L 6 VG 2886/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VG 2490/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2886/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. September 2023 aufgehoben und die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu gewährenden Beschädigtengrundrente nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), deren Erhöhung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit (L 6 VG 2886/23) sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich (L 6 VG 2887/23) aufgrund vom Beklagten anerkannten sexuellen Missbrauchs des Klägers durch einen Pfarrer in den 70-er Jahren umstritten.

Der Kläger ist 1962 als letztes von sieben Kindern seiner Eltern geboren und zunächst in einem Heim in H1, ab dem 12. Lebensjahr in einem Jugendheim in O1 aufgewachsen. Seine Geschwister waren ebenfalls in Heimen untergebracht. Nach dem Abschluss der Hauptschule hat er eine Lehre zum Landschaftsgärtner abgeschlossen, in dieser Zeit in einem Lehrlingswohnheim gewohnt. Nach der Lehre hat er den Beruf des Landschaftsgärtners bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt. Seit einer stationären psychiatrischen Behandlung 1995 ist er keiner regelmäßigen Berufstätigkeit mehr nachgegangen und hat überwiegend im Bezug von Sozialleistungen gestanden. Seit 2013 bezieht er Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Nach seinen Angaben war er in der Punk-Szene aktiv, nahm Obdachlose in seinen Wohnungen auf, wobei er die Kosten nicht tragen konnte. Er hatte mehrfache Gerichtsverfahren unter anderem wegen Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung. Seit dem Tod des Vaters bewohnt der ledige und kinderlose Kläger zusammen mit seinem Bruder das Elternhaus.

Am 25. November 2011 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und machte einen Missbrauch während der Zeit der Heimunterbringung von 1973 bis 1979 geltend. Vorgelegt wurde eine Bescheinigung der Diözese R1 vom 2. Februar 2012, wonach ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 5.000 € in Anerkennung des Leids des Klägers ausgezahlt wurden.

Auf Anfrage des Beklagten teilte die Diözese R1 mit, dass nach dem Kirchenrecht keine Unterlagen herausgegeben werden dürften. Bei der Prüfung sexuellen Missbrauchs seitens kirchlicher Stellen würden andere Maßstäbe als bei staatlichen Stellen angelegt. Die Kommission sexueller Missbrauch orientiere sich insoweit an den Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz und glaube der Schilderung, die sich aus dem Vortrag und eventuellen Unterlagen des vermeintlichen Opfers ergebe. Sie führe eine Plausibilitätsprüfung durch, d.h. der Vortrag des vermeintlichen Opfers werde „nur“ daraufhin überprüft, ob das Vorbringen überhaupt plausibel, also annehmbar, einleuchtend und nachvollziehbar sei. Die Richtigkeit der Anschuldigungen könne nicht immer verifiziert werden, insbesondere sei dies dann nicht möglich, wenn beispielsweise der Beschuldigte seit Jahrzehnten verstorben sei. Ob die Tat tatsächlich begangen worden sei, könne nicht geprüft werden. Es werde nach anderen Maßstäben und zum Wohle in Anerkennung des erlittenen Leids entschieden.

Der Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft R2 über das gegen den Pfarrer M1 (P.), geboren 1931, geführte Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern bei. Aus dieser ergab sich, dass die StA von einer Verjährung der Taten ausging, jedoch dennoch die Vernehmung des Klägers und des S1 (S.) veranlasste.

Der Kläger gab an, dass sich die Missbrauchshandlungen seiner Auffassung nach zwischen 1975 und 1979 ereignet hätten. Er sei mit P. immer alleine gewesen. Zu den Vorfällen sei es in erster Linie gekommen, wenn er in der Küche gearbeitet habe und das Essen habe ins Pfarrhaus bringen müssen. Wer das Essen dem Pfarrer bringen musste, habe die Küchenschwester entschieden.

Anfangs sei es so gewesen, dass P. nur den Körperkontakt gesucht habe. Er habe sich dann an ihn herangedrückt und dabei die Hose abgetastet. Im Laufe der Zeit sei dann seine Hand auch in die Hose gerutscht. Er habe das Glied angefasst. Auf die Frage, ob P. bei dem Kläger onaniert habe, gab der Kläger an, dass das nie der Fall gewesen sei. Umgekehrt habe er zwar den P. anfassen sollen, dies habe er aber verweigert. P. habe ihm auch Pornobilder gezeigt und gesagt, dass dies nicht sündhaft sei, sondern der Aufklärung diene. Es sei zwei bis dreimal im Monat vorgekommen, dass P. ihm ans Glied gefasst habe. Im Beichtzimmer hätten sich die Vorfälle „verbal“ abgespielt, da sei P. nicht zudringlich geworden.

Auf die Frage, weshalb die Sache erst jetzt aufgekommen sei, gab der Kläger an, dass man einerseits dem P. nicht habe schaden wollen, da dieser viel Positives bewirkt habe. Andererseits sei die Scham einfach groß gewesen, nachdem die ganze Sache jetzt an die Öffentlichkeit gekommen sei, sei das wieder „hochgekocht“. Es seien Fälle gewesen, die in B1 gewesen seien und dann hätten sie sich getroffen und entschlossen, auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Er habe sich zuerst mit O2 getroffen, dieser habe sich beim „Spiegel“ gemeldet. Der S. habe ihn dann angerufen und nachgefragt, ob er nähere Informationen habe. Zu den beiden habe zuvor ein loser Kontakt bestanden.

P. sei auch bei Schwimmbadbesuchen übergriffig geworden, aber immer nur soweit gegangen, wie man selber die Grenzen gesteckt habe.

Es gehe jetzt darum, dass man das Verdrängte aufarbeite und irgendwo sei da auch der Gedanke der Entschädigung. Er habe gegenüber Bischof F1 Angaben gemacht, dieser habe ihm gesagt, dass er erstmal den „Runden Tisch“ abwarten wolle. Es laufe auch eine Studie an der Uni H2, die abgewartet werden solle.

Aus der Akte ergaben sich vom Heim vorgelegte Unterlagen über den Aufenthalt des Klägers:

Das Ergebnisprotokoll der Berufsberatung vom 8. März 1979 gab als festen Berufswunsch des Klägers „Gärtner“ an. Von der Stadtgärtnerei U1 habe er eine Absage erhalten, an eine Berufsausbildung vom Elternhaus aus werde kaum gedacht werden können, das Jugendamt werde daher im Mithilfe gebeten.

Nach dem Ergebnisprotokoll des Arbeitsamtes R2 vom 1. März 1979 sei Berufswunsch des Klägers „Gärtner“, alternativ „Maler“. Eine Eignung sei gegeben, eine Leistungssteigerung im theoretischen Bereich notwendig. Körperliche Einschränkungen bestünden nicht, die schulische Leistungsfähigkeit liege im unteren Durchschnittsbereich, die intellektuelle Leistungsfähigkeit im unteren Durchschnittsbereich von Hauptschülern. Im Sozialverhalten sei von einer Milieuschädigung aus dem familiären Bereich auszugehen, eine Heimunterbringung wäre während der Ausbildung angezeigt.

Nach dem Aktenvermerk des Bischöflichen Offizialat R1 vom 5. März 2010 hätten drei Männer hinsichtlich des P. folgende Angaben gemacht: P. sei ihnen gegenüber nie gewalttätig geworden, er habe viele gute Dinge in der Anstalt eingeführt. Er habe sie wie ein Vater umsorgt, an ihren Geburtstagen hätten sie sich etwas zu Essen wünschen dürfen, das er dann für sie gekocht habe. Sie hätten ihn in sein Ferienhaus nach S2 begleiten dürfen. P. habe Grenzen überschritten, er habe sie umarmt, sie an die Wand oder die Tür gedrückt und seine Schenkel an ihren Genitalien gerieben. Er sei immer soweit gegangen, bis sie Widerstand geleistet hätten, er habe die Grenze gesucht. Er habe in den Schritt gegriffen und sie beim Baden „befummelt“, als sie Badehosen getragen hätten. Beim Baden habe er immer an ihnen „herumgegrabscht“, da sie aus Vertrauen zu ihm gekommen seien.

P. habe ihnen homosexuelle Pornohefte gezeigt und sie gefragt, wie sie sich dazu stellten. Sie seien erschrocken, ängstlich gewesen, hätten sich geschämt. Wenn sie signalisiert hätten, dass sie nicht mehr wollten, habe P. dies akzeptiert. Zu homosexuellen Handlungen im Sinne von Penetration sei es nicht gekommen. Beim Beichten habe es nur ein Thema gegeben, das 6. Gebot. P. habe intime Details von ihnen wissen wollen, es sei einfach nur peinlich gewesen. Sie hätten nur Zuneigung erfahren, deshalb sei der Vertrauensbruch für sie so schlimm gewesen. Das Heim habe lediglich über eine Hauptschule verfügt, auf ihren Begabungen hätten sie nicht aufbauen können. Sie hätten Alpträume gehabt und jahrzehntelang nicht darüber reden können, was sie zusätzlich belastet habe. Sie hätten massive Identitätsprobleme, Berührungsängste und Angst davor, eingesperrt zu werden. Der Kläger habe ergänzt, dass er drei Selbstmordversuche hinter sich habe, zwei davon gingen auf seine „verkorkste“ Sexualität zurück. Er sei homosexuell, könne aber seine Beziehung nicht leben. Als er sechs Jahre alt gewesen sei, habe eine Hilfserzieherin ihn sexuell missbraucht. Diese habe versucht, sein Glied bei sich einzuführen. Sie habe ihn in diesem Zusammenhang gezwungen zu rauchen. Ein absoluter Tabubruch. Später habe sie ihn immer verprügelt, um ihn unter Druck zu halten.

Der Kläger erwarte, dass die Kirche ihre Sexualmoral auf den Prüfstand stelle und das Zölibat abschaffe. Eine Psychotherapie könne helfen, die seitherigen hätten nicht geholfen. Er lebe von Hartz IV und könne eine finanzielle Zuwendung gut gebrauchen. P. solle zu seinen Taten stehen, sich öffentlich entschuldigen und sein Vergehen eingestehen. Eine persönliche Entschuldigung lehne er ab. Die Heimunterbringung habe zur Folge gehabt, dass er keine höhere Bildung erworben habe bzw. kein entsprechender Beruf habe erlernt werden können. Die Nachteile in der Rentenberechnung sollten ausgeglichen werden. Die Diözese habe in der Kontrolle versagt und sei mitschuldig. Es sei nur eine Unterbringung erfolgt, ohne Liebe erfahren zu haben, deshalb hätten sie keine Liebe geben können.

Dokumentiert wurde weiter, dass der Neffe des P. telefonisch angab, sein Onkel sei dement und sitze im Rollstuhl, werde von zwei Pflegerinnen versorgt. Zur Akte gelangte das Attest des T1 vom 15. März 2010, wonach sich bei P. eine fortschreitende demenzielle Entwicklung zeige. Die Orientierung sei sicher erhalten, zu Zeit und Ort aber deutlich eingeschränkt. Er sei deshalb nur eingeschränkt in der Lage, wahrheitsgemäße Aussagen zu treffen. Dem Aktenvermerk des R4 von 17. März 2010 war zu entnehmen, dass P. anlässlich des persönlichen Besuchs einen gebrechlichen Eindruck gemacht und auf Fragen bezüglich „O1“ mit einem „weiß ich nicht“ geantwortet habe.

Das Ermittlungsverfahren gegen P. wurde mit Verfügung der StA vom 15. August 2012 wegen Verfolgungsverjährung – spätestens mit Ablauf des Jahres 1992 – eingestellt.

Der Entlassungsbericht des zfp über die stationäre Behandlung vom 20. Juni bis 14. August 1997 beschrieb eine Depression bei Zyclothymie. Die Mutter des Klägers sei nach früher Hirnhautentzündung geistig behindert geblieben und zunehmend gebrechlich geworden. Der Vater sei nach früherem Alkoholabusus vor drei Jahren an Leberkrebs gestorben. Von den fünf Brüdern liege bei zweien eine Alkoholerkrankung bzw. eine Psychose vor, auch bei den weiteren Geschwistern bestünden Verhaltensauffälligkeiten. Der Kläger sei ab dem Alter von 6 Monaten bis zum 17. Lebensjahr im Heim aufgewachsen, dabei ab dem Alter von 12 Jahren in einer Sonderschule für verhaltensgestörte Jugendliche. Nach dem Hauptschulabschluss habe er eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner abgeschlossen, habe sechs Jahre in diesem Beruf gearbeitet und arbeite auch seit dem 12. Mai 1997 wieder als Landschaftsgärtner.

Nach einer entbehrungsreichen Kindheit habe sich der Kläger erst im Alter von 16 Jahren gegen Ungerechtigkeiten zu wehren begonnen und im Alter von 20 bis 25 Jahren eine rebellische Lebensphase durchgemacht, auch als „Anlauffigur“ der Punk-Szene einschließlich Alkoholabusus. Schon seit dem Alter von 16 Jahren hätten Hinweise auf eine Zyclothymie mit jährlich wechselweise bestehenden manischen und depressiven Krankheitsphasen bestanden. In Verbindung mit Alkohol sei es zu drei schweren Suizidversuchen gekommen. Die phasisch depressive Erkrankung sei vor drei Jahren erstmals ärztlich behandelt worden und habe jetzt Anlass zum stationären Aufenthalt gegeben.

Der Kläger habe sich offen für Gespräche zu seinen biographischen Belastungen sowie sozialarbeiterische Unterstützung gezeigt, insbesondere zur Vermeidung einer Zwangsräumung seiner Wohnung.

Am 30. März 2004 wurde der Kläger von dem L1 im Auftrag der DRV ambulant begutachtet. Diesem gegenüber gab er an, 1994 insgesamt 12 Wochen stationär im zfp wegen einer manisch-depressiven Episode behandelt worden zu sein. In den Jahren 1980 bis 1992 habe er Alkoholprobleme gehabt, besonders ausgeprägt im Jahr 1984. 1992 habe er einen Schlussstrich gezogen, erkannt, dass er im Falle weiteren Alkoholkonsums weiterhin straffällig werde. Er könne psychischem Druck nicht standhalten, deswegen halte ihn das Arbeitsamt für nicht vermittlungsfähig.

Er sei von der Mutter in ein Kinderheim in H1 gegeben worden, wisse, dass dort Zeichen eines „Hospitalismus“ mit rhythmischen Bewegungen des Oberkörpers im Sitzen aufgetreten seien. Mit Eintritt des Schulalters sei er von einem Jugendwohnheim für schwer erziehbare Kinder übernommen worden. Dort habe er auch die Schule besucht, deren Anforderungen mit einer Sonderschule vergleichbar gewesen seien. Er habe eine Lehre zum Landschaftsgärtner absolviert und in diesem Beruf, mit Unterbrechungen, etwa acht Jahre gearbeitet, später kurz als Bauhelfer, dann wieder als Landschaftsgärtner in U1. Die letzte Tätigkeit liege circa 10 Jahre zurück.

Seine leiblichen Eltern kenne er, die Mutter sei krank gewesen, er glaube, dass es sich um eine Schizophrenie gehandelt habe. Die übrigen Geschwister seien auch im Heim aufgewachsen. Er habe sich früh der „Punkszene“ angeschlossen, schwerwiegende Alkoholprobleme hätten seit 1980 bestanden. Deswegen sei es nur zu kurzfristigen Arbeitsverhältnissen gekommen. Er könne mit Vorgesetzten nicht umgehen, bei psychischem Druck gerate er in depressive Krisen oder werde aggressiv. Seine Reizschwelle sei immer sehr niedrig gewesen, er habe immer wieder erhebliche Behördenprobleme gehabt, insbesondere, wenn er sich für Randgruppen, denen er selber früher angehört habe, einsetzte. Er sei mehrfach vorbestraft, einmal auch wegen schwerer und gefährlicher Körperverletzung, sei aber immer mit Bewährungsstrafen davongekommen. Aktuell seien Bußgeldbescheide wegen nicht entrichteter Parkgebühren offen, er weigere sich, Parkgebühren zu entrichten, da er seine Klienten auf Geheiß der Stadt U1 zu Behörden gefahren habe. Er habe bis vor einem halben Jahr als Hausmeister und Aufseher in einem Haus in U1 W1 gewirkt, in welchem Punker untergebracht seien. Das Haus sei jetzt aufgelöst worden, seither lebe er im elterlichen Haus gemeinsam mit seinem Bruder.

Psychisch sei der Kläger bewusstseinsklar und allseits orientiert, in der Untersuchungssituation unverkrampft gewesen. Das Verhalten gegenüber dem Untersucher sei unauffällig, es fänden sich keine Störungen im kognitiven Bereich bezüglich Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und mnestischer Störungen. Derzeit lägen keine Antriebsstörungen vor, in emotionaler Hinsicht zeige sich der Kläger ausgeglichen, ohne Hinweise auf affektive Nivellierung oder schwerwiegendere depressive Symptomatik. Formale oder inhaltliche Denkstörungen bestünden nicht.

Auf Grund der psychischen Exploration ergäben sich keine Hinweise auf eine floride Psychose, ein psychotisches Residuum oder eine bipolare affektive Störung. Vielmehr sei die ganze Biographie durchziehend von einer Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ auszugehen, die nicht so schwerwiegend sei, dass das prinzipiell vollschichtige berufliche Leistungsvermögen in Frage gestellt werde. Es bestehe nicht die Gefahr, dass der Kläger durch Arbeitsplatzkonflikte in eine schwere anhaltende Depression oder gar in eine ernsthafte Suizidalität getrieben werden könne.

Im Klageverfahren S 10 R 2619/04 beim Sozialgericht Ulm (SG) führte der V1 in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 9. Mai 2005 aus, dass bei dem Kläger diagnostisch eine schizoaffektive Psychose mit manischen und depressiven Krankheitsphasen vorliege. Diese Erkrankung bestehe mindestens seit 1996, der Kläger räume selbst ein, dass es ihm schwerfalle, mit Ärzten zurecht zu kommen. Unabhängig davon scheine eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorzuliegen, die vor allen Dingen im sozialen Bereich zu erheblichen Schwierigkeiten führe.

Aufgrund der vorliegenden Persönlichkeitsstörung werde sich der Kläger schwertun, sich an einem nicht geschützten Arbeitsplatz zu integrieren. Vorgesetzte und Arbeitskollegen seien normalerweise nicht bereit, die mit der Persönlichkeitsstörung verbundenen Eigenarten und Persönlichkeitsmerkmale zu akzeptieren.

Zur Akte gelangte das Sachverständigengutachten desselben V1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 13. Juni 2005 für das Notariat L2. Dieser führte aus, dass bei dem Kläger erstmals 1996 eine manisch-depressive Krankheitsphase aufgetreten sei, die zu einer stationären Behandlung geführt habe. Seitdem sei der Kläger nur noch unregelmäßig im Rahmen von Gelegenheitstätigkeiten beruflich tätig gewesen und lebe zurückgezogen in U1. Hier habe er sich für obdachlose Jugendliche engagiert und sei in ständige Auseinandersetzungen mit der Stadt geraten.

Nach dem Tod des Vaters lebe er seit 2003 wieder mit einem Bruder in dem väterlichen Haus in B2. Mit seinem Betreuer sei er nicht klargekommen, er wisse deshalb auch nicht, wie viele Schulden er habe, er gehe von circa 30.000 € aus. Sein Rentenantrag sei abgelehnt worden, ein Klageverfahren laufe. Körperliche Erkrankungen lägen nicht vor, der Kläger meine, an einem Messy-Syndrom zu leiden. Er habe einen Sammelzwang und habe in den ohnehin beengten räumlichen Verhältnissen alles vollgestellt mit Dingen, von denen er annehme, er könne sie irgendwann gebrauchen. Die verordneten Medikamente würden eingenommen, die letzte manische Krankheitsphase sei 2003 aufgetreten.

Diagnostisch liege eine schizo-affektive Psychose seit spätestens 1996 vor, sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor. Eine schizo-affektive Störung sei in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass episodenhaft entweder manische Phasen mit gehobenem Stimmungszustand, Antriebserhöhung, Selbstüberschätzung und anderen Symptomen oder depressive Phasen mit dementsprechender depressiver Stimmung, Antriebsminderung und körperlichen Symptomen im Wechsel aufträten. Zusätzlich könnten Störungen der Realitäts-Verarbeitung mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen vorkommen. Eine Persönlichkeitsstörung sei dadurch gekennzeichnet, das bei einem Menschen Persönlichkeitsmerkmale und Eigenarten vorlägen, die zu Störungen in der Lebensbewältigung führten und vor allen Dingen auch von der jeweiligen menschlichen Umgebung als sehr belastend empfunden würden.

Im Befundbericht des zfp über die ambulante Behandlung vom 2. Mai 2005 wurde eine schizo-affektive Psychose und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung beschrieben. Der Kläger sei bis zu seinem 17. Lebensjahr in verschiedenen Heimeinrichtungen untergebracht gewesen. Er habe eine Lehre als Landschaftsgärtner erfolgreich abgeschlossen. 1996 sei eine erste manisch-depressive Krankheitsphase aufgetreten. Seitdem würden beruflich nur noch Gelegenheitstätigkeiten ausgeführt. Es bestehe eine weitgehende soziale Isolation.

Der D1 erstattete im Verfahren S 10 R 2619/04 das Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung vom 22. November 2005. Diesem gegenüber gab der Kläger an, dass er bei R5 in U1 in Behandlung gewesen sei. Mit diesem habe es Meinungsverschiedenheiten gegeben. Er, der Kläger, habe mit anderen Personen ein Haus besetzt, es habe sich um Punks gehandelt. Das Haus habe geräumt werden sollen, R5 habe dann eine Zwangseinweisung ausgestellt, wodurch das Vertrauensverhältnis gestört worden sei.

Der Kläger habe in der Vergangenheit immer wieder Obdachlose bzw. Punks in seiner Wohnung bzw. in seinem damaligen Haus untergebracht. Für die Behörden sei er der Ansprechpartner gewesen, da er sich juristisch gut ausgekannt habe und verbal am fittesten gewesen sei.

Er leide unter eine manisch-depressiven Erkrankung, die sich erstmals im Jahr 1996 manifestiert habe. Damals sei es zu einer akuten Depression gekommen, Arbeitsversuche seien in der Folgezeit immer wieder gescheitert. Er könne sich keine Tätigkeiten vorstellen, die er mit Regelmäßigkeit ausführen könne. Der Ärger mit den Behörden sei zu groß. Außerdem leide er unter einer Antriebsschwäche. Seine Stimmung unterliege starkem Schwanken, zur Zeit fühle er sich eher depressiv. Es habe auch manische Phasen gegeben, damals, als er die Punks betreut habe, sei er leistungsfähig gewesen.

Er stehe zwischen 11 und 13 Uhr auf, lebe mit seinem 50-jährigen Bruder zusammen im Elternhaus, der berufstätig sei. Mit seinen zwei Hunden gehe er vormittags etwa 20 Minuten spazieren, nachmittags sehe er am liebsten fern, abends gehe er mit den Hunden nochmals 20 Minuten spazieren. Er habe ein paar Freunde und Bekannte, die er regelmäßig besuche. Mittwochs gehe er zusammen mit dem Bruder zum Einkaufen. Manchmal mache er auch „Babysitter“. Er begleite andere Personen bei Behördengängen.

Befragt nach Hobbys habe der Kläger erklärt, dass sein Beruf sein Hobby sei. Im Sommer habe er einen Gartenteich angelegt, es habe Probleme mit der Gemeinde gegeben. Zwischenzeitlich sei die Genehmigung erteilt worden.

Der Kläger sei seit seinem 6. Lebensmonat in dem Kinderheim „H1“ in der Nähe von O3 aufgewachsen. Er habe nichts anderes gekannt, deshalb sei ihm zunächst gar nicht aufgefallen, dass dort keine Liebe und Zuneigung gewesen sei. Er habe sich die üblichen Hospitalisierungsgewohnheiten angeeignet, etwa beim Essen. Es sei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit anderen Kindern gekommen, sodass er im Alter von zwölf Jahren in ein Heim für Jugendliche gekommen sei. Bis zum 17. Lebensjahr sei er in einem anderen Heim gewesen, dann in ein Lehrlingsheim nach U1 gekommen. Er habe die Ausbildung zum Landschaftsgärtner begonnen und abgeschlossen.

In der Folge habe er häufig die Stelle gewechselt, habe nicht länger als eineinhalb Jahre bei einem Arbeitgeber gearbeitet, sei häufig krank gewesen. Es sei oft zu Selbstmordgedanken gekommen, diese bestünden heute noch. Er sei dem Druck nicht gewachsen gewesen, es sei immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Seine letzte Tätigkeit liege zehn Jahre zurück, derzeit bekomme er Arbeitslosengeld II. Einer seiner Brüder leide unter schizophrenen Zügen, ein weiterer Bruder ebenfalls unter einer psychischen Krankheit.

Eine Beziehung zu einer Frau habe er nie gehabt, kurzfristig hätten homosexuelle Beziehungen bestanden. Anfang der 80-er Jahre habe er sich, da er seine Homosexualität anfänglich nicht habe akzeptieren können, für einige Zeit in psychotherapeutischer Behandlung befunden. Inzwischen könne er offen mit seiner sexuellen Orientierung umgehen.

Als Diagnosen wurden eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, der Verdacht auf eine Dysthymie und ein Kopfschmerzsyndrom angegeben. Der Antrag auf Versichertenrente sei mit dem Bestehen einer Psychose begründet worden. Die sozialmedizinische Begutachtung habe eine Psychose nicht bestätigt. Bei der jetzigen Untersuchung sei eine Symptomatik geschildert worden, die den diagnostischen Kriterien der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus entspreche.

Der Kläger habe eine schwere Kindheit erlebt, die ersten sechs Monate sei er im Krankenhaus gewesen, danach in ein Kinderheim gekommen. Der Kläger schildere eine deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln. Es bestünden erhebliche Stimmungsschwankungen. Die Borderline-Störungen seien den „frühen Störungen“ zuzurechnen, dies lasse sich aus der Biographie des Klägers auch ableiten. Es werde über sexuelle Konflikte berichtet, die mit Themen aus der frühesten Mutter-Kind-Beziehung durchsetzt seien. Es bestehe eine Regression auf eine Entwicklungsstufe, in der die Integration von Selbst- und Objektvorstellungen mangelhaft ausgeprägt sei. Auf dieser Grundlage sei das Verhalten einzuordnen, sich gesellschaftlichen Randgruppen zuzuwenden und eine Hilfestellung anzubieten. Das innere Erleben sei durch ausgeprägte Störungen der Identität wie auch Unsicherheiten hinsichtlich der sexuellen Präferenzen gekennzeichnet.

Dass die Biographien von Borderline-Patienten eine hohe Rate an sexuellem oder körperlichen Missbrauch und schwerwiegender Vernachlässigung aufwiesen, gelte mittlerweile als allgemein akzeptiert, doch entwickelten nicht alle Kinder mit derartigen Erfahrungen Störungen vom Borderline-Typus. Welche Faktoren schützend wirkten bzw. besonders anfällig machten, sei unbekannt. Ebenso sei die Bedeutung neurobiologischer Vulnerabilitätsfaktoren bislang nicht geklärt. Eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Störungsbildes bestehe jedoch in der Frage, ob die betroffenen Menschen fähig seien, ihren eigenen Wahrnehmungen zu trauen und diese mitteilen zu können. Für das Vorliegen einer schizophrenen oder schizoaffektiven Störung ergäben sich keine Hinweise.

Der Kläger habe jahrelang als Landschaftsgärtner gearbeitet, wie er berichte, habe er sich im vergangenen Sommer landschaftsgärtnerischer Tätigkeit gewidmet, wenn auch im eigenen Bereich. Auch sei er anderen bei Behördenangelegenheiten bzw. sonstigen persönlichen Angelegenheiten behilflich.

Es sei aus nervenärztlicher Sicht nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nicht in der Lage sein sollte, eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben, wenn auf die persönlichkeitsbedingten Besonderheiten Rücksicht genommen werde.

Am 5. Juni 2008 wurde der Kläger im Auftrag der DRV von dem W2 begutachtet. Diesem gegenüber gab der Kläger an, dass sein Hauptproblem die Depression sei, die er nicht bestimmten Tageszeiten zuordnen könne. Die Erkrankung habe schon 1996 begonnen, eigentlich habe er die Antriebsschwäche schon seit der Kindheit. Seine Symptomatik habe sich 2001 nochmal verschlechtert, damals habe er ein Haus bewohnt, in welchem über die Stadt U1 eine Betreuung der Punker-Szene durchgeführt worden sei. Er habe massive Schlafstörungen entwickelt, weil ständig nachts etwas losgewesen sei. Er habe nachts „präsent“ sein müssen. Zuletzt habe er sich von der Szene als auch von der Stadt massiv ausgenutzt gefühlt. Er erinnere sich speziell an aggressive Ausbrüche bei Kontakten mit Behörden oder bei Situationen unter Alkoholeinfluss.

Nachdem die Betreuung im Bereich der Punker-Szene gescheitert sei, sei er 2001 zurück in sein Elternhaus gezogen, wo er seitdem wohne. Das Elternhaus habe der Bruder erworben. Der Kläger und der Bruder teilten sich darin den Haushalt. Das Haus habe einen Garten, der Kläger selbst mache die Gartenarbeit, soweit es möglich sei. Sonst habe er keine speziellen Aktivitäten. Gelegentlich fahre er mit dem PKW zu Bekannten und betreue die dortigen Kinder. Sein Bruder beklage häufig, dass er – der Kläger – sich zu wenig an Haushaltsarbeiten beteilige. Wohnungsreinigung, Wäschewaschen und Einkaufen werde gemeinsam erledigt, der Bruder habe keinen Führerschein, sei aber erwerbstätig. Der Kläger stehe morgens erst um 12 Uhr auf, abends gehe er zwischen 0 Uhr und 3 Uhr ins Bett, sehe vorher fern. Er könne dann vormittags gut schlafen.

Der Kläger sei angemessen gekleidet gewesen, an den Händen zeigten sich deutliche Arbeitsspuren. Gestik, Mimik und Psychomotorik seien eher sparsam, die Sprechweise unauffällig, die Stimme normal laut. Er sei bewusstseinsklar, die Orientierung in allen Qualitäten ungestört. Das Denken sei formal einfach, abstraktionsarm, aber ohne paranoide oder psychotische Aspekte. Die mnestischen Funktionen seien intakt, Aufmerksamkeit, Konzentration und Auffassung unauffällig, eine vorzeitige Ermüdung sei nicht aufgetreten.

Die Stimmung sei ernst und besorgt wegen finanzieller Enge, es bestehe keine Resignation oder Verbitterung. Im Kontaktverhalten sei er normal zugewandt ohne auffällige Klagsamkeit. Komplexe psychische Faktoren wie Realitätsprüfung, Urteilsbildung, Kontaktgestaltung, Impulskontrolle und Affektsteuerung seien nicht eingeschränkt. Die Intelligenz sei höchstens durchschnittlich, wesentliche Verdeutlichungsbemühungen bestünden nicht.

Psychodynamisch bestünden ansatzweise krankheitsfixierende Grundhaltungen wie depressiv-passive Geborgenheits- und Versorgungswünsche, ein passiv schicksalhaftes Erleben der Erkrankung, altruistische Einstellungen, aber keine Resignation oder Lebensmüdigkeit. Es zeigten sich keine Versagensängste, eine Besorgnis wegen finanzieller Enge werde vermittelt. Es bestünden erhebliche motivationale Defizite, wenig Psychogeneseverständnis und keine Offenheit für konstruktive Alternativen.

Unter dem Gesichtspunkt der Aktivitäten im Alltag sei eine schwere depressive Antriebshemmung nicht abzulesen. Unter Berücksichtigung einer eher einfach strukturierten Persönlichkeit fänden sich kognitiv-intellektuell keine wesentlichen Beeinträchtigungen, auch im affektiven Bereich seien Symptome von Krankheitswert nicht feststellbar. Eine chronische Dysthymie werde beschrieben, der Kläger bezweifle selbst, dass er früher einmal manische Symptome gehabt habe. Psychodynamisch sei das kindlich geprägte regressiv getönte Rückzugsverhalten deutlich, welches übliche Freizeitaktivitäten im normalen Maß zulasse und die Partizipation im Erwachsenenbereich einschränke, unter den üblichen Aspekten von Krankheitsgewinn primär und sekundär. Es fänden sich neurotisch-depressive Verarbeitungstendenzen. Aktuell seien keine Hinweise auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung feststellbar. Die geschilderten depressiven Reaktionen in der Vergangenheit seien ausnahmslos nachvollziehbar bzw. einfühlbar, der Kläger habe ein Vermeidungs- und Schonungsverhalten entwickelt, um sich keinen Zwängen auszusetzen. Diese Haltung sei allerdings nicht durch eine Krankheitssymptomatik hervorgerufen, sondern ein willentlich erfolgter Rückzug aus freien Stücken aus der beruflichen Partizipation und dies schon vor Jahren. Im körperlichen Bereich fänden sich keine wesentlichen Einschränkungen, die bisherige Tätigkeit als Landschaftsgärtner könne weiter ausgeübt werden. Zu Hause beschäftige der Kläger sich auch mit Gartenarbeit.

Mit Bescheid vom 17. September 2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Anhand der beigezogenen Ermittlungsakten könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger in der Zeit seines Aufenthaltes im Kinderheim O1 von P. sexuell missbraucht worden sei. Die Diözese habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Prüfung vorgenommen werde, ob die Taten tatsächlich begangen worden seien.

Es sei zwar möglich, dass das Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs geworden sei, es bestehe aber auch die Möglichkeit, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf andere Ursache zurückzuführen seien.

Hinsichtlich der weiter beschriebenen Züchtigungen reichten pauschale Angaben zu den Verhältnissen in den Heimen nicht aus, um einen Anspruch nach dem OEG zu begründen. Vielmehr müssten solche Züchtigungen konkret nachgewiesen und dabei beachtet werden, dass zum vermeintlichen Tatzeitpunkt „Erziehungsmaßnahmen“ rechtmäßig gewesen seien, die heute zweifelsfrei rechtswidrig seien. Die Übertragung der Ausübung des elterlichen Züchtigungsrechts an Heim- und Internatserzieher sei in der Vergangenheit möglich gewesen.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass es mehrfach zu gewalttätigen Grenzüberschreitungen durch aufsichtspflichtige Personen gekommen sei. Die Angaben seien schon deshalb als glaubhaft anzusehen, da sich seine schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die größtenteils psychischer Natur seien, gerade dann massiv verstärkten, wenn er mit Erinnerungen an die Zeit der Heimunterbringung konfrontiert sei. Aus psychologischer Sicht bestünden bei einer solchen Symptomatik keine Zweifel an der Kausalität der gegebenen Krankheitsbilder.

Er sei mehrfach das Opfer von körperlicher Gewalt in Form von Schlägen und Prügeln sowie sexuellen Missbrauchs geworden. Dass hinsichtlich des konkreten Zeitpunkts keine detaillierten Angaben gemacht werden könnten und dass das eine oder andere Detail hinsichtlich der Schilderung des Tatablaufs unklar bliebe, liege in dem Umstand begründet, dass er bis heute unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen aufgrund der Taten leide. Diese Beeinträchtigungen bedingten unter anderem auch das unterbewusste Verdrängen von psychisch extrem belastenden Situationen bzw. Begebenheiten. Die Scham, die Opfer von sexueller Gewalt regelmäßig verspürten, führe zu einem langjährig andauernden Verdrängungseffekt, der zumindest in Teilen bis heute anhalte.

Die erlittenen sexuellen Übergriffe im Kinderheim könnten deshalb nicht noch detaillierter wiedergegeben werden, da auch die Situation, die zu den sexuellen Grenzüberschreitungen geführt hätten und der Ablauf der konkreten Tat sowie die Beschreibung und die Benennung des Täters sowie der anwesenden Personen mit einer schweren Posttraumatisierung einhergehe. Darüber hinaus sei er gesundheitlich nicht in der Lage, die äußerlichen Merkmale der Täter zu beschreiben. Aus allgemein anerkannten Gründen des Opferschutzes könne dies wegen der drohenden Gefahr einer erneuten Retraumatisierung nicht ohne entsprechende therapeutische Hilfestellung verlangt werden.

Die Angriffe hätten sich jeweils ohne ersichtlichen Grund ereignet und seien weit über verhältnismäßige Erziehungsmaßnahmen hinausgegangen.

Vorgelegt wurde der Befundbericht der S3 vom 5. Februar 2013, die als Diagnosen unter anderem eine schizoaffektive Psychose, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Zwangsstörung und eine posttraumatische Belastungsreaktion beschrieb.

Seit circa fünf Jahren sei es zunehmend zu einer Verschlechterung der Stimmungslage, des Antriebs und der Schmerzsymptomatik gekommen. Der Kläger fühle sich isoliert, isoliere sich allerdings auch selbst, habe sein gesamtes soziales Netzwerk verloren und nicht einmal Kontakt zu den Nachbarn. Auffällig seien Schreck- und Panikreaktionen mit vegetativen Begleiterscheinungen, rascher Ermüdung sowie Merk- und Konzentrationsstörungen. Dazu kämen Angstzustände, die aufträten, sobald er die Wohnung verlasse und die sich bis zur Panik steigerten. Er sei reizbar, latent aggressiv und dauernden Stimmungsschwankungen unterworfen. Zusätzlich bestünden hartnäckige Schmerzen. Der Kläger werde voraussichtlich seinen Beruf nicht mehr ausüben können, was von ihm wiederum traumatisch erlebt werde.

Therapeutisch erfolge eine Therapie mit Antidepressiva, Neuroleptika und stützenden Gesprächen, um eine weitere Chronifizierung zu vermeiden, wobei bereits eine deutliche Fixierung der Symptomatik bestehe. Eine weitere psychotherapeutische Behandlung, auch im Hinblick auf die Traumaaufarbeitung sei angebracht. Zusammenfassend handele es sich um eine schwere depressive Störung mit diffusen Ängsten, die den Kläger in seinem privaten, beruflichen und sozialen Umfeld sehr stark behinderten und die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich einschränke.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2013 zurück. Es fehle am Nachweis eines sexuellen Missbrauchs durch P.. Es sei davon auszugehen, dass die vorgebrachten Züchtigungen durch das Heimpersonal zum Tatzeitpunkt durch das damalige Erziehungsrecht gedeckt gewesen seien. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sei daher nicht nachgewiesen.

Aus dem Bericht der S3 vom 5. Februar 2013 ergäben sich keine Gesichtspunkte, die zu einer anderen Entscheidung führten. Aus der gestellten Diagnose „posttraumatische Belastungsreaktion“ lasse sich kein gesicherter Rückschluss auf Übergriffe in der Kindheit und Jugend ziehen. Im Übrigen werde auf die Härteregelung in § 10a Abs. 1 OEG verwiesen, wonach bei Schädigungen zwischen dem 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 Versorgung nur gewährt werden könne, wenn allein infolge dieser Schädigung ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 bestehe.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm (SG – S 5 VG 1097/13).

Zur Akte gelangte das Schreiben der Diözese R1 vom 11. Dezember 2013. Danach sei die Kommission sexueller Missbrauch in den vergangenen beiden Jahren zu der Überzeugung gelangt, dass in der „Stiftung P1“ in O1 mehrere Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden seien. Es könne daher mit Überzeugung mitgeteilt werden, dass der Kläger in den Jahren 1975 bis 1979 Opfer sexuellen Missbrauchs durch P. geworden sei.

Im Namen der Kommission werde daher bestätigt, dass die Angaben des Opfers nach den dortigen Erkenntnissen der Wahrheit entsprächen.

Der Beklagte unterbreitete folgendes Vergleichsangebot:

Die vom Kläger bisher im Verwaltungsverfahren beschriebenen sexuellen Handlungen durch den ehemaligen Pfarrer M2 im Jugendheim O1 werden nach § 15 KOVVfG als wahr unterstellt. Insofern liegen vorsätzlich, rechtswidrig tätliche Angriffe im Sinne des § 1 OEG vor.
Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für erledigt.
Der Beklagte übernimmt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Der Vergleichsvorschlag wurde angenommen. Nachdem der Kläger nachträglich geltend machte, dass das Verfahren nicht wirksam beendet worden sei, stellte das SG mit Gerichtsbescheid vom 16. März 2016 (S 5 VG 435/16) fest, dass der Rechtsstreit S 5 VG 1097/13 erledigt ist. Die hiergegen beim Senat erhobene Berufung (L 6 VG 1368/16) wurde in der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. Juni 2016 (vgl. Protokoll) zurückgenommen.

Das LRA zog den Befundbericht des zfp S5 vom 27. Juni 2013 bei. Danach bestehe bei dem Kläger diagnostisch eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. Der Kläger sei bis zum 17. Lebensjahr im Heim gewesen, 1996 sei eine stationäre psychiatrische Behandlung wegen einer manisch-depressiven Krankheitsphase erfolgt. Seit 2005 finde eine ambulante Behandlung und seit 2012 zusätzlich Psychotherapie statt. Seit der ambulanten Behandlung seien keine weiteren stationären Behandlungen mehr erforderlich geworden. Die Medikation werde vom Kläger regelmäßig eingenommen, in vierwöchigem Abstand erfolgten Wiedervorstellungen. Auf Grund des starken Übergewichts und des zwischenzeitlich diagnostizierten Diabetes mellitus sei Planzapin abgesetzt und durch Abilify ersetzt worden.

Der E1 gab in seinem Befundschein an, dass der Kläger bei gestörten häuslichen Verhältnissen in einem Heim habe aufwachsen müssen. Ab dem 12. Lebensjahr habe er regelmäßig brutale Schläge und unsittliche Annäherungen eines Pfarrers über sich ergehen lassen müssen. Dies habe zu einer schweren depressiven Störung mit diffusen Ängsten geführt, die den Kläger in seinem privaten, beruflichen und sozialen Umfeld stark behinderten und die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich einschränkten Er habe z.B. ein ausgeprägtes Messy-Syndrom entwickelt.

Am 19. August 2013 wurde der Kläger im Auftrag der DRV von dem T2 ambulant begutachtet, der aufgrund der Diagnosen einer schizo-affektiven Psychose und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit als Landschaftsgärtner wie für den allgemeine Arbeitsmarkt sah.

Das LRA holte das Gutachten des D2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 28. Juli 2014 ein. Dieser führte aus, dass der Kläger pünktlich zu der Untersuchung erschienen sei. Er sei sauber und korrekt gekleidet, habe bereitwillig und umfassend Auskunft gegeben. Er beschreibe, seit 1984 unter Alpträumen zu leiden, die alle in eine „sexuelle Richtung“ gingen. Besonders leide er darunter, dass er seine homosexuellen Neigungen nicht ausleben könne. Das Thema „Sex“ widere ihn nur noch an. Weiterhin leide er unter wiederkehrenden Kopfschmerzen und an depressiven Phasen.

Dies alles führe er darauf zurück, dass er schon als Kleinkind im Kinderheim „H1“ Schläge bekommen habe. Dort sei er „extremer Gewalt“ ausgesetzt gewesen. Eine Heilerziehungspflegerin habe ihn sexuell missbraucht, als er sechs Jahre alt gewesen sei. Sie habe sich nackt auf ihn gelegt und ihn aufgefordert, ihr die Finger in die Scheide zu stecken. 1973 sei er dann in die P1 nach O1 gekommen. Auch dort sei er vom Schulleiter geschlagen worden. Der damals dort neu eingetretene P. habe ihn zwischen 1975 und 1978 sexuell missbraucht, etwa einmal pro Woche. P. habe sein Glied angefasst und bei ihm bis zum Samenerguss „gerieben“. Auch der P. habe vor seinen Augen mastubiert, Analverkehr habe es nicht gegeben. P. sei dort bis 1982/1983 tätig gewesen, inzwischen sei er verstorben.

Psychopathologisch hätten keine Bewusstseins-, Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen bestanden. Der formale Denkablauf sei ungestört, anamnestisch bestehe eine Depressivität, zur Zeit liege keine depressive Symptomatik vor.

Der Kläger gebe an, eine kleine Erwerbsunfähigkeitsrente zu beziehen und mit seinem Bruder im Haus der Eltern zu leben. Er helfe Nachbarn etwas bei täglichen Dingen, ansonsten kümmere er sich um seine drei Hunde. Diagnostisch bestehe eine schizo-affektive Psychose, differentialdiagnostisch komme eine bipolare Störung in Frage. Weiterhin liege eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor, differentialdiagnostisch komme auch eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus in Frage.

Zwischen der schizo-affektiven Psychose und den Gesundheitsstörungen in Folge des schädigenden Ereignisses lägen keine eindeutigen Verbindungen vor, zumindest lasse sich dies nicht wissenschaftlich begründen. Gleichwohl bestünden zwischen der Diagnose „kombinierte Persönlichkeitsstörung“ und dem schädigenden Ereignis quantitative Beziehungen. Persönlichkeitsstörungen seien multifaktoriell bedingt, genetische, frühkindliche und auch spätere schädigende Ereignisse kämen als Ursachen bzw. Verstärker in Frage. Bei dem Kläger sei eine deutlich gestörte Sozialisation bereits seit der frühen Kindheit anzunehmen. Darauf wiesen die von ihm vorgetragenen Schädigungen bereits in der frühen Kindheit in einem Heim in H1 und später in dem Heim in O1 hin. Das in Frage stehende schädigende Ereignis, der sexuelle Missbrauch durch einen Pfarrer, sei sicherlich nicht die alleinige Ursache für die bestehende Persönlichkeitsstörung. Eine Mitverursachung könne angenommen werden.

Bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses hätten schon Störungen der Sozialisation bestanden, die sicher mit Verhaltensauffälligkeiten verbunden gewesen seien. Durch den mehrjährigen sexuellen Missbrauch sei es bezüglich der Persönlichkeitsstörung zu einer Verschlimmerung gekommen. Das schädigende Ereignis könne bezüglich der Entwicklung der Persönlichkeitsstörungen nicht als „gleichwertige Mitursache“ interpretiert werden. Ab etwa dem 16. Lebensjahr seien bei dem Kläger phasisch maniforme und depressive Krankheitsphasen aufgetreten, die dann im Alter von 34 Jahren erstmals zu einer stationären psychiatrischen Behandlung geführt hätten. Vorher und nachher hätten ebenfalls depressive und manische Phasen bestanden.

Unter der Medikation mit Neuroleptika und Antidepressiva seien keine schweren affektiven Störungsphasen mehr aufgetreten, außerdem sei eine von der Kirche finanzierte Traumatherapie absolviert worden.

Es sei kaum möglich, die bestehenden Folgen der schizo-affektiven Störung und der Persönlichkeitsstörung voneinander abzugrenzen. Die Folgen des sexuellen Missbrauchs seien im Rahmen der bestehenden Persönlichkeitsstörung zur Zeit bzw. seit der Antragstellung als eher leichtere psychische Störung einzuschätzen. Hierfür sei ein GdS von 20 anzunehmen. Ob dieser nach der Schädigung höher einzustufen gewesen sei, lasse sich aufgrund der „Vermischung“ verschiedener psychiatrischer Diagnosen nicht mehr beurteilen.

Mit „Ausführungsbescheid“ zum Vergleich vom 9. August 2013 vom 12. November 2014 stellte das LRA fest, dass der Kläger während der Unterbringung im Jugendheim „Stiftung P1“ in O1 in den Jahren 1975 bis 1979 Opfer einer Gewalttat im Sinne des OEG geworden ist. Als Folge dieser Gewalttat werde eine „leichtere psychische Störung“ und zwar verschlimmert durch schädigende Einwirkungen anerkannt. Ein GdS von mindestens 25 werde nicht erreicht, Beschädigtengrundrente stehe nicht zu.
Den nicht begründeten Widerspruch wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 zurück. Der Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage.

Am 19. März 2015 erhob der Kläger erneut Klage beim SG (S 11 VG 803/15), welches das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des L3 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 23. November 2015 erhob. Diesem gegenüber gab der Kläger an, unter starken Ein- und Durchschlafstörungen zu leiden. Es bestünden ausgeprägte depressive Stimmungsschwankungen mit Lebensunlust und Selbstmordgedanken. Des Öfteren denke er an den sexuellen Missbrauch in seiner Kindheit. Er sei nicht beziehungsfähig, habe auch eine sexuelle Störung. Insgesamt sei er viel zu hilfsbereit und sei schon oft an seine Grenzen gekommen. Er habe erhebliche Minderwertigkeitsgefühle, die Stimmung sei insbesondere dann schlecht, wenn er an den sexuellen Missbrauch in seiner Kindheit denke.

Vom 12. bis 17. Lebensjahr sei er im Jugendheim in O1 versorgt und erzogen worden. Dort sei er mehrfach von P. missbraucht worden, dieser habe ihm „in die Hose“ und „an die Hoden“ gelangt und ihn dazu gebracht, zu onanieren. Auch P. habe onaniert. Ein- bis zweimal in der Woche sei es zu entsprechenden Übergriffen gekommen. Er habe sehr darunter gelitten. 1996 sei er 12 Wochen in stationärer Behandlung und danach nicht mehr arbeitsfähig gewesen, eine Wiedereingliederung sei gescheitert. Zum Tagesablauf habe der Kläger angegeben, zwischen 10 und 11 Uhr aufzustehen, Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen. Anschließend laufe er mit seinen Hunden spazieren und danach mache er Mittagessen, manchmal falle dies auch aus. Nachmittags sehe er fern und esse abends zusammen mit dem Bruder, der in der Regel koche. Danach gehe er mit den Hunden spazieren und schaue bis nachts fern. Er habe noch Bekannte aus der Punk-Szene, zwei Familien mit Kindern.

Der Kläger sei in der Untersuchung kooperativ, die Kommunikation wäre gut möglich gewesen, Blickkontakt sei nicht gemieden worden. Bewusstseins- und Orientierungsstörungen lägen nicht vor, auch keine Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen oder formale Denkstörungen. Das inhaltliche Denken sei auf häusliche Inhalte zentriert, wahnhafte Denkinhalte zeigten sich keine, geklagt worden sei das bisweilige Auftreten von Erinnerungen an die sexuelle Schädigung. Klassische Flash-Backs seien nicht angegeben worden, auch keine motivischen Alpträume. Der Kläger gebe aber an, dass ihn die Gedanken an den sexuellen Missbrauch immer wieder verfolgten. Über Angstanfälle und Panikattacken sei nicht geklagt worden. Bei der Untersuchung habe eine leichtere depressive Verstimmung bestanden, kein Gefühl der Ratlosigkeit oder Verzweiflung. Insgesamt zeige sich kein massiv pathologischer Befund bei leichter Depression und Elementen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Bei dem Kläger liege möglicherweise eine frühkindliche Hirnschädigung vor. Während der Zeit im Kinderheim in O1 seien regelmäßige sexuelle Übergriffe bekannt, dies sei von der Diözese R1 „gemäß“ Wahrheitsgehalt bestätigt worden und als bewiesen anzusehen. Der Kläger sei von einem Geistlichen mehrfach missbraucht worden, etwa ein- bis zweimal die Woche. Der Kläger sei in der Kindheit und Jugend verhaltensgestört gewesen, weshalb er ab dem 12. Lebensjahr eine Sonderschule besucht habt. Alkoholabusus und Tätigkeiten in der Punker-Szene seien beschrieben, das Elternhaus sei offensichtlich gestört gewesen.

Es lägen eine Reihe von Befunden vor, die eine unabhängig von der sexuellen Schädigung bestehende psychiatrische Erkrankung belegten. Das zfp (Aufenthalt 1997) habe eine Depression bei Zyklothymie festgestellt, im ärztlichen Entlassungsbericht ergebe sich kein Hinweis für eine PTBS oder eine erlebnisreaktive Persönlichkeitsstörung. In den Gutachten von A1 (richtig: D1) und V1 würden keine Hinweise für eine PTBS beschrieben, D2 habe schädigungsbedingt nur eine leichte psychische Störung gesehen. Eine eindeutige diagnostische Stellungnahme liege nicht vor.

Bei dem Kläger bestehe eine Zyklothymie (phasenweise depressive und manische Symptomatik), wobei sich derzeit nur eine leichtere depressive Symptomatik feststellen lasse. Es handele sich um eine überwiegend erbbedingte Erkrankung, genetische Faktoren stünden hier im Vordergrund. An der Diagnose, die das zfp 1997 gestellt habe, bestehe kein Zweifel. Beschrieben sei weiter eine schizo-affektive Psychose, Symptome einer solchen seien unter Therapie nicht mehr nachweisbar. Daneben bestehe eine gut kompensierte Persönlichkeitsstörung – Verhaltensstörung bereits im Kindes- und Jugendalter – Zustand nach Alkoholabusus – misstrauisches Verhalten gegen Institutionen. Auch die Durchhaltefähigkeit bei Arbeitsplätzen sei beeinträchtigt. Die Persönlichkeitsstörung sei derzeit aber nur leichterer Ausprägung, im Tagesablauf ergäben sich keine wesentlichen Beeinträchtigungen.

Für die leicht ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit leichteren Elementen eines posttraumatischen Belastungssyndroms (gelegentliches Denken an die sexuellen Verletzungen, Misstrauen gegenüber Institutionen, emotionale Instabilität) sei ein Teilfaktor der Traumatisierung in der Kindheit/Jugend anzunehmen. Überwiegend sei die Persönlichkeitsstörung aber nicht schädigungsabhängig. Der schädigungsbedingte GdS sei derzeit und vormals auf 20 einzuschätzen.

Den Ausführungen des D2 sei zuzustimmen, wobei bei der jetzigen Untersuchung eine klarere Diagnostik möglich gewesen sei. Wesentlich sei, dass bei dem Kläger eindeutig eine schwere anlagebedingte psychiatrische Erkrankung vorliege, die offensichtlich unter Medikation gut stabilisiert sei. Ein Trauma könne hier nicht berücksichtigt werden, da schädigungsfremde Einflüsse wie genetische Faktoren weit im Vordergrund stünden. Auch für eine schizo-affektive Psychose – ebenfalls eine anlagebedingte Störung – wie in der Aktenlage beschrieben, ergebe sich kein Zusammenhang mit der sexuellen Schädigung. Es handele sich um eine eigenständige psychiatrische Erkrankung, überwiegend auf genetischem Hintergrund. Eine leichtere Persönlichkeitsstörung mit Elementen einer PTBS (kein Vollbild) durch das Trauma trete hinter den weiteren Erkrankungen weit zurück, ein GdS von 20 sei bereits sehr positiv.

Eine PTBS könne nicht diagnostiziert werden, es sei nicht belegt, dass eine starke psychische Traumatisierung mit massiver Schreckreaktion und Verzweiflung stattgefunden habe. Diese bleibe Spekulation, in den zeitlich nahestehenden ausführlichen Befundberichte von psychiatrischer Seite ergäben sich keine Hinweise für eine starke PTBS. Insbesondere im Befundbericht der stationären Behandlung 1997 hätte man eine PTBS nachweisen bzw. sicher beschreiben müssen, was nicht geschehen sei. Dass sich die Symptomatik offensichtlich später verstärkt habe, passe ebenfalls nicht zur Annahme einer PTBS. Eindeutige Flashback-Erlebnisse, massive Alpträume oder massive Schreckreaktionen seien posttraumatisch nicht belegt.

Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft des V1 ein, der auf eine letzte Behandlung am 24. Februar 2016 verwies. Diagnostisch bestünden bei dem Kläger eine PTBS und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Die PTBS habe der Kläger durch Traumatisierungen während seines Aufenthalts in Kinderheimen erlitten. Er sei Opfer von sexuellen Übergriffen und damaligen Erziehungsmethoden geworden. Bei Veröffentlichungen z.B. in der Tagespresse werde er an seine eigene Traumatisierung erinnert. Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung sei wahrscheinlich auf mehrere Faktoren zurückzuführen, nämlich eine genetische Disposition, fehlende positive Bindungserfahrungen während des Aufwachsens in der Kindheit und psychosoziale Belastungsfaktoren im weiteren Lebensverlauf.

Weiter wurde eine sachverständige Zeugenauskunft des E1 eingeholt, der bereits aktenkundige Berichte vorlegte.

Auf Einwände des Klägers ergänzend gehört führte L3 aus, dass sich in den Diagnosen des V1 vom 3. Mai 2016 Widersprüchlichkeiten zu den vorangegangenen Stellungnahmen ergäben und es erstaunlich sei, dass nunmehr eine PTBS neu in den Diagnosen auftauche. Erwähnt werde eine instabile Persönlichkeitsstörung, als Gründe hierfür würden genetische Faktoren, fehlende positive Bindungserfahrungen während der Kindheit, psychosoziale Belastungsfaktoren im weiteren Lebensverlauf benannt. Diesbezüglich sei anzumerken, dass die Traumatisierungen in der Kindheit nur ein Teilfaktor bezüglich der emotional instabilen Persönlichkeitsstruktur seien. Er gehe von einem Anteil von circa GdS 20 aus. Die im Schreiben von V1 angegebene Therapie mit Abilify, Amitriptylin und Clomipramin spreche eher für das Vorhandensein einer Psychose. Ansonsten hätte man nicht vorher Olanzapin und dann Abilify eingesetzt. Zu beachten sei die differenzierte Beschreibung des psychiatrischen Krankheitsbildes durch D2.

E1 beschreibe nunmehr eine schizo-affektive Psychose sowie eine Zwangsstörung mit Messy-Syndrom. Hauptursache sei die Schädigung im Kinderheim J1. Es werde gewissermaßen die gesamte Palette der psychiatrischen Diagnosen auf die sexuelle Schädigung gelegt. Dies sei nicht überzeugend, zumal auch eine Reihe von Diagnosen erwähnt werde, die sicher nicht durch eine Traumatisierung bedingt seien, wie eine schizo-affektive Psychose, eine Zwangsstörung, ein Messy-Syndrom und der Diabetes. Weiterhin ergäben sich aus den Angaben des E1 keine Befunde, die klassisch für eine PTBS seien.

Bei Durchsicht der gesamten Befunde seien die Kriterien einer PTBS nicht gegeben. Im Übrigen sei bereits 2005 eine Begutachtung durch A1 (richtig: D1) erfolgt und eine emotional instabile Persönlichkeit und der Verdacht auf eine leichte Depression geäußert worden, aber keine PTBS.

Er gehe weiter davon aus, dass die Persönlichkeitsstörung im Sinne einer instabilen Persönlichkeit mit leichteren Elementen eines posttraumatischen Belastungssyndroms weiterhin vorliege. Die Traumatisierung in der Kindheit/Jugend sei nur ein Teilfaktor neben anderen psychosozialen und genetischen Auslösern. Offensichtlich bestehe aber ein erheblicher Leidensdruck seitens des Klägers, sodass ein GdS von 40 empfohlen werden könne. Dies entspreche der gesamten Situation und den Befunden. Die Persönlichkeitsstörung komplett aus ursächlich zusammenhängend mit den Traumatisierungen in der Kindheit zu sehen, sei gutachterlich nicht möglich und könne nicht gestützt werden. Es handele sich um einen Teilfaktor, nicht um einen überragenden Faktor.

G1 führte versorgungsärztlich aus, dass schlüssig dargelegt werde, dass die Diagnosekriterien einer PTBS nicht erfüllt seien. L3 betone nochmals, dass das psychiatrische Gesamtbild überwiegend durch schädigungsunabhängige Faktoren bedingt sei. Als Bezeichnung der Schädigungsfolgen werde „Persönlichkeitsstörung mit posttraumatischen Elementen“ vorgeschlagen, ein höherer GdS als 30 sei nicht plausibel.

Das Verfahren wurde mit folgendem Vergleich beendet:

Die mit Bescheid des Landratsamtes B3 – Kreissozialamt-Versorgungsamt – vom 12. November 2014 anerkannten Schädigungsfolgen werden wie folgt neu bezeichnet: „Persönlichkeitsstörung mit posttraumatischen Elemente“ verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG.
Für diese anerkannten Schädigungsfolgen beträgt der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) nunmehr 30 (i.W. dreißig) nach § 30 Abs. 1 BVG ab 1. November 2011.

Weiter wurde darauf hingewiesen, dass eine Erhöhung nach § 30 Abs. 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nicht streitgegenständlich sein könne, da es an einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung fehle.

Der Vergleich wurde mit Bescheid vom 13. März 2017 ausgeführt und eine Nachzahlung von 9.288,00 € festgestellt.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass ihm Rente wegen Erwerbsminderung gewährt werde. Insofern habe eine berufliche Betroffenheit geprüft werden müssen.

Am 12. Juli 2017 machte der Kläger geltend, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe und der GdS auf 100, mindestens aber auf 90 zu erhöhen sei.

Das LRA holte den Befundschein des zfp S5 ein. Dieses führte aus, dass sich der Kläger seit dem 1. Februar 2005 in ärztlicher Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz befinde. Seit Ende 2016 sei er in regelmäßigen Abständen alle sechs Wochen gekommen. 2017 sei er am 1. März, 5. April und 13. September ambulant behandelt worden. Diagnostisch bestehe eine PTBS, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit starken Anteilen einer emotionalen instabilen Persönlichkeit sowie anamnestisch eine schizo-affektive Psychose. Eine psychotische Symptomatik habe in den letzten Jahren unter entsprechender pharmakologischer Behandlung nicht mehr bestanden. Eine exakte Beurteilung, ob eine Verschlechterung des Gesundheitszustands eingetreten sei, sei nicht möglich, da sich der Kläger nur dreimal vorgestellt habe. Eine wesentliche Befundänderung sei nicht zu erkennen.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. März 2017 wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2017 zurück. Mit dem Bescheid sei der Vergleich vom 29. November 2016 ausgeführt worden, die Regelungen entsprächen dem Bescheid. Über eine Höherbewertung nach § 30 Abs. 2 BVG sei noch nicht entschieden worden.

Am 11. Januar 2018 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Leistungen für Gewaltopfer wegen eines schädigenden Ereignisses circa im März 1968 im Kinderheim H1.

Einer vom LRA beauftragten erneuten Begutachtung durch D2 widersprach der Kläger und lehnte diesen wegen Befangenheit ab. D2 legte mit Datum vom 8. August 2019 seine vorbereitenden Ausführungen zum Gutachten – insbesondere die Zusammenstellung der Aktenlage – vor.

Der P2 führte daraufhin versorgungsärztlich aus, dass nach dem „aktuellen nervenärztlichen Gutachten“ des D2 neben der anerkannten Schädigungsfolge „Persönlichkeitsstörung mit posttraumatischen Elementen“ andere schädigungsunabhängige psychische Erkrankungen bestünden. Der Kläger sei mit seinem erlernten und ausgeübten Beruf als Landschaftsgärtner durch die Art der anerkannten Schädigungsfolgen nicht in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben gemindert. Die Aufgabe des erlernten Berufs als Landschaftsgärtner sei wegen schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen erfolgt. Ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Kausalitätsbedingung liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2019 lehnte das LRA die Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten es dem Kläger nicht unmöglich gemacht, den Beruf des Landschaftsgärtners zu erlernen und auszuüben. Für die Aufgabe des erlernten Berufes seien schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen verantwortlich gewesen. Er sei aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen weder gehindert gewesen, den früher ausgeübten Beruf weiter auszuüben, noch sei er in der Ausübung seines Berufs in einem wesentlichen höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert. Dass dem Kläger aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen ein beruflicher Erfolg bzw. Aufstieg versagt worden sei, sei ebenfalls nicht ersichtlich.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2019 lehnte das LRA die Gewährung von Berufsschadensausgleich ab. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten es dem Kläger nicht unmöglich gemacht, den Beruf des Landschaftsgärtners zu erlernen und jahrelang auszuüben. Für die Aufgabe des erlernten Berufs seien schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen verantwortlich gewesen. Der Kläger sei aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen nicht gehindert gewesen, den erlernten Beruf als Landschaftsgärtner weiter auszuüben.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2020 lehnte das LRA die Gewährung von Leistungen nach dem OEG wegen geltend gemachter Gewalttaten im Kinderheim J1 in H1 in den Jahren 1962 bis 1975 ab. Die Vorwürfe beruhten ausschließlich auf den Angaben des Klägers. Unmittelbare Tatzeugen seien keine vorhanden, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen seien keine durchgeführt worden. Die Ausführungen im Schreiben der Diözese R1, welches als Nachweis für den sexuellen Missbrauch durch P. angesehen worden sei, beziehe sich ausschließlich auf den Zeitraum von 1975 bis 1979 und auf die P1 in O1 sowie den Schädiger P..

Hinsichtlich der geklagten Züchtigungen sei festzustellen, dass pauschale Angaben zu den Verhältnissen in den Heimen nicht ausreichten, um einen Anspruch nach dem OEG zu begründen. Vielmehr müsse konkret nachgewiesen werden, dass der Kläger solche Züchtigungen erlitten habe. Daneben müsse beachtet werden, dass zum Tatzeitpunkt „Erziehungsmaßnahmen“ rechtmäßig gewesen seien, die heute als rechtswidrig beurteilt würden.

Das LRA holte das psychologisch-psychotherapeutische Gutachten der K1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 17. April 2020 ein. Dieser gegenüber hat der Kläger angegeben, seine Mutter und seine Geschwister erst an Weihnachten 1973 kennengelernt zu haben, als sie alle gemeinsam zu Hause gewesen seien.

Seine EU-Rente erhalte er seit etwa vier Jahren, aufgrund seiner Retraumatisierung 2010 durch das Thema des Missbrauchs im C1-Kolleg in B1. Ein bis drei Tage im Monat mache er maximal fünf Sunden Gartenarbeit bei Nachbarn gegen geringes Entgelt.

Von 1981 bis Mitte der 90er habe es verschiedene Strafverfahren gegen ihn gegeben, wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch und Hausfriedensbruch. Er habe auch einmal Steine gegen Beamte geworden.

Er wisse seit seinem 16. Lebensjahr, dass er homosexuell sei, damals sei er zu einem Psychiater gegangen, um das „wegbehandeln“ zu lassen. Dieser habe ihn gesagt, dass er lernen müsse, damit umzugehen. Letztlich habe er nur sporadisch und dann nur „sexuelle Kontakte“ gehabt. Er sei seit seiner Jugend nicht beziehungsfähig. Freundschaftliche Beziehungen unterhalte er mit zwei Heiminsassen aus dem ersten Kinderheim. Er habe mehrere Freunde aus der Punk-Szene und kenne deren Kinder von Geburt an.

Früher habe er ein massives Alkoholproblem gehabt, einen Kasten Bier täglich getrunken. Aber der Führerschein 1983 sei der Anlass gewesen, mit dem Konsum aufzuhören. Heute trinke er nur noch selten ein Glas Wein oder Schnaps. Cannabis habe er in seinen 20-er Jahren probiert, weil dies bei ihm aber Depressionen ausgelöst habe, habe er damit wieder aufgehört.

Er habe schon als fünf- bis sechsjähriger Selbstmordgedanken gehabt, belastende Träume hätten bis in seine Lehrzeit hinein bestanden. Seit seiner Schulzeit leide er unter Antriebsschwäche, die Kraftlosigkeit habe mit der Lehrzeit begonnen. Schlafstörungen kenne er seit dem ersten Kinderheim, diese seien phasenweise besser gewesen, aber seit 2010, seit der sexuelle Missbrauch wieder aktiviert sei, leide er unter massiven Schlafstörungen bis heute. Auch seine Ängste seien seitdem wieder verstärkt, in der Lehrzeit habe er dreimal versucht, sich das Leben zu nehmen. 1997 sei er wegen Depressionen 12 Wochen stationär psychiatrisch behandelt worden. Zuvor habe er eine manische Phase gehabt. Psychotherapie habe er über 1,5 Jahre gemacht, jedoch sei die Therapeutin vor fünf Jahren plötzlich verstorben.

Am belastendsten seien die Schlafstörungen. An seine Träume könne er sich teilweise nicht erinnern. Seine Energie sei tagsüber oft lustlos und sehr schwankend. Im Winter sei es extrem mit seiner Antriebsschwäche, so auch im Januar, als er zwei Ablehnungsbescheide erhalten habe.

Zum Tagesablauf habe der Kläger angegeben, dass wenn seine Energie halbwegs da sei, er teils schon um 7.00 Uhr aufstehe, Kaffee trinke, Zeitung lese und mit dem Hund Gassi gehe. Wenn er Gartenarbeit habe, arbeite er für drei bis fünf Stunden, ansonsten sehe er fern. Frühstück und Mittagessen gebe es nicht, erst abends teilweise etwas Warmes. Er gehe nochmal mit den Hunden raus und sehe dann mit seinem Bruder fern. Teilweise besuche er abends seine Freunde.

Er habe „immer Wut auf die Behörden“ und „Ohnmachtsgefühle“. Der sexuelle Missbrauch sei seit 2010 wieder sehr präsent, durch die Medien, die ständig darüber berichteten. Er vermeide die Orte, H1 und O1, denn als er damals 2010 mit den anderen zusammen dort „rein gegangen“ sei, auch mit der Presse, habe ihn das zu sehr aufgewühlt und belastet.

Psychisch wirke der Kläger belastet sowie deutlich vorgealtert. Er zeige sich einerseits verunsichert-zurückhaltend, andererseits aber offen, bereitwillig sowie ausreichend differenziert über sich und sein Erlebtes Auskunft gebend. Bei bestimmten Themen sei eine erhebliche Belastung deutlich geworden. Die Auffassungsfähigkeit sei ungestört, die Konzentration unter emotionaler Belastung sowie gegen Ende der Untersuchung deutlich reduziert. Es fänden sich Hinweise für eine teils reduzierte Merkfähigkeit und für ein ausgeprägt reduziertes Jahreszahlgedächtnis. Weiter fänden sich Anhaltspunkte für zumindest partielle Amnesien in Bezug auf die frühe Kindheit. In Bezug auf die traumatischen Erfahrungen seien die Erinnerungen eher hypermnestisch gewesen. Die Grundstimmung sei insgesamt gedrückt und zum depressiven Pol verschoben, phasenweise auch eher erregt, gereizt sowie zweimal kurzzeitig emotional fragilisiert mit ausgeprägter Verzweiflung. Affektiv habe eine erheblich eingeengte Schwingungsfähigkeit mit deutlicher Anspannung und Verunsicherung imponiert. Der Antrieb sei merklich reduziert, die Intentionsbildung unauffällig. Es hätten Hinweise auf ausgeprägte dissoziative Phänomene bestanden.

Die Kriterien einer PTBS würden sowohl nach ICD-10 als auch nach DSM-V erfüllt. Dies werde sowohl durch die Testbefunde als auch teilweise durch die Vorbefunde bestätigt. Weshalb im Gutachten aus 2014 das Vorliegen einer PTBS nicht überprüft worden sei, obwohl einschlägige Symptome, wie Albträume exploriert worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Soweit davon ausgegangen werde, dass eine PTBS nur bei einer Latenzzeit von maximal sechs Monaten diagnostiziert werden könne, sei dies nachweislich falsch.

Die vom Kläger berichteten Symptome und Beschwerdekomplexe gingen über die Kriterien einer einfachen PTBS hinaus, sodass ohne jeden Zweifel eine komplexe PTBS vorliege.

Weiterhin bestehe eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die durch die Vorbefunde bestätigt werde, und eine bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome. Die anamnestisch aufgeführte schizo-affektive Störung könne aktuell nicht mehr bestätigt werden.

Es bestünden erhebliche Einschränkungen des sozialen beruflichen Leistungs- und Funktionsniveaus, vor allem zeige sich eine deutlich eingeschränkte emotionale Regulationsfähigkeit. Die unverarbeiteten Traumatisierungen führten immer wieder zu belastendem Wiedererleben. Das Selbsterleben sei chronisch durch Entfremdung, Außenseitersein und Minderwertigkeit geprägt. Sein anhaltendes Erleben, nicht nur nicht ernst genommen zu werden und unverstanden zu sein, sondern auch angegriffen zu werden, gehe mit einem zunehmenden Verlust seiner Identität einher, sodass er sich wesentlich und zunehmend fast ausschließlich als „Opfer“ oder „Lügner“ erlebe. Konsequenterweise sei seine Sicht der Welt vor allem negativ bzw. durch ein einseitiges Schwarz-Weiß sowie Täter-Opfer-Denken gekennzeichnet. Vor allem das wiederholte nicht ernst genommen werden und grundlegend mit seiner Wahrnehmung und seinem Erleben in Frage gestellt zu werden, treffe auf seine eigene Nichtakzeptanz, Vermeidung und Infragestellungen seiner Erfahrungen und gehe mit dysfunktionalen Grübeleien einher.

Obwohl er unter Ängsten weniger leide, sei sein Erleben und Verhalten zunehmend durch anhaltende Existenz- und Zukunftsängste geprägt. Diese hätten sich seit der Reaktivierung des sexuellen Missbrauchs, also seit etwa 10 Jahren, und angesichts seiner Gesamtsituation mit begrenzten Mitteln auf verschiedenen Ebenen, einschließlich der finanziellen, verstärkt. So hätten die Kontrollzwänge und das Messy-Syndrom zugenommen. Diese wirkten wie ein hilfloser Versuch, die fehlende Kontrolle über sein Leben und seine Perspektive zu kompensieren. So habe der Kläger nachvollziehbar Angst vor der Entwicklung der Zukunft. Er habe Ängste um seine Gesundheit und davor, am Ende seines Lebens in einem Altenheim zu landen und dann möglicherweise erneut Gewalt hilflos ausgesetzt zu sein.

Die gesamte Funktions- und Leistungsfähigkeit sei seit Jahren in einem Ausmaß eingeschränkt, dass die Leistungsfähigkeit aufgehoben sei und der Kläger deshalb EU-Rente erhalte. Seine Beschäftigung als Gärtner bei Nachbarn ändere daran wenig, stabilisiere ihn wohl etwas. Da er darüber hinaus nur relativ wenige Jahre berufstätig gewesen sei, seien seine finanziellen Mittel begrenzt, was seine chronische Existenzangst verstärke. Auch sei ihm durch das Heim nicht die Bildung seinen Fähigkeiten entsprechend möglich gewesen, da dieses ihm die mittlere Reife versagt habe. Ferner kämen in den letzten Jahren zunehmend noch körperbezogene Beschwerden hinzu. Der Kläger leide unter Asthma, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck. Weiter kenne er Spannungskopfschmerzen und Migräne seit vielen Jahren. Die chronischen Rückenschmerzen seien in den letzten Jahren stärker geworden. All dies reduziere zusätzlich seine Gesundheit, Lebensqualität sowie die gesamte psychische Belastbarkeit. Schlussfolgernd sei der durch das gesamte Störungsbild verursachte GdS mit 70 zu bewerten.

Im ersten Kinderheim habe der Kläger Durchsetzung von Ordnung und Disziplin mittels körperlicher und seelischer Gewalt erlebt. Es habe drakonische Strafen wie das eigene Erbrochene aufessen müssen, tageweise nur Wasser und Brot zu erhalten, Arbeiten auf dem Feld und im Garten, also zumindest mittelschwere Zwangsarbeiten und diese im Kindesalter gegeben. Auch sei der Kläger offenbar als etwa Siebenjähriger sexuell missbraucht worden, in Kombination mit psychischer Drohung und körperlicher Gewalt. Nicht nur der klare Erlebnisbezug beim Bericht des Klägers, sondern auch die Studienlage unterstütze dies als glaubhaft und nachvollziehbar: So hätten sich mit als 80 % der Heime in jüngsten Vergangenheit mit Verdachtsfällen sexueller Gewalt auseinandersetzen müsse. Sexueller Missbrauch sei in 10 % dieser Fälle durch Frauen erfolgt. So hätten diese Erfahrungen als Kind den Kläger nicht nur total verängstigt, da er in ständiger Angst gelebt habe, sondern auch erheblich traumatisiert. Es sei ein Ort des Schreckens gewesen, während im Vergleich dazu die Schläge in der Schule für ihn „harmlos“ gewesen seien.

Auch sei die wiederholte körperliche Gewalt, die der Kläger im Heim von O1, in dem er von 1973 bis 1979 gewesen sei, erlebt habe, ohne jeden Zweifel geeignet, eine schwerwiegende Traumatisierung hervorzurufen. Am Ende habe es das Heim sogar abgelehnt, dem Kläger die mittlere Reife zu ermöglichen, dazu seien körperliche Zwangsarbeiten, die über die körperliche Grenze gegangen seien, wie das Tragen von 50 kg schweren Säcken gekommen und das im Jugendalter.

Nicht zuletzt sei die sexuelle bzw. sexualisierte Gewalt durch P. etwa zwischen 1975 und 1979 zweifelsfrei geeignet, schwerwiegend und anhaltend zu traumatisieren. Zwar seien die körperlichen Übergriffe ohne körperliche Gewalt abgelaufen, gewaltfrei seien sie deshalb keineswegs gewesen. Auch habe P. psychische Gewalt ausgeübt.

Die sexuelle Gewalt sei die erste Phase, die zweite Phase sei die, wenn der Täter durch die Verleugnung seiner Tat und aufgrund des fehlenden Geständnisses die Opfer erneut zwinge, sich selbst oder anderen gegenüber erklären zu müssen. Für viele Betroffene sei dieses Verleugnen durch den Täter ebenso belastend wie die Tat selbst, weil mit erneuter Ohnmacht und Demütigung verbunden und dies könne für viele Jahre bis zu Jahrzehnten andauern. Dies treffe für den sexuellen Missbrauch in H1 bei dem Kläger offenbar ganz und für den sexuellen Missbrauch in O1 teilweise zu, da die Kirche als letztlich Verantwortliche in diesem Fall erst später und dann weder ganz aufgeklärt habe, noch transparent gewesen sei, da sie die Akteneinsicht verweigert habe. Die jahrelange sexuelle Gewalt zwischen dem 12., 13. und 17. Lebensjahr habe ohne jeden Zweifel wesentlich zur PTBS im Sinne der Verschlimmerung beigetragen. Weitere traumatische Ereignisse fänden sich nicht.
Dennoch gebe es eine weitere wesentliche Bedingung für die PTBS, nämlich die Nichtanerkennung der Leiden. Die fehlende Anerkennung stelle einen wesentlichen Faktor für die zunehmende Verschlechterung in den letzten Jahren dar, habe als wesentlich zum schleichenden Prozess beigetragen. So könne eine Bewältigung traumatischer Erfahrungen in Institutionen dann gelingen, wenn das persönlich erlittene Unrecht als eine gesellschaftlich bedingte Beeinträchtigung begriffen werde. Dafür sei jedoch die Übernahme von Verantwortung durch die Gesellschaft für die Entstehung der Schädigung ausgesprochen wichtig. Öffentliche Anerkennung und angemessene finanzielle Entschädigung bzw. Hilfen könnten dazu beitragen, die eigene Würde wiederzufinden. Die Anerkennung der Schädigungsfolgen sei gerade dann eine Vorbedingung für eine gelingende Bewältigung der psychischen Belastung, wenn das erlebte Unrecht zur Verbitterung und einem Gefühl andauernder Benachteiligung im Leben geführt habe, was beim Kläger ohne Zweifel der Fall sei.

Dabei spiele das Verhalten der Kirche ebenfalls eine wesentliche Rolle, da Teilzugeständnisse und Pauschalzahlungen weder „angemessen“ gewesen seien, noch die fatale Zerrissenheit und Verwirrung des Opfers hätten durchbrechen können. Denn dieses Tun sei erneut aus einer nicht transparenten und nicht kontrollierten Machtposition heraus geschehen, habe sich also in einer vergleichbaren Struktur wie die Tat selbst ereignet.

Die Entstehung einer Persönlichkeitsstörung unterliege einem komplexen Zusammenspiel verschiedener genetischer und psychosozialer Einflüsse, wobei frühe Traumaerfahrungen eine wichtige Rolle spielten und das Ausmaß erlebter Traumatisierung mit der Symptomschwere korreliere. Frühe, sogenannte Bindungs- und Beziehungstraumatisierungen trügen entscheidend dazu bei. Die Ablehnung durch die Mutter, kombiniert mit Abschiebung in ein Heim, Entwertung und Ausgrenzung stellten mit Sicherheit solche dar. Da die Erfahrungen mit der Mutter sehr begrenzt geblieben seien, schieden diese letztlich als wesentliche Mitursache für die Persönlichkeitsstörung aus. Dazu müssten die wiederholten körperlichen Gewalterfahrungen in den Heimen von H1 und O1 sehr klar als wesentliche Bedingung für die Persönlichkeitsstörung im Sinne der Entstehung gewertet werden. Der zeitliche Zusammenhang sei nicht ganz so klar, da eine auffällige Persönlichkeit erstmals 1997 und eine Persönlichkeitsstörung erst 2005 diagnostiziert worden sei. Aber es fänden sich zwischen 1979 und 1997 keine Hinweise auf Ereignisse, die eine solche hätten entstehen lassen können. Das erlebte Mobbing durch Kollegen Ende der 80er Jahre reiche dafür nicht aus. Hingegen seien die verschiedenen Straftaten zwischen 1981 und Mitte der 90er Jahre ein beredter Hinweis dafür, dass bereits zu dieser Zeit eine Persönlichkeitsstörung vorgelegen habe. Auch die beschrieben sexuelle Gewalt zwischen etwa 1975 und 1979, die nicht nur mit Zerrissenheit, Infragestellung und Zweifeln, sondern auch mit Veränderungen der Sicht sowohl auf sich selbst, als auch auf die Welt, einhergegangen sei, habe ebenfalls wesentlich zur Persönlichkeitsstörung im Sinne der Verschlimmerung beigetragen. Weitere wesentliche Einflussfaktoren hätten sich nicht finden lassen.
Auch bipolare Störungen bzw. Depressionen seien multifaktoriell in der Genese und ebenso eine sehr häufige Traumafolgestörung. Der Einfluss von Mutter und Familie mit grundlegender Ablehnung und Ausgrenzung kombiniert mit einer offenbar auch genetisch erhöhten Disposition und Vulnerabilität für schwere psychische Erkrankungen in der Familie sei somit als wesentliche Mitursache für die Entstehung der bipolaren Störung zu werten.

Jedoch auch die beschriebenen belastenden sowie traumatischen Erfahrungen in beiden Heimen hätten wesentlich zur depressiven Entwicklung beigetragen. So könne der zeitliche und inhaltliche Zusammenhang zwischen den Gewalterfahrungen in H1 und der depressiven Entwicklung aufgezeigt werden, denn „Schläge und die ständige Angst“, in der der Kläger als Kind gelebt habe, hätten zu Selbstmordgedanken bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren geführt. Unter Schlafstörungen leide der Kläger seit dieser Zeit und seit der Schulzeit unter einer Antriebsschwäche. Der sexuelle Missbrauch zwischen 1975 und 1979 habe ebenfalls wesentlich zur depressiven Entwicklung im Sinne der Verschlimmerung beigetragen, dies vor allem durch die erlebte generalisierte Hilflosigkeit, die als ein wesentlicher Faktor für Entstehung und Verstärkung einer Depression bekannt sei. So habe der Kläger in der Zeit nach der Beendigung des sexuellen Missbrauchs drei Selbstmordversuche unternommen und zunehmend unter Kraftlosigkeit gelitten. Die Schlafstörungen hätten sich mit der Reaktualisierung des sexuellen Missbrauchs 2010 verstärkt.

Der Gesamt-GdS sei mit 70 zu bewerten, der durch die beschriebenen wiederholten Gewalterfahrungen bedingte GdS mit 60, der schädigungsbedingte, also durch den anerkannten sexuellen Missbrauch verursachte GdS mit 40. Wie aufgezeigt, habe eine wesentliche Verschlechterung seit etwa vier bis 5 Jahren als schleichender Prozess stattgefunden, dies bedingt durch verschiedene Ursachen, aber stets mit dem sexuellen Missbrauch vermischt bzw. von diesem überlagert. Eine Einzelbewertung des GdS für PTBS, Persönlichkeits- und bipolarer Störung mache wenig Sinn, da das klinische Gesamtbild als komplexe Traumafolgestörung zu verstehen sei. Das Leidensbild habe sich schädigungsunabhängig und auch schädigungsabhängig verschlechtert. Die Leidenszunahme sei ursächlich auf die erlittene Schädigung zurückzuführen, weil das schädigende Ereignis eine annähernd gleichwertige Mitursache darstelle.

Ohne die beschriebene Anerkennung sowie in Folge begrenzter Ressourcen in Bezug auf Gesundheit, sozialer Unterstützung sowie finanzieller Ressourcen sei eine weitere Verschlechterung nicht nur nicht auszuschließen, sondern als wahrscheinlich anzunehmen.

Der P2 führte versorgungsärztlich aus, dass im Gutachtensauftrag explizit darauf hingewiesen worden sei, dass Vorgänge im Heim in H1 nicht nachgewiesen seien und Züchtigungen keine schädigenden Vorfälle im Sinne des OEG seien. Trotzdem wolle die Gutachterin die Vorfälle mit einem Teil-GdB von 60 bewertet haben. Von daher sei fragwürdig, ob tatsächlich eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigung eingetreten sei und jetzt höher bewertet werden müsse. Dem Gutachten könne somit nicht unbedingt zugestimmt werden.

G1 – Regierungspräsidium S4 – legte versorgungsärztlich dar, dass eine wesentliche Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolge nicht ausreichend bestätigt werden könne. In der Kausalitätsbeurteilung würden schädigungsunabhängige erhebliche Belastungsfaktoren nicht ausreichend abgegrenzt. Aus der Einschätzung der Funktions- und Leistungsfähigkeit seien vorwiegend Faktoren ableitbar, die nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem anerkannten schädigenden Tatbestand stünden (Existenz-, Gesundheits- und Zukunftsängste, Selbstwertproblematik, Affekt- und Antriebsstörung im Rahmen der schädigungsunabhängigen Störung).

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2020 wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2019 zurück. Der Antrag auf Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs. 2 BVG sei zu Recht abgelehnt worden. Hiergegen erhob der Kläger am 2. Juli 2020 Klage beim SG (S 8 VG 904/22).

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2020 wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2019 zurück. Ein Berufsschadensausgleich könne nicht beansprucht werden, weil ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht vorliege. Am 15. Juni 2020 erhob der Kläger Klage beim SG (S 8 VG 1534/20).

Den Neufeststellungsantrag lehnte das LRA mit Bescheid vom 9. Juni 2020 ab. Eine Befundverschlechterung, die eine höhere Neubewertung des GdS rechtfertigen könne, liege nicht vor.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Januar 2020 wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2020 zurück. Es fehle an dem Nachweis eines sexuellen Missbrauchs durch eine Hilfserzieherin im Kinderheim in H1. Auch unter Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass ein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand bestehe. Bezüglich der geltend gemachten Züchtigungen sei darauf hinzuweisen, dass diese bis zur Abschaffung des elterlichen Züchtigungsrechtes nicht per se rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen werde auf die Härteregelung des § 10a Abs. 1 OEG verwiesen, wonach infolge der Schädigung allein ein GdS von 50 bestehen müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2020 wies das Regierungspräsidium S4 – Landesversorgungsamt – den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Juni 2020 zurück. Eine wesentliche Änderung in den als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen lasse sich nicht feststellen. Als schädigender Tatbestand sei nur der sexuelle Missbrauch in den Jahren 1975 bis 1979 anerkannt. Grenze man schädigungsunabhängige erhebliche Belastungsfaktoren ab, lasse sich eine Verschlimmerung der festgestellten Schädigungsfolgen nicht feststellen.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. August 2020 hat der Kläger am 28. September 2020 Klage beim SG erhoben (S 8 VG 2490/20).

Das SG hat sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt.

Der V1, zfp S5, hat bekundet, den Kläger zuletzt am 2. Dezember 2020 behandelt zu haben. Der Kläger sei bewusstseinsklar, allseits orientiert bei adipösem Ernährungszustand und äußerlich reduziertem Allgemeinzustand. Seit Ende 2020 sei der Kläger nicht mehr zu den vereinbarten Terminen erschienen, davor seien die Termine zuverlässig eingehalten worden. Es bestünden keine Gedächtnisstörungen, bei den Terminen habe sich eine gute Konzentrationsfähigkeit bei geordneten Denkabläufen gezeigt. Inhaltlich seien die Themen darauf eingeschränkt, wo sich der Kläger eher benachteiligt fühle bzw. andere sozial Benachteiligte als Opfer staatlicher Willkür sehe. Der Kläger identifiziere sich dabei mit diesen „Opfern der Gesellschaft“ und helfe im Rahmen seiner Möglichkeiten aktiv. Während seines Aufwachsens in einem Kinderheim habe der Kläger sexuelle Übergriffe erlebt, ausgelöst durch Medienberichte über sexuelle Übergriffe in kirchlichen Einrichtungen erinnere er sich immer wieder an seine eigenen Erfahrungen und erlebe das Gefühl ohnmächtiger Wut. Vor diesem Hintergrund führe er juristische Auseinandersetzungen.

Im Verlauf der Behandlung habe sich immer wieder die emotionale Instabilität des Klägers gezeigt. Bei den rechtlichen Auseinandersetzungen sei es mehr darum gegangen, Recht zu bekommen und nicht um materielle Gesichtspunkte. Bei den rechtlichen Auseinandersetzungen zeige der Kläger ein hohes Aktivitätsmuster, bei den Aktivitäten des täglichen Lebens sei der Antrieb deutlich begrenzt. Bis auf die Hunde und das Interesse an Gartengestaltung habe er kaum Interessen und beschreibe die häusliche Situation nahe an der Grenze zur Verwahrlosung. Nach der Ablehnung einer Entschädigung nach dem OEG sei es kurzfristig zu Suizidfantasien ohne Handlungsdrang gekommen.

Wesentliche Änderungen seien im Verlauf seit 2017 nicht aufgetreten, stationäre Behandlungen nicht erforderlich geworden. Am 13. November 2019 habe der Kläger über eine subjektiv erlebte Verschlechterung nach einer Auseinandersetzung mit dem Landratsamt berichtet. Er habe einen Strafantrag und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt, jetzt gehe es ihm wieder besser. Bei den folgenden Terminen in 2020 habe der Kläger wieder weniger affektiv belastet gewirkt. Die verordnete Medikation diene der affektiven Stabilisierung.

Der E1 hat beschreiben, dass es bei dem Kläger in seinen wichtigsten Lebensabschnitten immer wieder zu körperlichen Misshandlungen und sexuellem Missbrauch gekommen sei. Er habe Gewalt von Personen erlebt, die eigentlich für ihn Vertrauenspersonen sein sollten. Er habe kein tragfähiges Vertrauensverhältnis zu einer Umgebung und zur Gesellschaft aufbauen können. Auch sei er in der Entwicklung seiner sexuellen Selbstbestimmungsfähigkeit und Autonomie stark gestört. Er leide an einer emotional instabilen Persönlichkeit mit Panikattacken, Depressionen, dissoziativen Essstörungen, einem Helfer-Syndrom, an Flashbacks und Intrusionen, an einer PTBS sowie an einem Messy-Syndrom. Der Kläger habe nie die Genugtuung erfahren, seine Peiniger bestraft zu sehen. Trotz allem sei er nicht ins kriminelle Milieu abgedriftet. Ergänzend hat er bereits aktenkundige Befundberichte vorgelegt.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2022 hat das SG die Verfahren S 8 VG 2490/20 und S 8 VG 904/22 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 8 VG 2490/20 verbunden.

Das SG hat das psychiatrische Sachverständigengutachten der R6 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 11. Oktober 2022 erhoben. Dieser gegenüber hat der Kläger angegeben, seit 1995 in ambulanter und zum Teil auch stationärer psychiatrischer Behandlung zu stehen. Er habe diverse psychische Störungen, leide an Wutausbrüchen und dem Gefühl, permanent ungerecht behandelt zu werden. Das läge daran, dass er als Kind so schlimme Dinge erlebt habe. Er sei im Heim gewesen, hier sei er geschlagen und sexuell missbraucht worden. Deshalb sei er einerseits sehr misstrauisch, andererseits habe er ein Helfersyndrom, das ihm schon häufig Probleme bereitet habe. So habe er früher z.B. alle Punks aufgenommen, bis er am Ende seine Wohnung verloren habe und für zwei Jahre obdachlos geworden sei. Er habe ständige Angstzustände, in engen Räumen, dann in Tunneln und auch wenn etwas von hinten komme. Er habe ständig Angst vor Behörden, so fühle er sich von der Polizei verfolgt und telefonüberwacht. Er könne niemandem Vertrauen, sei nicht beziehungsfähig.

Er sei homosexuell und habe herausgefunden, dass er auch masochistische Neigungen habe. Er habe ständig das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Er ziehe sich sozial zurück, könne Kontakte zur Außenwelt nicht halten und auch Termine häufig nicht einhalten. Er schlafe schlecht, wache regelmäßig bis zu viermal in der Nacht auf. Der Kläger lebe zusammen mit seinem Bruder im Elternhaus, Auto könne er fahren. Er sei Erwerbsminderungsrentner und helfe gelegentlich den Nachbarn bei der Landschaftspflege.

Der Kläger habe die Hauptschule und eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner abgeschlossen. Von 1980 bis 1995 habe er Tätigkeiten als Landschaftsgärtner verrichtet, seit 1995 sei er mit kurzen Unterbrechungen arbeitslos, seit 1. April 2012 beziehe er Erwerbsminderungsrente.

Zum Tagesablauf habe er angegeben, um 10.00 Uhr aufzustehen und mit den Hunden raus zu gehen. Dann lege er sich hin und schaue fern. Wenn der Bruder abends heimkomme, gehe er nochmals mit den Hunden raus und versuche, etwas im Haushalt zu machen. Der Bruder koche zweimal die Woche für die gesamte Woche. Zweimal in der Woche engagiere er sich in der Nachbarschaftshilfe als Landschaftsgärtner. Am Vortag habe er nach dem Aufstehen Zeitung gelesen und Kaffee getrunken. Am Nachmittag habe er eine Bekannte von N1 nach U1 zum Tierarzt gefahren.

Der Kläger sei selbstständig mit dem eigenen PKW zur Untersuchung gekommen, das Gangbild auf dem Flur sei regelrecht. An der Wirbelsäule und den Gliedmaßen zeigten sich keine Bewegungseinschränkungen. Das Gangbild sei flüssig mit normaler Geschwindigkeit, die erschwerten Gangprüfungen unauffällig, die Feinmotorik gut.

Der Kläger sei selbstständig zum Termin gekommen, wirke etwas ungepflegt und vorgealtert. Es bestehe ein stärkerer Schweißgeruch, die Händen wirkten ungewaschen. Er sei kooperativ, jedoch verunsichert und zurückhaltend. Die geistige Flexibilität sei eingeschränkt auf Ereignisse, die Aufmerksamkeit weitgehend intakt. Zum Untersuchungszeitpunkt sei er wach, bewusstseinsklar und orientiert in allen vier Qualitäten. Es bestehe kein Anhalt für wesentliche mnestische und kognitive Defizite, die Auffassungsfähigkeit sei erhalten. Formalgedanklich zeige sich eine Grübelneigung, zum Teil haftend, zum Teil weitschweifig mit emotionalen Schwankungen. Inhaltlich sei er auf Traumata, Ungerechtigkeiten und deren Folgen fixiert. Es bestünden Hinweise auf Phänomene mit Depersonalisation und Derealisation. Zumindest bei bestimmten Triggern komme es zu Verfolgungsgefühlen. Der Kläger wirke zwar nicht tiefgreifend depressiv herabgestimmt, jedoch in der Schwingungsfähigkeit und affektivem Modulationsbreite deutlich reduziert und mit zum Negativen hin depressivem Affekt. Es bestehe bei bestimmten Triggern eine erhöhte Ängstlichkeit, die der Kläger gelegentlich mit Aggression kompensiere. Weiter lägen innere Unruhe, sozialer Rückzug, Ein- und Durchschlafstörungen mit erhöhten Alpträumen vor, der Antrieb wirke reduziert.

Die Persönlichkeit trage Züge einer emotional instabilen Persönlichkeit, einerseits mit erheblichen emotionalen Schwankungen, andererseits mit einer ausgeprägten Störung in der Beziehung zu Mitmenschen bis zur Aufwertung mit Helfersyndrom und Ablehnung.

Der Kläger stamme aus einer Familie mit sieben Kindern. Aufgrund der Erkrankungen seiner Eltern sei er bereits im Säuglingsalter in ein Heim gekommen, wo er diverse Gewalterfahrungen sowie sexuellen Missbrauch erlebt habe. An den Schilderungen bestehe kein Zweifel, wie auch die mannigfaltigen Unterlagen in den Akten zeigten. Die Erfahrungen in der Kindheit seien geprägt von fehlender emotionaler Zuwendung und Durchsetzung von Strafen mittels körperlicher wie seelischer Gewalt. Es seien Einschüchterungen, Drohungen und Schläge erlebt worden, daneben diverse körperliche Misshandlungen. Die Gewalt sei geprägt gewesen von Ungerechtigkeit, aber auch Unvorhergesehenheit. Diese beiden Tatsachen führten einerseits zu einem ausgeprägten Ungerechtigkeitsempfinden, andererseits zu einem Leben in ständiger Angst, da hier keine Vorhersagen hätten getroffen werden könnten. Gemessen an den Ängsten vor Gewalt, Tod etc. habe er den sexuellen Missbrauch, der wohl bereits im ersten Heim im Alter von fünf Jahren stattgefunden habe, dann aber im zweiten Heim systematisch durch den Pfarrer zwischen 1975 und 1979 über sich ergehen lassen, da zumindest keine körperliche Gewalt durchgeführt worden sei.

Nach diesen Prägungen sei der Kläger in ein Lehrlingsheim gekommen, was er als durchaus angenehm erlebt habe. Es sei ihm nicht gelungen, normal im Leben Fuß zu fassen. Beruflich habe er sich nie etablieren können, habe aber immerhin eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner geschafft. Hier sei es immer wieder zu Konflikten gekommen. Aufgrund der schwankenden Emotionalität und einer hochausgeprägten Gerechtigkeitsentwicklung habe der Kläger diverse Punks in seiner Wohnung aufgenommen, was dann aufgrund von Konflikten letztlich zum Wohnungsverlust geführt habe, sodass der Kläger über zwei Jahre obdachlos gewesen sei.

Ab 1995 hätten sich die psychischen Probleme so aggraviert, dass sich der Kläger in Behandlung begeben habe. Hier sei erstmals eine schizo-affektive Störung festgestellt und eine Behandlung mit Lithium eingeleitet worden. Eine ambulante Therapie sei begonnen worden, im Verlauf habe sich der Kläger etwas stabilisiert. Allerdings sei es immer wieder zu Konflikten vor allem mit Behörden gekommen. Eine Besserung habe erst eine Betreuung erreicht. Eine Reintegration auf dem Arbeitsmarkt sei nicht gelungen, eigentlich sei der Kläger seit 1995 arbeitslos, 2012 sei letztendlich eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen worden.

Die ausgeprägten Stimmungsschwankungen schienen sich etwas verbessert zu haben, vermutlich aber auch durch die veränderte Wohnsituation. Vormals sei der Kläger in der Stadt ansässig gewesen, hier hätten wohl vermehrte Trigger vorgelegen. Auf dem Land bestehe jetzt deutlich mehr Ruhe. Eine Beziehung führe der Kläger nicht, er beschreibe sich selbst als beziehungsunfähig.

In seinen Alltagsfertigkeiten sei der Kläger massiv herabgesetzt. So sei er zwar in der Lage, anderen zu helfen, notwendige Alltagsverrichtungen, sein Zimmer pflegen, die Hygiene durchzuführen, aber auch die Therapie seines Diabetes durchzuführen, gelänge ihm nicht, was bereits zu Spätfolgen führe.
Diagnostisch sei den Diagnosen der K1 zu folgen, es liege das Vollbild einer komplexen PTBS vor. Bei der komplexen PTBS lägen besonders schwere oder wiederholt bzw. langanhaltende Traumatisierungen z.B. in Folge psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt, aber auch Erfahrung körperlicher, emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit vor. Bei vielen Betroffenen präge sich ein vielfältiges Beschwerdebild aus, dass ein Muster typischer Veränderungen beinhalte. Der Kläger erfülle die Kriterien vollumfänglich, weiterhin bestünden Veränderungen in Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Es lägen Bewusstseinsphänomene wie dissoziative Episoden, ausgeprägte Erinnerungslücken mit Derealisations- und Depersonalisationserleben vor. Auch dies berichte der Kläger. Die Veränderungen in der Beziehung zu anderen seien häufig gestört. Viele Betroffene seien deshalb sehr vorsichtig, wenn es darum gehe, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Gleichzeitig hätten sie nur wenig Gespür für die eigenen Grenzen. Dieses Symptom schildere der Kläger ebenfalls, in dem er einerseits sozialen Rückzug angebe, da vieles feindschaftlich erlebt werde und er sich ungerecht behandelt fühle, andererseits aber ein „Helfersyndrom“ habe. Die Veränderung von Lebenseinstellungen liege ebenfalls vor, es bestehe eine große Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, der Kläger sei resigniert und desillusioniert. Vieles gebe keinen Sinn mehr.

Es gebe viele Überlappungen mit anderen psychischen Erkrankungen, wie Depression, Angst und Panikstörung sowie Sucht und Zwangserkrankungen. Aufgrund der doch ausgeprägten Symptome sei eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren. Die Kriterien seien bei dem Kläger erfüllt. Führende Symptome seien die einer Borderline-Erkrankung mit konfliktreicher Beziehungsgestaltung, Impulsivität, Neigung zu Ausbrüchen von Gereiztheit und Wut mit eingeschränkter Kontrolle des explosiven Verhaltens, gleichzeitig mit narzisstischen Elementen, sich nicht bestimmten Regeln oder gesellschaftlichen Konventionen einfügen und unterordnen zu können.

In der Vorgeschichte seien bipolare-affektive Erkrankungen bzw. eine schizo-affektive Störung zusätzlich aufgeführt. Prinzipiell sei es schwierig, die vorliegenden psychischen Erkrankungen auseinander zu halten. Der Diagnose einer bipolaren-affektiven Störung könne gefolgt werden, allerdings sei kritisch anzumerken, dass die im Laufe des Lebens beschriebenen Symptome durchaus der PTBS bzw. der Persönlichkeitsstörung zugeordnet werden könnten. Es sei nicht sicher auszuschließen, dass diese Erkrankung durchaus einen Zusammenhang mit der traumatischen Gewalterfahrung habe. Zur Kausalität der bipolaren Störung sei gesagt, dass es hierfür eine auch multifaktorielle Genese der Traumafolgestörung gebe. Die genetisch allenfalls erhöhte Disposition sei nicht sicher nachweisbar, so hätten zwar zwei der Brüder diese Erkrankung und auch der Vater habe einen Alkoholabusus betrieben, allerdings hätten alle Familienmitglieder ihrerseits traumatische Erfahrungen, so sei zumindest der Auslöser durchaus in den traumatischen Erfahrungen zu sehen.

Die PBTS und die Persönlichkeitsstörung seien auf den sexuellen Missbrauch in den Jahren 1975 bis 1979 zurückzuführen. Der sexuelle Missbrauch sei geeignet, schwerwiegend und anhaltend zu traumatisieren. Gemessen an den Gewalterfahrungen, die der Kläger im Vorfeld erlitten habe, seien die sexuellen Übergriffe „das kleinere Übel“ gewesen. Trotzdem sei es zu Ekel, Widerwillen, Zerrissenheit und Ohnmachtsgefühlen mit Beginn des 12. und 13. Lebensjahres gekommen. Andererseits habe P. die psychische Gewalt ausgenutzt, in dem er den Kläger ausgebeutet habe und sich der Kläger aus Angst vor erneuter Gewalterfahrung nicht getraut habe, sich zu widersetzen. Die widersprüchlichen Gefühle ob der sexuellen Handlungen hätten sich langfristig als sexuelle Funktionsstörung ausgewirkt. In den letzten Jahren sei der Leidensdruck einerseits aggraviert worden durch die Aufarbeitung in den Medien und andererseits durch die mangelnde Aufklärung bzw. Entschuldigung seitens der Kirche. Die weiteren Gewalttaten in den Kinderheimen in H1 und O5 stünden ebenfalls zweifelsfrei in einem ursächlichen Zusammenhang mit der PTBS sowie der Persönlichkeitsstörung. Die bipolare Erkrankung sei wahrscheinlich ebenfallos dadurch ausgelöst, wenn die früher als solche diagnostizierte Symptomatik nicht sogar der PTBS unterzuordnen sei.

Die Neurosen, Persönlichkeitsstörung und die Folgen psychischer Traumen seien als schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu bewerten und mit einem GdS von 60 bis 70 zu bewerten. Es liege nicht nur eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor. Die Verschlechterung komme auch durch das Unrecht des seit Jahren laufenden Verfahrens zustande.

Abweichungen zum Gutachten des D2 folgten daraus, dass dieser die Diagnose der komplex-traumatischen Persönlichkeitsstörung nicht berücksichtigt habe, außerdem habe er die Diagnose einer schizo-affektiven Psychose betont. Der Zusammenhang mit den Traumata sei allerdings nicht erfasst worden. Im Wesentlichen schließe sie sich K1 an. Wenn man den GdS auseinandernehmen wolle, sei ein Gesamt-GdS von 70 anzunehmen und der Anteil des sexuellen Missbrauchs mit 40 zu bewerten sei.

Aufgrund der Schädigungsfolgen sei der Kläger in jedem Beruf eingeschränkt, in dem Kontakt mit Menschen bestehe. Es bestehe ein ausgeprägtes Ungerechtigkeitsempfinden und keine Konfliktfähigkeit. Das Durchführen regelmäßiger Tätigkeiten bereite Probleme. Prinzipiell sei der Beruf des Landschaftsgärtners noch einer der besten Berufe, da der Kläger nicht viel Kontakt zu Menschen haben müsse. Aber selbst hier sei er gescheitert. Dies zeige sich daran, dass er zuletzt 1995 berufstätig gewesen sei. Prinzipiell scheine er die Tätigkeit als Landschaftsgärtner zu schätzen, da er gelegentlich bei Nachbarn aushelfe. Dies sei allerdings nicht im Rahmen einer längerfristigen Anstellung für ihn möglich. Seine psychischen Einschränkungen vermieden auch, dass der Kläger, obwohl er die Tätigkeit des Landschaftsgärtners zu schätzen wisse, nicht in seinem Beruf habe aufsteigen können.
Der Beklagte ist dem Sachverständigengutachten durch die versorgungsärztliche Stellungnahme der B4 entgegengetreten. Der sexuelle Missbrauch durch einen Pfarrer in O5 sei als schädigendes Ereignis anerkannt. Die weiter beantragten schädigenden Ereignisse mit weiterem sexuellen Missbrauch im Kinderheim in H1 sowie die vorgebrachten Züchtigungen stellten keine vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffe im Sinne des OEG dar. Den Einschätzungen könne insoweit gefolgt werden, als der schädigungsabhängige GdS nunmehr 40 betrage. Hinsichtlich der Höherbewertung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit könne man zu keiner anderen Einschätzung gelangen.

Das Vergleichsangebot des Beklagten hat der Kläger nicht angenommen.

Auf den Hinweis des SG, dass die Ausführungen hinsichtlich der besonderen beruflichen Betroffenheit nicht nachvollziehbar seien, ist eine Reaktion des Beklagten nicht erfolgt.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2023 hat der Kläger angegeben (vgl. Protokoll), dass er seine Lehre nur mit Ach und Krach geschafft habe. Sein Wunschberuf sei schon als Kind Gärtner gewesen. Er habe das unbedingt machen wollen, aber die Regelmäßigkeit sei für ihn ein Problem gewesen. Er habe das so nicht hinbekommen und das habe dann auch mit dem Arbeitgeber so nicht weiter funktioniert.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. September 2023 hat das SG den Bescheid vom 9. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2020 aufgehoben, den Ausführungsbescheid vom 13. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2017 abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. Juni 2017 Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 zu gewähren sowie den Bescheid vom 9. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2020 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger seit dem 1. Juli 2017 Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Der Kläger habe Anspruch auf die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem höheren GdS aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit und aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen. Die Beschädigtengrundrente sei nach einem GdS von 40 für die Zeit vom 1. November 2011 bis 30. Juni 2017 und nach einem GdS von 50 seit dem 1. Juli 2017 zu gewähren. Eine höhere Beschädigtengrundrente könne nicht beansprucht werden.

Es liege eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen vor, welche dem Bescheid vom 13. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2017 zu Grunde gelegen habe, vor. Der GdS sei zur Überzeugung der Kammer ab dem 1. Juli 2017 ohne Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit mit einem GdS von 40 angemessen bewertet. Grundsätzlich entsprächen die Beeinträchtigungen beim Kläger einem GdS von 60 bis 70, wobei der ursächliche GdS aufgrund des sexuellen Missbrauch lediglich 40 betrage, wie aus den überzeugenden Ausführungen der R6 folge.

Der GdS sei aufgrund besonderer beruflicher Betroffenheit bereits ab dem 1. November 2011 zu erhöhen, nachdem der Vergleichsschluss hierzu keine Regelungen enthalten habe. Eine besondere berufliche Betroffenheit liege bei dem Kläger vor, da er seinen Beruf als Landschaftsgärtner habe aufgeben müssen. Dies folge auf den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen R6, die ausgeführt habe, dass der Kläger aufgrund der Schädigungsfolgen in jedem Beruf eingeschränkt sei, in dem Kontakt mit Menschen bestehe. Die psychischen Einschränkungen hätten auch vermieden, dass der Kläger in seinem Beruf habe aufsteigen können.

Am 12. Oktober 2023 hat der Beklagte Berufung beim Senat eingelegt und auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des G1 verwiesen. Danach werde auf die vorangegangenen versorgungsärztlichen Stellungnahmen Bezug genommen. Die Beantwortung der Beweisfragen durch R6 könne nicht ausreichend überzeugen und werde nicht durch entsprechende aktenkundige Einschätzungen gestützt. Bereits L3 habe darauf hingewiesen, dass die Frühberentung des Klägers nicht die Annahme belege, dass dies aufgrund des anerkannten sexuellen Missbrauchs der Fall gewesen sei. Auch der Umstand, dass der Kläger seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner nur mit erheblicher Mühe absolviert habe, belege nicht das Vorliegen einer ausschließlich (oder wesentlich) durch sexuelle Traumatisierung bedingten Störung. L1 sei in seinem Gutachten für die DRV zu der Einschätzung gelangt, dass die seinerzeit im Vordergrund stehende emotional instabile Persönlichkeitsstörung nicht so schwerwiegend ausgeprägt gewesen sei, dass prinzipiell das vollschichtige berufliche Leistungsvermögen in Frage gestellt werde. T2 nenne in erster Linie die Diagnose einer schizo-affektiven Psychose (schädigungsunabhängig) als Grund für die Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens. R6 verkenne, dass der Kläger bis 2013 Arbeitslosengeld I und II erhalten habe, also dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Ein schädigungsbedingtes Ausscheiden aus dem Berufsleben habe daher nicht vorgelegen. Eine Erhöhung des GdS sei vergleichsweise angeboten, aber vom Kläger nicht angenommen worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. September 2023 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

            die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte verkenne die Voraussetzungen der besonderen beruflichen Betroffenheit. Die Stellungnahme des L3 reiche nicht aus, die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der R6 zu entkräften. Der Hinweis des Beklagten, dass er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe, gehe ins Leere, das SG habe lediglich festgestellt, dass er zuletzt 1995 berufstätig gewesen sei. R6 sei als Zeugin zu vernehmen.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des S6 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 18. April 2024 erhoben. Diesem gegenüber hat der Kläger angegeben, nie bei seinen Eltern aufgewachsen zu sein. Seine sechs Geschwister seien ebenfalls gleich ins Heim gekommen. Im Kinderheim habe er sofort nach dem Aufstehen 10 „Tatzen“ bekommen, für Vergehen, die sich im Laufe des Tages mutmaßlich ereigneten. Außerdem habe es Zwangsernährung gegeben, der Mund sei gewaltsam geöffnet worden, auch wenn das Blut von den Zähnen gelaufen sei und man habe Erbrochenes essen müssen. Alle Kinder seien um Mitternacht aus dem Bett geholt worden, prophylaktisch gegen Bettnässen. Regelmäßig habe es Schläge gegeben, die Vorfälle hätten sich seit seinem dritten Lebensjahr ereignet.

Die Frage, ob er stets selbst Erinnerungen an diese Vorfälle gehabt habe, habe der Kläger verneint, er habe diese Erinnerungen verdrängt. Diese seien erst in seinem Gedächtnis aufgetreten, als die Vorfälle im B1 C1-Kolleg aufgedeckt worden seien. Er habe mit zwei weiteren Heimbewohnern beschlossen, auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Erinnerungen seien dann nach und nach zurückgekommen. Als er 1992 für 12 Wochen in einer Psychiatrie gewesen sei, habe er diese Ereignisse noch nicht erinnert, es sei kein Thema gewesen. Erst nach 2010 sei in der ambulanten Behandlung an den Erinnerungen gearbeitet worden. Dann seien immer mehr Vorfälle in Erinnerung getreten.

Im Alter von sechs Jahren habe eine Erzieherin ihn in ihr Zimmer geholt, ihn zum Rauchen gezwungen und sich dann nackt ausgezogen. Sie habe ihn aufgefordert, dass er sein Glied in ihre Scheide einführe. Auf Nachfrage habe der Kläger angegeben, dass dies nicht richtig funktioniert habe, Erektion habe er keine gehabt, aber Ekel empfunden. Danach habe die Erzieherin ihn regelmäßig verhauen und unter Druck gesetzt. Weitere sexuelle Handlungen habe es nicht gegeben.

Im Jugendheim habe es viele Schläge gegeben, gleich zur Begrüßung. Der P. habe nachgefragt, ob man schon Erektionen und sexuelle Erfahrungen gesammelt habe. P. habe vor ihm onaniert und habe an seinem (des Klägers) Glied onaniert. Zu analem oder oralen Verkehr sei es nicht gekommen, der P. habe aufgehört, wenn man ihm gesagt habe, dass man dies nicht wolle. Drohungen seien keine ausgesprochen worden, die Vorfälle hätten sich circa zweieinhalb Jahre zugetragen. Ihn persönlich habe das einmal die Woche betroffen. Zu Gewalttaten sei es nicht seitens des P., sondern der Nonnen gekommen. Diese hätte mit Stöcken auf die Kinder eingeschlagen. Er habe zwar viele blaue Flecken davon getragen, eine ärztliche Behandlung sei aber deswegen keine notwendig geworden. Einmal habe er wegen der Schläge drei Tage Fieber gehabt. Die Strafverfahren seien wegen Verjährung eingestellt worden, inzwischen lebe keiner der damaligen Täter mehr.

Der Kläger führe auf diese Ereignisse Schlafstörungen, Depressionen, Angststörungen und ein Messy-Syndrom zurück. Die Schlafstörungen habe er schon seit der Kindheit, in einem Schlaflabor sei er nie gewesen. Er lebe mit seinem Bruder zusammen, der im gleichen Heim wie er gewesen sei. Sein Bruder wolle über die Ereignisse aber nicht reden. Der Bruder sei ebenfalls in Rente, es gebe immer wieder Konflikte wegen der Haushaltsführung. Es bestünden Zukunftssorgen, vor allem finanzielle. 2012 sei er einmal in Privatinsolvenz gewesen, weil er Wohnungen angemietet habe, in die er Obdachlose aufgenommen habe, die Miete aber nicht zahlen können.

Er sei einmal wegen einer manisch-depressiven Erkrankung behandelt worden, habe damals richtige Größenideen gehabt, anderen Leuten Geld geschenkt. In der Manie habe er Cannabis konsumiert, davor habe es Probleme mit Alkohol gegeben. Dies sei vom 18. bis 25. Lebensjahr gewesen. Die Psychose habe sich parallel zu dem Cannabiskonsum entwickelt.

Der Kläger befinde sich in reduziertem Allgemein- und adipösen Ernährungszustand, wirke vorgealtert. Er sei in Begleitung einer männlichen Person erschienen, die bei der Untersuchung nicht anwesend gewesen sei. Der Pflegezustand sei vernachlässigt gewesen, bei ausgeprägtem Körpergeruch. An den Händen bestünden mittel ausgeprägte Arbeitsspuren.

Psychiatrisch sei der Kläger bewusstseinsklar, zu Ort, Zeit, Person und Situation orientiert. Es werde ungezwungen Kontakt aufgenommen und ausführlich bis weitschweifig berichtet. Inhaltliche oder formale Denkstörungen bestünden bei ausgeglichener Stimmungslage und regelrechten affektivem Schwingungsvermögen nicht. Der Affektausdruck sei mittellebhaft, Merkfähigkeit und Konzentration wirkten gemindert, was sich insbesondere in der neurologischen Untersuchung zeige. Der Antrieb sei regelrecht, vorzeitige Ermüdung bestehe keine.

Über die schädigenden Ereignisse werde ausführlich berichtet, es bestehe kein Vermeidungsverhalten, sich damit zu befassen. Die Ereignisse würden plastisch geschildert, zumindest nach der Berichterstattung bestünden keine Hinweise auf Gedächtnisstörungen bezüglich wesentlicher Einzelheiten. Bei der ausführlichen Besprechung komme es nicht zu Intrusionen, ebenso wenig zu Flashbacks oder dissoziativen Zuständen. Abnorme körperliche oder psychische Reaktionen zeigten sich nicht. Hinweise auf eine psychische Traumafolgestörung bestünden somit nicht.

Hinsichtlich der kognitiven Leistungen könne die verbale Intelligenz auf den unteren Normbereich geschätzt werden, das allgemeine Verständnis für soziale Regeln und Normen sei regelrecht, die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses eingeschränkt. Im Bereich der Schilderung psychischer Beschwerden würden übermäßig viele Beschwerden unkritisch bejaht, sodass keine Aussagekraft bezüglich der diagnostischen Beurteilung bestehe.

Die intellektuelle Entwicklungsstörung sei in Anbetracht der testpsychologischen Ergebnisse nachzuvollziehen. Weitere Hinweise dafür seien der Besuch der Sonderschule, erhebliche Schwierigkeiten in der praktischen Lebensbewältigung mit wiederholter Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung, ungeordnete Finanzen wie Privatinsolvenz. Spätestens 1994 sei eine Substanzkonsumstörung entwickelt worden, nähere Informationen lägen nicht vor. Bemerkenswert sei, dass Misshandlungen oder sexueller Missbrauch in den Heimen 1997 nicht beschrieben würden, obwohl die Heimaufenthalte durchaus erörtert worden seien.

Vorliegend spreche vieles dafür, dass die angeblich wiedererlangten Erinnerungen als Scheinerinnerungen zu klassifizieren seien. Das menschliche Gedächtnis speichere Erinnerungen nicht wie ein Videorekorder, sondern diese würden grundsätzlich rekonstruiert. Es sei bei jedermann möglich, das im Laufe der Zeit Fehlerinnerungen entstünden. Bei Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen, insbesondere im Gedächtnisbereich, sei das Risiko für Fehlerinnerungen besonders hoch. Nach der Gedächtnisforschung sei es ferner sehr unwahrscheinlich, dass Missbrauchserlebnisse und Gewalterfahrungen, wie aktuell geschildert, über so lange Zeit und, wie hier geltend gemacht, zum einen nicht erinnert würden und zum anderen ohne unmittelbare psychische Reaktion blieben. Ebenso sei es nach der Gedächtnisforschung nahezu ausgeschlossen, dass Ereignisse im 3. Lebensjahr erinnert würden. Ebenso für Scheinerinnerungen spreche, dass der Kläger die Vorfälle im Laufe der Zeit inkonsistent schildere. Dies sei nach den Ergebnissen der Gedächtnisforschung nicht erklärlich, da zentrale Details traumatisierender Ereignisse sehr gut im Gedächtnis behalten würden.

Letztlich zeigten sich negative Antwortverzerrungen bei mehreren Untersuchungen. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Ereignisse so oder so ähnlich zugetragen hätten. Es bestünden aber Zweifel, ob die Ereignisse als real betrachtet werden könnten.

Der aktuelle psychiatrische Befund ergebe eine mittelschwer ausgeprägte neurokognitive Störung, das zeitweilige Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung sei wahrscheinlich und mehrfach vorbeschrieben. Der Ausprägungsgrad der Persönlichkeitsstörung nehme nach dem Höhepunkt in der Adoleszenz mit zunehmendem Lebensalter ab, dies erkläre, warum aktuell eine Persönlichkeitsstörung auf Befundebene nicht festzustellen sei. Eine PTBS liege nicht vor und sei rückblickend nicht zu erkennen. Für eine PTBS bedürfe es nicht des sexuellen Missbrauchs, sondern sexueller Gewalt, wofür keine Anhaltspunkte bestünden. Die Züchtigungen, die berichtet worden seien, erreichten schon nicht die Qualität lebensbedrohlicher Vorfälle. Ein Vermeidungsverhalten, sich mit den Vorfällen zu befassen, sei nie erkennbar geworden. Sofern eine bipolare affektive bzw. eine schizo-affektive Störung vermutet worden sei, fehle es an Befunden. Die emotionale Instabilität sei Kernsymptom der Persönlichkeitsstörung, im Übrigen habe der Kläger angegeben, dass die psychotischen Symptome sich zeitgleich mit dem Substanzgebrauch entwickelt hätten, sodass es eine Substanz-induzierte-Psychose gewesen sein könne.

Aktuell sei der Kläger durch die neurokognitive Störung eingeschränkt, in der täglichen Lebensführung mache sich diese aber nur wenig bemerkbar, nachdem dieser in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug zu führen, eine Vielzahl von Prozessen zu betreiben und den Haushalt zu bewältigen. Die Ursachen neurokognitiver Störungen seien vielfältig, sie würden aber grundsätzlich nicht durch Lebensereignisse, mit Ausnahme einer traumatischen Hirnschädigung, hervorgerufen. Selbst wenn man die Ereignisse somit unterstelle, lasse sich ein ursächlicher Zusammenhang nicht herstellen.

Die die Biographie bestimmende Persönlichkeitsstörung sei etwa zur Hälfte durch anlagebedingte Faktoren und zur Hälfte durch frühkindliche Erlebnisse bedingt. Unter der Annahme, dass sich die Ereignisse so ereignet hätten, sei eine hälftige Mitwirkung dieser Erlebnisse hinsichtlich der Persönlichkeitsstörung möglich. Es bestünden aber Bedenken, diese Ereignisse als real zu unterstellen.

Über die näheren Umstände der Berufsaufgabe sei in der Akte kaum etwas dokumentiert. Aufgrund welcher nachgewiesener Funktionsstörungen bereits 2013 ein aufgehobenes Leistungsvermögen attestiert worden sei, sei nicht erkennbar. Die damalige Entscheidung gründe wohl auf der Diagnose einer schizo-affektiven Störung, wobei die Diagnose keine Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen erlaube. Dem Gutachten vom 6. August 2014 < D2> ließen sich keine Hinweise für eine neurokognitive Störung entnehmen.

Hinsichtlich des Berufsschadensausgleichs sei dem Urteil nicht zu entnehmen, welche konkreten und insbesondere schädigungsbedingten Funktionsstörungen damals angenommen worden seien. Die von R6 beschriebene Problematik sei in Anbetracht der Biographie nicht auszumachen. Der Kläger habe vielmehr regelmäßig Kontakt mit Menschen gesucht, sich für Obdachlose engagiert, umfangreich Auseinandersetzungen mit den Beschäftigten von Behörden geführt, sich in stationäre und ambulante Therapien begeben und damit umfassend Kontakt mit Menschen, sogar in ganz persönlichen Angelegenheiten, gehabt. Die Sachverständige verweise weiter auf ein Gerechtigkeitsempfinden und eine fehlende Konfliktfähigkeit, was beides nicht erwiesen sei. Die Biographie zeige, dass der Kläger zwar Konflikte nicht aktiv suche, sie aber nicht scheue. Soweit der Kläger angebe, seine Berufsausbildung gerade so geschafft zu haben, möge dies ein Hinweis auf die von Anfang an im unteren Durchschnittsbereich liegende kognitive Leistung sein, eine aufgehobene Erwerbsfähigkeit folge hieraus nicht, zumal er etliche Jahre in diesem Beruf gearbeitet habe.

Ein GdS sei nicht zu benennen, da keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die als Folge der vom Kläger angegeben Ereignisse in Betracht kämen.

Zu den Vorbefunden sei darauf hinzuweisen, dass der Befundbericht der S3 keine Befunde oder Diagnosebegründungen enthalte. Das Sachverständigengutachten vom 8. Januar 2016 < L3> sei nur teilweise nachvollziehbar. Bei der Exploration habe sich kein Hinweis für eine psychische Traumafolgestörung ergeben, der Befund habe keine Auffälligkeiten gezeigt, eine Beschwerdevalidierung sei nicht erfolgt. Zum Ursachenzusammenhang finde man keine Ausführungen. Brückensymptome hätten nach der Auswertung des Sachverständigen nicht vorgelegen, sodass nicht nachvollziehbar sei, weshalb sich keine Zweifel ergäben. Im Bericht des zfp vom 7. November 2011 würden unauffällige Befunde beschrieben, eine Diagnosebegründung fehle. Der Bericht des zfp von 1997 führe keine der später geltend gemachten schädigenden Ereignisse auf, Hinweise auf eine psychische Traumafolgestörung seien nicht ersichtlich. Aus dem psychiatrischen Gutachten V1 folgten keine Anhaltspunkte für die später geltend gemachten schädigenden Ereignisse, eine relevante Psychopathologie ergebe sich nicht. Das Sachverständigengutachten vom 1. Dezember 2005 < D1> begründe die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht, eine solche sei durch die Befunddokumentation nicht gedeckt, die sozialmedizinische Bewertung aber dennoch schlüssig.

Das nervenärztliche Gutachten vom 6. August 2014 < D2> sei nicht schlüssig. Der psychopathologische Befund beschreibe keine Auffälligkeiten, es fehle an einer Diagnosebegründung. Zutreffend sei, dass eine bipolare Störung, vorausgesetzt sie liege vor, nicht im Zusammenhang mit schädigenden Lebensereignissen stehe. Der ärztliche Bericht von 1972 beschreibe leichte neurologische Auffälligkeiten, aber keine wesentlichen psychischen oder Spuren körperlicher Misshandlung.

Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung im Gutachten für die DRV vom 30. April 2004 < L1> sei angesichts der Biographie des Klägers naheliegend, werde aber nicht begründet oder spezifiziert. Beachtlich sei, dass die schädigenden Ereignisse im Kinderheim und dem Jugendheim keine Erwähnung fänden. Das weitere Gutachten vom 5. Juni 2008 < W2> stelle die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht, für die chronische Dysthymie fehle eine Diagnosebegründung, mit der Befunddokumentation sei die Diagnose nicht vereinbar.

Im Gutachten der K1 sei wiederum kein Vermeidungsverhalten des Klägers erkennbar, sich mit den Vorfällen zu befassen, Symptome einer Traumafolgestörung seien nicht beschrieben. Die Gutachterin gehe von sexueller Gewalt aus, die der Kläger nie beschrieben habe. Nach dem psychopathologischen Befund und der Anamnese liege eine PTBES nicht vor, es genüge nicht, dass der Kläger Symptome einer solchen auf Fragebögen angebe. In einem Gutachten müsse streng zwischen Beschwerdeschilderung und Befundfeststellung unterschieden werden. Anstalten, die Authentizität der Schilderungen zu prüfen, seien keine getroffen worden. Auch die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung begründe die Gutachterin mit den Angaben des Klägers, sie falle also wiederum auf die Behauptungen des Klägers zurück, ohne eine Feststellung von Tatsachen zu treffen.

Die Ausführungen, dass viele ehemalige Bewohner von Heimen Missbrauchserlebnisse und psychische Erkrankungen geltend machten, sei für die Herstellung eines ursächlichen Zusammenhangs nicht geeignet. Es würden Angaben des Klägers ohne weiteres für zutreffend erachtet, dabei seien Anknüpfungstaten vorausgesetzt worden, die weder vorgegeben, noch gesichert seien. Wesentliche Inkonsistenzen habe sie nicht beachtet. Sie berücksichtige insbesondere nicht, dass bis 2010 überhaupt keine Hinweise für eine psychische Traumatisierung gesichert seien, obwohl mehrfache Begutachtungen stattgefunden hätten.

Hinsichtlich der Angaben des Klägers gegenüber des Bischöflichen Offizialats
falle auf, dass die Schilderung der Vorfälle seither eine bedeutende Ausgestaltung erfahren habe, sowohl was die Gewalttaten als auch die sexuellen Übergriffe angehe.

Aus dem Sachverständigengutachten der R6 erschließe sich nicht, welche Akten dieser vorgelegen hätten. Diese beschränke sich darauf, aus den Akten diagnostische Wertungen früherer Gutachter zu zitieren. Eine epikritische Aktensicht, also eine Darlegung, welche Tatsachen sich auf Befundebene aus den Dokumenten jeweils ergäben, finde sich nicht. Es sei zu mutmaßen, dass ihr wesentliche Dokumente gar nicht zur Verfügung gestanden hätten. Soweit die Sachverständige feststelle, dass dissoziative Phänomene mit Depersonalisation und Derealisation sowie Flashbacks und Verfolgungsgefühle vorlägen, könne dies unmöglich zutreffen. Eine entsprechende Dokumentation finde sich ebenso wenig, wie nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Kläger ängstlich gewirkt haben solle. Aus den Ausführungen gehe hervor, dass die Sachverständige den von ihr zu erhebenden Befund durch die Beschwerdeschilderung des Klägers ersetze. Wenn die Sachverständige bei dem angewandten Testverfahren ein „theoretisch nicht ganz testkonformes Verhalten“ beschreibe, werde der Befund, der Testmanipulationen ergeben habe, „schöngeredet“. Abschließend würden weder die Diagnosen noch der angenommene Kausalzusammenhang begründet.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des
Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 13. September 2023, mit dem dieses – nach Verbindung der Verfahren mit Beschluss vom 13. Juni 2022 – auf die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) den Beklagten zur Bewährung höherer Beschädigtengrundrente verurteilt hat. Soweit das SG die Klagen abgewiesen hat, hat der Kläger weder Berufung noch Anschlussberufung eingelegt, sodass das Urteil insoweit rechtskräftig geworden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Mit dem Bescheid vom 9. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 3. Juni 2020 hat der Beklagte die Erhöhung der Beschädigtengrundrente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit abgelehnt und dabei, wie schon im vorausgegangenen Klageverfahren S 11 VG 803/15, verkannt, dass es sich bei der besonderen beruflichen Betroffenheit – anders als beim Berufsschadensausgleich – nicht um einen selbstständigen Anspruch handelt. Der GdS im allgemeinen Erwerbsleben nach § 30 Abs. 1 BVG und das besondere berufliche Betroffensein nach § 30 Abs. 2 BVG sind als Teilfaktoren des einheitlichen Rentenanspruchs anzusehen, weshalb in einem Gerichtsverfahren nur einheitlich über die Höhe der Grundrente entschieden werden kann. Entscheidet die Versorgungsverwaltung nach Bestandskraft eines Bescheides zur Beschädigtengrundrente gesondert über die Erhöhung der Grundrente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit, liegt eine Entscheidung über die Grundrente insgesamt vor. Der zuvor ergangene und bestandskräftige Bescheid wird dann, wenn sich eine höhere Rente ergibt, von Amts wegen nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geändert (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 – L 6 VH 789/15 –, juris, Rz. 64). Der Beklagte hatte damit über den bestandskräftigen „Ausführungsbescheid“ vom 13. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2017, soweit dieser die Höhe der Beschädigtengrundrente regelt, insgesamt zu entscheiden.
Den Vergleichsvorschlag des Beklagten auf Gewährung einer Beschädigtenrente nach einem GdS von 40 hat der Kläger abgelehnt, ein Teilanerkenntnis ist vom Beklagten nicht abgegeben worden, ebenso hat dieser seine Berufung nicht beschränkt, sondern die vollumfängliche Aufhebung des Urteils des SG beantragt.

Anderes gilt hinsichtlich der vergleichsweise anerkannten Schädigungsfolge „Persönlichkeitsstörung mit posttraumatischen Elementen“, die mit dem Ausführungsbescheid bestandskräftig festgestellt und nicht überprüft worden ist (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

Mit dem weiteren Bescheid vom 9. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2020 (verbundenes Verfahren S 8 VG 904/22) hat der Beklagte die höhere Neufeststellung des GdS abgelehnt. Dieser Bescheid ist nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden, da dieser die Bescheide nicht abgeändert oder ersetzt hat. Wird durch den neuen Bescheid die ablehnende Rechtsauffassung lediglich bestätigt, wie vorliegend dadurch, dass ein Anspruch auf höhere Beschädigtengrundrente weiter abgelehnt wird, liegt ein Fall des § 96 SGG regelmäßig nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 59/06 R –, juris, Rz. 13; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 96 Rz. 4b).


Die Begründetheit der Berufung des Beklagten folgt aus der Unbegründetheit der Klagen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat ist unter Auswertung der aktenkundigen Unterlagen, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) sowie der Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger die Gewährung einer höheren Beschädigtengrundrente unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen kann. Dies ist durch die weitere Sachaufklärung im Berufungsverfahren nochmals bestätigt worden. Aus Vorstehendem folgt gleichzeitig, dass der Kläger die höhere Neufeststellung der Beschädigtengrundrente nicht beanspruchen kann, sodass dahinstehen kann, ob eine Entscheidung nach § 48 SGB X bei nicht bestandskräftigem Vergleichsbescheid überhaupt getroffen werden kann. Das SG hätte den Klagen daher nicht teilweise entsprechen dürfen, sondern sie abweisen müssen.

Materiell-rechtlich sind die Vorschriften des BVG in seiner bis 31. Dezember 2023 geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) in der ab 1. Januar 2024 geltenden Fassung erhalten Personen, deren Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2023 bestandskräftig festgestellt sind, diese Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach dem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung weiter, soweit dieses Kapitel nichts anderes bestimmt. Über einen bis zum 31. Dezember 2023 gestellten und nicht bestandskräftig entschiedenen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, ist nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden, § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XIV. Wird hierbei ein Anspruch auf Leistungen festgestellt, werden ebenfalls Leistungen nach Absatz 1 erbracht, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XIV.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit <MdE> bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205 <208 ff.>):

Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer“), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VG 1/09 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 ‑ B 9 VG 2/10 R ‑, SozR 4 3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 ‑ B 9 V 1/13 R ‑, juris, Rz. 23 ff.).

In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176, § 176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 ‑ B 9 VG 1/09 R ‑, SozR 4 3800 § 1 Nr. 17, Rz. 28 m. w. N.). Auch der „gewaltlose“ sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sein (BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 -, BSGE 77, 7, <8 f.> und - 9 RVg 7/93 -, BSGE 77, 11 <13>). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten.

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8.
August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 ‑ B 9 V 23/01 B ‑, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 ‑ B 9 V 6/13 R ‑, juris, Rz. 17).

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 12. November 2014 – in Ausführung des Vergleichs – festgestellt, dass der Kläger während der Unterbringung im Jugendheim „Stiftung P1“ in O1 in den Jahren 1975 bis 1979 Opfer einer Gewalttat im Sinne des OEG geworden ist. Dies stellt zwar eine unzulässige Elementenfeststellung dar, die der Beklagte nicht hätte treffen dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 12), was aber nichts an der Bestandskraft dieser Feststellung und damit der Bindungswirkung (vgl. § 77 SGG) ändert. Weiter ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid – insoweit ebenfalls bindend – als Schädigungsfolge eine „Persönlichkeitsstörung mit posttraumatischen Elementen“ festgestellt worden.

Die Feststellung des schädigenden Ereignisses dem Grunde nach enthält indessen nur eine grobe örtliche und zeitliche Umschreibung des schädigenden Ereignisses, woraus nicht der Rückschluss gezogen werden kann, dass sämtliche Angaben des Klägers zu den schädigenden Ereignissen als wenigstens glaubhaft gemacht anzusehen sind.

Tatsache ist nämlich, dass das Vorbringen des Klägers im Laufe der Zeit eine deutliche Ausweitung erfahren hat, worauf der Sachverständige S6 zuletzt zutreffend hingewiesen hat. Sowohl in seiner polizeilichen Vernehmung als auch bei der Befragung durch die Diözese R1 hat der Kläger nämlich – auch auf ausdrückliche Nachfrage – jeweils angegeben, dass es nie vorgekommen ist, dass der P. bei ihm onaniert habe und er sich auch immer geweigert habe, selbst den P. anzufassen. Weiter hat der Kläger dargelegt, dass sich viele Vorgänge nur verbal abgespielt haben, der P. nur soweit gegangen ist, bis sie „Widerstand“ geleistet haben und ihnen gegenüber nie gewalttätig geworden ist. Die Vorfälle hätten sich zwei- bis dreimal im Monat ereignet.

Wenn der Kläger demgegenüber im Folgenden behauptet hat, der P. habe sein Glied angefasst und bis zum Samenerguss „gerieben“ sowie das der P. vor seinen Augen mastubiert habe (vgl. Gutachten des D2), dass der P. ihn dazu gebracht habe, zu onanieren und der P. selbst onaniert habe (vgl. Sachverständigengutachten L3) sowie dass es ein- bis zweimal die Woche zu entsprechenden Übergriffen gekommen sei (vgl. Sachverständigengutachten L3) zeigt sich eine deutliche Ausweitung des Vorbringens sowohl was die Qualität der Übergriffe als auch deren Häufigkeit angeht, sodass insoweit schon nicht von erlebnisbasiertem Vorbringen ausgegangen werden kann. S6 hat, für den Senat überzeugend, in diesem Zusammenhang aus medizinischer Sicht herausgestellt, dass sexuelle Übergriffe bestanden, aber sexuelle Gewalt somit nicht erwiesen ist. K1 geht damit bereits von nicht erwiesenen Anknüpfungstatsachen aus, wenn sie Folgen sexueller Gewalt konstatiert, was nicht überzeugen kann.

Schädigende Ereignisse im ersten Kinderheim sind vom Beklagten jedenfalls nicht anerkannt worden und nicht erwiesen. Insbesondere befasst sich die Bestätigung der Diözese R1, auf die sich der Beklagte im Wesentlichen bei der Anerkennung gestützt hat, ausschließlich mit Vorkommnissen im Heim in O1. Der Beklagte hat daneben zu Recht auf die Übergangsvorschrift des § 10a OEG hingewiesen, die hinsichtlich des ersten Heimes uneingeschränkt zur Anwendung kommt, da der Kläger dieses Heim vor dem 1. Mai 1976 verlassen hat. Schädigende Ereignisse in diesem Zeitraum könnten daher nur einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung begründen, wenn aus ihnen allein ein GdS von 50 folgen würde, wofür keine Anhaltspunkte bestehen und was von keinem Gutachter oder Sachverständigen bestätigt werden konnte. Es kann deshalb dahinstehen, ob Ereignisse aus dieser Zeit schon deshalb nicht entscheidungsrelevant sind, weil der Beklagte im vorliegenden Verwaltungsverfahren darüber keine Entscheidung getroffen, vielmehr mit dem Bescheid vom 22. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2020 eine Entschädigung gesondert abgelehnt hat.

Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass der Beklagte zu Recht ausgeführt hat, dass bei der Bewertung der Erziehungsmaßnahmen zu dieser Zeit das geltende elterliche Züchtigungsrecht, welches eine körperliche Bestrafung noch gestattet hat, in Rechnung zu stellen ist. Gesundheitserstschäden sind insoweit keine dokumentiert, S6 hat den in der Akte befindlichen ärztlichen Befundbericht vielmehr aus medizinischer Sicht ausgewertet und dargelegt, dass sich daraus keine auf körperliche Gewalt hinweisende pathologischen Befunde ergeben.

Die Angaben des Klägers zu einem vermeintlichen sexuellen Übergriff im ersten Kinderheim sind im Übrigen schon deshalb nicht glaubhaft, weil sie erheblich differieren. Während der Kläger gegenüber dem Bischöflichen Offizialat
R1 nämlich angegeben hat, dass die Hilfserzieherin versucht habe soll, sein Glied bei sich einzuführen, hat er bei D2 behauptet, die Hilfserzieherin habe ihn aufgefordert, seine Finger in ihre Scheide zu stecken. Nachdem der Kläger gegenüber S6 wiederum behauptet hat, dass die Hilfserzieherin versucht haben soll, sein Glied bei ihr einzuführen, hat der Kläger auf Nachfrage des Sachverständigen einräumen müssen, keine Erektion gehabt zu haben, sodass der Sachverständige das Vorbringen nachvollziehbar – auch aus medizinischer Sicht – als nicht glaubhaft eingeordnet hat.

Zum zeitlichen Verlauf hat S6 überzeugend herausgearbeitet, dass der Kläger jedenfalls ab 1996 eine Vielzahl ambulanter und stationärer Behandlungen erfahren hat, in denen zwar der Umstand der Heimaufenthalte jemals thematisiert, schädigende Ereignisse während dieser Aufenthalte aber gerade nicht angegeben worden sind. Er hat damit die Darlegungen des L3 bestätigt, dass eine PTBS bei dem Kläger sicher nicht vorliegt, nachdem weder klassische Flashbacks noch motivische Alpträume angegeben worden sind. Ebenso wurden keine Angstanfälle und Panikattacken berichtet. Schlüssig weist L3 darauf hin, dass jedenfalls der Bericht des zfp aus 1997 eine PTBS hätte beschreiben müssen, was aber nicht der Fall ist. Anders als K1 glauben machen will, hat auch D2 das Auftreten einer PTBS keineswegs nur in einem bestimmten zeitlichen Rahmen nach dem schädigenden Ereignis gefordert, sondern einzelfallbezogen unter Auswertung der Befundlage, was K1 unterlassen hat, dargelegt, dass es an einer tragenden Befundlage fehlt. S6 hat in diesem Zusammenhang herausgearbeitet, dass K1 ihrer zentralen Aufgabe als Gutachterin nicht gerecht geworden ist und die Beschwerdeangaben nicht sorgfältig vom erhobenen Befund getrennt hat, weshalb ihre Einschätzung letztlich nur auf den subjektiven Angaben des Klägers beruht, was diese weder trägt und überzeugend erscheinen lässt. Dass L3 aus fachlicher Sicht darüber hinaus noch darauf hingewiesen hat, dass sich anhand des Verlaufs im konkreten Einzelfall eine Zunahme der Symptomatik mit der Diagnose einer PTBS nicht in Einklang bringen lässt, übergeht K1 vollständig.

In differentialdiagnostischer Hinsicht hat L3 überzeugend dargelegt, dass bei dem Kläger eindeutig eine schwere anlagebedingte Erkrankung besteht, für die schädigungsfremde Einflüsse und genetische Faktoren weit im Vordergrund stehen. Weiter entnimmt der Senat seinem Gutachten, dass es sich bei der schizo-affektiven Störung um eine anlagebedingte Störung handelt, die folglich nicht schädigungsbedingt ist. Dies korrespondiert mit den Darlegungen des D2. Als schädigungsbedingt hat L3 lediglich die – vom Beklagten festgestellte – leichtere Persönlichkeitsstörung mit Elementen einer PTBS gesehen, die in ihrer Bedeutung weit hinter die weiteren Erkrankungen zurücktritt. Aufgrund dieser medizinischen Überlegungen ist er rechtlich nachvollziehbar zu der Einordnung gelangt, dass der schädigungsbedingte Anteil mit einem GdS von 20 zu bewerten ist. Aus seiner ergänzenden Stellungnahme, in der er aufgrund des Leidensdrucks für die gesamte Situation einen GdS von 40 empfohlen hat, ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon, dass es sich beim GdS sowieso um eine rechtliche und nicht medizinische Bewertung handelt, die vom Gericht zu treffen ist, wird aus den Darlegungen des Sachverständigen hinreichend deutlich, dass er weiterhin die Persönlichkeitsstörung nicht vollumfänglich den schädigenden Ereignissen zuschreibt und darauf verweist, dass es sich nur um einen Teilfaktor, aber nicht um einen überragenden Faktor handelt. Medizinische Gesichtspunkte, aufgrund derer eine abweichende Beurteilung des schädigungsbedingten GdS angezeigt gewesen wäre, sind daher nicht dargelegt worden. Dass G1 versorgungsärztlich dennoch – unter unzureichender Würdigung der Aktenlage – einen schädigungsbedingten GdS von 30 gesehen und der Beklagte danach vergleichsweise Beschädigtengrundrente gewährt hat, ist nicht entscheidungsrelevant, da der Kläger hierdurch nicht beschwert ist.

Das Gutachten der K1 führt zu keiner anderen Beurteilung. Deren Ausführungen überzeugen schon deshalb nicht, da sie den Prüfungsmaßstab verkennt und infolge dessen keine hinreichenden Differenzierungen vornimmt. Entschädigungsrelevant nach dem OEG sind vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriffe, sodass es nicht darauf ankommt, welche Belastungen des Klägers aus der Tatsache resultiert haben mögen, dass er nie im Elternhaus gelebt hat, sondern gleich in ein Kinderheim gekommen ist. Wenn sie über „Zwangsarbeiten“ spekuliert, die im Verrichten von Garten- und Feldarbeit gelegen haben sollen, geht die Gutachterin wiederum nur von den Angaben des Klägers aus, ohne diese kritisch zu hinterfragen oder auch nur ansatzweise darzulegen, wie daraus ein vorsätzlicher tätlicher Angriff herzuleiten sein soll. Nicht überzeugend ist es weiter, wenn die Gutachterin zur Beurteilung des konkreten Einzelfalles auf Erkenntnisse aus allgemeinen Studien meint zurückgreifen zu können. Dass hieraus auch aus medizinischer Sicht keine Rückschlüsse gezogen werden können, hat S6 ausdrücklich herausgestellt.

Dass der Gutachtenauftrag sich schon nur darauf bezog, die Folgen der Ereignisse im Jugendheim zu bewerten, hat die Gutachterin gänzlich übergangen, worauf der Versorgungsarzt P2 zutreffend hingewiesen hat. Dass der Beklagte dem Grunde nach von einem schädigenden Ereignis durch sexuellen Missbrauch ausgegangen ist (vgl. oben), entbindet die Gutachterin nicht davon, das hierzu berichtete Vorbringen kritisch zu hinterfragen. Aus der Anerkennung folgt nämlich keineswegs, dass sämtliche Angaben des Klägers damit erwiesen wären. Die widersprüchlichen Angaben (vgl. oben) hätte sie zu würdigen gehabt.

Für den Senat überzeugend hat S6 in diesem Zusammenhang herausgearbeitet, dass der zeitliche Verlauf und die Angaben des Klägers dafür sprechen, dass es sich bei den Schilderungen des Klägers insgesamt nicht um mehr als bloße Scheinerinnerungen handelt. Nach der Gedächtnisforschung ist es, so S6 unter Angaben entsprechender Fundstellen aus der wissenschaftlichen Literatur weiter, nämlich sehr unwahrscheinlich, dass Missbrauchserlebnisse und Gewalterfahrungen, wie aktuell vom Kläger geschildert, über so lange Zeit nicht erinnert werden und ohne unmittelbare psychische Reaktion bleiben. Dass die Vorfälle inkonsistent geschildert werden, ist nach den Ergebnissen der Gedächtnisforschung deshalb nicht plausibel, weil zentrale Details traumatisierender Ereignisse sehr gut im Gedächtnis behalten werden, sodass es für Pseudo-Erinnerungen spricht, wenn im Laufe der Zeit mehr und mehr Ereignisse hinzutreten bzw. „wiedererinnert“ werden. Die Ausführungen des Klägers hierzu in seiner ersten Widerspruchsbegründung sind daher medizinisch überzeugend widerlegt und die fehlende Sachkunde des Klägers deutlich geworden.

Ebenso ist es nach den Darlegungen des S6, die er ebenfalls mit Fundstellen belegt, nahezu ausgeschlossen, dass Ereignisse im dritten Lebensjahr erinnert werden, wie dies der Kläger hingegen geltend macht.

Für die Diagnose einer PTBS (vgl. bereits oben) fehlt es bereits an hinreichenden Anknüpfungsbefunden, vielmehr stützt sich die Gutachterin K1 hierzu ersichtlich nur auf die subjektiven Angaben des Klägers. Eine Auseinandersetzung mit der Aktenlage und dem Umstand, dass bei einer Reihe von Untersuchungen weder entsprechende tatsächliche Angaben gemacht wurden, noch pathologische Befunde beschrieben oder eine dementsprechende Diagnose gestellt worden ist, erfolgt nicht. Die gebotene Verlaufsbetrachtung unterbleibt vollständig, worauf S6 aus medizinischer Sicht, für den Senat überzeugend, hingewiesen hat. K1 setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass der Kläger gegenüber D1 zwar über fehlende Liebe und Zuneigung im ersten Kinderheim und von Hospitalisierungsgewohnheiten berichtet hat, als Grund für den Wechsel des Jugendheimes aber Auseinandersetzungen mit anderen Kindern beschrieben hat. Korrespondierend hierzu beschreibt der Bericht des zfp aus 1997, dass der Kläger auf eine Sonderschule für verhaltensgestörte Jugendliche gekommen ist. L1 hat dazu passend über ein Jugendwohnheim für schwer erziehbare Kinder berichtet.
Auf welche Anknüpfungstatsachen sich die Gutachterin stützt, wenn sie eine schwerwiegende Traumatisierung des Klägers daraus herleiten will, dass diesem die mittlere Reife versagt worden sei, ist nicht ersichtlich. Tatsache ist, dass der Kläger selbst angegeben hat, in ein Heim für schwer erziehbare Kinder gekommen zu sein und von dort aus eine „Sonderschule“ besucht zu haben. Den aktenkundigen Protokollen über die Berufsberatung entnimmt der Senat, dass die schulische und intellektuelle Leistungsfähigkeit als im unteren Durchschnittsbereich von Hauptschülern liegend beschrieben worden ist, was gerade keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Voraussetzungen für das Erreichen eines höheren Schulabschlusses vorgelegen haben. Vielmehr wird sogar auf die Notwendigkeit einer Leistungssteigerung im theoretischen Bereich für eine Berufsausbildung verwiesen. Dies wird im Übrigen dadurch untermauert, wenn der Kläger selbst mehrfach berichtet, seine Lehre nur mit Mühe geschafft zu haben, was er zuletzt noch einmal in der Senatsverhandlung bestätigte, wonach er Probleme im theoretischen Teil gehabt habe. Aus den Protokollen ergibt sich ferner, dass es der seit Jahren bestehende Berufswunsch des Klägers gewesen ist, Gärtner zu werden. Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Schulausbildung vom Kläger gewünscht oder vom Berufsberater in Betracht gezogen worden wäre, bestehen gerade nicht. Dies wird von der Gutachterin K1 weder gesehen, noch gewürdigt, stattdessen stützt sie sich auf Behauptungen des Klägers, die weder durch Anknüpfungstatsachen belegt noch nach der mitgeteilten Biographie schlüssig sind.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der behaupteten Selbstmordversuche des Klägers, da er selbst diesbezüglich im zfp 1997 noch angegeben hat, dass diese im Zusammenhang mit seinem Alkoholkonsum gestanden haben. Gegenüber L1 hat der Kläger passend hierzu von schwerwiegenden Alkoholproblemen seit 1980 berichtet.

Die angegebenen Schlafstörungen, die sich mit der „Retraumatisierung“ verstärkt haben sollen, werden von der Gutachterin ebenfalls nicht hinterfragt. Sie übergeht dabei, dass der Gutachter W2 dokumentiert hat, dass es zur Entwicklung der massiven Schlafstörungen – nach eigenem Bekunden des Klägers – bereits 2001 gekommen ist, als es zu Konflikten im Zusammenhang mit der Betreuung der Punker-Szene gekommen ist. Ebenso würdigt sie nicht, dass der Kläger ihr selbst berichtet hat, dass die Depressionen im Zusammenhang mit seinem Cannabis-Konsum standen und damit auch schädigungsunabhängig bestanden. In diesem Zusammenhang hat S6 sogar weitergehend darauf hingewiesen, dass die psychotischen Symptome hierauf zurückzuführen sein könnten.

Wie plausibel es ist, wenn die Gutachterin weiter meint, eine wesentliche Bedingung für die PTBS sei die Nichtanerkennung der Leiden, kann der Senat dahinstehen lassen. Deutlich wird durch die Ausführungen aber erneut, dass die Gutachterin die bewertungsrelevanten Umstände des OEG nicht erkannt und dementsprechend nicht beachtet hat. Ihre Sichtweise führt im Ergebnis zu nichts anderem, als dass solange sämtliche Leistungen nach den Vorstellungen des Geschädigten erbracht werden müssten, bis dieser das erlittene Unrecht als ausreichend entschädigt ansieht, da sich andernfalls die posttraumatischen Störungen entschädigungsrelevant verstärken und damit höhere Leistungen erbracht werden müssen. Dass die Gutachterin hier einem Zirkelschluss unterliegt, da sie – vereinfacht – Tatbestand und Rechtsfolge verwechselt, ist deutlich, wird von ihr aber nicht erkannt.

Vorstehendes wird im Folgenden daran deutlich, wenn sie weiter ausführt, dass ohne die beschriebene Anerkennung sowie in Folge begrenzter Ressourcen in Bezug auf Gesundheit, sozialer Unterstützung und finanzieller Ressourcen eine weitere Verschlechterung nicht nur nicht auszuschließen, sondern als wahrscheinlich anzunehmen sei. In rechtlicher Hinsicht verkennt die Gutachterin dabei, dass das Nicht-Durchdringen (selbst mit berechtigten) Begehren gegenüber einem Sozialleistungsträger ein allgemeines Lebensrisiko und nicht vom Schutzzweck des sozialen Entschädigungsrechts umfasst ist, das keine Anspruchsgrundlage für die Entschädigung jeglicher Folgen exekutiven Unrechts enthält (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2023 – L 6 VM 3577/21 –, juris, Rz. 122). K1 beschreibt damit nichts anderes als einen weiteren konkurrierenden Ursachenfaktor, der in keinem kausalen Zusammenhang zu dem entschädigungsrelevanten Sachverhalt steht und deshalb bei der Einschätzung des schädigungsbedingten GdS außen vor bleiben muss (vgl. auch die versorgungsärztliche Stellungnahme des G1). Einem weiteren Zirkelschluss unterliegt die Gutachterin, in dem sie meint, dass das Ausmaß der erlebten Traumatisierung mit der Symptomschwere korreliere, da sie damit nichts anderes als einen möglichen Rückschluss von der gegenwärtigen Symptomatik auf die Traumatisierung postuliert, was aber die Kausalitätsbetrachtung gerade nicht trägt.

Dies gilt entsprechend dafür, wenn die Gutachterin abstrakt behauptet, dass die sexuelle Gewalt nur die erste Phase sei, die zweite Phase aber die, wenn der Täter durch die Verleugnung seiner Tat und aufgrund des fehlenden Geständnisses die Opfer erneut zwinge, sich selbst oder anderen gegenüber erklären zu müssen, und hieraus Rückschlüsse auf den Kläger zu ziehen versucht. Abgesehen davon, dass sie bei ihren Schuldzuweisungen an „die Kirche“ im Allgemeinen übersieht, dass der Kläger erst gute 35 Jahre nach den behaupteten Vorfällen überhaupt Angaben gemacht hat, was die Erkenntnismöglichkeiten naturgemäß bereits einschränkt, setzt sie sich nicht damit auseinander, dass der beschuldigte P. nach dem aktenkundigen ärztlichen Attest 2010 bereits unter einer dementiellen Erkrankung gelitten hat und zwischenzeitlich bereits seit mehreren Jahren verstorben ist. Vor diesem Hintergrund ein „Geständnis“ zu erwarten oder von einer Verleugnung der Tat auszugehen, wie K1, wird dem Sachverhalt erkennbar nicht gerecht. Weshalb das ärztliche Attest unzutreffend gewesen sein soll, oder der Mitarbeiter der Diözese R1 zu Unrecht bei dem persönlichen Gespräch mit dem P. einen gebrechlichen Eindruck festgehalten und keine Möglichkeiten gesehen hat, Informationen von P. zu erlangen, wird von K1 nicht dargelegt. Inwiefern dieser überhaupt – rechtlich – verpflichtet gewesen wäre, Angaben zu machen, die ihn selbst hätten belasten können, kann dahinstehen.

Mit dem Einfluss der vom Kläger offen artikulierten Versorgungswünsche (vgl. das Gesprächsprotokoll des Bischöflichen Offizialats), die zuvor schon in den Rentengutachten thematisiert worden sind (vgl. das Gutachten des W2), setzt sich die Gutachterin ebenfalls nicht kritisch auseinander, sondern misst den beengten finanziellen Verhältnissen – ebenfalls zirkelschlüssig (vgl. oben) – einen die schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen erhöhenden Faktor bei.

Letztlich geht die Gutachterin zu Unrecht davon aus, dass aus der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die DRV Rückschlüsse auf den GdS gezogen werden können. Sie verkennt hierbei nämlich, dass der Rentengewährung eine finale, aber gerade keine kausale Betrachtung zu Grunde liegt, es mithin für die Erwerbsminderungsrente nicht auf die Ursache der Leistungseinschränkungen ankommt. Ob die Annahme eines rentenrechtlich eingeschränkten Leistungsvermögens überhaupt plausibel ist, was S6 wohl zu Recht in Frage stellt, kann dahinstehen. Nicht gewürdigt wird von K1 in diesem Zusammenhang aber insbesondere, dass die Rentengewährung unter der Diagnose einer schizo-affektiven Störung erfolgt ist, eine solche aber gerade nicht auf schädigende Ereignisse zurückzuführen ist (vgl. oben).

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen kann es daher nicht überzeugen, wenn sich die Sachverständige R6 den Ausführungen der K1 anschließt und deren Wertungen letztlich übernimmt.

R6 hinterfragt die Angaben des Klägers zu den schädigenden Ereignissen ebenso nicht, sondern behauptet nur, dass an diesen keine Zweifel bestünden, wie die mannigfaltigen Unterlagen in den Akten zeigten. Eine Auseinandersetzung mit der Aktenlage findet nicht statt, sodass der Sachverständigen die Zunahme in der Schwere der Schilderung der Missbrauchserlebnisse entgeht und sie diese nicht würdigt. Der Sachverständigen lagen die Verwaltungsakten vollständig vor, wie ihre auszugsweisen Zitate zeigen, sie hat diese lediglich nur rudimentär berücksichtigt und gewürdigt. Dass sich für S6 deswegen der Eindruck ergeben hat, dass die Sachverständige nicht über die vollständigen Akten verfügte, ist überaus nachvollziehbar, aber tatsächlich allein ihrem Umgang mit dem Aktenmaterial geschuldet. Soweit R6 ebenfalls einen bereits im ersten Heim stattgehabten Missbrauch annimmt, berücksichtigt sie nicht, dass ein solcher nicht nachwiesen ist (vgl. oben), geht daher von nicht erwiesenen Anknüpfungstatsachen aus, was nicht überzeugen kann. Soweit sie eine Verschlimmerung durch das Unrecht des seit Jahren laufenden Verfahrens behauptet, trägt dies ihre rechtliche Bewertung des GdS nicht (vgl. zum vermeintlichen exekutiven Unrecht bereits oben).

Die unzureichende Aufarbeitung des Aktenmaterials und die darauf aufbauende, dementsprechend nicht überzeugende Bewertung der Sachverständigen hatte der Senat zu würdigen, Veranlassung zu einer erneuten Anhörung der erstinstanzlich gehörten Sachverständigen bestand entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Entsprechendes gilt hinsichtlich der versorgungsärztlich geäußerten Kritik an dem Sachverständigengutachten, die der Senat ebenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen hatte. Klärungsbedürftige Umstände, die eine erneute Befragung erforderlich gemacht hätten, haben die Versorgungsärzte nicht aufgezeigt, sondern lediglich ihre Würdigung des Sachverhaltes dargelegt.

Eine Höherbewertung des GdS scheidet aber schon deshalb aus, da nach den überzeugenden Feststellungen des S6, der auch die Vorbefunde jeweils im Einzelnen gewürdigt hat, weder gegenwärtig ein psychischer Befund bei dem Kläger vorliegt noch in der Vergangenheit vorgelegen hat, der eine höhere Bewertung als mit einem GdS von 30, wie ihn der Beklagte bereits bei der gewährten Beschädigtengrundrente berücksichtigt hat, rechtfertigt.


Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdS von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdS von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdS von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdS von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdS-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher oder der gleichgestellten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 28 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Krankenversicherung) psychotherapeutischen Behandlung durch – bei gesetzlich Versicherten zugelassene – Psychologische Psychotherapeuten in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdS-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris, Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Eine mehr als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit liegt bei dem Kläger nicht vor, eine Ausschöpfung des Bewertungsrahmens rechtfertigt sich ebenfalls nicht. S6 hat den Kläger zuletzt als wach, bewusstseinsklar und zu Ort, Zeit, Person und Situation voll orientiert beschrieben. Es konnte ungezwungen Kontakt aufgenommen werden, der Bericht war ausführlich bis weitschweifig und inhaltliche oder formale Denkstörungen bestanden keine. Die Stimmungslage zeigte sich ausgeglichen, das affektive Schwingungsvermögen war regelrecht. Einschränkungen des Antriebs bestanden keine, ebenso keine vorzeitige Ermüdung. Insgesamt hat er also einen völlig normalen, unauffälligen Status ohne Krankheitswert erhoben. Lediglich Merkfähigkeit und Konzentration beschreibt der Sachverständige als gemindert, was er der auch von ihm gesehenen neurokognitiven Störung zuschreibt, aber darauf hinweist, dass diese den Kläger im Alltag nur gering einschränkt. Ebenso wie S6 konnte bereits D2 bei seiner Untersuchung keine Bewusstseins-, Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen befunden, der formale Denkablauf war auch bei ihm ungestört. Dies wird durch die Ausführungen des behandelnden V1 untermauert, wonach sich bei den Terminen jeweils eine gute Konzentrationsfähigkeit und geordnete Denkabläufe zeigten, lediglich die Themen darauf eingeschränkt sind, dass sich der Kläger benachteiligt fühlt.

Das wird in tatsächlicher Hinsicht dadurch untermauert, dass der Kläger zusammen mit seinem Bruder in der Lage ist, den Haushalt zu versorgen, auch wenn Defizite bei der Haushaltsführung bestehen, sich eine geregelte Tagesstruktur mit der Übernahme von Verantwortung für die Hunde zeigt und soziale Kontakte bestehen. Zu Recht hat S6 – unter Würdigung der Aktenlage – ausgeführt, dass der Kläger in der Vergangenheit durchgehend Kontakt zu anderen Menschen hatte und dies auch heute noch hat. So ist dokumentiert, dass sich der Kläger in der Vergangenheit für Obdachlose eingesetzt sowie diese in persönlichen Angelegenheiten beraten und umfassend unterstützt hat. Auseinandersetzungen mit Behörden sind von dem Kläger selbst in diesem Rahmen mehrfach beschrieben worden. Der V1 hat in diesem Zusammenhang herausgestellt, dass der Kläger bei den rechtlichen Auseinandersetzungen ein hohes Aktivitätsniveau zeigt, eine tatsächliche Leistungsfähigkeit also besteht, lediglich bei den Aktivitäten des täglichen Lebens der Antrieb begrenzt ist. Auch R6 hat erhoben, dass der Kläger in der Lage ist, Auto zu fahren, Nachbarn in der Landschaftspflege zu helfen sowie, dass er am Vortag der Untersuchung eine Bekannte von N1 nach U1 zum Tierarzt gefahren hat. Zur Untersuchung bei der Sachverständigen, immerhin bis nach A2, ist der Kläger ebenfalls mit dem eigenen PKW angereist, was seine tatsächliche Leistungsfähigkeit untermauert und die Bewertung des S6 stützt.


Eine besondere berufliche Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG liegt nicht vor. Der GdS ist unter anderem höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird (§ 30 Abs. 2 Satz 1 BVG). Das ist insbesondere der Fall, wenn auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann (§ 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BVG), zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind (§ 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BVG), oder die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat (§ 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BVG).

Der Ursachenzusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und der besonderen beruflichen Betroffenheit ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie der der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Kausalität. Für den Anspruch auf besondere berufliche Betroffenheit genügt es dabei, wenn die Schädigungsfolgen allein oder aber im Vergleich mit den Nichtschädigungsfolgen und anderen schädigungsunabhängigen Umständen etwa gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben. Kommt dagegen einer Nichtschädigungsfolge eine überragende Bedeutung für den Erfolg zu, so ist dieser nicht schädigungsbedingt im Rechtssinne, denn die Nichtschädigungsfolge verdrängt die anderen und ist allein als Ursache im Rechtssinne anzusehen. Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 – B 9a V 1/05 R –, juris, Rz. 33 ff.).


Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt, die gegenteiligen Ausführungen der R6 können schon deshalb nicht überzeugen, da sich diese mit der Aktenlage und damit dem beruflichen Werdegang des Klägers nicht auseinandergesetzt hat.

Tatsache ist, dass die anerkannten schädigenden Ereignisse ausnahmslos im Schulalter liegen und der Kläger sowohl die Schule abschließen konnte, als auch seine Wunschausbildung (vgl. die oben bereits zitierten Protokolle der Berufsberatung) zum Gärtner erfolgreich hat abschließen können. In diesem Beruf ist der Kläger über mehrere Jahre tätig gewesen, wobei er gegenüber dem Gutachter L1 eingeräumt hat, dass die Schwierigkeiten an den Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit seinen seit 1980 bestehenden Alkoholproblemen gestanden haben, also keine schädigungsbedingte Ursache hatten.
Nach der ersten stationären Behandlung im zfp 1995 ist der Kläger wohl nur noch teilweise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und hat überwiegend Sozialleistungen bezogen (Arbeitslosengeld I und II). In diesem Zusammenhang trifft auch der Hinweis des Beklagten zu, dass diese Leistungen jedenfalls eine Erwerbsfähigkeit voraussetzen. Gegenüber L1 hat der Kläger bereits 2004 selbst berichtet, dass das Arbeitsamt ihn für nicht vermittlungsfähig halte, der Gutachter hat hingegen aus fachlicher Sicht darauf hingewiesen, dass zwar von einer Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ ausgegangen werden kann, diese aber das berufliche Leistungsvermögen nicht derart einschränkt, dass keine vollschichtige Leistungsfähigkeit mehr gegeben ist. Dies ist von dem Sachverständigen D1 bestätigt worden, der ebenfalls keinen Grund erkennen konnte, weshalb der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit nicht weiter nachgehen kann und der zusätzlich ausgeführt hat, dass sich der Kläger im privaten Bereich weiter mit gärtnerischer Tätigkeit befasst, was das angenommene Leistungsvermögen in tatsächlicher Hinsicht unterstreicht. Korrespondierend hierzu hat W2 bei seiner Untersuchung 2008 deutliche Arbeitsspuren an den Händen des Klägers festgestellt, was die bestehende tatsächliche Leistungsfähigkeit erneut unterstreicht. Mittelgradig ausgeprägte Arbeitsspuren an den Händen hat S6 bei seiner Untersuchung weiterhin feststellen können.

W2 hat überzeugend herausgestellt, dass bei dem Kläger ein willentlich erfolgter Rückzug aus der beruflichen Partizipation vorliegt, also keine krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe (vgl. auch die Stellungnahme des Versorgungsarztes P2). Es kann daher nicht überzeugen, wenn S3 2013 in ihrem Befundbericht ausführt, dass es der Kläger als traumatisch erlebe, seinen Beruf vermutlich nicht mehr ausüben zu können.

Selbst wenn somit vom Vorbringen des Klägers ausgegangen wird, dass er die schädigenden Ereignisse bis 2010 nicht hat erinnern können und verdrängt gehabt habe, weshalb diese bei den ärztlichen Behandlungen keine Erwähnung finden konnten (vgl. zur fehlenden medizinischen Plausibilität dieses Vorbringens bereits oben), ist jedenfalls belegt, dass der Kläger schon zwischen 1995 und 1997, also fast 15 Jahre früher, aus nicht schädigungsbedingten Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (noch 2008 wurde er gutachterlich für vollschichtig leitungsfähig erachtet!), keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgegangen ist und von Sozialleistungen gelebt hat. Es ist damit belegt, dass keine schädigungsbedingten Gründe zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geführt haben, woran sich selbst dann nichts ändert, wenn von einer „Retraumatisierung“ des Klägers ausgegangen wird. Dies wird in medizinsicher Hinsicht weiter dadurch untermauert, dass S6 keine pathologischen Befunde hat sichern können, die einer Berufstätigkeit in der Vergangenheit entgegengestanden hätten.

Aus der Berufsbiographie des Klägers mit häufig wechselnden Arbeitgebern wegen Alkoholproblemen und einer Tätigkeit nur über einige Jahre ergibt sich gleichzeitig, unabhängig von den intellektuellen Fähigkeiten (vgl. oben), dass mit einem beruflichen Aufstieg nicht ernsthaft zu rechnen gewesen ist, ein solcher jedenfalls nicht durch eine „Retraumatisierung“ 2010, als der Kläger bereits 48 Jahre alt und seit 15 Jahren faktisch aus dem Arbeitsleben ausgeschieden gewesen ist, bedingt wäre.

Aus Vorstehendem folgt gleichzeitig, dass der Kläger die höhere Neufeststellung der Beschädigtengrundrente nicht beanspruchen kann. Abgesehen von formalen Bedenken (vgl. oben) hat der Beklagte die höhere Neufeststellung nach § 48 SGB X jedenfalls in der Sache zu Recht mit dem Bescheid vom 9. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2020 abgelehnt.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass bei dem Kläger ein schädigungsbedingter GdS von mehr als 30 bereits nicht besteht, wie oben dargelegt, und keine Befunde gesichert sind, die eine Verschlimmerung belegen. Woraus sich diese ergeben soll, ist im Übrigen weder den Entscheidungsgründen des SG, noch dem Sachverständigengutachten der R6 zu entnehmen.

Gegen einen höheren GdS und eine Verschlimmerung spricht aber insbesondere, dass S6 aus medizinischer Sicht überzeugend herausgearbeitet hat, dass die Persönlichkeitsstörung, die sowohl der Beklagte als Schädigungsfolge festgestellt hat als auch von ihm als teilweise schädigungsbedingt eingeschätzt wird, in ihrer Intensität rückläufig ist. Aus fachlicher Sicht hat der Sachverständige nämlich dargelegt, dass die Persönlichkeitsstörung ihren Höhepunkt in der Adoleszenz hat und mit zunehmendem Lebensalter abnimmt. Damit erklärt sich – so S6 – dass sich bei der aktuellen Untersuchung eine Persönlichkeitsstörung auf Befundebene nicht mehr hat feststellen lassen. Daraus folgt im Übrigen gleichzeitig, weshalb der von S6 – aktuell – erhobene Befund von den Vorbefunden teilweise abweicht. Letztlich beschreibt er nichts anderes als eine Befundbesserung, wodurch die Vorbeurteilungen nicht in Frage gestellt werden.

Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und waren die Klagen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers in beiden Instanzen.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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