Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Rücknahme eines Bescheides der Beklagten vom 25.10.2017 nach § 44 SGB X und Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 1307 (Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) hat.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bei der Firma E. GmbH und Co. KG in S. beschäftigt.
Am 13.06.2016 kam der Kläger während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit in Kontakt mit dem Insektizid Actellic 50 und ging wegen Kopfschmerzen und Übelkeit zum Arzt.
In einem Fragebogen zum Unfallhergang teilte der Kläger mit, das befallene Getreide sei vom 10.05.2016 bis zum 13.06.2016 täglich von montags bis freitags über mindestens 8 Stunden täglich mit Actellic 50 bespritzt worden. Das Getreide sei in unmittelbarer Nähe zu der Schaltwarte, in der er hauptsächlich und allein tätig sei, bespritzt worden. In der Schaltwarte befänden sich eine Tür und ein Fenster, die während der Arbeitszeit ständig geöffnet seien. Eine Ablüftung in der Schaltwarte sei nicht vorhanden, auch gebe es keine nennenswerten Dichtungen an Tür und Fenster, die bei einer etwaigen Schließung Schutz bieten könnten.
In der Zeit vom 10.05.2016 bis zum 13.06.2016 hätten sich bei ihm nach und nach diverse Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Übelkeit eingeschlichen, die er nicht gleich in einen Zusammenhang zur Schädlingsbekämpfung gebracht habe. Unmittelbar vor seinem Arztbesuch hätten sich dann Schmerzen in der Lunge eingestellt. Sein behandelnder Hausarzt habe sofort den begründeten Verdacht auf Intoxikation infolge eines Arbeitsunfalls gestellt und ihn ins Krankenhaus geschickt, wo der Verdacht bestätigt worden sei.
In einem Durchgangsarztbericht vom 15.06.2016 wurde der Verdacht auf Vergiftung mit Actellic diagnostiziert.
Der Pneumologe Dr. F. teilte der Beklagten in einem Bericht vom 27.12.2016 mit, durch berufliche Inhalation von Actellic-Dämpfen am 13.06.2016 sei bei dem Kläger eine obstruktive Atemwegserkrankung entstanden.
Die Diplom-Chemikerin Dr. R. N., Mitglied der Präventionsabteilung der Beklagten, teilte in einer Stellungnahme vom 07.02.2017 mit, der wirksame Wirkstoff des Insektizides Actellic 50 sei Pirimiphos-methyl, wobei es sich um eine organische Phosphorverbindung handele, die unter die BK-Nummer 1307 „Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen“ eingeordnet werde könne.
In einer Stellungnahme vom 12.07.2017 teilte Frau Dr. N. mit, die jährliche Verbrauchsmenge des Insektizides Actellic 50 im Jahr 2016 habe bei 14 Litern gelegen. Daraus seien ca. 8.750 Liter gebrauchsfertige Flüssigkeit hergestellt worden. Daraus ergebe sich ein Mischungsverhältnis von einem Teil Actellic 50 zu 625 Teile Wasser oder eine Verbrauchsmenge von ca. 40 Litern hergestellter Flüssigkeit, die ca. 60 ml Actellic 50 enthalte. Die in Actellic 50 enthaltenden Stoffe seien atemwegreizend, die Arbeitsplatzgrenzwerte würden bei den von dem Kläger verrichteten Arbeiten nicht erreicht. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 4302 lägen nicht vor.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 29.08.2017 teilte Frau Dr. N. mit, eine Gefährdung im Sinne der Arbeitstechnik gemäß der BK 1307 sei gegeben, die medizinische Bewertung obliege nicht ihr.
Die Beklagte zog Befund- und Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei und veranlasste eine Stellungnahme durch den Arbeitsmediziner und Diplom-Chemiker Dr. K.. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 21.08.2017 zu dem Ergebnis, zweifelsohne könnten die von dem Kläger beklagten Beschwerden, welche in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition aufgetreten seien (Kopfschmerzen und Schwindel) durch das Insektizid Actellic (Phosphorsäureester) verursacht worden seien. Insofern könne man durchaus von einem Arbeitsunfallereignis ausgehen. Es dürfte sich um eine leichte Angiftung gehandelt haben. Auch könnte diese Angelegenheit im Rahmen der BK-Nummer 1307 geführt werden. Bei der beschriebenen Exposition sei allerdings nicht davon auszugehen, dass es durch die Verwendung des Insektizids zu einer nachhaltigen Schädigung einhergehend mit einer manifesten obstruktiven Atemwegserkrankung gekommen sei.
Am 25.10.2017 erteilte die Beklagte einen Bescheid, mit dem sie die Anerkennung einer BK 1307 ablehnte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei die bei dem Kläger festgestellte Erkrankung nicht ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Einwirkungen von organischen Phosphorverbindungen führten zu Polyneuropathien und chronischen zentralnervösen Störungen. Ein entsprechendes Krankheitsbild liege bei dem Kläger nicht vor. Die von dem Kläger beklagten Beschwerden (Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Schwindel) seien möglicherweise durch das Insektizid verursacht worden. Diese Beschwerden allein, ohne ein darauf zurückzuführendes Krankheitsbild, rechtfertigten jedoch nicht die Anerkennung als BK. Die berufliche Exposition durch das Insektizid Actellic 50 allein sei nach Art und Umfang nicht geeignet, eine nachhaltige Schädigung der Atemwege einhergehend mit einer obstruktiven Atemwegerkrankung zu verursachen.
Am 04.01.2018 beantragte der Kläger eine Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 SGB X. Zur Begründung wurde ausgeführt,er habe in dem Zeitraum vom 10.05.2016 bis zum 13.06.2016 an allen fünf Arbeitstagen täglich ca. 6 Stunden händisch mit einer Rückenspritze das Insektizid ausgebracht. Daraus ergebe sich eine Gesamtstundenzahl für die Exposition von ca. 153 Stunden. Weiterhin seien von ihm pro Stunde ca. 20 Liter gebrauchsfertige Mischung versprüht worden.
Frau Dr. N. teilte dazu in einer Stellungnahme vom 26.03.2018 mit, unter der Voraussetzung, dass die von dem Kläger gemachten Angaben stimmten, habe der Kläger im Zeitraum vom 10.05.2016 bis zum 13.06.2016 3.060 Liter gebrauchsfertige Mischung versprüht, die ca. 4,9 Liter Actellic 50 enthalten habe. Das alles habe außerhalb des Gebäudes stattgefunden. Unter der Annahme, dass alles, was versprüht worden sei, auch inhalativ aufgenommen worden sei, habe der Kläger ca. innerhalb eines Monats verteilt auf 23 Arbeitstage täglich über 6 Stunden pro Stunde 32 ml Actellic 50 aufgenommen. Ob diese Menge ausreichend sei, um Erkrankungen zu verursachen, könne nur seitens eines Toxikologen bzw. Mediziners beantwortet werden.
In einer weiteren Stellungnahme vom 24.07.2018 teilte Frau Dr. N. mit, im Sinne der BK-Nummer 1307 spiele nur das Actellic 50 eine Rolle, weil dieses den Wirkstoff „Primiphos-methyl“ enthalte. Im Zeitraum vom 10.05.2016 bis zum 13.06.2016 seien insgesamt 3.060 Liter gebrauchsfähige Mischung versprüht worden, die knapp 5 Liter Actellic enthalten hätten. Actellic enthalte zu ca. 50 % den Wirkstoff „Primiphos-methyl“ (d.h. 2,5 Liter). Der Kläger habe die Mischung nicht nur selbst ausgebracht. Die Flüssigkeit sei draußen versprüht worden, so dass ein Teil – je nach Windverhältnissen – nicht in den Atembereich des Klägers gelangt sei. Weiterhin sei der Kläger teilweise „nur“ Bystander gewesen, so dass auch hierbei der Wirkstoff nur reduziert in die Atemwege gelangt sei und man davon ausgehen müsse, dass deutlich weniger als 2,5 Liter „Primiphos-methyl“ inhalativ aufgenommen worden sei. Ob eine Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung bestehe, könne sie nicht beurteilen.
Anschließend veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch den Arbeitsmediziner Prof. Dr. T.. Dieser kam in seinem Gutachten vom 26.09.2018 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger bestehe eine BK 4302, die ab dem 13.07.2016 mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten sei.
Mit Bescheid vom 19.02.2019 erkannte die Beklagte bei dem Kläger eine BK 4302 an und gewährte dem Kläger ab dem 27.06.2017 Rente nach einer MdE von 20 v.H.
Die Neurologin Dr. Z. kam in einem Gutachten vom 06.11.2019 zu dem Ergebnis, in der Literatur fänden sich Fallsammlungen und –berichte allgemein zur Intoxikation mit organischen Phosphorverbindungen (nicht speziell zu Actellic), in denen sowohl zentral-nervöse als auch peripher-nervöse, akute Symptome beschrieben würden. Daten zu mittel- und langfristigen Folgen würden nur vereinzelt beschrieben. Chronische Folgen, insbesondere eine chronische organophosphat induzierte neurokognitive Störung, würden bei chronischer, wiederholter Exposition beschrieben. Dieser Erkrankungskomplex umfasse neben anderen kognitiven Symptomen Stimmungsschwankungen und eine Erschöpfungssymptomatik. Der Kläger beschreibe insbesondere kognitive Defizite, Stimmungsschwankungen und eine Erschöpfung. Da diese Beschwerde nicht spezifisch seien, d.h. auch durch andere Erkrankungen als durch eine Intoxikation durch organisch Phosphorverbindungen bedingt sein könnten, könne die Fragestellung, ob der Kläger an einer BK 1307 leide, nicht abschließend beurteilt werden. Zum Ausschluss anderer Ursachen werde die Durchführung weiterer Untersuchungen, insbesondere eine ausführliche neuropsychologische Untersuchung, ein EEG und eine Liquoruntersuchung, empfohlen.
Die Beklagte veranlasste anschließend eine Liquordiagnostik, ein EEG sowie ein neuropsychologisches Zusatzgutachten und holte eine ergänzende Stellungnahme von Dr. Z. ein, die in ihrem Gutachten vom 05.08.2020 die Auffassung vertrat, zusammengefasst hätten sich auf neurologischem Fachgebiet nach ausführlicher Diagnostik keine pathologischen Befunde finden lassen, sodass auf neurologischem Fachgebiet eine BK 1307 nicht bestehe. Der Kläger zeige allerdings Anzeichen einer mittelschweren Depression. Depressionen würden auch als Symptom einer chronischen Organophosphatintoxikation beschrieben. Die Beurteilung dieses potentiellen Zusammenhanges gehöre zum Gebiet der Psychiatrie.
Auf der Grundlage der ergänzenden Ermittlungen und des Gutachtens von Frau Dr. Z. lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 25.10.2017 nach § 44 SGB X und die Anerkennung einer BK 1307 mit Bescheid vom 25.08.2020 ab.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Der Psychiater Prof. Dr. I. kam in einem Gutachten vom 21.06.2021 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger bestehe eine psychische Erkrankung in Form einer depressiven Episode, die bei weiteren unfallunabhängigen Faktoren teils auf die BK 4302 zurückzuführen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2021, zugestellt am 28.10.2021, wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.08.2020 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 22.11.2021 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2021 zu verurteilen, den Bescheid vom 25.10.2017 nach § 44 SGB zurückzunehmen und bei ihm eine BK 1307 mit der Folge der Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass seiner Erkrankungen anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von dem Diplom-Chemiker und Arbeitsmediziner Prof. Dr. V. nebst zwei ergänzenden Stellungnahmen. Auf Inhalt und Ergebnis des Gutachtens wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Das Gericht konnte vorliegend nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Streitsache auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 25.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2021 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Die Beklagte hat die Rücknahme des Bescheides vom 25.10.2017 nach § 44 SGB X und die Anerkennung einer BK 1307 zu Recht abgelehnt.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 25.10.2017 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat.
Das Gericht stellt fest, dass es der Begründung des Bescheides vom 25.08.2020 sowie des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2021 folgt und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 136 Abs. 3 SGG).
Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist durch das vom Gericht eingeholte Gutachten des Arbeitsmediziners Prof. Dr. V. in vollem Umfang bestätigt worden. Nach den Feststellungen von Prof. Dr. V. liegt bei dem Kläger eine BK 1307 nicht vor. Hiergegen spricht insbesondere, dass eine toxikologisch relevante Gefährdung durch eine organische Phosphorverbindung (hier: Primiphosmethyl) aus arbeitsmedizinischer Sicht unwahrscheinlich ist und die Diagnose einer akuten Intoxikation mit Primiphosmethyl nicht gesichert ist.
Der der Kläger gegen die zweite ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. V. keinerlei Einwendungen mehr erhoben hat, sieht das Gericht keinen Anlass zu weiteren Ausführungen.
Das Gericht hat keine Bedenken, die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. der Entscheidung zugrunde zu legen. Der Sachverständige hat widerspruchsfreie und nachvollziehbare Überlegungen zur Zusammenhangsfrage angestellt. Die Ausführungen des Sachverständigen lassen Unrichtigkeiten und Fehlschlüsse nicht erkennen.
Das Gericht hat keine Veranlassung gesehen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen bzw. den Sachverständigen Prof. Dr. V. zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden.
Die Nichtladung eines Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung stellt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts dar. Zwar kann die Nichtladung eines Sachverständigen zum Termin nach §§ 103, 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 3 ZPO ermessensfehlerhaft und damit ein Aufklärungsmangel sein. Dies setzt jedoch voraus, dass ausgehend von der Rechtsauffassung des Gerichts konkrete Gesichtspunkte erläuterungsbedürftig sind. Insbesondere muss eine nochmalige mündliche Befragung des Sachverständigen zu bereits schriftlich im Rahmen der Gutachtenerstattung vorgelegten und beantworteten Fragen im Rahmen einer Aufklärungsrüge nicht schon deshalb erfolgen, weil der Kläger subjektiv noch weiteren Erläuterungs- bzw. Aufklärungsbedarf zu bereits beantworteten Fragen sieht (BSG, Beschluss vom 19.04.2017 – B 13 R 339/16 B -). Aus der insoweit maßgebenden Sicht des Gerichts sind jedoch keine Punkte erläuterungsbedürftig geblieben.
Der Beweisantrag war zudem ebenfalls nicht prozessordnungsgemäß. Der Kläger trägt keine konkreten Tatsachen vor, welche die Beweiserhebung erbringen könnte. Die Begründung für seinen Antrag erschöpft sich darin, „die Gelegenheit zu nutzen, den Sachverständigen mit unter Beweis gestellten Sachverhaltsabweichungen im Vergleich zu dem von diesem in seinem Gutachten zu Grunde gelegten Sachverhalt mit der Maßgabe zu konfrontieren, ob und inwieweit sich daraus aus seiner fachkompetenten Einschätzung andere Schlussfolgerungen ableiten lassen könnten“.
Der Sachverständige Prof. Dr. V. hat zu den Einwendungen des Klägers gegen sein Gutachten in zwei ergänzenden Stellungnahmen umfassend Stellung genommen. Gegen die zweite ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. V. hat der Kläger keinerlei Einwendungen mehr erhoben.
Ein Anspruch des Klägers auf eine mündliche Befragung der Sachverständigen folgt auch nicht aus seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG). Nach §§ 116, 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 397 Abs. 2, 402, 411 Abs. 3 ZPO haben die Beteiligten zwar ein Fragerecht an den Sachverständigen, sofern der Antrag rechtzeitig gestellt wird und die Fragen objektiv sachdienlich sind. Das Gericht hat indes nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob es den Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung lädt oder ihn schriftlich befragt (BSG, Beschluss vom 24.07.2012 – B 2 U 100/12 B -). Da Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält, besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch, das einfachrechtlich geregelte Fragerecht gegenüber Sachverständigen in jedem Fall mündlich auszuüben; es ist verfassungsrechtlich daher jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn Fachgerichte die Beteiligten vorrangig darauf verweisen, Fragen und Einwendungen schriftlich vorzutragen, um Sachverständige damit zu konfrontieren; die ggf. anschließende mündliche Befragung kann geboten sein, wenn sie sich nicht in einer Wiederholung schriftlicher Äußerungen erschöpft, sondern vielmehr darüber hinaus einen Mehrwert hat, wobei auch von Verfassung wegen nicht zu beanstanden ist, die mündliche Befragung von der Benennung konkreter Fragen und Einwendungen abhängig zu machen (BVerfG, Beschluss vom 29.05.2013 – 1 BvR 1522/12 -). Um die Verletzung des Fragerechts ordnungsgemäß zu rügen, muss ein Beteiligter darlegen, dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und die erläuterungsbedürftigen Punkte, z.B. Lücken oder Widersprüche, müssen hinreichend konkret bezeichnet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Beschluss vom 19.07.2023 – B 2 U 2/23 B -; BSG, Beschluss vom 14.12.2022 – B 2 U 1/22 B – m.w.N.). Die Möglichkeit des Fragerechts hat der Kläger nicht genutzt. Wie bereits dargelegt, hat der Sachverständige Prof. Dr. V. zu den Einwendungen des Klägers in zwei ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen ausführlich Stellung genommen, wobei der Kläger gegen die zweite ergänzende Stellungnahme keinerlei Einwendungen mehr erhoben hat und auch keine konkreten schriftlichen Fragen an den Sachverständigen gestellt hat. Ein Mehrwert einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen ist somit weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.12.2021 – L 17 U 228/16 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.