1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des an den Kläger zu leistenden Krankengelds nach vorausgegangenem Bezug von Übergangsgeld streitig.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger bezog ab 16.11.2015 Übergangsgeld durch die Deutsche Rentenversicherung Hessen (DRV) anlässlich von Leistungen zur Teilhabe. Mit Bescheid vom 11.12.2015 setzte die DRV das Übergangsgeld ab 16.11.2015 auf 39,79 Euro und ab 01.04.2016 auf 40,83 Euro fest. Dieser Berechnung lagen ein durch die DRV festgestelltes Regelentgelt in Höhe von 87,33 Euro kalendertäglich und ein kalendertägliches Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 57,24 Euro zu Grunde. Sie führte weiter aus, dass die Berechnungsgrundlage des Übergangsgeldes grundsätzlich 80 Prozent des kalendertäglichen Regelentgelts (69,86 Euro), jedoch nicht mehr als das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt betrage, weshalb dieses vorliegend die Berechnungsgrundlage darstelle. Das Übergangsgeld betrage 68 Prozent der Berechnungsgrundlage.
Am 23.08.2016 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig an einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33.2), festgestellt durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin C. Am 30.08.2016 brach er die Fortbildungsmaßnahme bei der DRV ab. In der Folge bezog der Kläger vom 31.08.2016 bis zum 19.02.2018 Krankengeld von der Beklagten.
Mit Bescheid vom 28.11.2016 informierte die Beklagte den Kläger, dass sein Krankengeld 31,79 Euro brutto (27,97 Euro netto) täglich betrage. Mit E-Mail vom selben Tage erläuterte die Beklagte dem Kläger ihre Berechnung. Das tägliche Bruttokrankengeld errechne sich aus 70 Prozent der beitragspflichtigen Einnahme, welche 80 Prozent von 65 Prozent des Regelentgelts betrage.
Gegen den Bescheid vom 09.12.2016 erhob der Kläger Widerspruch und wandte sich gegen die Berechnung des Krankengeldes. Er führte hierzu aus, dass 70 Prozent der beitragspflichtigen Einnahme, mithin 80 Prozent des Regelentgelts der Berechnung zu Grunde zu legen seien, mithin ein Krankengeld von 48,90 Euro zu leisten sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2017 hielt die Beklagte an ihrem Berechnungsweg fest und wies den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen erhob der Kläger aus den Gründen seines Widerspruchs Klage zum Sozialgericht Wiesbaden am 15.05.2017. Die Rechtsprechung zur vorliegenden Sachlage sei uneinheitlich. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.05.2009 (Az. B 1 KR 16/08 R) sei nicht eindeutig. Das Krankengeld sei entsprechend der Rechtsprechung des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 15.09.2017 (Az. S 51 997/14) aus 70 Prozent des Regelentgelts zu berechnen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2017 zu verurteilen, das kalendertägliche Bruttokrankengeld mit mindestens Brutto 48,90 Euro zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass das Krankengeld 70 Prozent von 80 Prozent des Betrages, der dem Übergangsgeld zu Grunde liegt, vorliegend das Nettoarbeitsentgelt, betrage. Hierzu beruft sie sich auf die Entscheidung des BSG vom 05.05.2009. Ab dem 31.08.2016 sei daher von der Beklagten ein Bruttokrankengeld in Höhe von 33,62 Euro zu gewähren und ab 01.04.2017 in Folge der Dynamisierung in Höhe von 34,61 Euro. Mit fünf Bescheiden vom 23.07.2020 setzte die Beklagte das tägliche Krankengeld des Klägers sodann von 31.08.2016 bis 31.12.2016 in Höhe von 33,62 Euro (29,58 Euro netto), von 01.01.2017 in Höhe von 33,62 Euro (29,58 Euro netto), von 01.04.2017 bis 31.07.2017 in Höhe von 34,61 Euro (30,41 Euro netto), von 01.08.2017 bis 31.12.2017 in Höhe von 34,61 Euro (31,37 Euro netto) und von 01.01.2018 bis 19.02.2018 in Höhe von 34,61 Euro (31,39 Euro netto) fest.
Hinsichtlich des Sach- bzw. Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Beklagte hat die Höhe des dem Kläger zustehenden Krankengeld zutreffend mit den Bescheiden vom 23.07.2020 berechnet. Die Bescheide vom 23.07.2020 wurden gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens.
Unstreitig lagen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von Krankengeld nach §§ 44ff. Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V) beim Kläger vor. Gegenteiliges ist für das Gericht auch nicht ersichtlich. Die Beteiligten streiten sich ausschließlich über die Höhe des zu leistenden Bruttokrankengeldes.
Für den Kläger gilt dabei zunächst die Regelung des § 47 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 2 SGB V. Hiernach beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war.
Dabei war der Kläger als Teilnehmer an einer Leistung zur Teilhabe zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, sondern nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Die Mitglieder nach Nummer 6 fallen nach Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung unter § 47 Abs. 2 S. 2 SGB V (Kassler Kommentar/ Schiffdecker, 116. EL September 2021, SGB V § 47 Rn. 83 m.w.N.)
Nach § 235 Abs. 1 S. 1 SGB V gelten für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 versicherungspflichtigen Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als beitragspflichtige Einnahmen 80 Prozent des Regelentgelts, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde liegt.
Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, wie mit der vorliegenden Sachlage, dass das Regelentgelt nicht der Berechnung des Übergangsgeldes zu Grunde liegt, umzugehen ist.
Denn vorliegend wurde das Übergangsgeld von der DRV zutreffend nach § 46 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.) – entspricht § 66 Abs. 1 S. 1 SGB IX n.F. – berechnet. Danach gilt: der Berechnung des Übergangsgelds werden 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt), zugrunde gelegt, höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des § 47 a.F. (§ 67 n.F.) berechnete Nettoarbeitsentgelt. Letzteres war vorliegend der Fall, weshalb die DRV das Übergangsgeld aus dem Nettoarbeitsentgelt berechnete.
Dabei beruft sich die Beklagte aus Sicht des Gerichts zutreffend auf das Urteil des BSG vom 05.05.2009 Az. B 1 KR 16/08 R, wonach vorliegend dann das Nettoarbeitsentgelt als Regelentgelt zu berücksichtigen war. Dieses führt insoweit aus:
„Die Beklagte hat aus der Anwendbarkeit von § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V auch zutreffend gefolgert, dass 80 vH des Bemessungsbetrages, den die BfA für das unmittelbar vor Krg-Beginn gewährte Übg zugrunde gelegt hat, als Regelentgelt zu berücksichtigen sind. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Neuregelung ist § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V nämlich so zu lesen, dass für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag gilt, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgebend war. Lediglich bei versicherten Selbstständigen ist dagegen derjenige kalendertägliche Betrag maßgeblich, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. Der Gesetzgeber wollte mit der Ergänzung des § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V um die Worte "aus Arbeitseinkommen" die gesetzliche Regelung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Regelentgeltberechnung bei Selbstständigen im Sinne einer Klarstellung der geltenden Rechtslage anpassen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Verwaltungsvereinfachungsgesetzes, BR-Drucks 676/04, S 48, zu Art 4 Nr 2 <§ 47 SGB V>). Der Gesetzgeber wollte mithin nicht bewirken, dass andere als selbstständige Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, aber bisher Krg-berechtigt waren, durch eine Änderung der Berechnungsvorschriften vom Krg-Bezug künftig ausgeschlossen werden.“
Dabei war das Übergangsgeld des Versicherten aus dem Verfahren vor dem BSG auch nicht aus dem Regelentgelt berechnet worden, sondern nach § 48 SGB IX a.F. (§ 68 SGB IX n.F.), wonach die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld aus 65 Prozent des tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelts ermittelt wird, soweit nicht die Berechnung nach den §§ 46,47 SGB IX a.F. zu einem höheren Betrag führt.
Mit dem SG Berlin (Urteil vom 15.09.2017, S 51 KR 99/17) führt der Kläger hiergegen an, dass die Entscheidung des BSG insoweit nicht eindeutig sei. Das Bundessozialgericht verwende den Begriff der Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld und den Begriff des Regelentgelts quasi synonym. Die Tatsache, dass dies nicht (erst) in den Entscheidungsgründen – nach einer entsprechenden Begründung oder Klarstellung – so erfolge, sondern bereits im Tatbestand auf die Unterscheidung keinen Wert gelegt werde zeige, dass sich das BSG die im Wortlaut des § 235 Abs. 1 S. 1 SGB V angelegt Zweideutigkeit offenbar nicht bewusstgemacht habe (SG Berlin, a.a.O.).
Dem ist entgegenzuhalten, dass das Bundessozialgericht sehr wohl zwischen der Berechnungsgrundlage (§ 48 SGB IX a.F.) und dem Regelentgelt im Sinne des § 47 SGB V unterscheidet. Insoweit sind die Ausführungen konsequent als es jeweils von „als Regelgelt“ spricht. Dabei greift es die Formulierung des § 47 Abs. 4 S. 2 SGB V auf. Auch im Tatbestand führt das BSG aus:
„Ausgehend von der Berechnungsgrundlage für das Übg von 64,85 Euro knüpfte sie an einen Anteil von 80 vH dieses Regelentgelts an, das als beitragspflichtige Einnahme für versicherungspflichtige Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt, und berechnete hiervon 70 vH, gestützt auf § 47 Abs 4 Satz 2 und Abs 1 Satz 1 SGB V (Bescheid vom 16.9.2004).“ (BSG, a.a.O.)
Mit der Formulierung „dieses Regelentgelts“ bleibt das Urteil insoweit konsequent, denn letztlich ist vorliegend streitig, was als Regelentgelt nach § 47 SGB V der Berechnung des Krankengelds zu Grunde zu legen ist.
Nach Überzeugung des Gerichts ist der Entscheidung des BSG insoweit auch zu folgen, denn nur so findet, der Relativsatz („Regelentgelt, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde liegt.“) im Rahmen des § 235 Abs. 1 S. 1 SGB V auch bei Berechnung des Übergangsgeldes nach § 48 SGB IX a.F. oder aus dem Nettoarbeitsentgelt nach § 47 SGB IX a.F. einen Anknüpfungspunkt (so auch SG Oldenburg, Urteil vom 05.04.2018, S 63 KR 163/16).
Die Höhe der Krankengeldberechnung, wie sie die Beklagte mit den Bescheiden vom 23.07.2020 vorgenommen hat, ist daher nach Auffassung des Gerichts zutreffend und die Klage demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.