S 18 R 737/22

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 18 R 727/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Dienst als Soldat auf Zeit im Wachregiment Berlin führt wegen der damit einhergehenden Zugehörigkeit zum Versorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS zu einer Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Entgelts gemäß § 7 Abs. 1 AAÜG i. V. m. Anlage 6 AAÜG.

Die während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG konkret ausgeübte Beschäftigung ist dabei unbeachtlich, so dass auch eine ausschließlich sportliche Betätigung als aktiver Leistungssportler erfasst ist.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger macht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens geltend, dass bei ihm im Zeitraum 01.04.1970-30.06.1976 nicht die Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten, um die niedrigere als die regelmäßige Beitragsbemessungsgrenze für seine Jahresverdienste zur Anwendung zu bringen.

Der Kläger ist 1950 geboren. Seit 6/2015 bezieht er Altersrente. Er war bereits seit 1965 bei der G Bezirkssportmannschaft L im Fallschirmspringen aktiv. Nach einer Lehre zum Elektromonteur trat er in 4/1970 den Dienst als Soldat auf Zeit beim Wachregiment „F D“ an, wo er eine 12-wöchige Grundausbildung absolvierte. Danach war er bis 6/1976 als Leistungssportler im Fallschirmspringen aktiv, wobei er dem SC Dynamo H, Sektion Fallschirmsport angehörte. Zum 29.06.1976 wurde er aus dem Dienst des Wachregiments B des Ministeriums für Staatssicherheit (im Folgenden: MfS) entlassen und in die Reserve der NVA versetzt. Dem Entlassungsbefehl vom 24.06.1976 ist zu entnehmen, dass Grund hierfür die „Nichteignung für den Dienst im MfS“ war. Der Kläger durchlief im Dienst als Soldat auf Zeit die Dienstgrade des Soldaten, ab 1971 des Gefreiten und Stabsgefreiten, ab 2/1972 war er Unteroffizier, ab 2/1973 Unterfeldwebel, ab 10/1973 Feldwebel und ab 10/1974 Oberfeldwebel. Seine Dienststellung lautete ab 1970 bis 1976 auf Sportinstrukteur beim DEK.

Ab 7/1976 war der Kläger als Sachbearbeiter bei der Volkspolizei tätig, absolvierte dann ein Studium in Kriminalistik an der Offiziersschule in A und trat in 3/1981 als Unterleutnant bei der Kriminaldirektion A1 in den Dienst des MfS ein, wo er bis 2/1990 beschäftigt war.

Die Beklagte begann vom Amts wegen in 2005 die Bearbeitung der Überführung der Versorgungsanwartschaften. Sie holte unter anderem eine Auskunft der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) vom 14.02.2006 ein. Darin wird mitgeteilt, dass der Kläger vom 01.04.1970-29.06.1976 aktiven Wehrdienst in der Art „Dienst auf Zeit“ beim Wachregiment B „F D“ geleistet habe. Das Wachregiment sei eine Struktureinheit des Staatssicherheitsdienstes gewesen, die Einstellung sei auf freiwilliger Basis erfolgt. Laut Dienstlaufbahnordnung des MfS seien Soldaten und Unteroffiziere, die „Dienst auf Zeit“ leisteten, Angehörige des MfS gewesen und hätten in einem Dienstverhältnis des MfS gestanden. Zudem wurde eine Zeit der hauptamtlichen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst vom 01.03.1981 bis 28.02.1990 mitgeteilt mit letztem Dienstgrad Hauptmann.

Mit Überführungsbescheid vom 21.03.2006 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen zur Anwendung des AAÜG beim Kläger erfüllt sind. Für die Zeit vom 01.04.1970-30.06.1976 und vom 01.03.1981 bis 28.02.1990 habe die Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG bestanden. Die in diesen Zeiten erzielten Entgelte wurden in der Anlage 1 (Entgeltbescheinigung nach § 8 AAÜG) festgestellt. Unter Ziff. 5 des Bescheides heißt es weiter: „Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze i. S. d. § 7 AAÜG (i. V. m. Anlage 6 AAÜG) in der aktuellen Fassung durch den Rentenversicherungsträger sind erfüllt.“

In der Entgeltbescheinigung sind die Jahresbruttoentgelte aufgeführt, dem gegenübergestellt wurden die Entgelte nach AAÜG. Im streitigen Zeitraum überstiegen ab 1973 bis 1976 die tatsächlichen Entgelte die Beträge der Entgelte nach AAÜG.

Mit Schreiben vom 16.09.2015, eingegangen am 23.09.2015 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag und machte geltend, während des Zeitraums 4/1970-6/1976 nicht dem MfS zugehört zu haben. Er sei aktiver Leistungssportler im Fallschirmspringen und Mitglied der DDR-Nationalmannschaft „Fallschirmsport“ gewesen. Es habe keine Mitarbeitertätigkeit vorgelegen, so dass keine Begrenzung nach § 7 AAÜG vorzunehmen sei.

Mit Bescheid vom 29.09.2015 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab und verwies wiederum auf die Auskunft der BStU vom 14.02.2006. Auch der Wehrdienstausweis weise die Zugehörigkeit zur Behörde MfS aus. Die Besoldung sei nach der Besoldungsordnung des MfS erfolgt, Beiträge seien für das Versorgungssystem der MfS einbehalten worden. Daher habe der Kläger dem Versorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 AAÜG angehört. Das AAÜG treffe keine Unterscheidung hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit. Die Voraussetzungen der Begrenzung seien gegeben. Der Bescheid vom 21.03.2006 habe im Übrigen die unbegrenzten Entgelte festgestellt. Eine eventuelle Begrenzung werde vom Rentenversicherungsträger vorgenommen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 06.11.2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14.12.2015 Klage zum Sozialgericht erhoben. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 18 R 3359/15 geführt. Der Kläger hat wiederum geltend gemacht, dass er während der Zeit von 1970-1976 nicht als hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS tätig gewesen sei. Er habe eigentlich als Fallschirmjäger zur NVA gehen wollen. Jedoch hätten Leistungssportler in der DDR keinen Einfluss darauf gehabt, in welchem Sportclub sie trainieren durften. Dies sei vorgegeben worden. Er habe als Sportsoldat unter Profibedingungen trainiert, im „Dienst auf Zeit“ sei er als aktiver Leistungssportler ausschließlich im sportlichen Bereich tätig gewesen. Die Besoldung durch das MfS sei dadurch bedingt gewesen, dass dieses die finanzielle und materielle Ausstattung des SC Dynamo mit übernommen habe. Im Übrigen sei er in Unehren im Dienstgrad Oberfeldwebel entlassen worden, da er die Mitarbeit im MfS abgelehnt habe. Das Klageverfahren wurde am 04.04.2016 ruhend gestellt, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er Antrag auf Einsicht in die Unterlagen bei der BStU gestellt habe.

Am 26.07.2022 hat der Kläger die Wiederaufnahme des Klageverfahrens beantragt. Er hat weitere Unterlagen zu seinem Dienst im streitigen Zeitraum vorgelegt, woraus sich seines Erachtens ergebe, dass er vor 1981 weder als hauptamtlicher noch als inoffizieller Mitarbeiter des MfS tätig gewesen sei. Die vorgelegten Beurteilungen beträfen ausschließlich seine sportlichen Leistungen. Erst in 1981 sei er bei der Kriminaldirektion als Mitarbeiter des MfS eingestellt worden, was u. a. dadurch bestätigt werde, dass er am „Einführungslehrgang für neu eingestellte Angehörige des MfS“ teilgenommen habe (Teilnahmebescheinigung vom 06.04.1981). Die Tätigkeit als Sportinstrukteur sei nicht als Mitarbeit im MfS zu werten. Er sei nicht in die direkte Tätigkeit der MfS-Organe einbezogen gewesen. Insofern habe er Anspruch auf die Berücksichtigung seiner vollen nachgewiesenen Entgelte.

Der Kläger hat unter anderem den Einstellungsbescheid vom 05.03.1970 eingereicht, womit er „zur Ableistung eines 3-jährigen Dienstes (…) mit Wirkung zum 01.04.1970 in das Wachregiment B F D als Soldat auf Zeit eingestellt“ wurde. Außerdem hat er die Verpflichtungserklärung vom 25.04.1970, „im Ministerium für Staatssicherheit als Soldat auf Zeit mindestens 3 Jahre Dienst zu leisten“ vorgelegt. Dort heißt es unter anderem: „Ich verpflichte mich, alle meine Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen, um die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zu erfüllen.“ Aus den eingereichten Beurteilungen vom 17.12.1970, 07.11.1972 und 28.04.1976 geht der jeweilige Dienstgrad und die Dienststellung als Sportinstrukteur hervor. In einer Aktennotiz der Abteilung Kader des Wachregiments B vom 24.06.1976 heißt es, dass der Kläger „wegen Nichteignung vorzeitig aus dem Dienst im Wachregiment entlassen“ wird. Aus einem Auszug aus dem Einstellungsbefehl zum 01.03.1981 in das MfS geht hervor, dass die anzurechnende Dienstzeit ab 04/70 gilt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 21.03.2006 zurückzunehmen und festzustellen, dass für die Beschäftigungszeit des Klägers vom 01.04.1970-30.06.1976 die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze im Sinne des § 7 AAÜG i. V. m. Anlage 6 zum AAÜG nicht erfüllt sind, da lediglich eine Tätigkeit als Leistungssportler ausgeübt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht weiterhin geltend, dass der Kläger doch ohne Zweifel dem Sonderversorgungssystem der Angehörigen der ehemaligen MfS angehört habe, unabhängig davon, dass er in erster Linie sportliche Ziele verfolgt habe. Dies würden auch die vorgelegten Dokumente nochmals bestätigen. Es würde keine Bewertung der Tätigkeit erfolgen, ob eine solche die Anwendung der niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze rechtfertige. Für die Feststellung nach § 7 AAÜG sei lediglich die Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem selbst von Bedeutung, es komme nicht auf die konkrete Tätigkeit an. Die Entscheidung über die Anwendung der niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze im konkreten Fall obliege zudem dem Rentenversicherungsträger.

Beim Sozialgericht Altenburg war ein weiteres Klageverfahren des Klägers gegen einen Vormerkungsbescheid des Rentenversicherungsträgers anhängig (Az.: S 2 R 942/11), welches durch Klagerücknahme endete. Ein weiteres Klageverfahren (Az.: S 2 R 2106/15) ruht. Dort ist Gegenstand der Rentenbescheid des Rentenversicherungsträgers vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2015; der Kläger wendet sich gegen die der Rentenberechnung zugrunde gelegten Entgelte in 1973-1976.

Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 21.03.2024 persönlich ausführlich angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, welche dem Gericht bei der Verhandlung und Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe

Die fristgerecht erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt 1 und 3 SGG) zulässig aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Korrektur bzw. teilweisen Rücknahme des Bescheides vom 21.03.2006 betreffend die Feststellungen für den Zeitraum 01.04.1970-30.06.1976, da die dort getroffenen Feststellungen rechtmäßig erfolgt sind.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach Abs. 2 ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Vorliegend ist § 44 Abs. 2 SGB X heranzuziehen. Dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der bestandskräftige Bescheid vom 21.03.2006 war im Zeitpunkt des Erlasses rechtmäßig.

Der Kläger gehörte im streitigen Zeitraum dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4 AAÜG an, so dass die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Recht erfolgt ist.

Die Kammer schließt sich insoweit vollumfänglich den im Bescheid vom 29.09.2015 und Widerspruchsbescheid vom 19.11.2015 enthaltenen Begründungen der Beklagten an und verweist gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die dortigen Ausführungen.

Nur ergänzend soll nochmals auf einzelne Punkte hingewiesen werden.

1. Die Beklagte hat hier als der Versorgungsträger nach § 8 Abs. 1 AAÜG in einem der Rentenfeststellung vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI ähnlichen Verfahren einzelne Daten (Tatsachen) verbindlich festzustellen, die für die Rentenberechnung durch den Rentenversicherungsträger von Bedeutung sein können. Das sind

  • die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem,
  • die Höhe des aus der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens,
  • die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (§§ 6 und 7 AAÜG) und
  • in den Fällen des § 8 Abs. 1 S. 3 AAÜG die Feststellung von Arbeitsausfalltagen (vgl. BSG, Urt. v. 20.12.2001 – B 4 RA 6/01 R, Rn. 37; BSG, Urt. v. 14.12.2011 – B 5 R 2/10 R, Rn. 24f).

Der Versorgungsträger hat hingegen nicht die Befugnis, Arbeitsentgelte in Form von Jahreshöchstwerten, sei es die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 3 oder die besondere Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 6 AAÜG verbindlich festzustellen. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 AAÜG. Dort wird zwischen dem tatsächlich erzielten „Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen“ einerseits und den sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergebenden „Daten“ andererseits unterschieden (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.04.2010 – L 22 R 1512/08, Rn. 32f).

Vorliegend wendet sich der Kläger vorrangig gegen die unter Ziff. 5 des Bescheides vom 21.03.2006 – speziell für den Zeitraum 01.04.1970-30.06.1976 – getroffene Feststellung der Beklagten, dass die tatsächlichen Voraussetzungen im Sinne des § 7 AAÜG i. V. m. Anlage 6 AAÜG erfüllt sind. Die Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem MfS/AfNS und die festgestellten Entgelte (Ziff. 1-4 des Bescheides) hat der Kläger letztlich nicht in Frage gestellt. Er beansprucht jedoch, wegen der konkret ausgeübten Tätigkeit als Leistungssportler nicht unter den § 7 AAÜG gefasst zu werden. Damit kann er jedoch nicht durchdringen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze des § 7 Abs. 1 AAÜG ergeben sich im Falle des Klägers aus dem Satz 1 dieser Vorschrift. Danach wird das während der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS bis zum 17.03.1990 maßgebende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zu Grunde gelegt. Die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass diese besondere Beitragsbemessungsgrenze im Falle des Klägers anzuwenden ist, folgen mithin bereits daraus, dass er in der Zeit vom 01.04.1970-30.06.1976 dem Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum AAÜG abgehört hatte. (Allein) mit dieser Zugehörigkeit zum Versorgungssystem sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze des § 7 Abs. 1 AAÜG gegeben, ohne dass es der Beklagten von Rechts wegen möglich oder sie gar verpflichtet gewesen wäre, weitere – aus dem geltenden Bundesrecht nicht ersichtliche – tatsächliche Voraussetzungen für die Anwendung dieser besonderen Beitragsbemessungsgrenze zu ermitteln oder festzustellen  (vgl. LSG Berlin, Urt. v. 16.06.2003 – L 16 RA 39/02, Rn. 17).

Das heißt, dass die konkrete Tätigkeit, die während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der MfS ausgeübt wurde, unerheblich ist für die Feststellung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG. Diese Vorschrift differenziert nicht nach Dienstgrad, Dienststellung oder sonstiger Position. Der Kläger kann daher aus seiner Betätigung als Leistungssportler keine Begründung für eine abweichende Beurteilung herleiten. Die Anwendung der Anlage 6 zum AAÜG knüpft gerade nicht an eine Tätigkeit als „operativer Mitarbeiter“ oder an ein Eingebundensein in geheimdienstliche oder sonstige Überwachungstätigkeiten. Sämtliche Bediensteten des MfS, die von der Versorgungsordnung erfasst wurden, werden insofern gleich behandelt.

Soweit der Kläger wiederholt darauf abstellt, während seiner Tätigkeit als Sportsoldat kein hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS gewesen zu sein, wird nochmals darauf hingewiesen, dass weder der § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG noch die Anlage 2 Nr. 4 oder Anlage 6 zum AAÜG von „hauptamtlichen Mitarbeitern“ des MfS sprechen. Angeknüpft wird nur an die Zugehörigkeit zum Versorgungssystem bzw. die Sonderversorgung der Angehörigen des MfS. Davon abgesehen umfasst der Begriff des hauptamtlichen Mitarbeiters sämtliche Personen, die in einem Dienstverhältnis mit dem MfS standen, eine regelmäßige Besoldung bezogen und auf die DDR, die SED und die Staatssicherheit vereidigt wurden. Neben den operativen Mitarbeitern - mit Aufgaben auf den für die geheimdienstlichen Tätigkeiten wichtigen Gebieten - gab es auch Mitarbeiter mit anderen Aufgaben, sowohl auf militärischen Gebiet, aber auch im Rahmen der sog. rückwärtigen Dienste (Schreibkraft, Küchenhilfe, Krankenschwester im medizinischen Bereich). Das MfS hatte im Jahr 1989  91.015 hauptamtliche Mitarbeiter, darunter 13.073 Zeitsoldaten (https://www.stasi-unterlagen-archiv.de).

Der Kläger unterfiel während der Zeit vom 01.04.1970-30.06.1976 – was er letztlich auch nicht in Abrede stellt – der „Ordnung über die soziale Versorgung der Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten des Ministeriums für Staatssicherheit – Versorgungsordnung“ vom 01.07.1968.

Ziff. 101 der Versorgungsordnung lautet: „(1) Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten des MfS, nachstehend Angehörige des MfS genannt, unterliegen für die Dauer ihres Dienstes im MfS der Versicherungspflicht nach der Versorgungsordnung des MfS. Sie erhalten Leistungen nach den folgenden Festlegungen. (2) Die Angehörigen des MfS unterliegen für die Dauer ihres Dienstes im MfS nicht der Pflichtversicherung bei der Sozialversicherung und haben keinen Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz.“ Unter Ziff. 102 heißt es: „(1) Der Beitragspflicht nach der Versorgungsordnung unterliegen die Dienstbezüge und Zulagen, im folgenden beitragspflichtige Vergütungen genannt. (2) Die beitragspflichtige Vergütung setzt sich entsprechend den Bestimmungen der Besoldungsordnung aus den Bezügen für Dienstgrad, Dienststellung, Dienstalter und Zulagen zusammen. (3) Von den Angehörigen des MfS ist ein Versorgungsbeitrag in Höhe von 10% der betragspflichtigen Vergütungen zu zahlen. Vom MfS wird ein Versorgungsanteil in gleicher Höhe entrichtet.“

Somit unterlagen Soldaten auf Zeit der Versorgungsordnung des MfS. Der Kläger war ausweislich des Einstellungsbescheides vom 05.03.1970 und der Verpflichtungserklärung vom 25.04.1970 als Soldat auf Zeit im Wachregiment Berlin als Struktureinheit des MfS eingestellt. Folgerichtig ist er dann mit Wirkung zum 29.06.1976 „aus dem aktiven Dienst des Wachregiments Berlin des MfS entlassen“.

Allein die Tatsache, dass der Kläger „Soldat auf Zeit“ beim MfS gewesen ist und damit der Versorgungsordnung unterfiel, führt daher zur Feststellung der Anwendbarkeit der besonderen Beitragsbemessungsgrenze. Ohne Bedeutung ist daher sowohl die Tatsache, dass der Kläger nach eigenen Angaben ausschließlich sportlichen Betätigungen nachgegangen ist, als auch, dass er als Leistungssportler keine Wahl gehabt hatte, ob er dem MfS, der NVA, dem MdI oder etwa einem VEB – wie etwa ihm bekannte andere Leistungssportler – zugeordnet wurde. Solche zusätzlichen Tatbestandselemente für die Anwendung des § 7 AAÜG i. V. m. Anlage 6 AAÜG lassen sich weder dem einfachen Recht entnehmen, noch wäre es verfassungsrechtlich geboten. § 7 Abs. 1 AAÜG eröffnet dem Versorgungsträger diesbezüglich weder einen Beurteilungsspielraum noch - auf der Rechtsfolgenseite - die Ausübung von Ermessen (vgl. LSG Berlin, a. a. O., Rn. 17).

2. Die Beklagte hat zudem zurecht darauf hingewiesen, dass über die Frage, welche Beitragsbemessungsgrenze für welche Zeiträume und Arbeitsverdienste maßgeblich ist, d. h. welche als versichert geltenden Arbeitsverdienste der Rentenwertberechnung letztlich zugrunde gelegt werden, allein der Rentenversicherungsträger zu entscheiden hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2011 – B 5 R 2/10 R, Rn. 24f; Urt. v. 20.12.2002 – B 4 RA 6/01 R, Rn. 38f; Urt. v. 18.07.1996 – 4 RA 7/95 Rn. 18f). Die Frage, ob eine besondere Beitragsbemessungsgrenze für Arbeitsentgelte aus Beschäftigungen beim MfS (verfassungsrechtlich) zulässig ist, ist daher im Verhältnis zum Rentenversicherungsträger zu klären (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 45). Der Kläger kann sich über diese Frage im Rahmen des ggf. wiederaufzunehmenden Klageverfahrens S 2 R 2106/15 mit dem Rentenversicherungsträger auseinandersetzen.

Davon abgesehen hat sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits wiederholt mit dieser Frage beschäftigt und die Vorschrift des § 7 AAÜG i. V. m. der Anlage 6 AAÜG in der aktuellen Fassung für verfassungsgemäß erachtet (vgl. Urt. v. 28.04.1999 - 1 BvL 11/94 u. a. und Beschl. v. 07.11.2016 – 1 BvR 1089/12 u. a.). Insbesondere hat das BVerfG festgestellt, dass der Gesetzgeber den Personenkreis, der von der Begrenzungsregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG erfasst wird, in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise festgelegt hat. Der Zuschnitt des betroffenen Personenkreises insgesamt stehe mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 AAÜG die Begrenzung der Arbeitsverdienste nicht von einer Überprüfung der individuellen Beschäftigung in der DDR und des hierfür bezogenen Arbeitsentgelts, also von einer persönlichen Überprüfung abhängig macht. Im Hinblick auf die Sonderstellung der Angehörigen des MfS/AfNS habe der Gesetzgeber Arbeitsentgelte nach § 7 AAÜG in typisierender Weise begrenzen dürfen, ohne innerhalb des Kreises der Angehörigen des MfS weiter differenzieren zu müssen. Es habe auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zur pauschalierenden Einstufung und Bewertung dieser Tätigkeiten weder einer Auswertung noch vorhandenen dienstinternen Materials des MfS/AfNS noch sonstiger langwieriger Ermittlungen des Gesetzgebers zur Beschäftigten- und Qualifikationsstruktur sowie zur Struktur der beim MfS/AfNS erzielten Pro-Kopf- und Durchschnittseinkommen, die in der DDR statistisch zu keiner Zeit erfasst worden waren, bedurft (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.04.1999, a. a. O., Rn. 137, 147). Somit war weder eine Differenzierung wegen der internen Einkommensspreizung notwendig, noch eine persönliche Überprüfung der einzelnen Mitarbeiter (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 07.11.2016, a. a. O., Rn. 49, 51).

In Anbetracht dessen, dass es nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die individuelle Tätigkeit nicht ankommt, dürfte der Kläger mit seinem Vortrag zu seiner besonderen Stellung als Leistungssportler auch gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht durchdringen können.  

Die Klage hatte damit keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Rechtskraft
Aus
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