L 7 AS 429/22

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 1393/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 429/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AS 83/24
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ist nicht erfüllt, wenn eine Ausreise ins Heimatland möglich und zumutbar ist. Bei der Frage Zumutbarkeit der Ausreise sind die individuellen Bindungen familiärer, sozialer sowie beruflicher Art zu beachten.

2. Auch, wenn die Ausländerbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ergriffen hat, führt die Härtefallregelung nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII nicht zu einem Dauerleistungsanspruch. Der Leistungsanspruch besteht lediglich für eine zeitlich befristete Bedarfslage und verlangt das Vorliegen besonderer Umstände.
 

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2022 aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, Leistungen an den Kläger über den 30. Juni 2019 hinaus zu gewähren. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Die Beigeladene wird verurteilt, dem Kläger für Juli 2019 Überbrückungsleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Im Übrigen wird der Hilfsantrag abgewiesen. 

2. Die Beigeladene hat dem Kläger 1/4 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. 

3. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) bzw. Überbrückungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für den Zeitraum vom 1. Juli bis 13. Oktober 2019.

Der 1993 geborene Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger. Er lebte zunächst im Odenwaldkreis und bezog dort Leistungen nach dem SGB II ohne Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis 15. Februar 2019 (vgl. Bescheid des Kommunalen Job-Centers Odenwaldkreis vom 8. März 2019, Bl. 7 der elektronischen Verwaltungsakte des Beklagten, künftig nur: VA). Die Leistungseinstellung erfolgte aufgrund der amtlichen Abmeldung seines Wohnsitzes zum 15. Februar 2019.

Der Kläger sprach erstmals am 15. April 2019 bei dem Beklagten zur Antragstellung vor. Der Beklagte überreichte dem Kläger die Antragsunterlagen für einen Neuantrag. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung angegeben, ohne festen Wohnsitz zu sein. Er gab weiter an, seit 4 Jahren in Deutschland und seit 2 Wochen in D-Stadt zu leben (Bl. 16 VA). Er schlafe seit einer Woche bei einem Freund, könne dort aber nicht so lange bleiben. Der Freund unterstütze ihn auch hin und wieder. Zudem gab er an, seit 3 Monaten nicht mehr zu arbeiten. Er sei bis Ende Januar 2019 selbständig gewesen. Ihm wurde eine Frist zur Abgabe der Antragsunterlagen bis 30. April 2019 gegeben.

Zum 2. Mai 2019 legte der Kläger den Hauptantrag vor. Eine Wohnanschrift teilte er nicht mit. Ebenfalls gab er in dem Antrag an, kein Einkommen zu erzielen und über kein Vermögen zu verfügen. Die Anlage über Einkommen ließ er unausgefüllt. Ebenfalls gab er an, er sei derzeit arbeitslos und wohnungslos. Er habe seinen Lebensunterhalt durch Schulden bestritten und sei bei Freunden untergekommen. Der Kläger legte ein handschriftliches Schreiben vor, in dem er mitteilte, vom 18. Oktober 2018 bis 20. Januar 2019 selbständig gewesen zu sein, wobei das Geschäft „C.“ jedoch nur bis zum 31. Dezember 2018 in Betrieb gewesen sei (Bl. 4 VA).

Bei einem persönlichen Gespräch vom 7. Juni 2019 trug der Kläger vor, dass er in einer Wohnung lebe, für die er ein Mietangebot vorgelegt habe (Bl. 18 VA). Dabei handele es sich um eine Ferienwohnung, wo er vorübergehend wohnen könne. Hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit gab er an, es sei ihm zu viel gewesen, 16 bis 17 Stunden zu arbeiten. Er sei hierfür zu jung. Zudem legte er weitere Unterlagen vor. Der vorgelegte Untermietvertrag (Bl. 21 VA) umfasste ein Zimmer unter der Anschrift D-Straße in D-Stadt. Vermieter war ein Herr E., der ebenfalls unter dieser Anschrift wohnhaft war. Die Miete sollte 520 € einschließlich 120,00 € Nebenkosten betragen. Es sei eine Kaution in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen. Ausweislich einer Mietbescheinigung wurde als Beginn des Mietverhältnisses der 6. Juni 2019 angegeben (Bl. 26 VA). Auch legte er eine Gewerbeabmeldung der Stadt F-Stadt vom 15. Februar 2019 (Bl. 29 VA) vor, wonach der Betrieb eines Cafes ohne Alkoholausschank abgemeldet wurde. Das Gewerbe hierfür wurde zum 5. November 2018 rückwirkend zum 18. Oktober 2018 angemeldet (Bl. 28 VA). Ebenfalls wurde eine kurzfristige Erfolgsberechnung zu dem Cafe-Betrieb für Oktober bis Dezember 2018 vorgelegt, woraus sich ein negativer Ertrag ergab (Bl. 32 sowie Bl. 34-63 VA).

Anschließend erinnerte der Kläger wiederholt an die Leistungsgewährung. Er sei mittellos.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2019 (Bl. 66 VA) lehnte der Beklagte die Leistungsbewilligung ab. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Der Kläger habe ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 29. Juli 2019 Widerspruch ein (Bl. 70 VA). Er habe einen Anspruch. Er sei Arbeitnehmer gewesen und zuletzt Selbständiger. Er habe die Selbständigkeit ohne Verschulden aufgeben müssen. Die Freizügigkeit sei zu vermuten. Mit Schreiben vom 1. August 2019 bat die Prozessbevollmächtigte um Sachstandsmitteilung. Der Kläger habe mehr als 12 Monate hier gearbeitet, bevor er unfreiwillig arbeitslos geworden sei. Seine Arbeitnehmereigenschaft dauere fort.

Mit Bescheid vom 7. August 2019 (Bl. 79 VA), der gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wurde, bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin Leistungen von April 2019 bis Juni 2019 in Höhe des Regelbedarfs (424,00 €). In einem Begleitschreiben hierzu vom 9. August 2019 (Bl. 82 VA) führte der Beklagte aus, dass aufgrund des nachwirkenden Arbeitnehmer-Status aus der selbständigen Beschäftigung bis Dezember 2018 noch Leistungen bis Juni 2019 zu gewähren seien. Ab Juli 2019 greife der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Ein Daueraufenthaltsrecht von 5 Jahren habe der Kläger nicht erreicht.

Am 8. August 2019 übersandte die Prozessbevollmächtigte eine Vollmacht des Klägers, in der er angab, dass letzter Wohnsitz die F-Straße in F-Stadt gewesen sei und er derzeit obdachlos sei (Bl. 81 VA). Zudem widersprach sie der Einschätzung des Beklagten. Die Gesetzeslage aus 12/2016 greife nicht, da der Kläger nicht erst 12/2016 eingereist sei. Die Arbeitnehmereigenschaft entfalle daher nicht nach drei Monaten, sondern dauere unbefristet fort. Unter anderem sei der Kläger ab 15. Mai 2015 als Arbeitnehmer tätig gewesen. Auch sei er selbständig gewesen. Den Bescheid vom 7. August 2019 übersandte der Beklagte mit Schreiben vom 9. August 2019 auch der Prozessbevollmächtigten des Klägers.

Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin auf, sein Daueraufenthaltsrecht durch Bestätigung der Ausländerbehörde oder Vorlage von Mietverträgen bzw. Meldebescheinigungen zu belegen. Auch sei zu belegen, dass der Kläger ununterbrochen 12 Monate erwerbstätig gewesen sei.

Der Bescheid vom 7. August 2019 konnte dem Kläger an der Adresse in der D-Straße in D-Stadt nicht zugestellt werden (Bl. 87 VA), da der Empfänger an der Adresse nicht zu ermitteln sei. 

Mit Schreiben vom 15. August 2019 (Bl. 89 VA) forderte die Prozessbevollmächtigte den Beklagten auf, mindestens für sechs Monate bzw. 12 Monate Leistungen zu bewilligen. Mit Schreiben vom 2. September 2019 übermittelte sie zudem eine Bescheinigung des Vermieters E. vom 26. August 2019, womit dieser bestätigte, dass das Mietverhältnis mit dem Kläger solange bestehe, wie der Kläger die Mietkosten in Höhe von 550,00 € zahle. Die Unterkunftskosten seien daher vom April 2019 bis August 2019 zu übernehmen. Zudem wurden weitere handschriftliche Bestätigungen vorgelegt, wonach Herr E. die Zahlungen für April, Mai, Juni, Juli und August 2019 erhalten habe.

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 22. Oktober 2019 (Bl. 93 VA) darauf hin, dass der Kläger unter der angegebenen Adresse nicht gemeldet gewesen sei. Auch würden die Bestätigungen zu Mietzahlungen von den Angaben des Klägers abweichen.

Mit Schreiben vom 23. August 2019 (Bl. 95 VA), bei dem Beklagten eingegangen am 22. Oktober 2019, übermittelte die Prozessbevollmächtigte den Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung. Daraus ergab sich ein Zeitraum, in dem Pflichtversicherungsbeiträge aus einem Einkommen von 584,00 € entrichtet wurden, vom 9. April 2019 bis 18. April 2019. Der Beklagte forderte daraufhin den Kläger auf, diesbezüglich den Arbeitsvertrag und Verdienstnachweise sowie einen Kontoauszug vorzulegen, aus dem sich der tatsächliche Zufluss ergebe. Ebenfalls sei mitzuteilen, warum die Tätigkeit nach 9 Tagen beendet wurde (Bl. 96 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2019 (Bl. 101 VA) wies der Beklagte schließlich nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 7. August 2019 den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden zu ¼ auf Antrag erstattet.

Dagegen hat der Kläger am 15. November 2019 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben.

Nachgereicht wurden Gehaltsabrechnungen für Oktober 2019 und November 2019. Als Anschrift war auf den Gehaltsabrechnungen die G-Straße in D-Stadt angegeben. Der Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, dass aufgrund der vorgelegten Gehaltsabrechnungen Leistungen für Oktober bewilligt worden seien, im November und Dezember 2019 seien die Leistungen abgelehnt worden, da das Einkommen die Bedarfe überstiegen habe. Ab Januar 2020 sei die Zuständigkeit fraglich, da der Kläger seit 20. Januar 2020 eine Wohnung in H-Stadt habe. Der Beklagte übersandte hierzu den Bescheid vom 8. April 2020 betreffend den Zeitraum vom 14. Oktober 2019 bis 31. Oktober 2019, der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz Gegenstand des Klageverfahrens wurde (Bl. 112 VA).

Der Kläger hat anschließend bestätigt, dass er vom 2. Dezember 2019 bis 31. Dezember 2019 in H-Stadt und dann in J-Stadt bzw. im Mai 2020 in K-Stadt gelebt habe. Zudem hat die Prozessbevollmächtigte unter Vorlage des Arbeitsvertrages mitgeteilt, dass das Gehalt für die Tätigkeit ab Oktober dem Kläger erst im Folgemonat gezahlt worden sei, so dass der Kläger im Oktober kein Gehalt erhalten habe. Der Beklagte hat daraufhin einen weiteren Änderungsbescheid mit Datum vom 18. Juni 2020 erlassen, mit dem Kläger ab 14. Oktober 2019 höhere Leistungen und zudem auch Leistungen für November 2019 bewilligt wurden (Bl. 121 VA).

Der Kläger hat dennoch an der Klage für den gesamten Zeitraum festgehalten. Er sei seit mehreren Jahren Arbeitnehmer und Selbständiger. Er habe seine Selbständigkeit unfreiwillig aufgeben müssen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Bewilligungsdauer regelmäßig 12 Monate. Zudem stünden dem Kläger Unterkunftskosten zu. Es seien Unterkunftskosten in Höhe von 550,00 € nachgewiesen worden. Der Kläger habe Freizügigkeit und ihm stünden jedenfalls mehr als drei Monate Leistungen zu.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2019, geändert durch den Bescheid vom 7. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019, geändert durch den Bescheid vom 8. April 2020 sowie den Bescheid vom 18. Juni 2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe und Umfang und für eine Bewilligungsdauer von 12 Monaten zu bewilligen.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten und hat im Wesentlichen auf die Feststellungen in den bisherigen Bescheiden verwiesen. Unterlagen zur Tätigkeit im April 2019 seien nicht vorgelegt worden, auch seien die Unterkunftskosten nicht nachgewiesen worden.

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 hatte der Kläger angekündigt, Nachweise zur Tätigkeit im April nachzureichen, was jedoch zunächst unterblieb.

Auf die Frage, wie der Kläger seinen Lebensunterhalt bestritten habe, wurde mit Schreiben vom 6. November 2020 vorgetragen, dass der Kläger Darlehen von Frau L. in Höhe von 2.500,00 € erhalten habe. Im Übrigen habe es Darlehensverträge ab 20. März 2019 gegeben. Die Beträge in Höhe von 2.550,00 € seien inzwischen zurückgezahlt worden. Der Beklagte hat daraufhin die Darlehensbeträge von März bis September 2019 nicht mehr als Einkommen beurteilt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2022 hat das Sozialgericht den Kläger zu seiner Tätigkeit im April 2019 und Frau L. und Herrn E. als Zeugen ausführlich zu der Darlehensgewährung und den Unterkunftskosten angehört. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen.

Mit Urteil vom 20. Juni 2022 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2019, geändert durch den Bescheid vom 7. August 2019, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019, geändert durch die Bescheide vom 8. April 2020 und 18. Juni 2020 abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2019 bis zum 31. Oktober 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Kostenentscheidung nach § 193 SGG führte das Sozialgericht aus, der Beklagte habe 5/12 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die frist- und formgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sei zulässig und im Umfang des Tenors begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2019, geändert durch den Bescheid vom 7. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019, geändert durch den Bescheid vom 8. April 2020 sowie den Bescheid vom 18. Juni 2020 sei rechtswidrig, soweit der Kläger einen Anspruch auf höhere Leistungen im Juni 2019 und einen Anspruch auf Leistungen zwischen dem 1. Juli 2019 bis 13. Oktober 2019 hatte und ihm entsprechend Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen waren.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhielten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hätten (Nr. 1), erwerbsfähig seien (Nr. 2), hilfebedürftig seien (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten (Nr. 4).

Der Kläger habe das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht. Er sei erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II. Es werde nicht vorgetragen, dass eine fehlende (gesundheitliche) Erwerbsfähigkeit vorliege. Schließlich halte sich der Kläger seit ca. 2015 in Deutschland auf. Die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 lägen damit grundsätzlich vor.

Das Gericht sei im Weiteren nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis 13. Oktober 2019 von der Leistungsgewährung nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen sei.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB II schließe nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut („[...] ausgeschlossen sind [...]“) einen an sich unter den Voraussetzungen des Abs. 1 bestehenden Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den dort genannten Personenkreis aus, so dass der ausdrücklich genannte und vom Leistungsausschluss betroffene Personenkreis nicht zu den nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gehöre. Danach seien ausgenommen,

„1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt seien, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer,
a) die kein Aufenthaltsrecht hätten,
b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe
oder
c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten,
und ihre Familienangehörigen. […]“

Der Kläger sei als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger nach Nr. 2 a) aufenthalts- und damit leistungsberechtigt gewesen.

Grundsätzlich hätten freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des FreizügG/EU. Nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU seien freizügigkeitsberechtigt, Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollten (Nr. 1), Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhielten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen könnten, dass sie weiterhin Arbeit suchten und begründete Aussicht hätten, eingestellt zu werden (Nr. 1a), Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt seien (niedergelassene selbständige Erwerbstätige, Nr. 2), Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollten (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistungen berechtigt seien (Nr. 3), Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen (Nr. 4), nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4 (Nr. 5), Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 (Nr. 6) sowie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben hätten.

Der Kläger könne sich vorliegend im Zeitraum ab April 2019 für weitere 6 Monate darauf berufen, sich als Arbeitnehmer in Deutschland aufzuhalten. Vorliegend sei festzustellen, dass der Kläger diesen Status durch eine – wenn auch nur vorübergehende – Tätigkeit im April 2019 „wieder“erlangt habe. So belegten zur Überzeugung des Gerichts sowohl die Übersicht der Deutschen Rentenversicherung Bund über die pflichtversicherten Zeiten als auch die insoweit widerspruchsfreie Aussage des Klägers selbst in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2022, dass der Kläger im April 2019 für mehrere Tage bei der Gaststätte M. M-Straße in D-Stadt als Aushilfe gegen Entgelt tätig gewesen sei. Dabei sei nach den Daten der Deutschen Rentenversicherung Bund davon auszugehen, dass der Kläger für seine Tätigkeit mehr als 100,00 € in dem Monat April 2019 und damit eine nicht nur geringfügige, nicht ins Gewicht fallende Aufwandsentschädigung verdient habe. Zudem habe der Kläger glaubhaft in der mündlichen Verhandlung darlegen können, bei der Gaststätte M. auf Abruf für mehrere Tage jeweils über mehrere Stunden als Aushilfe tätig gewesen zu sein.

Da die Begründung eines Arbeitsverhältnisses weder zwingend dem Schriftformerfordernis unterliege noch zwingend eine bargeldlose Gehaltzahlung voraussetze, könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden, dass er weder einen Arbeitsvertrag vorlegen konnte noch sei es in der Branche abwegig, dass er sein Gehalt in bar erhalten hatte.

Soweit der Beklagte die Vorlage weiterer Nachweise verlange, um festzustellen, in welcher Höhe Einkommen erzielt worden sei, betreffe dies allein die zweitrangige Frage, inwieweit etwaige Einnahmen im April und/oder Mai 2019 anzurechnen waren. An der hier vorrangig zu klärenden Frage, ob der Kläger von den Leistungen ausgeschlossen sei, ändere dies nichts.

Abweichend von der Annahme des Klägers habe indes weder zur Überzeugung des Gerichts belegt werden können, dass der Kläger bereits im Jahr 2019 ein Daueraufenthaltsrecht geltend machen konnte noch das aufgrund der vorangegangenen Tätigkeiten ein Status als Arbeitnehmer oder Selbständiger begründet worden sei, der nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit eine fortdauernde Freizügigkeitsberechtigung von mehr als 6 Monaten begründete. So habe sich der Kläger sowohl nach eigenen Angaben im Rahmen der Antragstellung als auch unter Berücksichtigung des Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung Bund im Jahr 2019 noch keine vollen 5 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Auch könne dem Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung aufgrund diverser Unterbrechungen ein durchgehender Aufenthalt nicht entnommen werden. Ebenfalls kann dem vorgenannten Versicherungsverlauf keine Tätigkeit entnommen werden, die der Kläger tatsächlich mehr als ein Jahr ausgeübt habe. Insbesondere die zuletzt ausgeübte selbständige Tätigkeit habe der Kläger nach eigenen Angaben lediglich von Oktober 2018 bis Ende 2018/ Anfang 2019 und damit nur 3 Monate ausgeübt bzw. angemeldet gehabt. Hinzukomme, dass es sich entgegen der Annahme des Klägers nicht um eine unfreiwillige Aufgabe der Tätigkeit gehandelt habe. Im Gegenteil, der Kläger habe bewusst die Entscheidung getroffen, dass ihm die Tätigkeit zu anstrengend gewesen sei und er diese nicht mehr ausüben möchte. Dies habe er wiederholt im Rahmen der Antragstellung gegenüber dem Beklagten angegeben. Die Arbeitszeiten seien ihm zu lang gewesen und er habe sich zu jung gefühlt, um eine solche Tätigkeit ausüben. Ein äußerer Zwang zur Aufgabe des Geschäfts sei darin nicht zu sehen.

Damit habe auch die im April 2019 ausgeübte Tätigkeit aufgrund der Kürze ihrer Ausübung allenfalls erneut einen Leistungsanspruch von weiteren 6 Monaten nach deren Beendigung begründen können. Dies wirke sich allerdings im Ergebnis nicht aus, da der Kläger noch vor Ablauf dieser 6 Monate im Oktober 2019 erneut eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt habe, die ihrerseits einen Arbeitnehmerstatus begründete.

Als Leistungsberechtigter habe der Kläger im Juni 2019 einen höheren Leistungsanspruch gehabt, als mit Bescheid vom 7. August 2019 erstmalig bewilligt worden sei und zudem einen Leistungsanspruch für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis 13. Oktober 2019.

Die Höhe des Leistungsanspruchs richte sich grundsätzlich nach der Hilfebedürftigkeit des von § 7 Abs. 1 SGB II erfassten Personenkreises. Gemäß § 9 SGB II sei hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne. Der Bedarf für den Lebensunterhalt von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten umfasse grundsätzlich die monatlichen Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II). Dabei betrugen die monatlichen Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitgegenständlichen Zeitraum 2019 für Alleinstehende 424,00 € (§ 20 Abs. 1a SGB II i.V.m. Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung). Nach den obigen Feststellungen könne der Kläger die Regelleistungen nicht nur für die Monate April bis Juni 2019, wie von dem Beklagten im Bescheid vom 7. August 2019 angenommen, sondern auch für die Monate Juli bis Oktober 2019 geltend machen. Soweit dem Kläger für Oktober 2019 bereits Leistungen gewährt worden seien, seien diese erst ab dem 14. Oktober 2019 bewilligt worden. Aufgrund der vorbenannten Feststellungen, wären dem Kläger jedoch Regelleistungen für den gesamten Monat Oktober 2019 zu gewähren.

Zu den Regelsätzen kämen zur Überzeugung des Gerichts für die Monate Juni bis September 2019 auf der Bedarfsseite die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) in Höhe von 520,00 € hinzu.

Nach § 22 SGB II seien die Kosten der Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit diese angemessen seien und auch tatsächlich angefallen seien. Vorliegend sei aufgrund des vorliegenden Mietvertrags, der vorliegenden Mietbescheinigung sowie aufgrund der Aussage des Zeugen E. festzustellen, dass der Kläger und der Zeuge ab Juni 2019 einen Mietvertrag für ein Zimmer in der 3-Zimmer-Wohnung des Zeugen E. in der D-Straße in D-Stadt zu einem Mietpreis in Höhe von 520,00 € einschließlich Nebenkosten abgeschlossen hätten. Der Kläger und der Zeuge hätten in der mündlichen Verhandlung unabhängig voneinander und glaubhaft angegeben, sich aufgrund einer Internetanzeige des Zeugen E. kennengelernt zu haben. Der Zeuge habe offenkundig regelmäßig eines seiner drei Zimmer untervermietet. Zudem habe der Zeuge E. glaubhaft bestätigt, dass der Mietvertrag zu dem im Mietvertrag angegebenen Datum und mithin zum Anfang Juni abgeschlossen worden sei und er die Mietbescheinigung ausgefüllt hatte. Auch habe er bestätigt, dass der Kläger die Miete, wenn auch nicht auf einmal, so jedoch in Raten vollständig entrichtet hatte. Soweit der Zeuge angebe, dass der Kläger ihm noch Geld schulde, habe dies nach dem Verständnis des Gerichts nicht die Mietzahlungen betroffen. Der im Mietvertrag angegebene Mietbeginn stimme schließlich mit der Historie der Antragstellung und der Angaben während der Antragstellung bis Anfang Juni 2019 überein. Der Kläger habe erstmals Anfang Juni 2019 gegenüber dem Beklagten behauptet, nicht mehr wohnungslos zu sein. 

Entgegen der Auffassung des Klägers habe damit nicht belegt werden können, dass bereits ab April 2019 ein Anspruch auf die Gewährung von Kosten der Unterkunft bestanden habe. Da für April 2019 und Mai 2019 damit zur Überzeugung des Gerichts keine Kosten der Unterkunft nachgewiesen werden konnten, seien dem Kläger keine höheren als die bereits vom Beklagten gewährten Leistungen für diese Monate zu gewähren und die Klage insoweit abzuweisen gewesen.

Hinsichtlich der Höhe der Miete für die Zeit ab Juni 2019, sei festzustellen, dass ausweislich des Mietvertrags und der Mietbescheinigung der Kläger eine Miete in Höhe von 520,00 € inklusive der Nebenkosten in Höhe von 120,00 € zu entrichten hatte. Soweit Quittungen mit einer Mietzahlung von 550,00 € vorgelegt worden seien, habe nicht belegt werden können, dass es sich hierbei ausschließlich um Mietzahlungen gehandelt habe. Der Zeuge E. habe vielmehr angegeben, dass die Miete in der Mietbescheinigung zutreffend benannt worden sei. Soweit ein höherer Betrag ausgewiesen worden sei, habe dieser auch andere Leistungen umfasst, wie die Nutzung der Waschmaschine bzw. Spülmaschine. Die Nutzung dieser Gegenstände sei nicht vom Mietvertrag erfasst gewesen, sondern habe gesonderter Vereinbarungen unterlegen.

Schließlich sei festzustellen, dass die Dauer des Mietvertrags allenfalls bis September 2019 belegt sei. Ein konkretes Kündigungsdatum habe weder vom Kläger noch vom Zeugen benannt werden können. Der Zeuge habe angegeben, dass der Kläger 4 bis 6 Monate bei ihm gewohnt habe, mindestens aber 4 Monate. Gegen eine längere Dauer spreche, dass der Kläger ausweislich der vorliegenden Gehaltsabrechnungen für die Tätigkeit ab Oktober 2019 bereits eine andere Anschrift in der G-Straße angegeben hatte. Der Kläger habe dies in der mündlichen Verhandlung nicht entkräften können.

Auf den damit zu gewährenden Gesamtbedarf sei für den Zeitraum vom Juni bis Oktober 2019 nach Auffassung des Gerichts kein Einkommen nach § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II, § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzurechnen. Einkommen seien alle Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen. Zunächst sei festzustellen, dass der Kläger von der Zeugin L. ein Darlehen mit Rückzahlungsverpflichtung erhalten hatte, welches nicht als Einnahme zu berücksichtigen sei. Dies habe nicht nur durch die vorgelegten Darlehensverträge, sondern auch durch die Aussage der Zeugin L. zur Überzeugung des Gerichts belegt werden können.

Hinsichtlich der Einnahme im April 2019 sei zwar festzustellen, dass die genaue Höhe der Einnahmen nicht belegt sei. Diese Einnahmen könnten sich nach Einschätzung des Gerichts jedoch nur bedarfsmindernd in April oder allenfalls noch im Mai 2019 auswirken. Aufgrund der geringen Höhe sei eine Einkommensanrechnung noch im Juni 2019 nicht mehr anzunehmen. Da der Kläger – wie zuvor festgestellt – für die Monate April und Mai 2019 mangels nachgewiesener Mietkosten keine höheren Leistungen als die bereits mit Bescheid vom 7. August 2019 bewilligten Regelleistungen geltend machen könne, komme es auf eine etwaige Bedarfsminderung durch die Erzielung von Einnahmen nicht an. Diese müssten von dem Beklagten vielmehr im Wege einer Rückforderung im Sinne der §§ 48, 50 SGB X geltend gemacht werden.

Soweit schließlich ab November 2019 Einkommen aus der Tätigkeit in der Gaststätte N. angerechnet worden sei, sei die Höhe der Einkommensanrechnung im Bescheid vom 18. Juni 2020 nicht zu beanstanden, so dass auch für die Monate November und Dezember 2019 kein höherer Leistungsanspruch geltend gemacht werden könne. Eine fehlerhafte Berechnung sei weder ersichtlich noch werde diese dargelegt. Die Klage sei auch insoweit abzuweisen gewesen.

Gegen das ihm am 5. September 2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 5. Oktober 2022 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17. November 2022 näher begründet. Zwar habe der Kläger vom 9. April 2019 bis 18. April 2019 eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma M. GmbH (inzwischen firmierend unter Firma O. GmbH & Co. KG) ausgeübt; er habe diese Tätigkeit jedoch nach Angaben der Firma selbst gekündigt. Folglich sei die Arbeitslosigkeit des Klägers als freiwillig einzuordnen; jedenfalls liege eine Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, dass der Verlust des Arbeitsplatzes unfreiwillig erfolgt ist, nicht vor. Der Kläger könne sich danach ab Juni nicht auf den prolongierten Arbeitnehmerstatus aus der Beschäftigung bei der Firma M. GmbH berufen.

Mit Schriftsatz vom 17. November 2023 hat der Beklagte auf Hinweis des Berichterstatters seine Berufung auf die Zeit ab 1. Juli 2019 beschränkt.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2022 aufzuheben, soweit er verurteilt wurde, Leistungen an den Kläger über den 30. Juni 2019 hinaus zu erbringen, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, 
die Berufung zurückzuweisen,

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Behauptungen des Beklagten seien nicht richtig. Er habe auch nach dem 18. April 2019 wieder Arbeit gefunden und bei dem Unternehmen N. gearbeitet; daher sei es unerheblich, warum das Arbeitsverhältnis vom 9 bis 18. April 2019 noch in der Probezeit geendet habe, ob er den Job freiwillig verloren habe oder nicht bzw. ob das Arbeitsamt dies festgestellt habe oder nicht. In der Probezeit bestehe für beide Seiten die Möglichkeit herauszufinden, ob der Job passe oder nicht. Es sei Schichtarbeit gewesen und er sei mit dem Job und den Arbeitsbedingungen nicht zufrieden gewesen. Er habe Freizügigkeit; er lebe und arbeite seit mehr als 5 Jahren in Deutschland. Weiter trug der Kläger vor, das Freizügigkeitsrecht sei nach dem Bundesverwaltungsgericht unteilbar, daher stünden dem Kläger Leistungen nach dem SGB II zu. Andernfalls habe das Gericht den SGB XII-Träger zur Zahlung zu verurteilen. Der Kläger habe zudem ein Dauerfreizügigkeitsrecht, da er sowohl als Arbeitnehmer als auch teilweise als Selbständiger seit 2015 hier gearbeitet habe. Er legt in diesem Zusammenhang eine Meldebestätigung aus dem Mai 2015 und eine Gehaltsabrechnung aus dem November 2015 vor. Zudem sei § 11 Freizügigkeitsgesetz eine gesetzliche Vermutung, die der Beklagte nicht widerlegt habe. 

Durch Beschluss des Senats vom 24. November 2023 wurde die Stadt Frankfurt am Main zum vorliegenden Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene beantragt,
        die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Mit Beschluss vom 28. Juli 2023 hat der Senat im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2022 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 € übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2019, geändert durch den Bescheid vom 7. August 2019, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019 (§ 95 SGG), geändert durch die Bescheide vom 8. April 2020 und 18. Juni 2020 soweit der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 13. Oktober 2019 abgelehnt hat und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main, worin der Beklagten verpflichtet wurde, dem Kläger auch über den 30. Juni hinaus Leistungen zu gewähren.

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet, soweit das Sozialgericht den Beklagten zu Gunsten des Klägers verurteilt hat, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 30. Juni 2019 hinaus zu gewähren. Der Kläger hat - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - für den Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis 13. Oktober 2019 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten. Er hat jedoch einen Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII gegen die Beigeladene für den Monat Juli 2019. Das Urteil des Sozialgerichts war deshalb entsprechend abzuändern.

Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Leistungen nach dem SGB II sind §§ 7 ff., 19 ff. SGB II in der Fassung vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, 3155).

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind ausgenommen,
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer,
a) die kein Aufenthaltsrecht haben,
b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder
c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des FreizügG/EU festgestellt wurde (§ 7 Abs. 2 Satz 4 SGB II).

Zwar erfüllt der Kläger die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, da er sich im streitigen Zeitraum im 25. Lebensjahr befand, erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II war, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte und seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und mithin hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II) war.

Jedoch war der Kläger ab Juli 2019 nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er sich von diesem Zeitpunkt ab nicht auf eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU und damit nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche berufen kann. Für den Monat Juni 2019 hingegen konnte er sich noch auf die nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung aus seiner bis Dezember 2018 ausgeübten selbständigen Tätigkeit berufen.

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten, unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt. Das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU). Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU während der Dauer von sechs Monaten unberührt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU).

Der Begriff des Arbeitnehmers ist unionsrechtlich zu bestimmen. Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. zuletzt zusammenfassend Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R – juris Rdnr. 19 m.w.N.). Der Kläger war sozialversicherungspflichtig als Kellner und damit als Arbeitnehmer zuletzt vom  9. bis 18. April 2019 beschäftigt.

Das für den Kläger während der Dauer dieser Beschäftigung bestehende Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist mit der Beendigung der Beschäftigung durch die Kündigung zum 18. April 2019 durch den Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen. Eine Fortwirkung des Freizügigkeitsrechts als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU aus dieser Beschäftigung nicht eingetreten, weil eine unfreiwillige, durch die Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit nicht vorlag. Von der Agentur für Arbeit wurde eine Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit des Klägers aufgrund unzureichender Angaben des Klägers bis dato nicht bestätigt und kann aufgrund der Sachlage zur Überzeugung des Senats auch nicht bestätigt werden. Vielmehr ist nach allem davon auszugehen, dass der Kläger freiwillig arbeitslos geworden ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schon aus seinen eigenen im Berufungsverfahren gemachten Angaben, wonach er nicht zufrieden mit dem Job und den Arbeitsbedingungen gewesen sei und er deshalb noch in der Probezeit gekündigt habe. Auch der Arbeitgeber hat auf Nachfrage der Beklagten die Eigenkündigung des Klägers bestätigt (Bl. 137 VA). 

Mangels eines fortwirkenden Freizügigkeitsrechts als Arbeitnehmer aufgrund der Tätigkeit im April 2019 konnte sich der Kläger im streitigen Zeitraum lediglich auf das noch bis Juni 2019 fortwirkende Freizügigkeitsrecht als Selbständiger und im Übrigen lediglich auf ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU berufen und war demnach ab Juli 2019 von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

Entgegen der Ansicht des Klägers steht diesem auch kein Daueraufenthaltsrecht aufgrund eines seit fünf Jahren bestehendem ständigen rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nach § 4 a Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU zu. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen hat dieser am 15. Mai 2015 seinen Wohnsitz in Deutschland angemeldet. Demnach ist unabhängig von der Frage, ob seitdem ein ständiger rechtmäßiger Aufenthalt bestand, jedenfalls im Juli 2019 der 5-Jahreszeitraum nicht verstrichen. Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Vorschriften des § 11 FreizügG/EU verweist, ist auch hieraus nicht zu entnehmen, dass einer der geregelten Fälle auf den Kläger zutreffen könnte. Hierzu trägt der Kläger auch nicht weiter vor, sondern verweist auf den seit fünf Jahren bestehenden Aufenthalt. Gründe die ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4 a Abs. 2 FreizügG/EU auslösen könnten sind darüber hinaus weder ersichtlich, noch vorgetragen.

Damit ist auch der (Rück)-Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 2 Satz 4 SGB II nicht erfüllt, wonach Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch erhalten, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; es sei denn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des FreizügG/EU wurde festgestellt. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. Wie bereits ausgeführt, hatte der Kläger zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht bereits seit fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Ob der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des FreizügG/EU festgestellt wurde oder nicht ist daher unerheblich.

Soweit der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2019, Az. 1 C 48/18 verweist und ausführt die Freizügigkeit sei unteilbar, besagt dies nichts für den vorliegenden Fall, weil es sich in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden Verfahren um eine andere Sachverhaltskonstellation handelt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte über die Rechtmäßigkeit einer Verlustfeststellung zu entscheiden, in einem Fall, in dem die Klägerinnen nach Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt waren. Die Klägerin zu 1 war Wanderarbeitnehmerin, da sie im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in einem bestimmten Zeitraum im Rahmen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbrachte, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhielt. Die Klägerinnen zu 2 und 3 (die Töchter der Klägerin zu 1) waren in dem maßgeblichen Zeitraum in das deutsche Schulsystem eingegliedert. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Entscheidung aus, dass der Klägerin zu 1) als Elternteil, welches in dem streitgegenständlichen Zeitraum die elterliche Sorge für die Kinder des Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnehme, Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 ein Aufenthaltsrecht vermittele. Dieser Sachverhalt ist mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbar.

Daher sind dem Kläger ab Juli 2019 keine Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Jedoch besteht ein Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII gegen die Beigeladene für Juli 2019. Ein Anspruch auf Härtefallleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII für den Zeitraum vom 1. August bis 13. Oktober 2019 besteht nicht.

Der Senat ist durch die sozialgerichtliche Entscheidung und die allein durch den Beklagten eingelegte Berufung nicht gehindert, die Beigeladene – anstelle des Beklagten – zur Leistungserbringung an den Kläger zu verurteilen (Hessisches Landessozialgericht (HLSG), Urteil vom 26. April 2023, L 6 AS 600/20, juris, Rn. 34). Laufende existenzsichernde Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch und nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch stehen in dem spezifischen Alternativitätsverhältnis, das für die sogenannte unechte notwendige Beiladung und die Verurteilung nach § 75 Abs. 2 Alt. 2, Abs. 5 SGG Voraussetzung ist (vgl. zu diesem Verhältnis allg. BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 14/09 R, BSGE 106, 268, Rn. 12; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 14. Aufl. 2023, § 75 Rn. 18; zum Verhältnis von Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld und Sozialhilfe – auch für die Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Sätze 3 ff. SGB XII – vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R, SozR 4-4200 § 7 Nr. 59, Rn. 34 ff.).

Auch der Umstand, dass nur der Beklagte Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt hat, steht einer Verurteilung der Beigeladenen durch den Senat nicht entgegen (vgl. zum umgekehrten, in der Sache aber vergleichbaren Fall einer Verurteilung des Beklagten nach Revision der durch die Instanzgerichte zur Leistungserbringung verurteilten Beigeladenen BSG, Urteil vom 28. März 2017 – B 1 KR 15/16 R, BSGE 123, 10, Rn. 11). 

Es ist unschädlich, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag (im Wege einer hilfsweisen Anschlussberufung) nicht ausdrücklich gestellt hat. Ein Beigeladener kann zwar nicht gegen den Willen der jeweiligen Kläger verurteilt werden; regelmäßig ist aber davon auszugehen, dass der Kläger nach einer sogenannten unechten notwendigen Beiladung hilfsweise auch die Verurteilung des Beigeladenen, hier also des Sozialhilfeträgers, begehrt; die durch § 75 Abs. 2 Alt. 2, Abs. 5 SGG bewirkte gesetzliche Klageerweiterung ist daher von Amts wegen zu berücksichtigen, sofern der Kläger die Verurteilung des Beigeladenen nicht ausdrücklich ablehnt (vgl. nur BSG, Urteil vom 2. November 2000 – B 11 AL 25/00 R, juris, Rn. 25). Vorliegend hat der Kläger ausdrücklich die Beiladung der Sozialhilfeträgerin beantragt.

Dem Zweck der sogenannten unechten notwendigen Beiladung entsprechend muss zudem das Rechtsmittelgericht (wie das Ausgangsgericht) über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können; das gilt auch dann, wenn der Kläger, weil er sein primäres Rechtsschutzziel, nämlich die Verurteilung des Beklagten, erreicht hat, seinerseits keinen Anlass dafür gesehen hat, (ausdrücklich) ein (Anschluss-)Rechtsmittel einzulegen (HLSG, Urteil vom 26. April 2023, L 6 AS 600/20, juris, Rn. 36; vgl. zu entspr. Überlegungen nach einer Verurteilung des – dortigen – Beigeladenen und der Frage, ob nach einem nur von diesem eingelegten Rechtsmittel auch der Beklagte verurteilt werden kann, BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 14/09 R, BSGE 106, 268, Rn. 19). Das erkennbare Rechtsschutzziel des Klägers ist auch im Rechtsmittelrechtszug auf die Verurteilung von einem der beiden in Betracht kommenden Sozialleistungsträger zur Erbringung einer der im Alternativitätsverhältnis stehenden, ihrem Zweck nach äquivalenten Leistungen gerichtet, hier also laufender Leistungen zur Existenzsicherung entweder nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch oder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 13. Juli 2010 – B 8 SO 14/09 R, BSGE 106, 268, Rn. 19).)

Da der Kläger bereits mit seinem Hauptantrag Erfolg hatte, hat das Sozialgericht über den (nachrangigen) Anspruch gegen die Beigeladene nicht befunden, so dass deren Verurteilung auch kein rechtskräftiger Ausspruch des Sozialgerichts entgegensteht. Ohnehin soll das zuvor ausgeführte Verständnis der Beiladungsvorschriften gerade verhindern, dass die erstinstanzliche Entscheidung gegen einen der alternativ in Betracht kommenden Sozialleistungsträger in Rechtskraft erwächst und das sachliche Begehren des Betroffenen in der Rechtsmittelinstanz nur deswegen ohne Erfolg bleiben muss, weil das Rechtsmittelgericht gerade den anderen Leistungsträger für leistungszuständig hält (HLSG, Urteil vom 26. April 2023, L 6 AS 600/20, juris, Rn. 37; vgl. hierzu Straßfeld, in: Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 75 – Stand: 1. November 2022 – Rn. 333).

Dem Kläger sind gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3, 5 SGB XII Überbrückungsleistungen für einen Monat zu gewähren, denn hinsichtlich der regulären Hilfen zum Lebensunterhalt nach § 17, § 19, § 27 ff. SGB XII ist der Kläger vor diesem Hintergrund aus denselben Gründen ausgeschlossen wie von den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch; der Ausschlusstatbestand aus § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII stimmt mit § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II überein.

Nachdem ein Antragserfordernis nach § 23 Abs. 3a SGB XII nur für die Rückreisekosten normiert ist, sind Überbrückungsleistungen bei Kenntnis vom Bedarf (§ 18 SGB XII) ohne Antrag zu gewähren (BSG, Urteil vom 13 Juli 2023 - B 8 SO 11/22 R - juris Rn. 31). Damit sind die Überbrückungsleistungen im Fall des Klägers im Anschluss an das Ende des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Bis zum 30. Juni 2019 bestand nach den obigen Ausführungen eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung aus seiner bis Dezember 2018 ausgeübten selbständigen Tätigkeit. Ab Juli 2019 war der Kläger nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er sich von diesem Zeitpunkt ab nicht auf eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU und damit nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche berufen kann. Beim Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind die Betroffenen dem Leistungssystem der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch zugewiesen (vgl. BT-Drucks. 18/10211). Dies war hier ab dem Juli 2019 der Fall.

Dabei steht der Umstand, dass der Kläger nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, einem Anspruch auf Hilfeleistungen nicht entgegen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Zudem bewirkt der grundsätzliche Ausschluss des Klägers von Leistungen des SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, dass er nicht gemäß § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, Juris). Jedoch erhalten nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII Ausländer keine Leistungen, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Kläger unterfällt - wie bereits dargelegt - diesem Ausschlusstatbestand, da er lediglich über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche verfügt. Dieser Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar; hier gilt nichts Anderes als beim Leistungsausschluss im SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 32/17 R, Juris, Rdnr. 33).

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII werden hilfebedürftigen Ausländern, die § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Damit bestand ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen für den Monat Juli 2019.

Ein weitergehender Anspruch für den Zeitraum vom 1. August bis 13. Oktober 2019 bestand nicht.

Ein weitergehender Anspruch könnte sich nur durch einen Anspruch im Sinne der Härtefallregelung nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ergeben. Ein Anspruch auf Härtefallleistungen setzt nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII voraus, dass Leistungen „im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten sind“. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Durch die Härtefallregelung soll sichergestellt werden, dass auch über das Niveau der vorgesehenen Überbrückungsleistungen hinausgehende Bedarfe im Einzelfall gedeckt werden können (vgl. Deckers in: Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Auflage 2020, SGB XII § 23 Rn.76). Eine Gewährung der Leistung soll jedoch nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommen, beispielsweise im Fall einer vorübergehenden Reiseunfähigkeit. Allgemeine, für den jeweiligen Personenkreis typische Härten reichen demgegenüber nicht aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2017, L 15 SO 104/17 B, juris; Groth in: BeckOK SozR, 64. Ed. 1.12.2021, SGB XII, § 23 Rn.18).

Ein derartiger Härtefall ist hier nicht dargelegt worden. Der Vortrag des Klägers beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass er zu seiner Rechtsansicht, ihm stehe bereits ein Daueraufenthaltsrecht zu bzw. der Arbeitnehmerstatus bestehe fort, Angaben macht. Eine besondere Härte ist auch für den Senat nicht erkennbar. So konnte der Kläger insbesondere in dem hier noch streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt durch ein gewährtes Darlehen decken und hatte dies zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht auch bereits vollständig zurückgezahlt. Dies ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers in dem sozialgerichtlichen Verfahren und den Zeugenaussagen der Zeugen Frau L. und Herrn E. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20. Juni 2022. Auch die Unterkunftskosten war der Kläger in der Lage zu bezahlen. Allein schon aus diesen Umständen ist das Vorliegen einer besonderen Härte zu verneinen. Darüber hinaus bestand bei dem Kläger durchaus Reisefähigkeit und damit die unproblematische Möglichkeit in sein Heimatland zu reisen und gegebenenfalls dort Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Ausreise war dem Kläger zur Überzeugung des Senats insbesondere auch nicht unzumutbar. Der Kläger war zum streitigen Zeitraum alleinstehend und hatte weder Kinder, noch eine Partnerschaft oder sonstige familiäre Bindungen in D-Stadt. Die von ihm zuvor ausgeübte Tätigkeit in der Gastronomie hätte auch im Heimatland ausgeübt werden können. Er verfügte damit auch nicht über eine Ausbildung zu einer qualifizierten Tätigkeit, deren Ausübung nur in Deutschland möglich gewesen wäre. Es ist auch nicht vorgetragen, dass am damaligen Wohnort besondere soziale Beziehungen bestehen, die auf einen verfestigten Aufenthalt des Klägers schließen lassen.

Die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Sätze 3 und 6 SGB XII sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahingehend weit auszulegen, dass allein der Aufenthalt im Bundesgebiet einen Härtefall begründe bzw. die Voraussetzungen der Härtefallregelungen vorlägen, wenn der betroffene Unionsbürger die Vermutung eines Freizügigkeitsrechts für sich in Anspruch nehmen könne und die Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht ergriffen habe, sein Aufenthalt also faktisch geduldet werde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2019, L 15 SO 181/18, Juris, Rdnr. 63; LSG Darmstadt, Urteil vom 1. Juli 2020 – L 4 SO 120/18 –, juris, Rdnr. 74), wird vom Senat nicht geteilt. Die in § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII normierte Härteklausel ermöglicht zwar sowohl hinsichtlich des Leistungsumfangs als auch der Leistungsdauer Abweichungen im Einzelfall bei Vorliegen einer besonderen Härte. Zudem erlaubt die Regelung die Gewährung von Leistungen über einen Monat hinaus bei Vorliegen besonderer Umstände. Deutlich macht der Gesetzgeber aber auch mit der Härteklausel, dass er darin keine Option sieht, zu einem „Dauerleistungsrecht“ zu gelangen. Denn eine Abweichung vom Leistungszeitraum von maximal einem Monat sieht er ebenfalls nur zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage vor und verlangt neben der besonderen Härte in diesem Fall noch „besondere Umstände“. Eine besondere Härte zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht für alle vom Leistungsausschluss betroffenen Personen typisch ist, also über die mit dem reduzierten Leistungsumfang typischerweise verbundenen Härten in der Person des Leistungsberechtigten individuelle Besonderheiten hinzutreten. Dies war wie oben bereits ausgeführt vorliegend nicht der Fall.

Der Senat geht, wie bereits in seinem Urteil vom 4. Dezember 2023, L 7 AS 421/22, juris ausgeführt, mit der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/22 R, Juris, Rdnrn. 38 f.) davon aus, dass es mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG) vereinbar ist, dass Ausländer, die wie der Kläger über kein Aufenthaltsrecht oder nur ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche verfügen und denen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland möglich und zumutbar ist, von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen sind. Das Bundessozialgericht hält es für verfassungsrechtlich unbedenklich, dass in bestimmten Konstellationen Personen von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen sein können, auch wenn sie de facto ohne hinreichende finanzielle Mittel sind (Urteil vom 29. März 2022 – B 4 AS 2/21 R, Juris, Rdnr. 37). Es führt in der Entscheidung weiter aus: „In entsprechender Weise darf der Gesetzgeber Unionsbürger regelmäßig darauf verweisen, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat als Ausprägung der eigenverantwortlichen Selbsthilfe zu realisieren (vgl. nochmals zu § 120 Abs. 1 BSHG BVerwG vom 8. Juli 1988, 5 B 136/87, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 9 = Juris, Rdnr 3; allgemein zur Zumutbarkeit der Rückkehr von Ausländern in ihre Heimatländer, selbst wenn damit familiäre oder wirtschaftliche Nachteile verbunden sind, etwa: BVerfG vom 12. Mai 1987, 2 BvR 1226/83, ua - BVerfGE 76, 1 [57] = Juris, Rdnr 117; BVerfG [Kammer] vom 16. September 1992, 2 BvR 1546/92, Juris, Rdnrn. 2 f.; BVerfG [Kammer] vom 20. Oktober 2021, 2 BvQ 95/21, Juris, Rdnr 13; BVerwG vom 18. Februar 2021, 1 C 4/20, Juris, Rdnrn. 33 ff; BVerwG vom 24. Juni 2021, 1 C 27/20, Juris, Rdnrn. 14 ff). Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits von einem Beschwerdeführer verlangt, sich mit der Möglichkeit einer Bedarfsdeckung im Ausland auseinanderzusetzen (BVerfG [Kammer] vom 4. Oktober 2016, 1 BvR 2778/13, Juris, Rdnr 8; vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/21 R, Juris, Rdnr. 38).

Auch die Auffassung des 4. Senats des LSG Darmstadt (Urteil v. 31. Oktober 2022 - L 4 SO 133/22 B ER - juris Rn. 20), ein Leistungsanspruch bestehe, solange der Staat das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts nicht festgestellt habe, wird nicht geteilt. Das Bundessozialgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 29. März 2022 - B 4 AS 2/21 R - juris Rn. 41 hierzu ausgeführt, die Auffassung, es müsse ein Leistungsanspruch bestehen, solange der Staat das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts nicht festgestellt hat, entspreche nicht der gesetzlichen Konzeption, die zur Bedingung des Leistungsausschlusses gerade nur das Fehlen eines den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II begründenden Aufenthaltsrechts (vgl § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II) mache. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe im Kontext des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG nicht beanstandet, wenn das Leistungsrecht dem Betroffenen faktisch engere Vorgaben mache als sie ihm ausländerrechtlich vorgegeben seien (BVerfG, 16. Juni 1997 - 1 BvR 236/97 - juris RdNr 9; BVerfG vom 9.2.2001 - 1 BvR 781/98 - juris RdNr 22 ff). Ähnlich wie eine unterbliebene Vermögensverwertung nicht zu einem Leistungsanspruch führe, seien Leistungen nicht allein deshalb zu gewähren, weil die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland unterbleibt.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG betroffen ist.

Anders als bei den vom Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erfassten Personen besteht bei Unionsbürgern und damit auch beim Kläger grundsätzlich kein Anlass, an der Zumutbarkeit seiner Ausreise zu zweifeln. So ist es Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG für Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG, die gerade nicht in jedem Fall zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, auch umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordern. Bei Unionsbürgern kann sich die Gewährleistungsverpflichtung demgegenüber darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch eingeschränkte Leistungen zu unterstützen. Soweit eine Ausreise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, greift die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII ein. Der Gesetzgeber bewegt sich mit den Regelungen der § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und b SGB II und § 23 Abs. 3, Abs. 3a SGB XII innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2022, B 4 AS 2/21 R, Juris, Rdnr. 39; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. April 2022, L 18 AS 312/22 B ER, Juris, Rdnr.12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2022, L 8 AS 449/22 B ER, Juris, Rdnr. 18).

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Rückreise (§ 23 Abs. 3a SGB XII) war nicht zu prüfen. Ein dahingehendes Begehren des Klägers besteht ohne Ausreiseabsicht ersichtlich nicht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2022, L 8 AS 449/22 B ER, Juris, Rdnr. 19).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beigeladene hat einen Klageantrag gestellt und war damit im Berufungsverfahren mit einer Kostenquote von ¼ zu beteiligen, da sie in dieser Höhe unterliegt. Im Übrigen haben die Beteiligten einander für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Der Beklagte war mit der von ihm eingelegten Berufung erfolgreich und hat damit keine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. 

Rechtskraft
Aus
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