L 2 AS 462/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 25 AS 3990/08
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 462/15
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 
Leitsätze

1.

Im SGB II findet kein „horizontaler Verlustausgleich“ zwischen mehreren Gewerbebetrieben statt.

2.

Die Absetzung von Aufwendungen als Betriebsausgaben erfordert neben dem Anfall im aktuellen Bewilligungszeitraum einen sachlichen Zusammenhang zu den in diesem Zeitraum zufließenden gewerblichen Einnahmen.

3.

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass Aufwendungen eines Selbständigen, welche nicht in einem Zusammenhang mit der aktuell ausgeübten gewerblichen Tätigkeit stehen, sondern wegen einer anderen (ungleichartigen) sowie bereits beendeten Tätigkeit anfallen, nicht als Betriebsausgaben der aktuellen Tätigkeit anerkannt werden können.

4.

Selbst gebildete Rückstellungen aus den aktuellen Betriebseinnahmen zur Begleichung von lediglich möglichen, dh noch nicht fälligen, Rückforderungen dieser Einnahmen (hier: Provisionen) sind keine Betriebsausgaben und daher im SGB II nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen werden.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand:


Die Kläger begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. April bis ... 2008.

Der am ... 1971 geborene Kläger zu 2) hatte seit 1999 ein Gewerbe als selbständiger Handelsvertreter bzw. für Finanzdienstleistungen angemeldet. Seitdem war er, bis er im Jahr 2004 erkrankte, als Finanzberater für ein Finanzvertriebsunternehmen tätig. Nachdem er aus einer Krankentageversicherung keine Zahlungen mehr erhielt, beantragte und bezog er mit seiner damaligen Ehefrau, der Klägerin zu 1), sowie den gemeinsamen Kindern, der 1998 geborenen Klägerin zu 3) und der 2003 geborenen Klägerin zu 4), seit Juni 2005 Leistungen nach dem SGB II. Die Miete für die gemeinsam genutzte Wohnung betrug ab dem 1. Oktober 2007 insgesamt 560,14 Euro monatlich (Grundmiete 373,54 Euro, Vorauszahlung Betriebskosten 87,98 Euro, Vorauszahlung Heizkosten 98,62 Euro).

Seit dem 1. Oktober 2006 war der Kläger zu 2) aufgrund eines Agenturvertrages als selbständiger Handelsvertreter/Generalvertreter ausschließlich für die Volksfürsorge tätig. Zur Ausübung der Tätigkeit mietete der Kläger zu 2) Büroräume in L.. Er beendete die Tätigkeit im Januar 2008 und kündigte den Agenturvertrag mit Wirkung zum 31. März 2008.

Im Januar 2008 schloss der Kläger zu 2) einen Vertriebsvertrag mit der Postbank Finanzberatung AG ab und begann diese Tätigkeit im Februar 2008.

Die Kläger beantragten am 26. Februar 2008 die weitere Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. April 2008. Kindergeld bezogen sie in Höhe von 308 Euro monatlich. Der Kläger zu 2) gab an, weiter selbständig zu sein. Er prognostizierte, im Zeitraum vom 1. Februar bis 1. April 2008 Einkommen in Höhe von 2.747,41 Euro zu erzielen.

Mit Bescheid vom 7. April 2008 lehnte der Beklagte den Antrag wegen angenommener fehlender Hilfebedürftigkeit aufgrund der Einkommensverhältnisse ab. Er verwies auf die beigefügten Berechnungsbögen für Februar bis August 2008, wonach aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 2) ein bereinigtes anzurechnendes Einkommen von 586,07 Euro für Februar 2008 bzw. 4.330,49 Euro pro Monat ab März bis August 2008 angenommen werde. Hiermit könne - zusammen mit dem Kindergeld - der Gesamtbedarf gedeckt werden. Der Beklagte hatte hierzu u.a. eine Einnahme-Ausgaben-Rechnung des Klägers zu 2) für den Zeitraum Januar bis März 2008 berücksichtigt.

Hiergegen erhob der Kläger zu 2) am 16. April 2008 Widerspruch und führte u.a. aus, er habe im März 2008 niemals die vom Beklagten vor der Bereinigung angenommenen 4.705,49 Euro verdient. Am 16. April 2008 reichte er eine Einnahme-Ausgaben-Aufstellung für die Monate Februar bis August 2008 ein, in der er nur Verluste auswies. Der Beklagte erkannte nicht alle geltend gemachten Betriebsausgaben an und errechnete deshalb einen monatlichen Gewinn von 4.634,31 Euro.

Nachfolgend reichte der Kläger am 9. Juni 2008 seine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für den Zeitraum ab Februar bis Mai 2008 ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung zurück, wobei er den Bewilligungszeitraum nun auf den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2008 festsetzte. Er gehe für die Monate Februar bis Mai 2008 von Einnahmen in Höhe von insgesamt 8.976,94 Euro aus, wovon 2.060,44 Euro wegen notwendiger Ausgaben abzuziehen seien. Ausgaben, deren Notwendigkeit sowie die ausschließlich gewerbliche Nutzung bzw. Verwendung nicht nachgewiesen worden seien, würden nicht anerkannt. Bei den geltend gemachten Aufwendungen für die Krankenversicherung handele es sich nicht um betriebliche Ausgaben, sondern um privat veranlasste. Abzüglich der Versicherungspauschale, der Beiträge für geförderte Altersvorsorge und des Erwerbstätigenfreibetrages ergebe sich ein anrechenbares Einkommen des Klägers zu 2) von 1.354,13 Euro. Unter Einrechnung des Einkommens aus Kindergeld übersteige das Einkommen den Hilfebedarf der Bedarfsgemeinschaft. Dieser betrage monatlich 1.582,39 Euro und ab 1. Juli 2008 1.596,39 Euro. Grundlage für die Einkommensberechnung sei die am 9. Juni 2008 vorgelegte Einnahme-Ausgabe-Aufstellung für die Zeit Februar bis Mai 2008 gewesen.

Zusammen mit dem Folgeantrag für die Zeit ab Oktober 2008 reichte der Kläger eine Übersicht und Unterlagen zu den Einnahmen und Ausgaben ab Februar bis September 2008 ein.

Die Kläger haben am 15. September 2008 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage gegen den ablehnenden Bescheid vom 7. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 erhoben und zur Begründung ursprünglich ausgeführt: Die Betriebseinnahmen im Zeitraum Februar bis August 2008 hätten 21.502,05 Euro betragen. Abzusetzen seien die tatsächlich geleisteten Betriebsausgaben in Höhe von 13.041,72 Euro, welche sie mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2008 einzeln ausgewiesen haben. Unter Berücksichtigung dieser Ausgaben ergebe sich ein anrechenbares Einkommen des Klägers zu 2) von 862,76 Euro, welches zuzüglich des Kindergeldes den Gesamtbedarf in Höhe von 1.582,29 Euro bzw. 1.596,39 Euro nicht decke. Laut dem von ihnen im Klageverfahren übersandten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 betrage der Gewinn aus Gewerbebetrieb nur 4.305,00 Euro. Die Abschlussprovisionen des Versicherungsvertreters seien nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages gezahlt worden. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger zu 2) von den zugeflossenen Provisionen Rückstellungen bilden müssen, die nicht als Einkommen gewertet werden dürften. Ab dem Monat Mai 2008 habe der Kläger zu 2) eine private Krankenversicherung mit Beiträgen in Höhe von monatlich 332,84 Euro abgeschlossen. Diese Kosten seien von den monatlichen Gewinnen abzusetzen.

Die Kläger haben im Verfahren umfangreiche Unterlagen zu den Einnahmen und Ausgaben aus der selbständigen Tätigkeit eingereicht.

Im Erörterungstermin beim SG am 17. September 2014 haben die Kläger erklärt, dass sie nur wegen der abzuziehenden Rückstellungen von Provisionszahlungen sowie der Krankenversicherungsbeiträge streiten wollten. Von dem Kläger zu 2) würden aktuell tatsächlich Provisionen zurückgefordert. Im Hinblick auf die übrigen Abzugsposten haben sie ausdrücklich erklärt, mit den Verwaltungsentscheidungen des Beklagten nunmehr einverstanden zu sein.

Der Beklagte hat gegen die Klage vorgebracht, dass es seit dem 1. Januar 2008 nicht mehr auf das vom Finanzamt festgestellte Einkommen ankomme. Es sei die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 17. Dezember 2007 (Alg ll-V) anzuwenden, wonach unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Auswertungen des Klägers zu 2) und der anerkannten Absetzbeträge sowie des Kindergeldes ein bedarfsdeckendes Einkommen der Bedarfsgemeinschaft vorliege. Die Unterlagen der Kläger zur selbständigen Tätigkeit seien berücksichtigt worden. Auch nach der betriebswirtschaftlichen Auswertung für die Monate April bis September 2008 habe kein Leistungsanspruch bestanden. Es hätten sich auch hiernach Betriebseinnahmen in Höhe von 20.002,06 Euro ergeben, welche abzüglich der notwendigen Ausgaben und Freibeträge als Einkommen zuzüglich des Kindergeldes den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft übersteigen würden. Insoweit wird auf die Übersicht verwiesen, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Februar 2012 vorgelegt hat. Abzüglich der im Zeitraum April bis September 2008 vom Beklagten anerkannten notwendigen Ausgaben verbleibe ein berücksichtigungsfähiger Gewinn in Höhe von 12.099,43 Euro. Bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergäben sich somit jeweils 2.016,57 Euro als Einkommen für die Monate April bis September 2008. Die privaten Krankenversicherungsbeiträge seien keine Betriebsausgaben und könnten vom Beklagten nur als Zuschuss berücksichtigt werden. Da die Kläger allerdings über ein ihren Hilfebedarf übersteigendes Einkommen in Höhe von 432,18 Euro bzw. ab Juli in Höhe von 418,18 Euro verfügten, könnten daraus auch die Beiträge zur Krankenversicherung gedeckt werden.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. Juni 2015). Die Kläger hätten im streitigen Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2008 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft könne durch ihr Einkommen gedeckt werden, selbst wenn ab Mai 2008 die Kosten der Krankenversicherung in Höhe von 332,84 Euro berücksichtigt würden. Die Einkünfte aus der Selbständigkeit seien nicht durch Rückstellungen bzw. wegen Provisionsrückzahlungen zu vermindern. Denn etwaige Schulden im Jahr 2014 oder später verminderten nicht das im streitigen Zeitraum zur Verfügung stehende Einkommen. Der im Zeitraum April bis September 2008 erzielte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit habe durchschnittlich 2.016,57 Euro monatlich betragen. Hiervon seien die Kosten für Altersvorsorge in Höhe von 135,00 Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II a.F.), eine Werbungskostenpauschale von 15,33 Euro (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) a.F. sowie eine Versicherungspauschale von 30,00 Euro (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg ll-V a.F.), also insgesamt 180,33 Euro abzuziehen. Als weitere Freibeträge seien 140,00 Euro (§ 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F.) sowie 70,00 Euro (§ 30 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 SGB II a.F.) abzusetzen. Daraus errechne sich ein anrechenbares Einkommen von 1.626,24 Euro, das unter Berücksichtigung der Kindergeldzahlungen für die Klägerinnen zu 3) und 4) in Höhe von jeweils 154,00 Euro insgesamt 1.934,24 Euro betrage. Damit übersteige es den Gesamtbedarf von 1.582,39 Euro selbst dann, wenn man die Kosten der Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) in Höhe von 332,84 Euro ab Mai 2008 berücksichtige. Es sei hierzu anzumerken, dass die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers zu 2) nicht in der geltend gemachten Höhe, sondern bis 30. Juni 2009 in Höhe von insgesamt 259,99 Euro (223,00 Euro KV, 36,34 Euro PV) angefallen wären. Erst ab 1. Juli 2009 seien die geltend gemachten höheren Beiträge zu zahlen gewesen.

Am 15. Juli 2015 haben die Kläger gegen das ihnen am 16. Juni 2015 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Das SG habe fehlerhaft ein Einkommen für den Bewilligungszeitraum April bis September 2008 von insgesamt 12.099,43 Euro angenommen. Es bestünde Anspruch auf Berücksichtigung der getätigten Rückzahlungen wegen Provisionen (für Mai bis September 2008 5.027,99 Euro) sowie von Stornorückstellungen (für Juni und Juli 2008 zusammen 2.500,00 Euro) in Höhe von insgesamt 7527,99 Euro. Bei den geleisteten Zahlungen zur Rückzahlung der Provisionen handele es sich um die Erfüllung von Verbindlichkeiten aus der selbständigen Tätigkeit. Sie resultierten aus getätigten Vermittlungsgeschäften, während der der Kläger zu 2) bereits im Leistungsbezug gestanden habe. Die Rückzahlungen seien auch nicht als Begleichung von Schulden aus einer anderen Erwerbstätigkeit anzusehen. Der Kläger zu 2) sei durchgängig als gewerblicher Handelsvertreter tätig gewesen. Er sei lediglich von unterschiedlichen Unternehmen mit der Vermittlung betraut gewesen. Insoweit handele es sich um anzuerkennende Betriebsausgaben. Die Einnahmen aus der Selbständigkeit seien auch durch Rückstellungen für drohende Verluste aus den Vermittlungsgeschäften für die Postbank Finanzberatung AG i.H.v. 2.500 Euro zu vermindern. In dieser Höhe habe das Einkommen nicht zur Verfügung gestanden. Zur Bildung dieser Rückstellung sei der Kläger zu 2) aus handels- und steuerrechtlicher Sicht berechtigt und verpflichtet gewesen. Unter Abzug der bereits getätigten Rückzahlungen wegen der Provisionen sowie der Rückstellungen habe lediglich Einkommen i.H.v. 4.571,44 Euro berücksichtigt werden können. Der erzielte monatliche Gewinn habe daher nur 761,91 Euro betragen. Ab Mai 2008 seien zudem monatliche Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers zu 2) in Höhe von monatlich 259,99 Euro zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des SG H. vom 4. Juni 2015 den Ablehnungsbescheid vom 7. April 2008 betreffend den Zeitraum April 2008 bis September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 aufzuheben und

den Beklagten zu verpflichten, ihnen für den Zeitraum April bis September 2008 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die ehemalige Berichterstatterin hat die Kläger mit Schreiben vom 4. April 2018 förmlich gemäß § 106a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Vorlage diverser Unterlagen zu Einnahmen bzw. Ausgaben und Versicherungsaufwendungen aufgefordert. Die Kläger haben hierzu geäußert, dass sie keine weiteren als die bereits eingereichten Unterlagen vorlegen könnten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.


Entscheidungsgründe:


Die Berufung hat keinen Erfolg.

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG vom 4. Juni 2015, mit dem es die Klage gegen den Bescheid vom 7. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 und auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2008 abgewiesen hat.

II. Die danach statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässig verbunden erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben mangels Hilfebedürftigkeit keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für den Zeitraum April bis September 2008.

1. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch sind §§ 19 ff. i.V.m. §§ 7 ff. SGB II.

a) Die Kläger waren – abgesehen von der fehlenden Hilfebedürftigkeit - dem Grunde nach leistungsberechtigt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 lit. a und Nr. 4 SGB II). Ausschlusstatbestände lagen nicht vor.

b) Aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens lag keine Hilfebedürftigkeit vor.

Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II).

c) Der Bedarf der Kläger nach dem SGB II für die Monate April bis Juni 2008 betrug 1.581,36 Euro und ab Juli bis September 2008 1.595,14 Euro monatlich. Dies folgt aus den zuzumessenden Regelbedarfen (bis Juni 2008 je 312,00 Euro für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2), später 316,00 Euro und für die Klägerinnen zu 3) und 4) bis Juni 2008 je 208,00 Euro und später 211,00 Euro) sowie den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 560,14 Euro monatlich, lediglich vermindert um den in den Regelleistungen enthaltenen Anteil für Energie, welcher von den Heizkostenvorauszahlungen abzuziehen war (sog. Warmwasserpauschale, vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R - juris). Dieser betrug für die Kläger zu 1) und 2) je 5,63 Euro bzw. 5,70 Euro, für die Kläger zu 3) und 4) je 3,76 Euro bzw. 3,80 Euro monatlich (vgl. Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335).

d) Das gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen bestand, bezogen auf die Klägerinnen zu 3) und 4) aus dem Kindergeld (§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 SGB II a.F.) in Höhe von jeweils 154 Euro monatlich und bezogen auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft, aus dem Einkommen des Klägers zu 2) aus seiner gewerblichen Tätigkeit.

Die Berücksichtigung der gewerblichen Einkünfte des Klägers zu 2) hat gemäß den auf Grundlage des § 13 SGB II erlassenen Regelungen des § 3 Alg II-V in der ab 1. Januar 2008 geltenden alten Fassung (a.F.) zu erfolgen. Gemäß § 3 Abs. 1 Alg II-V a.F. ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) tatsächlich zufließen. Wird eine solche Erwerbstätigkeit nur während eines Teils des Bewilligungszeitraums ausgeübt, ist das Einkommen nur für diesen Zeitraum zu berechnen. Zur Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens sind gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-V a.F. von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Abweichend hiervon können bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für ausschließlich betriebliche Fahrten 0,10 Euro für jeden gefahrenen Kilometer abgesetzt werden. Wegen Ausgaben regelt § 3 Abs. 3 Alg II-V a.F., dass tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden sollen, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Nachgewiesene Einnahmen können bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht. Gemäß § 3 Abs. 4 Alg II-V a.F. ist für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Von dem Einkommen sind die Beträge nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzen.

Gemäß den eingereichten Aufstellungen und Unterlagen (Schriftsatz der Kläger vom 26. Oktober 2011, Anlage K2) hat der Kläger zu 2) im Zeitraum von April bis September 2008 Einnahmen in Höhe von insgesamt 20.002,06 Euro erzielt Die anzuerkennenden Betriebsausgaben hat der Beklagte mit insgesamt 7.902,63 Euro ermittelt. Der Abzug der nicht berücksichtigten Aufwendungen wurde von den Klägern schon erstinstanzlich nicht mehr begehrt. Sie haben in der mündlichen Verhandlung beim Senat bestätigt, dass die tatsächlich berücksichtigten Einnahmen und Ausgaben unstreitig und so, wie sie bisher zugrunde gelegt wurden, richtig seien. Auch kann der Senat bezüglich der nicht berücksichtigen Positionen (siehe Schriftsätze des Beklagten vom 8. September 2011 und vom 28. Februar 2012) keine betriebliche Veranlassung erkennen. Nachdem die Kläger zudem erklärt haben, keine weiteren Unterlagen bzw. Erläuterungen mehr beitragen zu können, sieht der Senat auch keine Ansatzpunkte für eine weitergehende Aufklärung. Damit ist von einem Gesamtgewinn von 12.099,43 Euro bzw. monatlich 2.016,57 Euro auszugehen.

Die in der Einnahmen-Ausgaben-Aufstellung des Klägers zu 2) enthaltenen Posten „Rückzahlungen von Schulden“ (vgl. Aufstellung Bl. 885/886 der Verwaltungsvorgänge) in den Monaten Mai bis September 2008 in Höhe von insgesamt 5.027,99 Euro sind nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Im Bereich des SGB II spielen für die Berücksichtigung gewerblicher Einnahmen (einkommen-)steuerliche Regelungen bzw. Betrachtungsweisen seit der Einführung des § 3 Alg II-V a.F. keine Rolle mehr. Zudem ist im Bereich des SGB II keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben zulässig (kein „horizontaler Verlustausgleich“; vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 17/15 R – juris Rn. 21 ff.). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob gewerberechtlich ein oder mehrere Gewerbe vorliegen. Maßgeblich ist die materielle Beurteilung, ob die Einnahmen aus einer spezifischen Tätigkeit im Zusammenhang mit den geltend gemachten Ausgaben stehen. Es muss eine klar erkennbare Beziehung zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen bestehen. Nur soweit dies der Fall ist, kommt eine Saldierung in Betracht. Besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben hingegen nicht, scheidet eine Saldierung genauso aus wie bei auch formal getrennten Gewerben (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2020 – B 4 AS 1/20 R – juris Rn. 25).

Die hier geltend gemachten Ausgaben im Zeitraum Mai bis September 2008 wegen Provisionsrückzahlungen resultieren – wie vom Kläger zu 2) vorgetragen – aus den für die Volksfürsorge getätigten Versicherungsvermittlungen. Diese Tätigkeit war allerdings tatsächlich bereits im Januar 2008 aufgegeben worden. Die Rückzahlungen standen daher nicht in Verbindung mit einer damals aktuell ausgeübten Erwerbstätigkeit. Der Kläger zu 2) war kein freier Makler. Vielmehr war er zunächst exklusiv für die Volksfürsorge und später für die Postbank tätig. Dies war auch äußerlich erkennbar an den Büros, die er für die jeweiligen Unternehmen betrieb. Die Tätigkeit für die Postbank war zudem nicht gleichartig zur der vorangegangenen. Denn der Kläger zu 2) suchte bzw. betreute nicht nur Versicherungskunden. Für die Postbank hat der Kläger zu 2) hauptsächlich Wertanlageprodukte vertrieben. Eine inhaltliche Überschneidung mit der vorherigen Tätigkeit gab es nur bezüglich der auch vertriebenen Lebens- und Rentenversicherungen.

Auch die vom Kläger zu 2) in der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung aufgeführten Rückstellungen wirken sich nicht gewinnmindernd aus. Der Kläger hat die Provisionen von der Postbank unter Vorwegabzug der Stornoreserve von 5 % (§ 3 Nr. 4 des Vertrages mit der Postbank) vereinnahmt. Diese standen ihm, auch wenn er selbst hiermit weitere Rücklagen auf seinem Tagesgeldkonto gebildet hat, als aktuell bereite Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Weil damit keine Rückzahlungen bestritten wurden, kommt ein Abzug nicht in Betracht.

Selbständig Erwerbstätige sind bei Anwendung der Einkommensregelungen des SGB II nur insofern privilegiert, dass sie aktuelle Zahlungsverpflichtungen (etwa gegenüber Lieferanten) von den Einnahmen (und zwar über den gesamten Bewilligungszeitraum hinweg) absetzen können, soweit solche Ausgaben für die Führung des Gewerbes notwendig sind. Demgegenüber muss der nichtselbständige Hilfebedürftige sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. BSG Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 33/12 R – juris Rn. 14). Allerdings knüpft der Verordnungsgeber auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 und 2 Alg II-V a.F. ausdrücklich an das Zuflussprinzip an, das im SGB II vorgegeben ist. Es werden deshalb einerseits nur im Bewilligungszeitraum tatsächlich erzielte Einnahmen berücksichtigt. Andererseits sind aber auch nur die in diesem Zeitraum tatsächlich erbrachten Aufwendungen absetzbar. So wird gewährleistet, dass auch bei Selbständigen die Einkünfte zur Bedarfsdeckung herangezogen werden, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zur Verfügung standen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R – juris Rn. 31). Mithin hat ein Abzug von Rückstellungen, also fiktiven Abzügen, nicht zu erfolgen.

Von dem oben genannten Einkommen aus Selbständigkeit in Höhe von 2.016,57 Euro pro Monat sind noch für Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 135,00 Euro (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II a.F.), eine Werbungskostenpauschale von 15,33 Euro (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a Alg ll-V a.F.) sowie eine Versicherungspauschale von 30,00 Euro (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg ll-V a.F.) abzuziehen (insgesamt 180,33 Euro). Als weitere Freibeträge werden 140,00 Euro (§ 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F.) sowie 70,00 Euro (§ 30 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 SGB II a.F.) abgesetzt.

Daraus errechnet sich ein anrechenbares Einkommen von 1.626,24 Euro, das unter Berücksichtigung der Kindergeldzahlungen für die Klägerinnen zu 3) und 4) in Höhe von jeweils 154,00 Euro insgesamt 1.934,24 Euro beträgt. Dies übersteigt den Gesamtbedarf von 1.581,36 Euro bzw. ab Juli bis September 2008 von 15.95,14 Euro monatlich.

Auch ein Anspruch auf einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. bestand nicht. Bei einem Bedarfsüberhang von monatlich 352,88 Euro bzw. ab Juli 2008 von 339,10 Euro waren die Kläger selbst in der Lage, die vollen Beiträge von insgesamt 326,15 Euro (285,15 Euro KV, 41,00 Euro PV) bzw. ab September 2008 von insgesamt 259,99 Euro monatlich (223,65 Euro KV, 36,34 Euro PV) zu zahlen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Rechtskraft
Aus
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