Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der nochmalige Antrag vom 27. Oktober 2023 auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass zwischen ihr und ihrem Vater H1 G1 H2 keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) besteht.
Die 2007 geborene Klägerin ist Tochter des H1 G1 H2 (geboren 1943) und der M1 B1 (geboren 1971). Zur Familie gehören weitere gemeinsame Kinder: F1 B1 (geboren 2007) sowie M2 L1 H2 (geboren 2008). H1 G1 H2 und M1 B1 sind nicht miteinander verheiratet, üben aber die elterliche Sorge gemeinsam aus.
Der Beklagte hatte in der Vergangenheit von April 2006 bis April 2013 M1 B1 und den drei Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gewährt. Im Anschluss daran wurden die Leistungen nicht weitergewährt, weil der Beklagte vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit H1 G1 H2 ausgeht. Sowohl M1 B1 als auch der im Bereich des Blumenhandels selbstständig tätige H1 G1 H2 lehnten es ab, der Aufforderung nachzukommen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des H1 G1 H2 offenzulegen, weil keine Bedarfsgemeinschaft mit dem Kindesvater bestehe. Durch Ermittlungen der Polizei und der Finanzdienstleistungsaufsicht im Jahr 2013 waren dem Beklagten insgesamt 26 Konten bei verschiedenen Banken verteilt auf alle Familienmitglieder bekannt geworden, davon 12 bzw. 13 Konten des H1 G1 H2. Der wiederholten Aufforderung des Jobcenters, Kontoauszüge der letzten drei Monate für alle 26 laufenden Konten vorzulegen, ist H1 G1 H2 gar nicht und M1 B1 nur für ein Konto nachgekommen (SG Stuttgart, Beschluss vom 4.7.2013 – S 22 AS 2429/13 ER – sowie Bl. 30-46, 83 der Gerichtsakte S 22 AS 2429/13 ER).
Die Familie versucht seither, weiterhin Leistungen nach dem SGB II für M1 B1 und die drei Kinder zu erhalten. Im Zusammenhang damit sind eine Vielzahl von sozialgerichtlichen Verfahren anhängig gemacht worden, allein beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nur unter dem Namen der M1 B1 für sich und die Kinder seit 2011 bis Ende 2020 über 550 Verfahren; seit April 2021 beim erkennenden Senat für alle Familienmitglieder in unterschiedlichen Konstellationen über 75 Verfahren.
Im Hinblick auf die Hilfebedürftigkeit und das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit H1 G1 H2 hat das SG in der Vergangenheit ermittelt und Zeugen vernommen.
Der Zeuge A1 K1 hat in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens S 22 AS 6767/12 ER am 09.01.2013 ausgesagt: „Meiner Frau gehört eine Doppelhaushälfte in der E2-Straße in E1. Meine Frau hatte mich bevollmächtigt, mich um die Vermietung dieser Doppelhaushälfte zu kümmern. Im Mai 2008 stellte sich Herr H2 bei mir vor. Nur mit ihm habe ich dann den Mietvertrag … abgeschlossen. Er hat seinerzeit angegeben, das Haus für sich und seine Familie mit zwei Kindern mieten zu wollen. … Die Mietzahlungen werden von Herrn H2 geleistet. Sie laufen über zwei Konten des Herrn H2. Mal wird von dem einen, mal von dem anderen Konto gezahlt. Jeweils ist als Absender H1 H2 angegeben. … Bis zum Frühjahr 2011 war das Dachgeschoß vollgestellt mit Pflanzen [und] die ganze Zeit unbewohnt. Ich habe öfters in den Mieträumlichkeiten irgendwelche Sanierungsarbeiten durchgeführt. Mir ist es immer wie eine normale Familie vorgekommen. Ich habe zum Beispiel mal gesehen, wie der Herr H2 eingekaufte Lebensmittel in das Haus getragen hat und die Frau B1 gekocht hat. Sie haben sich auch oft zusammen im Wohnzimmer aufgehalten.“
H1 G1 H2 hat in einem an das Amtsgericht N1 gerichteten Schreiben vom 07.07.2012 (Bl. 44 der Akte S 22 AS 6767/12 ER) erklärt: „Meine Lebensgefährtin brachte 2007 Zwillinge zur Welt. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt nur eine Zweizimmerwohnung in E1. Meine Wohnung in K2 war trotz drei Zimmern nur unwesentlich größer, vor allem wäre das Kinderzimmer zu klein gewesen, um zwei Betten aufzustellen. Seit dieser Zeit waren wir auf der Suche nach einer passenden Wohnung in E1. Ein anderer Ort kam aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Um meine Lebensgefährtin zu unterstützen, war ich gezwungen, täglich bei ihr zu sein, was erhebliche Kosten durch die Fahrten verursacht hat. Es ist auch naheliegend, dass eine Familie zusammen in einer Wohnung wohnen will und nicht dauernd getrennt in zwei Wohnungen leben muss. … Dies ist und war auf Dauer kein tragbarer Zustand. … Mitte Mai [2008] bekam ich dann das Angebot, in E1 eine Haushälfte für eine günstige Miete anmieten zu können. … Bis zu diesem Zeitpunkt, also Anfang 2007 bis Ende Mai 2008 waren wir 17 Monate lang eine getrennte Familie.“
Der Zeuge A1 H3 hat im Termin zur Erörterung des Rechtsstreits S 22 AS 5594/14 am 19.12.2014 ausgesagt: „Der Vormieter [meiner Wohnung in der E2-Straße] war verstorben. Auf meine Anzeige [im Internet] hat sich Herr H2 gemeldet. In einem Telefonat [am 28.6.2014 teilte er mit], dass er mit seiner Lebensgefährtin und zwei Kindern in die Wohnung einziehen wolle. Weiter hat Herr H2 mitgeteilt, einen Blumenladen [K3 in E1] zu haben und dass seine Frau voll berufstätig sei. Zum Besichtigungstermin [am 2.7.2014 und] zur Mietvertragsunterzeichnung [am 11.7.2014] kam nur Herr H2 … Da ich den Mietvertrag von beiden unterschrieben haben wollte, hat Herr H2 das Mietvertragsformular mit nach Hause genommen und mir später durch Einwurf in den Briefkasten wieder zukommen lassen. … Der Mietvertrag ist sowohl von Frau B1 als auch von Herrn H2 unterschrieben… Die Schlüsselübergabe erfolgte am 11.7.2014 an Herrn H2… Die Miete wurde seit Anbeginn von Frau B2 Konto gezahlt.“
Eine am 02.07.2014 von der Adresse „B1 -H2 @gmx.de“ an den Vermieter H3 gesandte E-Mail lautete: „Sehr geehrter Herr H3, wir haben Ihr Wohnungsangebot besprochen. Wir würden die Wohnung gerne nehmen. Mit freundlichen Grüßen B1“ (Bl. 26 der Akte S 22 AS 5594/14). Eine von derselben Adresse versandte E-Mail vom 030.7.2014 lautet: „Wie besprochen wäre der 1.8. [als voraussichtlicher Mietbeginn] möglich. Wir möchten aber vorher noch renovieren. B1“ (Bl. 26 der Akte S 22 AS 5594/14).
Rechtsanwalt R1, der Prozessbevollmächtigte des Zeugen H3, hat mit Schreiben vom 26.04.2017 (Bl. 8 ff der Akte S 22 AS 1936/17 ER) mitgeteilt: Bei der Räumung der Wohnung am 02.12.2016 „wurde Herr H2 aus der Wohnung [in der E2-Straße] verwiesen. … In der Wohnung befanden sich auch männliche Kleidungsstücke sowie neben dem Ehebett, welches auf beiden Seiten benutzt war [Bl. 9 der Akte S 22 AS 1936/17 ER]. Im Wohnzimmer befanden sich verschiedene, ausschließlich Herrn H2 betreffende Ordner, unter anderem Hinweise auf ein bestehendes Wertpapierdepot bei der O2 Bank.“
Mit Wirkung vom 05.12.2016 wies die Stadt E1 M1 B1 und die drei Kinder in eine 3-Zimmer-Wohnung in der Obdachlosenunterkunft in der O1 Straße in E1 ein (Verfügung des Amtes für Soziales und Sport, Obdachlosenbehörde vom 15.12.2016, Bl. 28 der Akte S 18 AS 2183/22). Dort hat die Polizei auch H1 G1 H2 angetroffen. Rechtsanwalt R1 hat festgestellt, dass das H1 G1 H2 gehörende Fahrzeug, das zunächst stets im Bereich der E2-Straße abgestellt war, später mehrfach im Bereich der O1 Straße geparkt war (Bl. 10 der Akte S 22 AS 1936/17 ER).
H1 G1 H2 hat im Rahmen einer richterlichen Anhörung hinsichtlich eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil des Landgerichts Stuttgart (Verurteilung wegen Betrugs zum Nachteil des Beklagten und der Stadt E1) vom 18.03.2016 am 28.06.2017 zu Protokoll gegeben, seine ladungsfähige Anschrift laute O1 Straße, bei M1 B1, in E1. Er sei dort nicht gemeldet, habe dort aber seinen regelmäßigen Wohnsitz (Bl. 91 Bewährungsheft Amtsgericht E3
Die Zeugin C1 S2 hat im Termin zur Erörterung des Rechtsstreits S 22 AS 3237/18 ER (Bl. 185) am 25.07.2018 ausgesagt: „Ich hatte die Wohnung [im F2 in D1] bei Immoscout24 inseriert. Frau B1 hatte mich dann [im März 2018] angeschrieben. Im Rahmen dessen teilte sie mir mit, dass sie als Familie mit zwei Kindern und zwei festen Einkommen in die Wohnung einziehen würden. Als Monats-Netto-Haushaltseinkommen gab sie insgesamt 3.000 Euro bis 4.000 Euro an [vgl. Ausdruck des Chatverlaufs Bl. 152 d. Akte S 22 AS 3237/18 ER]. … Zu der Besichtigung sind Herr H2 und Frau B1 erschienen. Sie haben sich die Wohnung gemeinsam angeschaut. Herr H2 meinte, dass er dies und jenes machen könne im Hinblick auf die Renovierungsarbeiten, die notwendig waren. Er würde das schon alles richten. Die beiden haben im Rahmen dessen auch von ihren beiden Kindern erzählt und dass sie zunächst erst einmal in den Urlaub fahren würden.“ „[Beim] Abschluss des Mietvertrages … waren wiederum Frau B1 und Herr H2 anwesend. Ich hatte einen Mietvertrag vorbereitet, in dem ich Frau B2 Namen und „Herr“ sowie „Personalausweis-Nr.“ bereits geschrieben hatte [vgl. Kopie des Mietvertrags Bl. 150 d. Akte S 22 AS 3237/18 ER]. Herrn H2 Namen konnte ich nicht aufführen, da ich seinen Vornamen nicht wusste. Als ich dann von Herrn H2 den Ausweis haben wollte, um die fehlenden Angaben zu ergänzen, meinte Frau B1, dass sie alleine in dem Mietvertrag stehen wolle. Auf meine Nachfrage hin, dass doch Herr H2 miteinziehen werde und er doch auch der Vater der Kinder sei, hat sie gemeint, dass Herr H2 natürlich schon mit einziehe und er auch der Vater der Kinder sei. Ich hatte mir in dem Zusammenhang natürlich wegen des angegebenen Einkommens zunächst Sorgen gemacht, aber Frau B1 teilte mir ja mit, dass Herr H2 miteinziehen würde.“
„Im Hinblick auf das angegebene Einkommen legte Frau B1 mir Abrechnungen vor, eine vom Hotel L2, wo sie abhängig beschäftigt ist, und eine weitere von Herrn H2, für den sie auch arbeitet. Herr H2 sei selbstständig. Er kaufe Blumen beim Großmarkt an, diese würden dann von Frau B1 gebunden werden, und er verkaufe sie anschließend an Tankstellen und so.“
„Frau B1 sagte mir, dass Herr H2 nicht in dem Mietvertrag stehen wolle, dies habe persönliche Gründe. Ich dachte mir, ich wolle jetzt nicht so kleinkariert sein, und habe dann letztlich den Mietvertrag nur mit Frau B1 geschlossen. Das „Herr“ und „Personalausweis-Nr.“, was schon in meinem vorbereiteten Vertrag aufgeführt war, habe ich dann durchgestrichen. … Ein Einzug hat bis heute nicht stattgefunden. Frau B1 war nur zwischenzeitlich mal da und hat ein paar Kartons mit Playmobil oder solchen Dingen reingetragen. … Weil ich mich wunderte, habe ich versucht, bei Frau B1 und Herrn H2 nachzufragen, warum denn kein Einzug stattfindet. Bei einem Telefonat teilte Herr H2 mir mit, dass Frau B1 nicht mehr telefonisch erreichbar sei, nur noch über E-Mails zu kontaktieren sei. Ich hatte den Verdacht, dass Herr H2 auch auf meine E-Mails an Frau B1 antwortet, vom Schreibstil her. Dann erfolgte noch ein Telefonat mit Herrn H2, in dem er mir mitteilte, dass sie gerade in den Pfingstferien in Italien seien. Nach den Pfingstferien würden sie einziehen. Sie hätten es nicht so eilig. … Frau B1 und Herr H2 fuhren mit einem Auto mit auswärtigem Kennzeichen. … Jedenfalls war das Kennzeichen nie E1 oder S3… Nur der Briefkasten wurde immer permanent geleert.“ Als ich bei der Gemeinde die Wohnungsgeberbescheinigung machen wollte, habe ich Frau B1 noch einmal angeschrieben, weil ich dafür auch die Namen der Kinder und des Herrn H2 brauchte. Frau B1 hat mir dann etwa eine knappe Woche später geantwortet und mir die Namen der zwei Mädchen mitgeteilt sowie gesagt, Herr H2 ziehe nicht mit ein.“
M1 B1 hat im Zusammenhang mit Zustellungen gegenüber dem SG am 14.05.2019 angegeben, Post nach der Rückkehr aus dem Urlaub erhalten zu haben (S 22 AS 5484/17 Bl. 16, S 22 AS 6515/17, Bl. 26). Ebenso hat sie angegeben, mindestens zwischen 12.08.2020 (Tag der Zustellung von Urteilen des SG, die sie nicht selbst in Empfang nehmen konnte) bis 13.09.2020 (Ende der Sommerferien in Baden-Württemberg) ortsabwesend gewesen zu sein (u.a. L 2 AS 3350/20).
Nachdem H1 G1 H2 gegenüber dem SG behauptet hat, in L3 in Italien zu leben, hat das SG dazu ermittelt. Das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland hat unter dem 22.7.2019 mitgeteilt, dass H1 G1 H2 laut Auskunft der Gemeindeverwaltung L3 dort - entgegen seiner Behauptung - nicht wohnhaft ist. Mittlerweile gibt H1 G1 H2 als Wohnanschrift P1, M3 (VR) ltalia an und hat eine Fax-Nummer mit deutscher Länderkennzahl benannt, die M1 B1 ebenfalls als ihre angibt (+49xxx; vgl. u.a. L 2 AS 862/21 ER-B sowie Antrag der M1 B1 S 22 AS 4390/19 Bl. 11 ff. RS). Den angeforderten Nachweis, dass er in M3 tatsächlich wohnt, hat er nicht erbracht (vgl. L 2 AS 77/20, Bl. 26 ff.). Im Verfahren S 22 AS 5076/18 hat H1 G1 H2 das Attest des R2, E1 vom 09.05.2019 vorgelegt, in dem als Wohnanschrift E1, S1 Str. angegeben ist.
Die Deutsche Post AG hat mitgeteilt, dass G1 H2 zum Erhalt des Postfaches xxx in E1, das er in verschiedenen SG-Verfahren als Zustellanschrift benannt hat, als Adresse in Deutschland angegeben hat: B3 G1 H2, O1 Str. in E1 (Wohnort von M1 B1 und den gemeinsamen Kindern, Auskunft vom 11.12.2019 zu L 2 AS 3281/19).
Im Verfahren S 22 AS 567/20 wurde dem SG von der Adresse M1. B1 @gmx.de am 15.2.2020 eine von der Firma B6 H2 ausgestellte Rechnung an die ARAL-Tankstelle R3 Automobile GmbH & Co KG in N1 über im einzelnen aufgeführte florale Leistungen in Höhe von 566,73 € (versehentlich) zugefaxt.
Die seit der Zwangsräumung aus der E2-Str. anfallende Nutzungsentschädigung von 948,59 € (Stand 5.12.2016, vgl. S 22 AS 599/18, ab August 2020 1.000,25 €) in der genutzten Obdachlosenunterkunft O1 Str. wird seither nicht gezahlt und von der Stadt E1 nicht eingetrieben.
M1 B1 hat zeitweise Einkommen aus einer Beschäftigung im N2 Hotel L2 in E1 B4 in Höhe von 805 € (653,84 € netto) und ab 16.07.2019 Krankengeld in Höhe von täglich 20,62 € (18,13 € netto) bezogen. Zwischenzeitlich bezieht die Klägerin Einkommen aus einer Beschäftigung bei dem Blumengeschäft B5. Für die Kinder wird Kindergeld in gesetzlicher Höhe gezahlt, jedoch hat M1 B1 Nachfragen der Berichterstatterin des Senats, auf welches Konto die Kindergeldzahlungen gutgeschrieben werden, nur ausweichend beantwortet. Unterhaltszahlungen des Vaters H1 G1 H2 sind nicht bekannt, jedoch hat er in mehreren Rechtsstreitigkeiten Ersatz für als „Nothelfer“ verauslagte Geldausgaben für die Kinder (645 € für Herbstferien 2017 - S 22 AS 6802/17 und S 22 AS 554/19 - , 773,70 € für Osterferien 2018 - S 22 AS 553/19 - , 560,04 € für 27.4. bis 2.5.2018 - S 22 AS 2156/19 - , 1.602,57 € für Pfingstferien 2018 - S 22 AS 1621/19 - , 530,43 € für die Zeit vom 29.6. bis 1.7.2018 - S 22 AS 2336/19 - , 59,65 € für Kinderkleidung - S 22 AS 1260/19 - , sowie nicht bezifferte Kosten für 2 Kinderschlafanzüge - S 22 AS 2290/19 -) begehrt. Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen macht er keine Angaben, weil er sich nicht als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie sieht und sich zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet fühlt.
Im Zusammenhang mit weiteren Leistungsanträgen wurde M1 B1 vom Beklagten regelmäßig vom Beklagten zur Mitwirkung und Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer selbst und der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (die Kinder und Herr H2) zu machen, so z.B. mit Mitwirkungsaufforderungen vom 10.12.2021 (As. 5944 VA) und vom 14.11.2022 (As. 7452 VA). In diesen Schreiben des Beklagten waren jeweils die der BaFin-Auskunft vom 06.10.2012 zu entnehmenden Konten einzeln aufgelistet und es erging die Aufforderung Nachweise über alle (gekündigte, bestehende und über die Auflistung hinaus bestehende) Konten, Sparbücher, Wertanlagen und Immobilien zu erbringen. M1 B1 teilte hierzu mehrfach mit, sie habe in ihrem Antrag versichert, dass die Bedarfsgemeinschaft über kein erhebliches zu berücksichtigendes Vermögen verfüge und damit ihre Mitwirkungspflicht erfüllt.
Im parallel anhängig gewesenen Klageverfahren S 18 AS 2183/22 (L 9 AS 3433/22) haben die Kläger anwaltlich vertreten vortragen lassen, H1 G1 H2 sei zu keinem Zeitpunkt gemeinsam mit den Klägern in die Obdachlosenunterkunft eingewiesen gewesen. M1 B1 wisse nur, dass er am 01.11.2013 aus E1 unbekannt verzogen sei. Sie habe keinerlei Anschrift oder Möglichkeit, Herrn H2 zu kontaktieren. Seine damalige Anschrift sei die E2-Str. in E1 gewesen. Das letzte, was sie wisse sei, dass er sich ohne Angabe einer Anschrift in Italien aufgehalten habe und möglicherweise immer noch aufhalte. Aus diesem Grund könne sie auch keine Unterlagen von Herrn H2 vorlegen. Es gebe keinerlei gemeinsame Verträge, die in irgendeiner Weise gemeinsam geschuldet seien und darauf hinwiesen, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliege mit dem Kern des gegenseitigen Füreinander-Einstehens. Es gebe und habe keine gemeinsamen Kontoverbindungen, Telefonverträge oder Versicherungen gegeben. Es gebe auch kein gemeinsames Leben; die Kläger hätten von Anfang an allein in der ihnen zugewiesenen Obdachlosenunterkunft gelebt. Dies sei auch schon seit dem Jahr 2013 der Fall gewesen, in welchem sich das angebliche weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft aus dem Staub gemacht und zugelassen habe, dass die Klägerin die Obdachlosenunterkunft hätten ziehen müssen. Man könne durchaus mit einem Mann ein Kind haben, ohne mit diesem zusammenzuleben, und selbstverständlich müsse seitens der Behörde eine Trennung akzeptiert werden. Wo hier seitens des Beklagten eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft gesehen werde, sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin Ziff. 1 erhalte seitens des angeblich zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Herrn H2 auch keinerlei Unterhalt für das gemeinsame Kind. Sie habe ihre Kinder allein mit ihrem Einkommen aus der Teilzeittätigkeit bislang versucht durchzubringen; dies reiche bei den steigenden Kosten noch nicht einmal mehr für das Nötigste für vier Personen. Im Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim SG hat die Klägerin Lohn- und Gehaltsabrechnungen betreffend ihre Beschäftigung beim Blumengeschäft B5 für die Monate Mai bis Juli 2022 und Kontoauszüge hinsichtlich ihres Kontos bei der H5 (IBAN DExxx 91) für Mai und Juni 2022 und bei der I2 AG (IBAN DExxx 34) für den Zeitraum 27.06.2022 bis 29.07.2022 vorgelegt. Hieraus ergeben sich Gutschriften aus Zahlungen des Arbeitgebers Blumengeschäft B5 sowie Ausgaben für Einkäufe des täglichen Bedarfs (hauptsächlich Lebensmittelmärkte wie Lidl, Nahkauf). Gutschriften in Form von Kindergeldzahlungen der Familienkasse oder Unterhaltszahlungen des Herrn H1 G1 H2 sind nicht ersichtlich. Im Zeitraum Mitte August bis Mitte September 2022 sind vom Girokonto der M1 B1 keinerlei Abbuchungen für Gegenstände des täglichen Bedarfs erfolgt.
Am 06.01.2023 erhob Rechtsanwalt E9 für die gesamte Familie „Elementenfeststellungsklage“ zum Sozialgericht (SG) Stuttgart (S 3 AS 58/23) mit dem Begehren festzustellen, dass zwischen den dortigen Klägern Ziff. 1 bis 4 (M1, L6 A3 und F1 B1, M2 L1 H2) und dem dortigen Kläger Ziff. 5 (H1 G1 H2) keine Bedarfsgemeinschaft besteht. Eine Bedarfsgemeinschaft zwischen den Klägern Ziff. 1 bis Ziff. 4 und dem Kläger Ziff. 5 bestehe schon deshalb nicht, weil die Kläger Ziff. 2 bis 4 mit der Klägerin Ziff. 1 in einem gemeinsamen Haushalt in S3 lebten, der Kläger Ziff. 5 dagegen in M3 in Italien. Der Kläger Ziff. 5 wohne bereits seit November 2013 nicht mehr in E1 und davor auch nicht mit den Klägern Ziff. 1 bis Ziff. 4 zusammen. Zwischen den Klägern bestehe bereits aus diesem Grund kein gemeinsamer Haushalt. Diese Klage wies das SG mit Urteil vom 31.03.2023 ab; die Kläger legten hiergegen am 08.04.2023 – weiter vertreten durch Rechtsanwalt E9 – Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein. Das Berufungsverfahren ist beim Senat unter dem Az. L 9 AS 1052/23 anhängig.
Am 17.04.2023 hat die Klägerin unter Hinweis auf einen Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 23.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2023 (betreffend die Ablehnung der Übernahme von Schülerbeförderungskosten) die vorliegende weitere Feststellungsklage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und die Feststellung begehrt, dass die im Januar 2023 vom Beklagten angenommene Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Vater H1 G1 H2 nicht bestanden hat. Herr H2 sei zum 01.11.2013 von E1 weggezogen und lebe seit Jahren bis heute mit einem eigenen Haushalt in Italien. Der Beklagte habe seit 2013 kein einziges Mal eine Bedarfsgemeinschaft nachgewiesen, obwohl er mehrfach dazu aufgefordert worden sei. Ein pures Behaupten reiche nicht aus. Einen Anfechtungs- und Leistungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt.
Mit Urteil vom 10.05.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klage unabhängig von der Frage, ob sie als Elementenfeststellungsklage zur Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses - hier dem Nichtbestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II - überhaupt zulässig sei, in jedem Falle unbegründet sei. Die von der Klägerin begehrte Feststellung scheitere an den tatsächlichen Gegebenheiten, denn die Kammer sei davon überzeugt, dass die Klägerin u.a. mit ihrem Vater, Herrn H1 G1 H2, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II bilde. In Anwendung der Maßstäbe des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c) SGB II bestehe zwischen H1 G1 H2, M1 B1, L6 A3 B1, F1 B1 und M2 L1 H2 eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus H1 G1 H2, M1 B1 und den drei Kindern L6 A3, F1 und M2 L1 das von M1 B1 angegebene Netto-Haushaltseinkommen von 3.000 bis 4.000 € seit 2014 dauerhaft und damit auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum zur Verfügung gestanden habe. Soweit die Einkommensquellen von H1 G1 H2 und M1 B1 sowie ihrer drei Kinder (Kindergeld) bekannt seien, bestünden sie bereits seit dem Jahr 2014. Änderungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten H1 G1 H2 und M1 B1 seit Jahren weder dargelegt noch nachgewiesen. Es bestehe daher kein Anlass, im streitgegenständlichen Zeitraum von einem Netto-Haushaltseinkommen von weniger als 3.000 Euro auszugehen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Hilfebedürftigkeit trügen die Anspruchsteller. H1 G1 H2, M1 B1, L6 A3 B1, F1 B1 oder M2 L1 H2 könnten dem nicht entgegensetzen, das Einkommen oder Vermögen des H1 G1 H2 dürfe nicht berücksichtigt werden. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die vorstehenden Personen seit dem Jahr 2008 und damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft lebten. Zwischen H1 G1 H2 und M1 B1 bestehe eine Partnerschaft; beide Personen dürften einander heiraten. Sie lebten nach der Überzeugung der Kammer seit dem Jahr 2008 mit den Kindern L6 A3, F1 und M2 L1 in einem gemeinsamen Haushalt. Sie bildeten seit 2008 eine Wohngemeinschaft, was die Kammer auf die glaubhaften Aussagen der Zeugen A1 K1, A1 H3 und C1 S2 und weitere - im Einzelnen dargelegte - Umstände stütze. Dass H1 G1 H2 nicht in Deutschland angemeldet sei und behaupte, in der P1 in M3 zu wohnen, zwinge zu keiner abweichenden Würdigung. Abgesehen davon, dass nicht nachgewiesen sei, dass H1 G1 H2 überhaupt unter der angegebenen Adresse in M3 tatsächlich wohnhaft sei, könne auch bei getrennten oder mehreren Wohnungen (z.B. Ferien- oder Zweitwohnung) eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft vorliegen, wenn das gemeinsame Leben überwiegend in einer Wohnung oder als funktionelles Zusammenleben stattfinde. Etwaige Ferienaufenthalte des H1 G1 H2 mit seinen Kindern in Italien schlössen den Bestand einer Wohngemeinschaft nicht aus. Für einen überwiegenden Aufenthalt des H1 G1 H2 bei seinen Kindern in E1 spreche schließlich auch, dass gegen Verwaltungsakte, Beschlüsse und Urteile, die auf Anträgen von M1 B1 beruhten, immer wieder innerhalb kurzer Zeit Rechtsbehelfe und Rechtsmittel von H1 G1 H2 erhoben würden, was dessen jederzeitigen und uneingeschränkten Zugriff auf die in der Wohnung O1 Straße in E1 eingehende Post nahelege. Ein solcher Zugriff setze den regelmäßigen Aufenthalt des H1 G1 H2 in der Wohnung der M1 B1 voraus. Darüber hinaus wirtschafteten H1 G1 H2 und M1 B1 aus einem Topf, bildeten somit eine Wirtschaftsgemeinschaft und hätten den wechselseitigen Willen, füreinander einzustehen. Das ergebe sich u.a. aus – näher dargelegten – Umständen wie den Modalitäten der Mietzahlung für frühere Wohnungen, dem Auftreten nach außen als Vertreter des jeweils anderen, der Nutzung der gemeinsamen E-Mail-Adresse, der Versendung von Schriftsätzen mit dem Briefkopf des einen und der Unterschrift des anderen Elternteils und der Erfüllung der Vermutungstatbestände des § 7a Abs. 3a Nr. 1 und Nr. 2 SGB II. Die von H1 G1 H2 und M1 B1 seit Jahren in wohl über tausend sozialgerichtlichen Verfahren vertretene Meinung, keine Bedarfsgemeinschaft zu sein, sei keine Tatsache, sondern eine rechtliche Würdigung. Sie hätten weder schlüssig dargelegt noch Nachweise dafür vorgelegt, dass die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen des § 7 Abs. 3a SGB II nicht erfüllt seien oder dass die Vermutung des Einstandswillens durch andere Umstände entkräftet werde.
Gegen das am 12.05.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.06.2023 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Aus der Begründung des Urteils des SG werde ersichtlich, dass dem Kammervorsitzenden die Unterschiede der verschiedenen Gemeinschaften nicht geläufig seien. Das Urteil verletze ihren Anspruch auf die geforderte Feststellung. Dass am 10.05.2023 eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, lasse sich nicht nachvollziehen, da sie als Beteiligte nicht anwesend gewesen sei. Um pflichtgemäß Sachverhalte aufzuklären, sei die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten erforderlich. Eine Beweisaufnahme und damit die Klärung von Tatsachen habe nicht stattgefunden, denn dann wäre die Entscheidung zu ihren Gunsten ausgegangen. In der Unterlassung der Amtsermittlung liege ein wesentlicher Verfahrensfehler.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Mai 2023 aufzuheben und festzustellen, dass weder eine Verantwortungs- und Einstehens- noch eine Bedarfsgemeinschaft mit Herrn H2 besteht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Mit Beschluss vom 28.09.2023 hat der Senat den Antrag der Klägerin vom 12.06.2023 auf Beiordnung eines Fachanwalts für Sozialrecht für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Auf den Hinweis des Senats, dass er beabsichtige, die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.10.2023 mitgeteilt, sie weise die Absicht des Senats zurück. Dass der Richter der dritten Kammer trickreich die Pflicht zur Amtsermittlung umgangen habe, sei für den Senat kein Grund, gleich zu verfahren. Auf eine mündliche Verhandlung habe sie einen Rechtsanspruch. Zu dem mündlichen Termin sei gemäß § 121 Abs. 2 und 5 ZPO ein Rechtsanwalt beizuordnen, um ein ordnungsgemäßes Verfahren zu gewährleisten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge, die beigezogenen Akten des SG mit den Az. S 22 AS 6767/12 ER, S 22 AS 2429/13 ER, S 22 AS 1936/17 ER, S 22 AS 3237/18 ER, S 22 AS 6519/17 ER, S 22 AS 6031/14, S 22 AS 2957/17 ER, S 22 AS 1913/19 und S 22 AS 1843/19, des LSG mit den Az. L 2 AS 2536/19, L 2 AS 2537/19, L 2 AS 2538/19, L 2 AS 2540/19, L 2 AS 77/20, L 2 AS 829/20, L 2 AS 860/20 und L 2 AS 921/20, die beigezogenen Strafakten und die Prozessakten in den weiteren beim Senat anhängigen Verfahren Bezug genommen.
II.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht beim SG (§ 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig.
Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Insbesondere ist die Berufung nicht deshalb unzulässig, weil die erforderliche Berufungssumme von 750,00 € (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht überschritten wäre. Zwar hat die Klägerin im Zusammenhang mit der Klageerhebung einen Widerspruchsbescheid vom 04.04.2023 erwähnt, dessen Gegenstand ein Bescheid vom 23.02.2023 war, mit dem die Ablehnung eines Antrags auf Übernahme von Kosten der Schülerbeförderung für Januar 2023 erfolgt war. Nachdem die Klägerin jedoch nicht gleichzeitig mit dem Feststellungsbegehren die Aufhebung dieses Bescheides vom 23.02.2023 und Verurteilung des Beklagten zur Gewährung der begehrten Schülerbeförderungskosten für Januar 2023 beantragt hat, handelt es sich vorliegend nicht um eine einer Leistungsklage gleichwertige und auf deren materiellen Wert beschränkte (vgl. insoweit BSG, Beschluss vom 05.08.2023 - B 4 AS 17/15 B -, juris Rn. 6), sondern um eine isolierte Feststellungsklage, deren Beschwerdewert nicht summenmäßig beschränkt ist.
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gründe, aufgrund derer das SG gehindert gewesen wäre, am 10.05.2023 aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, und die dem Senat die Möglichkeit (nicht aber eine Pflicht) bieten würden, den Rechtsstreit gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG an das SG zurückzuverweisen, liegen nicht vor. Mit ihrem Hinweis, es sei im Termin zur mündlichen Verhandlung kein Beweis erhoben worden, macht die Klägerin sinngemäß einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) und damit einen Verfahrensmangel geltend. Was noch zu ermitteln gewesen wäre, trägt die Klägerin jedoch nicht vor; auch für den Senat ist nicht erkennbar, zu welchen Ermittlungen sich das SG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte gedrängt fühlen müssen.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 10.05.2023 im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn diese Klage ist unzulässig.
Der Zulässigkeit der vorliegenden Klage steht die Rechtshängigkeit eines anderweitigen Verfahrens entgegen, denn das vorliegende Berufungsverfahren betrifft denselben Streitgegenstand wie das ebenfalls im erkennenden Senat anhängige weitere Berufungsverfahren L 9 AS 1052/23. Während der Rechtshängigkeit eines Verfahrens ist ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig (sog. Sperrwirkung). Das ergibt sich aus § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG> (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R -, juris Rn. 17). Die Sperrwirkung kann zwar mit Abschluss des ersten Verfahrens enden, sodass eine zunächst wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Klage noch zulässig werden kann. Sie bleibt aber unzulässig, soweit sie denselben Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten betrifft (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/ Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2020, § 94 Rn. 4, 7b, § 141 Rn. 6a). Dies resultiert dann aus der Rechtskraft der anderweitigen Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R – juris Rn. 13).
Gegenstand des genannten weiteren Berufungsverfahrens L 9 AS 1052/23 ist die am 06.01.2023 von Rechtsanwalt E9 für die Kläger M1, F1, L6 A3 B1, M2 L1 und H1 G1 H2 erhobene „Elementenfeststellungsklage“ mit dem Begehren festzustellen, dass im Verhältnis zwischen den Klägern zu 1. bis 4. und dem Kläger zu 5. eine Bedarfsgemeinschaft nicht besteht. Diese Klage hat das SG im Verfahren S 3 AS 58/23 mit Urteil vom 31.03.2023 abgewiesen. Mit der vorliegenden am 17.04.2023 zum SG erhobenen Klage begehrt die Klägerin ebenfalls die Feststellung, dass die im Januar 2023 vom Beklagten angenommene Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Vater H1 G1 H2 nicht bestanden hat. Der Antrag der Klägerin beruht auf demselben Lebenssachverhalt, der bereits im Klageverfahren S 3 AS 58/23 anhängig gemacht worden ist.
Lediglich ergänzend und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, weist der Senat – wie auch schon im Verfahren L 9 AS 1052/23 darauf hin, dass die Feststellungsklage mit dem Antrag, dass zwischen der Klägerin und H1 G1 H2 keine Bedarfsgemeinschaft besteht, auch mangels berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) unzulässig sein dürfte. Zwar kann eine solche Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses von ihrem Inhalt her grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsklage sein (sog. Elementenfeststellungsklage). Allerdings gilt das nur unter der Voraussetzung, dass durch die begehrte Feststellung ein Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigt wird (vgl. nur BSG, Urteil vom 15.06.2016 - B 4 AS 36/15 R -, juris Rn. 12 ff., 18 m.w.N.). Hieran fehlt es vorliegend: Selbst wenn der Senat die begehrte Feststellung treffen würde, wären dadurch die Streitigkeiten zwischen den Beteiligen nicht bereinigt, weil auch bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft lediglich zwischen M1 B1 und den Kindern L6 A3, F1 und M2 L1 weiter Streit über deren Bedürftigkeit bestünde. Denn auch deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind nicht geklärt.
Im Übrigen hat das SG unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen und Heranziehung einschlägiger Rechtsprechung zutreffend dargelegt, dass die Klägerin auch in der Sache und ungeachtet der Unzulässigkeit der Klage keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung hat, weil eine solche an den tatsächlichen Gegebenheiten scheitert: Die Klägerin bildet mit ihrem Vater H1 G1 H2, ihrer Mutter M1 B1 und ihren Geschwistern F1 und M2 L1 eine Bedarfsgemeinschaft. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum haben die durch Zeugenaussagen und Auswertung der beigezogenen Verwaltungs-, Straf- und Gerichtsakten gewonnenen Erkenntnisse weiter Bestand. Der Klägerin ist es nicht gelungen nachzuweisen, dass insoweit Veränderungen eingetreten sind. Weitere Sachaufklärung von Amts wegen ist nicht veranlasst.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Ablehnung des erneuten Antrags auf Beiordnung eines Fachanwalts für Sozialrecht für das Berufungsverfahren verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 28.09.2023.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Beschluss über die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1296/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 9 AS 1682/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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