L 2 SO 2360/24 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SO 1590/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2360/24 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe vom 8. Juli 2024 hat keinen Erfolg.

Die am 4. August 2024 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg gegen den dem Bevollmächtigten des Antragstellers gegen elektronisches Empfangsbekenntnis am 8. Juli 2024 zugestellten Beschluss des SG ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach § 173 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 02.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (BVerfG Beschluss vom 14.03.2019 - 1 BvR 169/19 - juris Rn. 15; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - <beide juris> jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Gemessen an diesen Grundsätzen bleibt die Beschwerde des Antragstellers ohne Erfolg. Das SG hat den Antrag auf Gewährung eines Vorschusses auf das zu gewährende persönliche Budget in Höhe von monatlich 29.702,54 € im Rahmen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege zu Recht abgelehnt.

Hierbei hat das SG zutreffend die rechtlichen Grundlagen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass vorliegend schon kein Anordnungsgrund besteht. Dem schließt sich der Senat an.

In dem einstweiligen Rechtsschutzbeschwerdeverfahren beim LSG Az. L 2 SO 3072/23 ER-B hat sich der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 30. November 2023 im Wege eines Anerkenntnisses vorläufig bereit erklärt, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dem Antragsteller ein persönliches Budget für eine 24-Stunden-Betreuung in Höhe von monatlich maximal 23.901,69 € abzüglich der von der Pflegeversicherung gezahlten Pflegegeldleistungen für den Zeitraum von sechs Monaten zu gewähren. Bis dahin war der Antragsgegner bereit, wie mit Bescheid vom 5. Oktober 2023 verfügt, nach § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einen Vorschuss in Höhe von monatlich 10.000,00 € zu gewähren. Die Verwendung der geleisteten Vorschusszahlungen war gemäß des Bescheides vom 5.  Oktober 2023 erstmals bis zum 31. Januar 2024 nachzuweisen. Für die Monate Oktober 2023 bis einschließlich Februar 2024 hat der Antragsgegner monatlich 10.000,00 € als Vorschuss auf das Girokonto des Antragstellers überwiesen. Am 11. März 2024 hat der Antragsgegner nach mehrmaliger Erinnerung erstmals Nachweise über die Verwendung der bereits ausbezahlten Vorschüsse erhalten. Nach Prüfung dieser Nachweise haben sich für den Antragsgegner weitere Fragen ergeben. Aus den am 11. März 2024 zur Verfügung gestellten Unterlagen geht hervor, dass die Firma „S1“ im Zeitraum von November 2023 bis Januar 2024 insgesamt 23.782,09 € erhalten hat. U.a.  ist eine Zahlung an die Firma „S1“ mit dem Verwendungszweck Rechtsanwaltsgebühren versehen. Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass „lediglich“ Löhne in Höhe von 2.080,00 € für September 2023 bis Dezember 2023 ausbezahlt wurden. Der Kontostand bei der D1bank AG betrug am 31. Januar 2024 25.163,55 €. Am 27. Juni 2024 betrug der Kontostand nur noch 692,24 €. Nachweise dafür, wofür der Differenzbetrag in Höhe von 24.471,31 € verwendet wurde, liegen nicht vor. Im Antragsverfahren beim SG wurden lediglich Kontoauszüge für den Zeitraum 29. Mai 2024 bis 27. Juni 2024 vorgelegt. Aus den „geschwärzten“ Kontoauszügen gehen keinerlei Verwendungszwecke hervor. Ausgehend hiervon vermag auch der Senat eine besondere Dringlichkeit, welche das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen würde und den Erlass einer einstweiligen Anordnung trotz der auch bestehenden Bedenken hinsichtlich des Anordnungsanspruchs - es ist (noch) unklar, warum beispielsweise Kosten der Budgetassistenz in Höhe von monatlich 3.170,81 € gemäß Kalkulation  vom 24. Juli 2024 bzw. in Höhe von monatlich 2.466,49 € gemäß Kalkulation  vom 25. September 2023 uneingeschränkt dauerhaft anfallen sollen - rechtfertigen könnte, nicht zu erkennen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 24. Juni 2024 dem Antragsteller Leistungen zur sozialen Teilhabe für ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Wohnraum im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (vgl. § 113 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 78 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX -) sowie aufgrund von § 103 Abs. 2 SGB IX Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 64f Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), beides in Form eines persönlichen Budgets nach  § 105 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 29 SGB IX in Höhe von monatlich 23.901,69 € bewilligt hat.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).  


 

Rechtskraft
Aus
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