L 16 SF 210/24 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 356/22
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 SF 210/24 AB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Eine gerichtliche Anhörung zu einer geplanten, im Verfahrensgesetz vorgesehenen Verfahrensweise, ist regelmäßig nicht geeignet, eine Befangenheit des Gerichts zu vermuten.

 

Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterin am Bayerischen Landessozialgericht G und die Richterin am Bayerischen Landessozialgericht K werden als offensichtlich rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig verworfen.

Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Bayerischen Landessozialgericht B wird als unbegründet zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.

Der Kläger führt im 16. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts insgesamt 15 Berufungsverfahren (Aktenzeichen L 16 AS 508/23 bis L 16 AS 521/23 und L 16 AS 104/24). Zuständige Berichterstatterin für die Verfahren des Klägers ist nach der senatsinternen Geschäftsverteilung die Vorsitzende Richterin des 16. Senats.

Zwei Berufungsverfahren des Klägers waren für den 20.08.2024 von der Vorsitzenden Richterin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Der Kläger stellte am 01.08.2024 einen Verlegungsantrag und beantragte, dass sämtliche anhängige Verfahren an einem Tag verhandelt werden sollen. Dem Verlegungsantrag wurde stattgegeben.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 06.08.2024 wurden die Beteiligten von der Vorsitzenden des 16. Senats in allen anhängigen Verfahren des Klägers dazu angehört, dass beabsichtigt sei, die Berufungen gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin zu übertragen, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern in einer mündlichen Verhandlung über alle Berufungen entscheiden werde.

Am 02.09.2024 erklärte der Kläger die drei hauptamtlichen Richter bzw. Richterinnen in allen anhängigen Berufungsverfahren für befangen. Jedes hauptberufliche Mitglied des Senats lege ein willkürliches Verhalten an den Tag. Zuerst würden zwei Terminierungen vorgenommen werden, jetzt stehe eine Entscheidung durch die Berichterstatterin im Raum. Dies zeige, dass kein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt werde, sondern nur zugunsten des Beklagten entschieden werden solle.

In ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 09.09.2024 nahm die Vorsitzende des 16. Senats dahingehend Stellung, dass die von ihr veranlasste Anhörung zu einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 5 SGG erfolgt sei, um dem Antrag des Klägers, seine Verfahren an einem Termin zu verhandeln, entsprechen zu können.

In ihren dienstlichen Stellungnahmen vom 09.09.2024 äußerten sich die beiden weiteren Richterinnen des Senats dahingehend, dass sie bislang mit den Verfahren nicht befasst gewesen seien.

Dem Kläger und der Beklagten wurden die dienstlichen Stellungnahmen der Richterinnen zur Kenntnis gegeben. Die Beteiligten haben sich hierzu nicht geäußert.


II.

1. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen G und K sind offensichtlich rechtsmissbräuchlich und demgemäß als unzulässig zu verwerfen.

Aus den dienstlichen Stellungnahmen der beiden Richterinnen ergibt sich, dass sie bei der Anhörung durch die Berichterstatterin zu einer Entscheidung nach § 153 Abs. 5 SGG nicht beteiligt waren. Die im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmte Anhörung hat zur Gewährung rechtlichen Gehörs zu erfolgen (BSG, Urteil vom 21. September 2017 - B 8 SO 3/16 R Rz 16). Dabei stellt es eine übliche und zulässige Verfahrensweise dar, dass die zuständige Berichterstatterin die Anhörung zunächst ohne Beteiligung der weiteren Richterinnen im Senat durchführt (vgl BayLSG, Beschluss vom 13. Mai 2024 - L 14 SF 46/24 AB zur gesetzlich sogar ausdrücklich vorgeschriebenen Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG).

Nachdem der Kläger trotz Kenntnis dieser Sachlage nach Übermittlung der dienstlichen Stellungnahmen der beiden Richterinnen G und K an seinen Ablehnungsgesuchen gegenüber diesen beiden Richterinnen festgehalten hat, stellen sich die Ablehnungsgesuche gegen die mit der Sache bislang nicht befassten Richterinnen als offensichtlich rechtsmissbräuchlich dar und sind dementsprechend als unzulässig zu verwerfen (BayLSG, Beschluss vom 13. Mai 2024 - L 14 SF 46/24 AB).

2. Das Ablehnungsgesuch gegen die zuständige Berichterstatterin, die Vorsitzende Richterin B, ist - zumindest (vgl aber LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2023 - L 20 SF 203/22 AB, das in einer vergleichbaren Fallkonstellation bei einer Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG sogar bzgl des zuständigen Berichterstatters von der Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs wegen offensichtlicher Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeht) - unbegründet.

Die zuständige Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 06.08.2024 lediglich auf das Anliegen des Klägers reagiert, seine insgesamt 15 Verfahren in einem Termin zu verhandeln und insoweit eine im SGG vorgesehene und damit jederzeit zulässige Verfahrensweise nach § 153 Abs 5 SGG eingeleitet.

Ein im Rahmen zulässiger richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann einem Ablehnungsgesuch von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen. Das Ablehnungsverfahren dient grundsätzlich nicht dazu, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BFH-Beschluss vom 25. Juli 1997 VI B 68/97, BFH/NV 1998, 61); hierfür steht dem Antragsteller das Rechtsmittelverfahren zur Verfügung (BFH-Beschluss vom 24. August 1989 IV B 59/89, BFH/NV 1990, 308). Tatsächlich oder vermeintlich unrichtige Entscheidungen begründen eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nur dann, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen, voreingenommenen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten beruht oder wenn der Grad der Fehlerhaftigkeit so groß ist, dass der Schluss auf Willkür gerechtfertigt erscheint.

Ein bloßes Anhörungsschreiben zu einer beabsichtigten, im SGG vorgesehenen Verfahrensweise, ist daher für sich genommen nicht geeignet, eine Richterin als befangen anzusehen (BayLSG, Beschluss vom 13. Mai 2024 - L 14 SF 46/24 AB). Ein Anhörungsschreiben enthält im Übrigen keinerlei Vorwegfestlegung bzgl der künftigen Verfahrensweise. Die Anhörung dient vielmehr dazu, den Beteiligten umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme zu gegeben und deren berechtigten Anliegen bei der Festlegung der weiteren Verfahrensweise zu berücksichtigen.

Auch ist eine unsachliche oder willkürliche Sachbehandlung der Berichterstatterin mittels der Anhörung zu der von ihr nunmehr gewählten Verfahrensweise nicht im Entferntesten feststellbar, nachdem sie hiermit nur dem Anliegen des Klägers Rechnung tragen und seine 15 Verfahren in einem Termin verhandeln wollte.

Im Ergebnis lässt sich bzgl der Vorsitzenden Richterin B keinerlei Verhalten feststellen, welches ihre Unparteilichkeit als Richterin in Frage stellen würde.


Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

Rechtskraft
Aus
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