L 5 AS 353/20

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AS 73/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 5 AS 353/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Nebenkostennachforderungen für eine ehemalige Wohnung sind vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, wenn der Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostennachforderung erhoben wird, bis zu deren Geltendmachung und Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II stand und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs während des Bezugs von Arbeitslosengeld II vorlag (Anschluss an BSG, Urteil vom 13.07.2017, B 4 AS 12/16 R). 2. Bewohnte der Leistungsempfänger die ehemalige Wohnung nicht während des gesamten Abrechnungszeitraums, kommt nur eine anteilige Übernahme der Nebenkostennachforderung in Betracht. 3. Die Fälligkeit der Nebenkostennachforderung bestimmt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Mietvertragsparteien (hier: 4 Wochen Zahlungsziel mit Prüffrist).

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Mai 2020 und der Änderungsbescheid vom 15. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2016 werden abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin für September 2016 weitere Leistungen i.H.v. 292,07 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 40 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme einer Nebenkostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

Die am ... 1992 geborene Klägerin wohnte zunächst mit ihrer Mutter, deren Partner und ihrer Schwester A. M. in der H.-D.-Straße in H. und bezog seit Januar 2011 als Teil einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Ihre Schwester zog zum 16. Dezember 2014 in eine eigene Wohnung in der Straße der D. E. in S. Am 19. Juni 2015 beantragte die Klägerin die Zusicherung zur Übernahme der Kosten einer neuen Unterkunft. Sie beabsichtige, zum 15. Juli 2015 zu ihrer Schwester zu ziehen. Nachdem im Entlassungsbericht der psychiatrischen Tagesklinik des A. Klinikums A. ein eigener Wohnraum empfohlen worden war, erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2015 die entsprechende Zusicherung. Ausweislich der eingereichten Meldebescheinigung zog die Klägerin zum 13. August 2015 in die Zweizimmerwohnung (50 m²) in der Straße der D. E.  in S.

Ab diesem Zeitpunkt bewilligte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen als Einzelbedarfsgemeinschaft. Er berücksichtigte dabei die Hälfte der anfallenden Kosten für die gemeinsam mit der Schwester bewohnten Wohnung (insgesamt: Miete 215,17 €/Monat, Nebenkosten 55,04 €/Monat, Heizkosten 55,04 € zzgl. Abfallkosten). Mit dem Aufgabenkreis der Regelung von Behördenangelegenheiten, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten übernahm ab 27. Oktober 2015 die Mitarbeiterin des Vereins B. S. e.V. Frau G. die Korrespondenz mit dem Beklagten.

Am 5. April 2016 beantragte die Klägerin die Zusicherung zur Übernahme der Kosten für eine neue Wohnung. Sie beabsichtige, zusammen mit ihrer Schwester zum 1. Juli 2016 in die Straße der V. in S. umzuziehen. Die bisherige Wohnung sei zu klein und es gebe Lärmbelästigungen durch Nachbarn. Das beigefügte Mietangebot bezog sich auf eine 2,5-Raumwohnung mit 68,58 m² und einer Bruttowarmmiete i.H.v. 413,89 €/Monat. Mit Bescheid vom 11. April 2016 erteilte der Beklagte die beantragte Zusicherung (hälftige Kosten der Unterkunft und Heizung - KdUH). Der Umzug erfolgte schließlich zum 1. August 2016 in eine gleich große und gleich teure Wohnung in der Straße der V. in S. Der Beklagte übernahm mit Bescheid vom 28. Juni 2016 für diese Wohnung die Wohnungsbeschaffungskosten (hälftige Genossenschaftsanteile i.H.v. 450 € als Darlehen). Er gewährte zudem mit Bescheid vom 9. August 2016 eine teilweise Erstausstattung. Ab August 2016 (Bescheid vom 25. Juli 2016) bewilligte der Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen i.H.v. 610,95 €/Monat unter Berücksichtigung der hälftigen KdUH der neuen Wohnung.

Die Klägerin reichte am 8. September 2016 die Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 15. August 2016 für das Jahr 2015 für die Wohnung in der Straße der D. E. in S. beim Beklagten ein. Diese sah eine Nachzahlung i.H.v. 1.512,15 € vor. Diese sei „bitte innerhalb von 4 Wochen auf folgendes Konto …“ zu überweisen. Anderenfalls trete Verzug ein. Mit dem Änderungsbescheid vom 15. September 2016 bewilligte der Beklagte für August 2016 Leistungen i.H.v. unverändert 610,95 €. Der Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2016 könne nicht als Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt werden. Es handele sich um eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Oktober 2016 Widerspruch. Sie habe sich ununterbrochen im Leistungsbezug befunden, so dass die Übernahme der Nachzahlung erfolgen müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die geltend gemachten Kosten beträfen eine nicht mehr bewohnte Wohnung, so dass kein anzuerkennender Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II vorliege. Eine Ausnahme sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur anzuerkennen, wenn ein durchgehender Leistungsbezug vorliege und die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit erfolgt sei. Dies sei nicht gegeben.

Mit der Klage vom 11. Januar 2017 hat die Klägerin – zunächst zusammen mit ihrer Schwester (insoweit Klagerücknahme am 16. Dezember 2019) – ihr Begehren der Übernahme der Nebenkostennachzahlung vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) weiterverfolgt. Sie habe Anspruch auf die hälftige Übernahme des Nachzahlungsbetrags, mithin 756,08 €. Es liege ein ununterbrochener Leistungsbezug vor. Für den Umzug in die Wohnung in der Straße der V. sei eine Zusicherung erteilt worden. Auf eine Kostensenkungsobliegenheit komme es nicht an.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Übernahme der Nebenkostennachzahlung komme im August 2016 unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzungen der Rechtsprechung des BSG nicht in Betracht. Es mangele bereits an einer Fälligkeit im August 2016. Ausweislich der Abrechnung vom 15. August 2016 habe die Zahlung binnen 4 Wochen zu erfolgen gehabt. Der Fälligkeitszeitpunkt habe damit erst im September 2016 gelegen. Der verfahrensgegenständliche Änderungsbescheid betreffe jedoch ausdrücklich nur den Monat August 2016. Es könne offenbleiben, ob der Beklagte bereits vollumfänglich über den Antrag auf Übernahme der anteiligen Nebenkostenabrechnung entschieden habe oder ob insoweit noch eine Entscheidung bezüglich des Fälligkeitsmonats ergehen müsse.

Die Klägerin hat gegen den am 6. Juli 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 24. Juli 2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Entscheidung des SG berücksichtige nicht, dass der Beklagte die Übernahme der anteiligen Nachzahlung unabhängig von der Fälligkeit im August oder September 2016 abgelehnt habe. Im Übrigen werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Die Voraussetzungen einer Übernahme der Nebenkostenabrechnung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung seien erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Jobcenter unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Mai 2020 und unter Änderung des Bescheids vom 15. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2016 zu verurteilen, der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 756,08 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 26. Mai 2020 zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Es mangele an einer Fälligkeit im August 2016.

Mit dem Änderungsbescheid vom 27. April 2022 hat der Beklagte für September 2016 Leistungen i.H.v. unverändert 610,95 € bewilligt und die Übernahme der Nebenkostennachzahlung abgelehnt. Im Hinblick auf den enthaltenen Hinweis der Einbeziehung dieses Bescheides in ein laufendes Verfahren nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Beklagte mitgeteilt, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe. Es hätte eine „normale“ Rechtsmittelbelehrung gesetzt werden müssen. Für September 2016 sei kein Verfahren anhängig.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26. März 2024 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. März 2024 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

1.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da sie die Übernahme einer Nebenkostennachzahlung i.H.v. 756,08 € geltend macht, so dass der Beschwerdewert i.H.v. 750 € überschritten wird. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

2.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 15. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2016 ist teilweise rechtswidrig und beschwert daher die Klägerin i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Sie hat Anspruch auf Gewährung der anteiligen Nebenkostennachzahlung i.H.v. 291,93 € im September 2016 im Vergleich zur bisherigen Leistungsbewilligung. Der Gerichtsbescheid des SG war daher abzuändern.

a.

Der Senat ist nicht daran gehindert, höhere Leistungen für September 2016 zuzusprechen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Dezember 2016 hat der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachzahlung vollständig abgelehnt, ohne dass es auf die Zuordnung zu einem bestimmten Monat angekommen wäre. Dies ergibt sich insbesondere aus der Begründung im Bescheid vom 15. September 2016 und nachgehend aus den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2016. Der Anspruch auf zusätzliche KdUH für die nicht mehr bewohnte Wohnung scheide danach grundsätzlich aus. Zwar ist der Beklagte offenbar zunächst davon ausgegangen, dass die Nebenkostennachzahlung im August 2016 fällig gewesen sei. Dies war für ihn aber nicht maßgeblich und nicht Grundlage der Entscheidung. Zudem handelte es sich nicht um einen „Änderungsbescheid“ für diesen Monat, da die Leistungsbewilligung i.H.v. 610,95 € nicht abgeändert wurde. Der Beklagte hatte vielmehr einen Ablehnungsbescheid – nicht nur für August 2016 – erlassen.

Somit handelt es sich bei dem weiteren „Änderungsbescheid“ vom 27. April 2022, mit dem die Übernahme der Nebenkostenabrechnung – dieses Mal unter Erwähnung des Monats September 2016 – nochmals abgelehnt worden ist, um eine wiederholende Verfügung. Der erneute Bescheid enthält die bisherige Begründung und lehnt die Gewährung weiterer KdUH grundsätzlich ab. Es wird zudem die Leistungshöhe für September 2016 i.H.v. 610,95 € gerade nicht abgeändert.

b.

Die Klägerin hatte im September 2016 dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sie erfüllte die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie war im passenden Alter, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestand nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung eine Einzelbedarfsgemeinschaft.

Der Bedarf der Klägerin umfasste den Regelbedarf i.H.v. 404 €. Einkommen und Vermögen waren nicht vorhanden und daher nicht anzurechnen. Hinsichtlich der KdUH hatte der Beklagte die hälftigen tatsächlichen KdUH i.H.v. 206,95 € berücksichtigt. Den sich ergebenden Gesamtanspruch i.H.v. 610,95 € hatte der Beklagte bewilligt und gezahlt.

c.

Die Klägerin hat darüber hinaus aber auch Anspruch auf die Übernahme der anteiligen Nebenkostennachzahlung i.H.v. 292,07 € im September 2016.

aa.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind die tatsächlichen Aufwendungen für die KdUH anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Hierdurch soll das Grundbedürfnis des Wohnens gesichert werden. Deswegen sind grundsätzlich nur die Aufwendungen für die tatsächlich genutzte, konkrete Wohnung zu übernehmen, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt. Dazu gehören auch Nebenkostennachforderungen im Fälligkeitsmonat (BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 14 AS 13/16 R, juris, Rn. 13; Urteil vom 13. Juli 2017, B 4 AS 12/16 R, juris, Rn. 17). Bezieht sich die Nachforderung auf einen während des Leistungsbezugs eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, ist sie gemäß § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen. Dagegen handelt es sich um Schulden i.S.d. § 22 Abs. 8 SGB II, wenn der Grundsicherungsträger die tatsächlich zu leistenden Vorauszahlungen berücksichtigt hatte und die Nachforderung auf der Nichtzahlung der vom Vermieter geforderten Abschläge beruht (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 9/11 R, juris, Rn. 18).

Vorliegend bezog sich die Nebenkostennachforderung auf eine Wohnung, die die Klägerin im Zeitpunkt der Abrechnung vom 15. August 2016 nicht mehr bewohnte. Es handelte sich insoweit nicht um Schulden, da die geleisteten Zahlungen i.H.v. jeweils 660,48 € für die Betriebs- und Heizkosten im Abrechnungszeitraum von 12 Monaten genau den fälligen monatlichen Vorauszahlungen entsprachen (12 × 55,04 € Heizkosten und 12 × 5 und 50,04 € Betriebskosten). Die Klägerin ist von der Nebenkostennachforderung auch betroffen, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob sie durch ihren Einzug im August 2016 Mitmieterin oder Untermieterin geworden ist.

bb.

Die Nebenkostennachforderung war im September 2016 fällig. Frühestens mit dem Zugang einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung beim Mieter kann die Fälligkeit der Nachforderung eintreten (Bundesgerichtshof [ BGH], Urteil vom 28. Mai 2008, VIII ZR 261/07, juris, Rn. 10). Maßgeblich für die Fälligkeit ist allerdings die Vereinbarung einer Leistungszeit i.S.d. § 271 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dies war bereits im Mietvertrag vom 24. November 2014 mit der damaligen alleinigen Mieterin (der Schwester der Klägerin) erfolgt. Unter § 2 Abs. 3 des Mietvertrags waren sowohl eine angemessene Prüffrist sowie eine Zahlung binnen eines Monats nach Zugang der Abrechnung vereinbart worden. Darüber hinaus hatte der Vermieter auch im Anschreiben zur Betriebskostenabrechnung vom 15. August 2016 eine Zahlungsfrist von 4 Wochen vorgesehen. Ob diese Formulierung auf eine Stundungsvereinbarung oder ein pactum de non petendo (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007, III ZR 91/07, juris, Rn. 11) hindeutet, ist unerheblich, da die bereits im Mietvertrag vereinbarte Fälligkeit ausschlaggebend ist. Diese lag bei einem Zugang der Abrechnung Mitte August 2016 jedenfalls im September 2016.

cc.

Nach der Rechtsprechung des BSG kann auch eine Nebenkostennachforderung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung als Bedarf im Fälligkeitsmonat zu berücksichtigen sein. Voraussetzung ist aber, dass die Leistungsberechtigten sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug nach dem SGB II standen. Das BSG hält zudem eine existenzsicherungsrechtliche Verknüpfung zwischen der Nachforderung für die bisherige Wohnung und dem aktuellen Bedarf für die derzeitige Wohnung für erforderlich. Diese sei insbesondere dann gegeben, wenn die Aufgabe der bisherigen Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit erfolgte oder eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs erteilt worden war (BSG, Urteile vom 30. März und 13. Juli 2017, a.a.O., Rn. 14 f. bzw. 18 f.; Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 AS 9/11 R, juris, Rn. 17). In diesen Fällen wird der Leistungsträger nicht von der Verantwortung für die Berücksichtigung unterkunftsbezogener Bedarfe für die frühere Wohnung entbunden, da der Umzug auf seine Veranlassung oder zumindest mit seiner Zustimmung erfolgte. Insoweit hat das BSG auch darauf verwiesen, dass ein Betriebskostenguthaben unabhängig von der Frage eines vorausgegangenen Umzugs die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 3 SGB II mindert (Urteil vom 13. Juli 2017, a.a.O., juris Rn. 19). Weiter wird zur Begründung angeführt, dass es eine faktische Umzugssperre bewirken könnte, wenn die Nachforderungen für eine frühere Wohnung bei durchgehender Hilfebedürftigkeit nicht übernommen würden (BSG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O., juris, Rn. 15).

Die Klägerin stand im Monat der Fälligkeit September 2016 im Leistungsbezug beim Beklagten. Dieser hatte von ihr keine Senkung ihrer KdUH in der vorherigen Wohnung verlangt. Allerdings hatte er die Zusicherung zur Übernahme der KdUH für die neue Wohnung mit Bescheid vom 5. August 2015 erteilt. Unerheblich ist insoweit, dass der Einzug in eine gleich große und gleich teure Wohnung mit einer anderen Hausnummer beim gleichen Vermieter erfolgt war. Dies zeigt auch die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten für die bezogene Wohnung seitens des Beklagten.

Entgegen dessen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und Widerspruchsbescheid sind die Kosten für eine nicht mehr bewohnte Wohnung nicht nur im Falle einer vorherigen Kostensenkungsaufforderung zu übernehmen. Mit den beiden Entscheidungen aus dem Jahr 2017 hat das BSG seine Rechtsprechung ausdrücklich auf erteilte Zusicherungen erweitert.

Ob die KdUH im September 2016 unter Berücksichtigung der Nebenkostennachforderung noch angemessen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II waren, kann dahingestellt bleiben. Der Beklagte hatte kein Kostensenkungsverfahren gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II betrieben.

dd.

Hinsichtlich der Höhe der zu übernehmenden Nebenkostennachforderung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht im gesamten Abrechnungszeitraum in der Straße der D. E. in S. wohnte. Sie war vielmehr erst zum 13. August 2015 – mit Zustimmung des Beklagten – zu ihrer Schwester in diese Wohnung eingezogen. Der Beklagte hatte die KdUH der Wohnung im Rahmen der Leistungsbewilligung auch erst ab dem Einzug kopfanteilig für die Klägerin berücksichtigt. Diese hatte die Betriebs- und Heizkosten im Jahr 2015 damit nur zum Teil mit verursacht. Demzufolge kann die Nebenkostennachforderung i.H.v. insgesamt 1.512,15 € nicht hälftig auf die Klägerin und ihre Schwester verteilt werden. Dies widerspräche auch der Handhabung der Kostentragung für die Nebenkosten in einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft.

Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht der Senat daher von einer anteiligen Nebenkostennachforderung bei der Klägerin unter Berücksichtigung des Einzugsdatums am 13. August 2015 aus. Insbesondere liegt keine Zwischenabrechnung oder aber eine anderweitige Regelung zu den Betriebs- und Heizkosten vor. Von dem kopfanteiligen Jahresbetrag i.H.v. 756,08 € entfallen damit auf die Klägerin für 141 von 365 Tagen 292,07 €.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Übernahme eine Nebenkostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

Rechtskraft
Aus
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