1. Ein Antrag auf endgültige Festsetzung nach § 41a Abs. 3 SGB II kann bis zur Wirksamkeit der Entscheidung über den Antrag zurückgenommen werden.
2. Hat die endgültige Festsetzung eine Erstattungsforderung zur Folge und hat das Jobcenter den Leistungsempfänger in diesem Fall nicht über eine naheliegende Möglichkeit der Rücknahme des Antrags auf endgültige Festsetzung beraten, ist der Leistungsempfänger im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, ab ob er die Rücknahme vor Wirksamkeit des Verwaltungsakts erklärt hätte.
GSW Sozialgericht Berlin |
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
1. …
2. …
3. …
4. …
- Kläger -
Proz.-Bev.:
zu 1-4: …
gegen
Jobcenter Berlin Neukölln,
Mainzer Str. 27, 12053 Berlin,
…
- Beklagter -
hat die 126. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 6. Mai 2024 durch den Richter am Sozialgericht … sowie die ehrenamtlichen Richterinnen … und … für Recht erkannt:
Die Bescheide vom 4. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2021 betreffend den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Aufhebung von Festsetzungs- und Erstattungsbescheiden betreffend den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021.
Mit Bescheiden vom 14. Juni 2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Oktober 2020, 28. Oktober 2020 und 21. November 2020 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021. Beim Kläger zu 2) wurde dabei ein prognostiziertes Einkommen in Höhe von 940 Euro brutto und 750 Euro netto vorläufig angerechnet.
Mit Schreiben vom 10. September 2021 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1) auf, bis zum 27. September 2021 mitzuteilen, ob sie die „endgültige Festsetzung (Einkommenskorrektur) für die Bewilligungszeiträume August 2020 bis Januar 2021 und Februar 2021 bis Juli 2021“ wünschen.
Mit weiterem Schreiben vom 10. September 2021 teilte der Beklagte dem Kläger zu 2) mit, dass zu überprüfen sei, ob und inwieweit ein Anspruch auf Leistungen bestehe bzw. bestanden habe. Es würden hier noch alle Lohnabrechnungen ab Februar 2021 bis August 2021 sowie Nachweise über den Erhalt der Lohnzahlungen benötigt. Es werde gebeten, diese bis zum 27. September 2021 einzureichen. Dieses Schreiben wurde auch an die Klägerin zu 1) in Kopie geschickt.
Der Kläger zu 2) teilte mit Schreiben vom 26. September 2021 mit, dass er als Anlage die angeforderten Unterlagen übersende und er um „Einkommenskorrektur“ für die Zeiträume August 2020 bis Januar 2021 sowie Februar bis Juli 2021 bitte. Dem Schreiben waren die entsprechenden Gehaltsbescheinigungen beigefügt.
Mit Bescheiden vom 4. November 2021 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch für den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021 endgültig fest und forderte die Kläger mit weiterem Bescheid vom selben Tag zur Erstattung von Leistungen in Höhe von 702,23 Euro (Kläger zu 2)), sowie mit weiterem Bescheid zur Erstattung von Leistungen in Höhe von 778,68 Euro (Klägerin zu 1)) sowie jeweils 235,21 Euro (Kläger zu 3) und 4)) auf.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2021 legten die Kläger gegen die Bescheide vom 4. November 2021 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2021 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. November 2021 betreffend den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021 als unbegründet zurück. Ausweislich der vorgelegten Entgeltabrechnungen des Klägers zu 2) habe dieser deutlich mehr erwirtschaftet als vorläufig angerechnet wie folgt:
- Juli 2020 (Zufluss August 2020): 1,522,57 Euro brutto, 1.193,87 Euro netto
- August 2020 (Zufluss September 2020): 1.509,88 Euro brutto, 1.183,93 Euro netto
- September 2020 (Zufluss Oktober 2020): 1.433,75 Euro brutto, 1.124,33 Euro netto
- Oktober 2020 (Zufluss November 2020): 1.459,12 Euro brutto, 1.144,13 Euro netto
- November 2020 (Zufluss Dezember 2020): 1.509,88 Euro brutto, 1.183,93 Euro netto
- Dezember 2020: (Zufluss Januar 2021): 1.072,42 Euro brutto, 943,83 Euro netto
Dies ergebe ein monatliches Durchschnittseinkommen in Höhe von 1.417,94 Euro brutto, 1.129 Euro netto. Die Kläger hätten die Differenz zwischen dem vorläufig angerechneten und um den Freibetrag in Höhe von 268 Euro bereinigten Einkommen in Höhe von 482 Euro und dem tatsächlich erwirtschafteten und bereinigten Einkommen in Höhe von 807,21 Euro zu erstatten. Die hiergegen erhobene Klage beim Sozialgericht Berlin wurde zum hiesigen Aktenzeichen registriert.
Die Kläger haben Klage erhoben. Sie behaupten, dass sich in der Akte des Beklagten Einkommensbescheinigungen des Arbeitsgebers befänden, die sich mit den Angaben des Beklagten im Bescheid vom 4. November 2021 deckten. Jedoch sei weder der tatsächliche Zufluss des Einkommens aus Erwerbstätigkeit noch die Zusammensetzung des Lohns seitens des Beklagten ermittelt worden. Nach den Angaben in den Einkommensbescheinigungen errechnete sich ein Durchschnittseinkommen des Klägers zu 2) in Höhe von 1.417,94 Euro brutto, 1.129 Euro netto.
Die Kläger tragen mit Schriftsatz vom 17. November 2022 vor, der Antrag auf „Einkommenskorrektur“ werde zurückgenommen. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass sich ein Anspruch der Kläger auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe. Die Kläger hätten bei der Aufforderung zur Mitteilung, ob eine endgültige Festsetzung erfolgen solle, darüber informiert werden müssen, das die endgültige Festsetzung nach aktueller Rechtslage für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht beantragt werden müsse und dass die endgültige Festsetzung nicht zur zu Nachzahlungen zugunsten der Kläger, sondern auch zu Erstattungsansprüchen führen könne.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Bescheide vom 4. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2021 betreffend den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, zu der erklärten Antragsrücknahme auf die endgültige Festsetzung sei weder in § 41a SGB II noch in § 67 SGB II eine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dürfte den Klägerin nicht zustehen, da mit der endgültigen Festsetzung vom 4. November 2021 der Anspruch für den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021 die Leistungen ordnungsgemäß berechnet worden seien. Zudem hätten die Kläger erkennen können, dass in der vorläufigen Entscheidung vom 14. Juni 2020 deutlich weniger Einkommen angerechnet worden sei als der Kläger zu 2) tatsächlich verdient habe.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
I. Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.
II. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
1. Der in der Bitte auf „Einkommenskorrektur“ enthaltene auslegungsfähige Antrag auf endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs im Sinne von § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II wurde zunächst nicht im Rahmen der hiesigen Klage wirksam zurückgenommen.
Die Rücknahme oder der Widerruf eines Antrags auf Sozialleistungen ist nur bis zum Wirksamwerden der Entscheidung über die Bewilligung der Leistung im Sinne von § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich (BSG, Urteil vom 17. April 1986 – 7 RAr 81/84). Bis dahin bleibt die Willenserklärung des Bürgers bei mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten ohne Außenwirkung. Sie ist lediglich ein Internum zwischen Verwaltung und Bürger und daher bis zu diesem Zeitpunkt generell frei widerrufbar (Spellbrink in BeckOGK, Stand 1. Dezember 2020, SGB I, § 16 Rn. 24 m.w.N.).
Vorliegend wurde die Rücknahme des Antrags auf abschließende Festsetzung erst im Rahmen des hiesigen Verfahrens und damit nach Wirksamwerden des Verwaltungsakts erklärt, weshalb sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war.
2. Allerdings sind die Kläger vorliegend so zu stellen, als ob sie den Antrag vor Wirksamkeit des Verwaltungsakts gestellt hätten, da sie einen entsprechenden sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen den Beklagten haben. Denn dieser hat sie nicht über die Möglichkeit der Rücknahme des Antrags beraten.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch I (SGBI)), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R).
Dem Beklagten oblag vorliegend eine gesteigerte Beratungspflicht.
Rechtsgrundlage für die Beratungspflicht in Form einer Hinweispflicht sind zum einen §§ 14, 15 SGB I. Eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers bzw. des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten (vgl. BSG Urteil vom 17. August 2000 - B 13 RJ 87/98 R). Wie das Bundessozialgericht mit Urteil vom 8. Februar 2007 (B 7a AL 22/06 R) entschieden hat, besteht ausnahmsweise jedoch auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Versicherungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine nahe liegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (stRspr des BSG; vgl BSG SozR 4-1200 § 14 Nr. 5 S. 8 mit Anm. Münder, SGb 2005, 239; BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr. 1; SozR 3-2600 § 115 Nr. 9 S. 59 mit Anm. Köhler, SGb 2003, 407; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 29 S. 96 mit Anm. Hase, SGb 2001, 593; SozR 3-4100 § 110 Nr. 2 S. 9; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16 S. 49; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 6 S. 13; BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998 - B 5 RJ 56/97 R - SGb 1999, 26; Meyer, SGb 1985, 57; Funk, SDSRV 39, 51, 54 ff). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16 S. 50). Sie liegt jedenfalls nahe, wenn sie im Gesetz ausdrücklich geregelt ist. Eine derartige Verpflichtung zur Spontanberatung trifft den Sozialleistungsträger insbesondere im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses. Zum Leistungsrecht der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach dem SGB III hat der 7. Senat des BSG entschieden, dass ein solches Sozialrechtsverhältnis bereits durch die Arbeitslosmeldung bzw. die Antragstellung bei der BA entsteht (BSG SozR 4-4300 § 324 Nr. 3 Rn. 18; BSG SozR 4100 § 44 Nr. 9 S. 28; BSGE 92, 267, 269 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1 S. 3). Dementsprechend hat eine gesteigerte Beratungs- und Hinweispflicht der Beklagten hier bereits im Zeitpunkt der Antragstellung eingesetzt. Es besteht keine Veranlassung, Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II hinsichtlich ihrer Hinweis- und Beratungsrechte anders zu behandeln als Antragsteller nach dem SGB III. Die §§ 14, 15 SGB I beanspruchen insofern Geltung in allen Büchern des SGB (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R).
Diese Pflicht hat der Beklagte vorliegend verletzt, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Verletzung schuldhaft erfolgt ist (Sartorius in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Auflage 2013, Kapitel 56 Rn. 5).
Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 10. September 2021, in dem er die Klägerin zu 1) frage, ob sie die endgültige Festsetzung (Einkommenskorrektur) wünsche, nicht darauf hingewiesen, dass dies ggf. auch dazu führen könne, dass Leistungen zu erstatten sind. Der Begriff „Einkommenskorrektur“ lässt hierauf nicht zwingend schließen. Im Gegenteil lässt sich die Frage, ob eine Korrektur des Einkommens gewünscht werde, eher dahingehend auslegen, ob eine Korrektur zum Besseren gewünscht werde, nicht aber auch, dass diese zu Lasten der Kläger gehen könne.
Zwar lag diesem Schreiben noch keine konkrete Berechnung zugrunde, da dem Beklagten die Berechnungsgrundlagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlagen. Vor diesem Hintergrund wäre es nach Ansicht der Kammer aber notwendig gewesen, nach Durchführung der entsprechenden Berechnungen die Kläger darauf hinzuweisen, dass vorliegend die Einkommenskorrektur zu einem für sie negativen Ergebnis führen werde und dass die Gelegenheit der Rücknahme des Antrags bestehe.
Das Bundessozialgericht führt in seinem Urteil vom 17. April 1986 – 7 RAr 81/84 in anderem Kontext zur Frage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei fehlender Beratung über die Möglichkeit der Rücknahme eines Antrags aus:
„Ob der Kläger, wie er meint, sein Begehren auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen kann, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG, das diese Anspruchsvoraussetzungen nicht geprüft hat, nicht entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch dann, wenn der Versicherungsträger eine sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebende Nebenpflicht zur Auskunft, Belehrung und verständnisvollen Förderung des Versicherten verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlaß zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind (BSGE SozR 1200 § 14 Nr 15; 5750 Art 2 § 51a Nr 62; s außerdem Urteile des Senats vom 21. Mai 1980 - 7 RAr 31/79 -; vom 19. Juni 1980 - 7 RAr 14/79 -; vom 9. Dezember 1982 - 7 RAr 35/82 - in AuB 1984, 59.) Die Revision stützt ihr Vorbringen nicht darauf, daß der Kläger ausdrücklich um eine solche Beratung nachgesucht hat, sondern macht geltend, daß die Beklagte von Amts wegen verpflichtet gewesen sei, ihn bei seiner Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 30. September 1981 auf die Gestaltungsmöglichkeit zur Erlangung eines höheren Anspruchs auf Alg hinzuweisen. Zu einem derartigen Handeln ist der Versicherungsträger nur verpflichtet, wenn bei der Prüfung eines Antrages Gestaltungsmöglichkeiten zutage treten, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheint, daß sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nützen würde (BSGE 46, 124 = SozR 2200 § 1290 Nr 11; Urteil des BSG vom 27. September 1983 - 12 RK 75/82 -). Das ist im vorliegenden Falle nicht auszuschließen.
Die relativ lange Bearbeitungszeit des Antrages vom 31. Juli 1981, die mit Erlaß des Bescheides vom 16. November 1981 endete, deutet darauf hin, daß dem Sachbearbeiter des Arbeitsamtes bei der Prüfung dieses Antrages bekannt war, daß der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung von Alg am 30. September 1981 gestellt hatte. Da zwischen der Erteilung des Bescheides vom 16. November 1981 und der Stellung des zweiten Antrages ein Zeitraum von rund eineinhalb Monaten liegt, besteht die Möglichkeit, daß dem Sachbearbeiter bei der Prüfung des ersten Antrages bereits bekannt war oder auf Grund des Akteninhalts bekannt sein mußte, daß der Kläger bei seiner Tätigkeit bei der Firma H. GmbH ein erheblich höheres Arbeitsentgelt erzielt hatte als das, welches der Bemessung des Alg zugrunde gelegt worden ist. Dann hätte sich ihm aufdrängen müssen, daß das Alg des Klägers bei Zugrundelegung des zuletzt erzielten Arbeitsentgelts erheblich höher gewesen wäre als das ab 31. Juli 1981 für drei Werktage gewährte. Wenn dem Sachbearbeiter bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, daß die erneute Arbeitslosigkeit des Klägers schon längere Zeit dauerte, hätte es sich ihm schon bei einer überschlägigen Prüfung aufdrängen müssen, daß sich der Kläger wirtschaftlich besser gestanden hätte, wenn er den Antrag vom 31. Juli 1981 nicht gestellt hätte. Es hätte dann nahegelegen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß die Rücknahme des ersten Antrages für ihn vorteilhaft war. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Kläger habe im vorliegenden Falle keinen Anspruch auf entsprechende Beratung gehabt, weil dies zur Umgehung des Gesetzes führe. Wie bereits oben dargelegt wurde, ist dies hier nicht der Fall, weil es sich um Gestaltungsmöglichkeiten handelt, die der Gesetzgeber dem Arbeitslosen eingeräumt hat. Sollte die Beratung des Klägers deshalb unterblieben sein, weil der Sachbearbeiter aus den in der Revisionserwiderung ausgeführten Gründen meinte, hierzu nicht verpflichtet oder berechtigt zu sein, dann würde es sich um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum handeln. Die Beklagte wäre auch unter diesen Umständen verpflichtet, sofern die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Herstellungsanspruches bestehen, den Kläger so zu stellen, als ob er von ihr darauf hingewiesen worden wäre, daß die Rücknahme des ersten Alg-Antrages für ihn vorteilhaft sei.“
Nach diesen Maßstäben reicht es vorliegend aus, dass dem Sachbearbeiter bekannt war, dass der vom Beklagten angeregte Wunsch nach Einkommenskorrektur eine Erstattungsforderung zu Lasten der Kläger zur Folge hatte. Wäre die Korrespondenz nicht schriftlich verlaufen, sondern hätte die Berechnung im Rahmen eines gemeinsamen Termins stattgefunden, wäre zu erwarten gewesen, dass entsprechende Gelegenheit zur Rücknahme gegeben wird, bevor die Entscheidung bekannt gegeben wird. Diese Maßstäbe müssen nach Ansicht der Kammer jedenfalls in entsprechend offenkundigen Fällen auch für die vorliegende schriftliche Korrespondenz gelten.
In Folge ist derjenige Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn die fehlerhafte Beratung nicht erfolgt wäre. Dann aber hätten die Kläger den Antrag auf endgültige Festsetzung noch vor Bekanntgabe der Entscheidung zurückgenommen.
3. In Folge bestand keine Grundlage für eine endgültige Festsetzung, da nach § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II für Bewilligungszeiträume, die bis zum 31. März 2021 begonnen haben – wie dies hier der Fall ist – abweichend von § 41a Abs. 3 SGB II nur auf Antrag abschließend über den Leistungsanspruch entschieden wird. Eine abschließende Festsetzung von Amts wegen im Sinne von § 41a Abs. 3 SGB II kommt daher nicht in Betracht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG).