Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 7 KA 112/19
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Verkündet am: 17.11.2021 |
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
……
Klägerin
Proz.-Bev.: ……
gegen
……
Beklagter
1. …… bis 7. ……
Beigeladene
In Sachen: Quartale 1/17
hat die 7. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.2021 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht ……, sowie die ehrenamtliche Richterin …… und den ehrenamtlichen Richter …… für Recht erkannt:
Der Bescheid vom 01.04.2019 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 443,63 Euro festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Regress in Höhe von 443,63 EURO aufgrund der Verordnung von Ondansetron und Vidisic Augengel im Rahmen des Sprechstundenbedarfs.
Die Klägerin ist die……. Sie betreibt in …. das MVZ……, in welchem mehrere Fachärzte für Anästhesiologie tätig sind und das zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Mit Schreiben vom 09.03.2018 beantragte die Rezeptprüfstelle …… eine Erstattung in Höhe von 443,63 EURO zulasten der Klägerin, da ihres Erachtens die geltenden Bestimmungen zur Verordnung von Sprechstundenbedarf nicht eingehalten worden seien. Die Verordnungen betrafen drei Tuben Vidisic Augengel (Regress 12,75 EURO) und insgesamt 4 Packungen Ondansetron 8 mg N3 (107,72 EURO + 323,16 EURO = 430,88 EURO).
Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (im Folgenden: Prüfungsstelle) leitete den Antrag an die Klägerin zur Stellungnahme weiter. Diese widersprach dem beabsichtigten Regress und nahm wie folgt Stellung: Die Medikamente Vidisic und Ondansetron würden im Rahmen von ambulanten Narkosen bei gesetzlich versicherten Patienten eingesetzt. Hierbei handele es sich um Artikel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet würden oder zur Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich seien. Unter Beachtung von § 5 (Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise) sei der Artikel Ondansetron von Ampulle auf Tablette umgestellt worden. Nach Auffassung der Klägerin sollten die Mittel zum einen unter die Ziffer 0207000000 (Mittel zur Prämedikation als Narkosevorbereitung), 0502000000 (Augen-, Ohren- und Nasentropfen) sowie 0601000000 (Gels, … soweit je nach Fachgebiet bei mehreren Patienten in der Sprechstunde Anwendung finden) subsummiert werden können. Bei Vidisic handele es sich um ein Augengel zum Schutz der Augenschleimhaut während der Narkose. Bei nicht ganz geschlossenen Augenlidern oder bei Bauchlagerungen mit unsicherem Augenlidschluss könne es zu einem Austrocknen der Augenschleimhaut mit erheblichen Schmerzen und Visusverlust kommen. Nicht selten sei dann eine Konsultation eines Augenarztes erforderlich. Der Anästhesist habe hier eine besondere Sorgfaltspflicht, die im Schadensfall zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen könne. Das Augengel sei laut Anl. 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zulässig und werde bei mehr als einem Berechtigten angewendet. Ondansetron sei ein Antiemetikum zur Vorbeugung und Behandlung von postoperativer Übelkeit und Erbrechen (PONV). Es werde im Rahmen der Prämedikation verabreicht und als Großpackung als Sprechstundenbedarf bezogen. Da die In-vitro-Applikation deutlich teurer wäre, habe man auf die orale Therapie umgestellt.
Die Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 28.08.2018 einen Regress in Höhe von 443,63 EURO netto fest. Sie vertrat die Auffassung, dass die beiden Arzneimittel nicht in der Sprechstundenvereinbarung gelistet seien.
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.09.2018 Widerspruch. Sie wiederholte den Vortrag aus dem Anhörungsverfahren und führte zu Ondansetron noch ergänzend aus, dass die führenden Fachabteilungen die Prophylaxe mit Ondansetron empfehlen würden in den Konstellationen, in denen mit vermehrter Übelkeit und Erbrechen im Rahmen von Anästhesien zu rechnen sei. Im Rahmen ambulanter Anästhesien sei die Anwendung von Ondansetron unmittelbar mit der Durchführung der Allgemeinanästhesie vorzunehmen. Eine individuelle Patienten-Zuordnung im Sinne einer Einzelverordnung sei damit nicht möglich. Das Medikament werde im Sprechstundenbedarf für mehrere Patienten vorgehalten.
Der Beklagte ……wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2019 als unbegründet zurück. Vidisic Augengel sei ein apothekenpflichtiges Arzneimittel mit dem Inhaltsstoff Carbomer 980, das zur symptomatischen Behandlung der Keratokonjunktivitis Sicca eingesetzt werde. Ondansetron sei ein Serotonin-Rezeptor-Antagonist, die Anwendungsgebiete seien die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, die durch eine zyklustoxische Chemotherapie oder Strahlentherapie hervorgerufen werde, sowie die Vorbeugung und Behandlung von postoperativer Übelkeit und Erbrechen. Die beiden Arzneimittel würden bei planbaren ambulanten Operationen verwendet, die Verordnung dieser Arzneimittel für planbar ambulante Operation werde jedoch nicht von der Sprechstundenbedarfsvereinbarung erfasst. Aus diesem Grund sei der Regress wie beantragt festzusetzen.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.04.2019 Klage erhoben. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass beide Arzneimittel im Sprechstundenbedarf bezogen werden können. Die Überschrift in Ziffer 02 der Anl. 1 der SSB-V laute „Mittel zur Narkose und Anästhesie, auch zur Schmerztherapie im Rahmen der Narkose“. Die dann folgende Aufzählung enthalte keine Einschränkung in Hinblick auf bestimmte Arzneimittel. Ondansetron lasse sich ohne weiteres unter den Begriff der Prämedikation subsumieren. Das gleiche gelte bezüglich Vidisic Augengel. Es seien sowohl Augentropfen als auch Gels aufgeführt, unter diese Begriffe falle das Augengel. Die Arzneimittel hätten auch nicht einzeln verordnet werden müssen. Ob ein Patient in eine Risikogruppe gehöre, die prophylaktisch in Hinblick auf eine etwaige postoperative Übelkeit medikamentös versorgt werden müssen, stelle sich regelmäßig erst beim Kontakt mit dem Patienten unmittelbar vor dem Eingriff heraus. Dann aber könne keine Rezeptierung mehr erfolgen, da der Patient keine Apotheke mehr aufsuchen könne. Noch viel stärker gelte dies in Hinblick auf das Augengel. Der die Operation begleitende Anästhesist wisse im Vorfeld nicht, ob es bei dem betreffenden Patienten zu keinem vollständigen Lidschluss kommen wird bzw. er wisse auch nicht im Vorfeld, ob der Patient in Bauchlage operiert werden wird. Auch insofern sei eine Rezeptierung letztendlich nur am Tag des Eingriffs selbst möglich, was aufgrund der Abläufe jedoch nicht darstellbar sei. Ferner lasse die Sprechstundenbedarfsvereinbarung bei einer Vielzahl von Arzneimitteln einen weiten Spielraum. Diese vollkommene Unbestimmtheit der Anl. 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung könne sich nicht zulasten der Klägerin auswirken. Sie habe sich darauf verlassen dürfen, dass die unter die entsprechenden vorgenannten Ziffern zu subsumierenden Medikamente über Sprechstundenbedarf bezogen werden konnten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 01.04.2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keinen eigenen Antrag.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass Vidisic Augengel schon alleine deswegen nicht verordnungsfähig sei, weil es nach § 34 Abs. 1 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sei. Dieser Ausschluss gelte selbstverständlich auch im Sprechstundenbedarf gemäß § 5 Abs. 6 Sprechstundenbedarfsvereinbarung. Auch Ondansetron sei nicht über den Sprechstundenbedarf verordnungsfähig. Ondansetron bzw. Antiemetika würden nicht in der Anl. 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung aufgelistet. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Sprechstundenbedarfsvereinbarung verantwortlichen Vertragspartner es übersehen hätten, Antiemetika aufzunehmen, während sie beispielsweise Antibiotika, Analeptika oder Anthistaminika. etc. aufführen. Darüber hinaus dürfte Ondansetron ebenso nicht im Wege einer Notfallbehandlung eingesetzt werden.
Der Beklagte hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, auch dann davon auszugehen, dass Ondansetron nicht über den Sprechstundenbedarf bezogen werden konnte, wenn man außer Acht lasse, ob ein Ausschluss für planbare Operation bestünde. Das Mittel sei nicht unter den Begriff „Prämedikation“ zu fassen. Darunter fielen nur Mittel, die unmittelbar zur Narkosevorbereitung dienen. Antiemetika seien für die Vorbereitung einer Narkose oder deren Durchführung nicht erforderlich.
Die Klägerin teilt diese Auffassung nicht. Unter Prämedikation verstehe man die medikamentöse Vorbereitung einer Narkose. Die Ziele seien die Anxiolyse, die Sedierung des Patienten, die vegetative Dämpfung und die Auslösung einer retrograden Amnesie sowie die Reduktion von Komplikationen. Als Komplikation einer Anästhesie sei unter anderem das PONV-Syndrom mit Übelkeit und Erbrechen definiert. Aus diesem Grund falle die Verabreichung von Ondasetron zwecks Vermeidung dieser Komplikation unter den Begriff „Prämedikation“.
Die Beigeladene …… hat mitgeteilt, dass ihres Erachtens der Regress schon deswegen aufzuheben sei, da die RPD gar nicht dazu befugt gewesen sei, Prüfanträge zu stellen. Der Beklagte teilt diese Auffassung nicht. Auch der Beigeladene zu 6. (……) ist der Auffassung, dass die RPD dazu in der Lage gewesen sei, den entsprechenden Antrag zu stellen. Die entsprechende Vollmacht der RPD wurde zur Akte gereicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten entschieden, denn Gegenstand des Verfahrens war eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da sie die Mittel Ondansetron (hierzu unter 1.) und Vidisc Augengel (hierzu unter 2.) zu Recht über Sprechstundenbedarf bezogen hat. Dabei ist allein der Bescheid des Beschwerdeausschusses Gegenstand des (Gerichts-)Verfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 46/12 R –; BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 16/10 R – m. w. N.).
1.
Gemäß § 3 Abs. 1 der ab dem 01.01.2016 gültigen, zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung …… und den Krankenkassen abgeschlossenen Sprechstundenbedarfsvereinbarung (veröffentlicht in: Rheinisches Ärzteblatt 1/2016, S. 105 ff., im Folgenden: SSB-V) gelten als Sprechstundenbedarf solche Artikel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder die zur Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich sind. In einem zweiten Schritt ist sodann zu prüfen, ob die Artikel in Anl. 1 der SSB-V aufgeführt sind (§ 3 Abs. 1 S. 2 SSB-V). Bei dem hier streitigen Artikel Ondansetron handelt es sich nach Auffassung der Kammer jedenfalls um einen Artikel, der zu Sofortbehandlung erforderlich ist. Soweit der Beklagte den hier streitigen Regress bereits darauf gestützt hat, dass eine Verordnung von Artikeln, die im Rahmen „planbarer Operationen“ benötigt würden, ausgeschlossen sei, folgte die Kammer dem nicht. In der Anl. 1 der SSB-V sind verschiedene Artikel aufgeführt, die regelmäßig bzw. teilweise sogar stets im Rahmen „planbarer Operationen“ verwendet werden dürften. Beispielhaft ist auf die 0513000000 (Einmal-Punktionsnadeln zur Follikelentnahme bei In-vitro-Fertilisation (die IVF) im Rahmen des § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V) zu verweisen. Dieser Eingriff dürfte praktisch immer „geplant“ sein. Auch bei der Ziffer 0534000000 (Paukenröhrchen) konnte sich die Kammer keine nennenswerten Anwendungsbereiche vorstellen, wenn „geplante Operationen“ per se zu einem Ausschluss des Bezugs dieses Artikels über Sprechstundenbedarf führen würden. Der vom Beklagten angenommene „Ausschluss bei planbaren Operationen“ lässt sich der SSB-V daher schlicht nicht entnehmen. Unabhängig von dieser Frage war im hiesigen Verfahren darüber hinaus festzustellen, dass ein Ausschluss für planbare Operationen, wenn überhaupt, in solchen Konstellationen angenommen werden könnte, in denen bereits bei Festlegung des Operationstermins feststeht, dass ein konkreter Artikel benötigt wird, der auf den Namen des Patienten verordnet werden könnte. Hiervon war aufgrund der Verfahrensweise bei der Durchführung von Narkosen, so wie die Klägerin dies für die Kammer nachvollziehbar geschildert hat, jedoch nicht auszugehen. Die Klägerin hat ausgeführt, dass keineswegs jeder Patient vor Einleitung der Narkose ein Antiemetikum (hier in Form von Ondansetron) benötigt, sondern dass dies vom Ergebnis verschiedener Faktoren abhänge, die im Aufklärungsgespräch, das regelmäßig kurz vor der Anästhesie durchgeführt werde, erst in Erfahrung gebracht würden. So mache es u.a. einen Unterschied, ob der Patient männlich oder weiblich ist, Raucher oder Nichtraucher oder ob in der Vergangenheit bereits postoperative Übelkeit nach einer Narkose aufgetreten ist. Je nach Situation sei die Gabe von Ondansetron-Tabletten angezeigt, von denen je nach Patient ein bis zwei Tabletten einzunehmen seien.
Ondansetron lässt sich ferner auch unter einen Begriff, der in der Anl. 1 der SSB-V gelisteten Produkte fassen, nämlich die Ziffer 0207000000 (Mittel zur Prämedikation als Narkosevorbereitung). Soweit der Beklagte die Auffassung vertreten hat, dass unter diesen Begriff nur solche Mittel fielen, die – wie der Wortlaut der Anl. 1 zur SSB, Vereinbarung es vorgebe – unmittelbar zur Narkosevorbereitung dienten, sah die Kammer kein Grund, hierunter nicht in die Gabe eines Antiemetikums zu fassen, das der Vermeidung von Komplikationen anlässlich der Narkose dient. Unter Ziffer 02 (Mittel zur Narkose und Anästhesie, auch zur Schmerztherapie im Rahmen der Narkose) sind verschiedene Mittel aufgeführt, die zur Vorbereitung und Durchführung einer Narkose benötigt werden, insbesondere gibt es separate Ziffern, die die eigentliche Anästhesie betreffen (Mittel zur Lokalanästhesie, Mittel zur Leitungsanästhesie, Mittel zur i. v. Narkose, Mittel zur rektalen Narkose), sowie Mittel zur Inhalationsnarkose, Sauerstoff, Mittel zur Schmerztherapie im Rahmen der Narkose sowie medizinische Druckluft. Der Beklagte war nicht in der Lage, der Kammer mitzuteilen, welche Mittel denn überhaupt als „Prämedikation“ noch infrage kämen, wenn Mittel, die der Vermeidung von Komplikationen im Rahmen einer Narkose dienen und zu diesem Zweck vor der Narkose verabreicht werden müssen, nicht hierunter fallen. Aber selbst wenn es weitere Mittel gäbe: Die Kammer versteht den Begriff der „Prämedikation als Narkosevorbereitung“ so, dass hierunter alle Mittel fallen, die vor Durchführung der eigentlichen Anästhesie verabreicht werden müssen, um eine ordnungsgemäße und damit selbstverständlich auch drohende Komplikationen minimierende Anästhesie zu ermöglichen.
2.
Auch Vidisic Augengel durfte im Rahmen des Sprechstundenbedarfs von der Klägerin bezogen werden. Zunächst ist festzuhalten, dass auch dieses Arzneimittel von der Klägerin zur Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung verwendet wird (§ 3 Abs. 1 S. 1 SSB-V). Die Klägerin hat nachvollziehbar geschildert, dass keineswegs jeder Patient ein Augengel im Rahmen einer Narkose benötigt, sondern nur solche, die in Bauchlage operiert werden und solche, die trotz einer anderen Lage keinen vollständigen Lidschluss haben. Dies stelle sich erst während der Anästhesie heraus. Aus diesem Grund ist das Merkmal „zur Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung“ nach Auffassung der Kammer erfüllt.
Soweit der Beklagte der Auffassung ist, der Bezug über Sprechstundenbedarf scheitere daran, dass ein Ausschluss nach § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) bestünde, der gemäß § 5 Abs. 6 SSB-V auch im Rahmen der Sprechstundenbedarfsvereinbarung zu beachten sei, folgte die Kammer dem nicht. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 zwar an sich ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt jedoch gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss mit der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung – AM-RL in § 12 AM-RL i. V. m. Anlage I (OTC-Übersicht) getan. Gemäß Ziffer 46 der Anl. I der Arzneimittelrichtlinie können für den Fall der „sofortigen Anwendung“ apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die im Rahmen der ärztlichen Behandlung zur sofortigen Anwendung in der Praxis verfügbar sein müssen, verordnet werden, wenn entsprechende Vereinbarung zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den kassenärztlichen Vereinigungen getroffen worden sind. Eine solche Vereinbarung stellt die Sprechstundenbedarf-Vereinbarung, die die Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein getroffen haben dar. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 5 Abs. 6 S. 3 der SSB-V sind im Rahmen dieser Vereinbarung unter den oben genannten Voraussetzungen und der Arzneimittelrichtlinie (Anl. 1 Z. 46) entsprechend auch apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Medizinprodukte verordnungsfähig. Es existiert somit eine Vereinbarung, die den Bezug von Arzneimitteln zur sofortigen Anwendung im Rahmen des Sprechstundenbedarfs ermöglicht, auch wenn diese zwar apothekenpflichtig aber nicht verschreibungspflichtig sind. Das Vidisic Augengel wird für die sofortige Anwendung von der Klägerin bezogen, da es keinen Grund gibt den Begriff der „sofortigen Anwendung“ anders auszulegen als den Begriff der „Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung“. Und dass eine solche gegeben ist, wurde bereits ausgeführt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung entspricht der Höhe des Regresses.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben, da die Kammer die Berufung aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Es gibt bei Gericht von der Klägerin mehrere Verfahren, die den hier streitigen Bezug von Ondansetron und verschiedenen Augengels oder – salben zum Gegenstand haben. Darüber hinaus soll es nach dem Vortrag der Klägerin auch Regressverfahren anderer Ärzte geben, weshalb der Verband der Anästhesisten das hiesige Verfahren unterstütze, um Planungssicherheit zu erhalten. Unabhängig davon sind bei Gericht auch mehrere andere Verfahren anhängig, in denen der Beklagte Regresse darauf stützt, dass verschiedene Artikel nicht bezogen werden dürfen, wenn sie im Rahmen geplanter Eingriffe verwendet werden. Dabei legt er den Begriff teils sehr weit aus und fasst hierunter teils alle Behandlungen, die „mit Termin“ erfolgen (beispielsweise die Verwendung von Infusionsbestecken, die für die Durchführung einer Chemotherapie verwendet werden, für die ein Patient „einbestellt“ wurde). Diese Rechtsfrage sollte daher zweitinstanzlich geklärt werden können, um diesbezüglich Rechtssicherheit zu bekommen. Andere Entscheidungen zu diesem Themenkomplex existieren soweit ersichtlich bislang nicht.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.