sowie im Vertragszahnarztrecht; Senat, Urteil vom 17. Dezember 2014 – L 11 KA 46/14 – juris; Senat, Urteil vom 22. Oktober 2014 – L 11 KA 21/11 – juris; Senat, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 11 KA 10/11 – juris; Senat, Urteil vom 12. Dezember 2018 – L 11 KA 17/16 – juris; Clemens in: jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 106 Rn. 45). Die Vereinbarung von Prüfungen nach Durchschnittswerten ist dabei auch weiterhin sachgerecht. Sie erzielt einen hohen Erkenntniswert bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand (st. Rspr. des BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 17/11 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 35, Rn. 17 m.w.N.; Senat, Urteil vom 18. Mai 2011 – a.a.O.; Senat, Urteil vom 12. Dezember 2018 – a.a.O.; Clemens in: jurisPK-SGB V, a.a.O. § 106 Rn. 161).

 

2. Die angefochtenen Feststellungen des Beklagten sind formell nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsverfahren ist ordnungsgemäß eingeleitet worden. Die Regelung des § 11 PrüfV sieht ausdrücklich vor, dass die Prüfungsstelle auf Antrag die Wirtschaftlichkeit der vertragszahnärztlichen Versorgung überprüfen darf. Antragsberechtigt sind u.a. die Krankenkassen, § 12 Abs. 1 Satz 2 PrüfV. Der Antrag – hier seitens der Beigeladenen zu 3) vom 1. August 2016 (Quartale 2015) und vom 11. Juli 2017 (Quartale 2016) – wurde zulässigerweise unter Angabe des Vertragszahnarztes, des Prüfgegenstandes, des Prüfzeitraums und einer Begründung für die jeweils letzten vier Quartale gestellt, § 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 PrüfV. Rechtliches Gehör i.S.v. §14 Abs. 1 PrüfVV wurde dem Kläger im Verwaltungsverfahren gewährt (vgl. Schreiben der Prüfungsstelle vom 11. August 2016 und vom 27. Juli 2017). Auch im Übrigen werden keine Beanstandungen geltend gemacht. Der Beklagte ist als Prüfungseinrichtung zuständig (§ 2 Abs. 1, 15 Abs. 1 PrüfV). Die formellen Voraussetzungen an den schriftlichen Bescheid i.S.d. § 15 Abs. 2 PrüfV liegen vor. Die als qualifiziertes Anhörungsgebot zu interpretierenden verfahrensrechtlichen Vorgaben nach § 14 Abs. 1 PrüfV sind gewahrt.

 

3. Der streitige Beschluss des Beklagten ist zudem auch materiell rechtmäßig.

 

Die gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt sich dabei auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die richtige und vollständige Ermittlung des Sachverhalts sowie auf die Frage, ob der Beklagte die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs Wirtschaftlichkeit ermittelten Grenzen eingehalten und seine Subsumtionserwägungen so verdeutlicht hat, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 30. November 1994 – 6 RKa 16/93SozR 3-2500 § 106 Nr. 25).

 

a) Zunächst steht einem Regress für den Zeitraum 1/2015 bis 4/2015 weder eine ihm vorrangige Beratung noch das Schreiben vom 18. November 2015 entgegen.

 

aa) Die vorgegangenen Prüfverfahren zeigen, dass die Frage der Unwirtschaftlichkeit des Gebührenansatzes 04 bereits seit dem Quartal 1/2007 zwischen den Beteiligten diskutiert worden ist; der Kläger insoweit hinreichend vorgewarnt wurde. Zwar ging dieser Meinungsaustausch zunächst zugunsten des Klägers aus. Spätestens für die Quartale ab 2010 war dies jedoch nicht mehr der Fall. So haben sich die Beteiligten in der Sitzung des Beklagten vom 19. März 2014 hinsichtlich der Quartale 1/2010 bis 4/2011 auf eine Zahlung von 19.000,00 € geeinigt. Auf die Gebührennummer 04 entfiel diesbezüglich ein Betrag von 7.410,00 € (39% der Kürzungssumme). Vergleichbar wurde für die Quartale aus 2013 verfahren und am 5. Oktober 2015 ein Vergleich über 9.000,00 € geschlossen.

 

bb) Dem seht auch nicht der Inhalt des Schreibens vom 18. November 2015 entgegen. Nach dessen eindeutigem Wortlaut verwies die Prüfungsstelle dort für die Quartale aus 2014 darauf, dass die Krankenkassen auf einen Antrag zur Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verzichten würden. Gleichzeitig erfolgte auf Wunsch der antragsberechtigten Stellen der Hinweis, dass künftig bei entsprechenden statistischen Auffälligkeiten ein Prüfverfahren nicht auszuschließen sei. Weder nach dem Wortlaut noch nach der Chronologie der Ereignisse – der Kläger hatte noch am 5. Oktober 2015 einem Vergleich für die Quartale des Jahres 2013 zugestimmt – bestand Anlass für die Annahme, dass er ab Zugang des Schreibens vom 18. November 2015 darauf vertraut könne, sein Verhalten werde „künftig“ nicht mehr als unwirtschaftlich angesehen.

 

b) Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Bescheides ist ferner, dass die Auswahl der Prüfmethode nicht zu beanstanden ist.

 

Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte für eine Prüfung der zahnärztlichen Leistungen (Behandlungstätigkeit) nach Durchschnittswerten entschieden (§ 6 PrüfV). Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage von Durchschnittswerten, es sei denn, die Prüfung ist nach den Absätzen 2 oder 3 durchzuführen. Bei der Prüfung auf der Grundlage von Durchschnittswerten kann die Prüfungseinrichtung die Sachverhaltsfeststellung durch Betrachtung einer Reihe von Einzelfällen ergänzen, soweit dies möglich und zumutbar ist, § 6 Abs. 1 PrüfV. Eine Sachverhaltsaufklärung anhand einzelner Behandlungsfälle erfolgt, wenn eine sachgerechte Prüfung auf der Grundlage von Durchschnittswerten nicht möglich ist und die Prüfung ohne unverhältnismäßigen Aufwand durchgeführt werden kann, § 6 Abs. 2 PrüfV. Für die in § 6 Abs. 2 PrüfV geregelte Variante besteht – entgegen der Ansicht des Klägers – indes kein Anhaltspunkt, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.

 

Bei der hier gewählten Prüfmethode wird mithin der Aufwand des geprüften (Zahn-)Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe – im Regelfall der (Zahn-)Arztgruppe, der der Arzt angehört – verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt. Grundsätzlich steht den Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 25/19 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 63, Rn.19, 32).

 

c) Die Bildung der Vergleichsgruppe durch den Beklagten ist vorliegend nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte den Kläger auch eingedenk seiner Facharztbezeichnungen als Fachzahnarzt für Parodontologie und Oralchirurgie mit der Gruppe der die streitgegenständliche Leistung abrechnenden MKG-Chirurgen in Westfalen-Lippe vergleichen.

 

aa) Dem Wortlaut des § 106 Abs. 1 SGB V ist zunächst ein letztlich zwingender Auftrag an die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zu entnehmen, weshalb die Voraussetzungen für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch für die Vergleichsgruppenbildung bereits aus diesem Grund nicht so streng gezogen werden dürfen, dass im Einzelfall eine Prüfung unmöglich wird. Die Bildung geeigneter Vergleichsgruppen als Grundlage eines Vergleichs nach Durchschnittswerten ist mithin, soweit – wie hier – keine normativen Vorgaben der maßgeblichen Prüfvereinbarung zu beachten sind, Sache der Prüfgremien und obliegt damit ihrem Beurteilungsspielraum. Sofern atypische Praxisumstände des zu prüfenden Zahnarztes vorliegen oder geltend gemacht werden, steht den Prüfgremien ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Beurteilung zu, ab welchem Ausmaß atypischer Praxisumstände sie eine engere Vergleichsgruppe bilden oder Praxisbesonderheiten annehmen und diese sachgerecht quantifizieren (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – B 6 KA 4/05 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 12, Rn. 16; BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 25/19 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 63, Rn. 21).

 

bb) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es bei der Gruppe der Zahnärzte wegen ihrer hohen Homogenität und der Herausnahme eines großen Teils der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung im Regelfall nicht als erforderlich anzusehen, für die Prüfung nach Durchschnittswerten Untergruppen mit bestimmten Behandlungsschwerpunkten zu bilden (BSG, Urteil vom 2. Juni 1987 – 6 RKa 23/86BSGE 62, 24 ff.; BSG, Urteil vom 8. Mai 1996 – 6 RKa 45/95SozR 3-2500 § 106 Nr. 36; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – B 6 KA 4/05 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 12, Rn. 17).

 

Lediglich für die sowohl zur vertragszahnärztlichen als auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen MKG-Chirurgen ist die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe als Grundlage der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Leistungen für zumindest sachgerecht gehalten worden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2001 – B 6 KA 43/00 RSozR 3-2500 § 106 Nr. 54, Rn. 20; BSG, Urteil vom 8. Mai 1996 – a.a.O., Rn. 16 zur Prüfung von Einzelleistungen; verneinend für die Zusatzbezeichnung Oralchirurgie BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – a.a.O., Rn.16 ff; BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – a.a.O., Rn. 22).

 

Die Entscheidung der Prüfgremien für die Heranziehung einer bestimmten Vergleichsgruppe ist nur dann rechtswidrig, wenn die maßgebenden Leistungsbedingungen des zu prüfenden (Zahn-)Arztes und der gewählten Gruppe so verschieden sind, dass von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Leistung oder eines Leistungskomplexes zu erwarten sind (BSG, Urteil vom 27. April 2005 – B 6 KA 39/04 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 10; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – a.a.O., Rn. 16).

 

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte bezogen auf die hier streitgegenständliche Leistung seinen Beurteilungsspielraum durch den an Durchschnittswerten orientierten Vergleich mit der Gruppe der die Leistung abrechnenden MKG-Chirurgen nicht überschritten.

 

(1) Der Vergleich kann auf eine genügend breite statistische Grundlage gestützt werden kann. Die Gruppe der MKG-Chirurgen ist hinreichend groß und in ihrem Abrechnungsverhalten homogen. Dass der Kläger demgegenüber mit der Gruppe der „allgemeinen“ Zahnärzte habe verglichen werden wollen, trägt er selbst nicht vor. Er verfügt als Fachzahnarzt für Parodontologie und Oralchirurgie über ein entsprechendes Abrechnungsvolumen im Bereich der Chirurgie. Insoweit hat der Beklagte beurteilungsfehlerfrei nur solche Oralchirurgen wie den Kläger mit den MKG-Chirurgen verglichen, die einen demgemäß hohen Anteil an chirurgischen Leistungen haben.

 

(2) Eine verfeinerte Vergleichsgruppenbildung, namentlich auf den Schwerpunkt der Parodontologie, war demgegenüber nicht erforderlich. Der Beklagte hat insoweit beurteilungsfehlerfrei auf den nicht das Tätigkeitsfeld prägenden Mehraufwand von nur acht systematischen Parodontosebehandlungen pro Quartal gegenüber der Facharztgruppe (insgesamt 63 PAR-Fälle in den streitigen Quartalen) Bezug genommen. Die Anzahl des Klägers an PAR-Behandlungen liegt bei 2,6% (PAR-Behandlungen je 100 Behandlungsfälle) gegenüber 1,38% bei MKG-Chirurgen und 1,53% bei Zahnärzten.

 

Im Übrigen rechnen auch Vertragszahnärzte mit der Fachgebietskennung Parodontologie neben parodontologischen Maßnahmen ihrerseits zahnärztliche Leistungen ab, die typischerweise auch bei MKG-Chirurgen anfallen. Folglich sind die relevanten Leistungsbedingungen nicht so verschieden, dass keine verwertbare Aussage über die (Un-)Wirtschaftlichkeit der Gebührennummer 04 getroffen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom14. Dezember 2005 – a.a.O.).

 

Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich auch bei dem PSI nicht um eine klassische parodontologische Leistung handelt. Sie ist gerade nicht in Teil 4 des BEMA (Systematische Behandlung von Parodontopathie), sondern in Teil 1 (Konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen) verortet. Die Leistung kann daher auch von allgemeinen Zahnärzten und Chirurgen erbracht werden.

 

Entgegen der Annahme ist auch die Bildung einer bundesweiten Vergleichsgruppe nicht erforderlich. Der (weiterhin) erhöhten Nicht-Abrechnerquote in der Vergleichsgruppe von 52,38% bis 59,40% hat der Beklagte bereits dadurch Rechnung getragen, dass er – im Unterschied zum Prüfungsausschuss – den Vergleich nur auf die die Gebührennummer ebenfalls abrechnenden MKG-Chirurgen bezogen hat. Der klägerische Vortrag, dass es dann auch eine hohe Wenig-Abrechnerquote geben müsse, bleibt mangels Substantiierung letztlich eine Spekulation.

 

d) Die Entscheidung des Beklagten zugunsten eines an Durchschnittswerten orientierten pauschalen statistischen Kostenvergleichs ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

 

Zwar kann die Aussagekraft eines solchen Vergleichs Zweifeln unterworfen sein, wenn die Fallzahl des geprüften Arztes die Fallzahlbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Dies kann nämlich dazu führen, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben. Aus diesem Grund verlangt das BSG, dass die Fallzahl des geprüften Arztes mindestens 20% der durchschnittlichen Fallzahl der Vergleichsgruppe beträgt (BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 17/11 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 35; BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 50/97 RSozR 3-2500 § 106 Nr. 45). Diese Marge wird im vorliegenden Fall allerdings durchgängig bei weitem erreicht.

 

Quartal

ZA Fallzahl

KZV Fallzahl

Fallzahl Abw. %

1/2015

682

815

- 16%

2/2015

593

784

- 24%

3/2015

636

760

- 16%

4/2015

561

788

- 29%

1/2016

562

784

- 28%

2/2016

708

766

- 8%

3/2016

696

711

- 2%

4/2016

640

757

- 15%

Gesamt

5.078

6.165

- 17%

 

e) Gegen den statistischen Einzelleistungsvergleich betreffend die Gebührennummer 04 BEMA bestehen keine Bedenken.

 

aa) Er betrifft eine Leistung, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch ist und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 – a.a.O. – Rn. 17).

 

Der Beklagte hat dies – wie sich aus dem unten zitierten Zahlenwerk seines Beschlusses ergibt – hier im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums zutreffend angenommen:

 

 

Quartal

Fallzahl Praxis

Leistungen Praxis

Praxis Ø

Fallzahl KZV

Leistungen pro Quartal (nur

Abrechner

KZV Ø

Praxis Abw. %

1/15

682

231

33,9

815

47,4

5,8

484,5

2/15

593

193

32,5

784

43,9

5,6

480,4

3/15

636

186

29,2

760

49,0

6,4

356,3

4/15

561

160

28,5

788

48,1

6,1

367,2

 

 

 

 

 

 

 

 

1/16

562

166

29,5

784

41,0

5,2

467,3

2/16

708

250

35,3

766

41,5

5,4

553,7

3/16

696

224

32,2

711

43,0

6,0

436,7

4/16

640

216

33,8

757

57,5

7,6

344,7

 

bb) Die Gebührennummer 04 BEMA ist auch nicht etwa deshalb aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen, weil es sich um ein Screening-Verfahren handelt.

 

(1) § 106 SGB V ist Ausfluss des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot i.S.d. § 12 SGB V. So gibt § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine allgemeine Beschreibung der Aufgabe der Überwachung der Wirtschaftlichkeit. Damit wird Bezug genommen auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V, das als tragende Säule alle Leistungsbereiche der GKV strukturiert und daher einen entsprechend hohen Stellenwert genießt (Ulrich in: jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 106 Rn. 30). Insofern bestimmt § 92 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 SGB V, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließt, insbesondere Richtlinien über die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung. In der auf dieser Grundlage durch den GBA erlassenen Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie; hier in der Fassung vom 1. März 2006) heißt es demnach unter B. I. 1. wörtlich:

 

„Bei der Untersuchung sollen die klinisch notwendigen Befunde erhoben werden. Sie umfasst auch ggf. die Erhebung des Parodontalen Screening-Index (PSI). Bei Code 1 und 2 liegt eine Gingivitis, bei Code 3 und 4 eine Parodontitis vor.“

 

Bereits dem Wortlaut („notwendigen“, „ggf.“) lässt sich die durch den GBA beabsichtigte Unterordnung des PSI unter das Wirtschaftlichkeitsgebot entnehmen.

 

(2) Insoweit ist lediglich ergänzend darauf Bezug zunehmen, dass auch die im BEMA eingeschränkte Abrechnungsbefugnis („alle zwei Jahre“) auf eine ökonomische Einschränkung und damit auf das Wirtschaftlichkeitsgebot hindeutet.

 

(3) Dass Screening- und damit im weitesten Sinne Vorsorgeleistungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterfallen, ist zudem bereits höchstrichterlich entschieden (vgl. zur Grippeimpfung: BSG, Urteil vom 21. März 2018 – B 6 KA 31/17 R –SozR 4-2500 § 106 Nr. 58, Rn. 28).

 

f) Beurteilungsfehlerfrei hat der Beklagte eine Praxisbesonderheit wegen des paradontologischen Schwerpunktes anerkannt <unter aa)>.

 

aa) Bei Praxisbesonderheiten handelt es sich um Umstände, die in der Patientenstruktur liegen und nicht arztbezogen sind; sie rühren aus der Zusammensetzung der Patienten her, wirken sich auf das Behandlungsverhalten des Vertragsarztes aus und sind in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen. Die Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden, und diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 79/03 R – juris; BSG, Urteil vom 6. September 2000 – B 6 KA 24/99 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 50). Ein Tätigkeitsschwerpunkt allein stellt nicht schon eine Praxisbesonderheit dar (BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 17/08 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 23).

 

Nur wenn der Arzt aufgrund eines besonderen Zuschnitts seines Patientenklientels einen signifikant höheren Anteil an schwierigen Krankheitsfällen hat als der Durchschnitt der Vergleichsgruppe, kann eine Praxisbesonderheit erwogen werden. Dafür muss der Arzt aber den besonderen Zuschnitt seiner Patientenschaft beschreiben und plausibel machen, dass er damit signifikant vom arztgruppenüblichen Bild abweicht. Dabei ist es Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch Praxisbesonderheiten o-der kompensatorischen Minderaufwendungen zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002 – B 6 KA 1/02 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 57; Senat, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 11 KA 11/10 – juris). Seiner Mitwirkungspflicht hat der Vertragsarzt grundsätzlich bereits im Verwaltungsverfahren zu genügen, um die erforderlichen Erkenntnisgrundlagen durch das fachkundig besetzte Gremium würdigen zu können; er erfüllt die Mitwirkungspflicht nur dann, wenn er konkret darlegt, bei welchem der von ihm behandelten Patienten, aufgrund welcher Erkrankungen welcher Mehraufwand erforderlich gewesen ist (vgl. zum Ganzen: Senat, Urteil vom 18. Mai 2011 – a.a.O.). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle – nach Art einer Einzelprüfung – anführen und medizinisch erläutern muss; es genügt, strukturell die methodischen Zusammenhänge und die medizinische Gleichwertigkeit darzulegen. Dies kann z.B. in der Weise geschehen, dass er die bei ihm schwerpunktmäßig behandelten Erkrankungen aufzählt und mitteilt, welcher Prozentsatz von seinen Patienten ihnen jeweils zuzuordnen ist und welcher Aufwand an Behandlung durchschnittlich für die Therapie einer solchen Erkrankung erforderlich ist (Ulrich a.a.O. § 106a Rn. 55). Gelingt das nicht, geht dies zu Lasten des Arztes (Senat, Urteil vom 17. Dezember 2014 – L 11 KA 46/14 – juris).

 

Dass der Arzt seiner Darlegungs- und Beweislast demnach nur nach einer – u.U. aufwendigen – Auswertung der gespeicherten Daten gerecht werden kann, steht dem nicht entgegen (BSG, Urteile vom 28. September 2016 – B 6 KA 44/15 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 55, Rn. 32 und – B 6 KA 43/15 R – juris, Rn. 35). Die Prüfgremien sind zu Ermittlungen von Amts wegen nur hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (BSG, Urteile vom 21. März 2012 – B 6 KA 17/11 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 35, Rn 17, 43 und – B 6 KA 18/11 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 34, Rn. 18, jeweils m.w.N.; BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 – B 6 KA 40/12 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 41, Rn. 16; BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 13/13 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 44, Rn. 14; BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – a.a.O., Rn. 43).

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte beurteilungsfehlerfrei eine Praxisbesonderheit wegen des parodontologischen Schwerpunktes der Praxis anerkannt und diesem Umstand durch ebenfalls beurteilungsfehlerfrei gewählte Überschreitungen (mehr als der dreifache Durchschnitt der Abrechner) Rechnung getragen. Die Anerkennung weitergehender Praxisbesonderheiten war nicht erforderlich.

 

Der Kläger setzt das PSI-Verfahren regelhaft ein. Das gilt auch für Patienten, die mit Zielauftrag an die Praxis überwiesen werden. Der Beklagte ging diesbezüglich beurteilungsfehlerfrei in seinem Beschluss davon aus, dass regelmäßige Erhebungen des PSI-Codes als Screening-Untersuchung bei zugewiesenen Behandlungsfällen mit konkreten Zielaufträgen in „keinem nachvollziehbaren und wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Überweisungen“ stehen.

 

Im Grundsatz ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es sich bei dem PSI nicht um eine Überweisungsleistung handelt. Lediglich ergänzend verweist der Senat diesbezüglich auf den Bescheid der Prüfungsstelle vom 10. August 2022 (S. 18 <Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Quartale des Jahres 2021>), wonach der Kläger dort offenbar selbst vorgetragen hat, dass das Screening keine (Überweisungs-) Behandlung darstelle.

 

Soweit der Kläger dennoch die Frage der Präzision der Überweisungsaufträge aufwirft, gilt, dass auch ein Vertragszahnarzt grundsätzlich an Zielaufträge gebunden ist. Nach § 10 BMV-Z (Stand: 10. April 2016) gilt für Überweisungen

 

„(1) Der Kassenzahnarzt kann, wenn erforderlich, den Kranken zur Durchführung bestimmter zahnärztlicher Leistungen oder zur Weiterbehandlung einem anderen Kassenzahnarzt oder einer sonstigen berechtigten Stelle (poliklinische Einrichtung der Hochschule, kasseneigenes Institut) überweisen; die Überweisung zur Weiterbehandlung an einen anderen Kassenzahnarzt ist nur in Ausnahmefällen zulässig.

(2) Eine Überweisung kann grundsätzlich nur ein Kassenzahnarzt vornehmen, dem eine gültige Krankenversichertenkarte vorliegt.“

 

Zwar fehlt eine § 24 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä vergleichbare Regelung, allerdings folgt aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Berufsordnung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe
vom 19. November 2005 (hier Stand: 14. März 2023), dass der Zahnarzt u.a. eine Überweisungsbehandlung über den begrenzten Auftrag und die notwendigen Maßnahmen hinaus nicht ausdehnen darf. Ist ein Zielauftrag nicht hinreichend präzise, ist er demgegenüber verpflichtet, beim Überweiser Nachfrage zu halten (Senat, Urteil vom 9. Juli 2014 – L 11 KA 142/11 zu Vertragsärzten).

 

Unabhängig von dieser Frage ist weder erkennbar noch durch den Kläger hinreichend substantiiert vorgetragen, in welchem Fällen, in denen ihm Patienten zur chirurgischen Behandlung überwiesen worden sind, einzelfallbezogen ein PSI erforderlich gewesen ist.

 

Der Beklagte verweist insofern zutreffend darauf, dass es auch bei Berücksichtigung des Vortrages bezogen auf unkorrekte/unvollständige Zielaufträgen nicht nachvollziehbar sei, woraus sich regelmäßig die Notwendigkeit eines Screenings bei Patienten ergeben solle, die für chirurgische Maßnahmen wie z.B. Wurzelspitzenresektionen oder Osteotomien zugewiesen werden. Der Beklagte hat sich diesbezüglich auf die Auswertung von 26 gesichteten Behandlungsfällen aus dem Quartal 1/2015 gestützt. In 24 der gesichteten Fälle lagen Überweisungen vor; gleichfalls in 24 der Fälle wurde ein PSI-Code erhoben. In 20 Fällen erfolgte die Überweisung mit überwiegend chirurgischen Zielaufträgen.

 

Auch die Erwägung des Beklagten, dass der nahezu flächendeckende Einsatz des PSI nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben der vertragszahnärztlichen Tätigkeit steht, ist im Hinblick auf die obigen Erwägungen beurteilungsfehlerfrei.

 

Letztlich ist die Einlassung des Klägers besser, gründlicher und sorgfältiger als die Fachkollegen zu praktizieren, nicht geeignet, objektiv festgestellt und als Praxisbesonderheit anerkannt zu werden. Dabei handelt es sich gerade nicht um Umstände, die in der Patientenstruktur liegen, sondern die – wenn sie zutreffen sollten –arztbezogen sind.

 

g) Für die Annahme kompensatorischer Einsparungen ist vorliegend weder etwas ersichtlich noch vorgetragen.

 

h) Der Beklagte hat beurteilungsfehlerfrei die Überschreitung des durchschnittlichen Aufwands der Vergleichsgruppe i.S.e.  offensichtlichen Missverhältnis festgestellt.

 

Bei der Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis haben die Prüfgremien ebenfalls einen Beurteilungsspielraum. Sie können dabei Besonderheiten des konkreten Einzelfalles berücksichtigen. Beispielweise kann der Gesichtspunkt, dass die Vergleichsgruppe vom Aufwand her in sich sehr inhomogen ist, dazu führen, die Grenze höher anzusetzen, während sie im Falle einer sehr homogenen Vergleichsgruppe niedriger angesetzt werden kann (Ulrich a.a.O. § 106a Rn. 80 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 38/10 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 33). Früher wurde die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis in Fällen des Vergleichs von Gesamtfallwerten des Arztes mit denen der Vergleichsgruppe in der Regel bei einer Durchschnittsüberschreitung um ca. 50-60% angesetzt. Heute geht die Tendenz dahin, die Grenze eher bei 40%, gelegentlich sogar bei nur ca. 30%, anzusetzen, besonders bei homogenen Arztgruppen. Dies gilt vor allem dann, wenn – wie dies zunehmend geschieht – etwaige anzuerkennende Praxisbesonderheiten des Arztes – sowie eventuelle kompensatorische Einsparungen – schon vorab herausgerechnet werden (Ulrich a.a.O. § 106a Rn. 81 m.w.N.; BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – a.a.O., Rn. 54 f.). Die Festlegungen können je nach Art der Vergleichsprüfung und dem Maß der Homogenität demnach auf Überschreitungen ab 30 % bis 60 % erfolgen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – a.a.O., Rn. 55)

 

Vorliegend hat der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis auf eine Überschreitung von +100% festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – a.a.O., Rn. 55 zu 40%+x). Das ist unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze nicht zu beanstanden.

 

Der Beklagte hat dem oben anerkannten Umstand der Praxisbesonderheit wegen eines paradontologischen Schwerpunktes durch entsprechende Überschreitungen im Rahmen seines Ermessens Rechnung getragen. Dies ist gleichfalls nicht angreifbar.

 

Die Prüfgremien haben im Falle unwirtschaftlichen Behandlungsverhaltens bei der Bemessung der Honorarkürzung einen weiten Ermessensspielraum bei ihrer Entscheidung, wie hoch sie die Kürzung bemessen, und brauchen im Regelfall ihr Entscheidungsergebnis auch nicht näher zu erläutern (Ulrich a.a.O. Rn. 85).

 

Die Prüfungsstelle kam bereits zu einer Toleranz von 400%, die zu berücksichtigen sei. Dies ist aus Sicht des Beklagten nicht ausreichend gewesen, um die Morbiditätsstruktur der Klientel zu beachten. Er hat unter Berücksichtigung sämtlicher Besonderheiten daher entschieden, dass das Honorar der abgerechneten Leistungen nach der Gebührennummer 04 insoweit zu kürzen sei, soweit der allgemeine Durchschnitt dieser Leistungen um mehr als der 3-fache Durchschnitt der Abrechner dieser Leistungen überschritten werde.

 

Die Kostenentscheidung folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

 

Der Streitwert folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

 

Rechtskraft
Aus
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