L 10 KO 2115/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 KO 2115/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die Kosten für eine Begleitperson im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Untersuchung können auch bei fehlender objektiver Notwendigkeit aus Vertrauensschutzgründen zu entschädigen sein, wenn der Sachverständige in der Einladung zur Untersuchung zur Mitnahme einer Vertrauensperson auffordert.
2. Die Kosten für die Begleitperson nach § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG sind die notwendigen baren Auslagen des Herangezogenen. Eine Entschädigung nach Pauschalen wie § 6 JVEG aber auch eine Begrenzung des Verdienstausfalls nach Maßgabe des § 22 JVEG findet nicht statt.
3. Eine Entschädigung für Zeitversäumnis ist nur dann zu gewähren, wenn durch die Teilnahme an dem Gerichtstermin ein Nachteil entstanden ist. Bei Beteiligten des Verfahrens können eventuelle Einschränkungen in der Freizeitgestaltung infolge der Wahrnehmung eines Gerichtstermins idR nicht als entschädigungspflichtiger Nachteil angesehen werden.

Die Entschädigung der Antragstellerin anlässlich der Wahrnehmung des Untersuchungstermins am 10.04.2024 wird auf 420,56 € festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.



Gründe

I.


Die Antragstellerin begehrt eine (höhere) Entschädigung wegen der Teilnahme an einem Untersuchungstermin im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Begutachtung.

Im Berufungsverfahren L 5 R 1448/23 begehrte die Antragstellerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Von Amts wegen wurde der Facharzt D1 zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit ihrer Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung beauftragt. In seinem Einladungsschreiben an die Antragstellerin zum Untersuchungstermin war folgender, fett gedruckter Absatz enthalten: „Bitte bringen Sie zu Ihrem Termin Ihre Röntgenbilder + CDs sowie eine Vertrauensperson Ihrer Wahl mit.“ Die Klägerin erschien zum Untersuchungstermin am 10.04.2024 in Begleitung ihres Ehemannes.

Mit ihrem am 04.06.2024 eingegangenen Antrag auf Entschädigung hat die Antragstellerin Fahrtkosten für die Fahrt mit dem Pkw (546 km), Verdienstausfall für ihren Ehemann i.H.v. 215,46 € (unter Vorlage einer Bestätigung seines Arbeitgebers) sowie Aufwand/Zehrkosten i.H.v. 50 € geltend gemacht und die Zeit ihrer Abwesenheit von der Wohnung mit 7.30 bis 17.15 Uhr angegeben. Auf Nachfrage hat der Sachverständige dargelegt, dass die Anwesenheit einer Begleitperson nicht erforderlich, aber von ihm gewünscht gewesen sei. Prinzipiell wünsche er die Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der Begutachtung einer Frau, da er niemals durch eine eventuelle diesbezügliche Aussage in den Verdacht geraten wolle, bei der körperlichen Untersuchung sexistische Handlungen vorgenommen zu haben.

Mit Kostenfestsetzung vom 25.06.2024 hat die Urkundsbeamtin die zu erstattenden Kosten auf 245,10 € festgesetzt. Dabei hat sie eine Kilometerpauschale i.H.v. 191,10 € (546 km x 0,35 €), Tagegeld i.H.v. 14 € und 40 € für Freizeitausgleich (10 Stunden à 4 €) berücksichtigt. Die Kosten für eine Begleitperson könnten nicht erstattet werden, da der Sachverständige die Notwendigkeit einer Begleitperson aus gesundheitlichen Gründen nicht bescheinigt habe.

Mit ihrem Antrag auf richterliche Kostenfestsetzung hat die Antragstellerin unter Hinweis auf das Einladungsschreiben des Sachverständigen dargelegt, dass sie mit der Ablehnung der Kostenerstattung für die Begleitperson nicht einverstanden sei.

Der Antragsgegner hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Wunsch des Sachverständigen, sich vor etwaigen Anschuldigungen hinsichtlich sexueller Handlungen zu schützen, nicht im Geringsten eine pauschale Erforderlichkeit einer Begleitperson zu Lasten der Staatskasse begründe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die beigezogene Akte L 5 R 1448/23 Bezug genommen.

II.


Die der Antragstellerin zustehende Entschädigung ist auf 420,56 € festzusetzen.

Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg nach § 4 Abs. 7 Satz 3 JVEG durch seine berufsrichterlichen Mitglieder ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter, da die Einzelrichterin das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen hat.

Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an die Gesamthöhe der Festsetzung durch die Urkundsbeamtin oder den Antrag der Beteiligten gebunden. Das Verbot der „reformatio in peius“, das sog. Verschlechterungsverbot, gilt nicht. Das Gericht kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Weber in Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., § 4 JVEG Rn. 25 f.). Insoweit ist die zu erstattende Summe allerdings nicht durch den in der Antragstellung genannten Betrag von 265,46 € beschränkt, denn die Antragstellerin hat lediglich den Verdienstausfall und die Zehrkosten addiert, jedoch gleichzeitig durch Ankreuzen und Angabe der gefahrenen Kilometer zu erkennen gegeben, dass auch die Fahrtkosten entschädigt werden sollen. Dass die Antragstellerin die Fahrtkosten - möglicherweise mangels Kenntnis der maßgebenden Sätze - nicht beziffert hat, steht der Entschädigung nicht entgegen.

Nach § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werden einem Beteiligten, der - wie hier die Antragstellerin - zu dem durch Kostenfreiheit privilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört und dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Dem steht gleich, wenn ein medizinischer Sachverständiger auf Anordnung des Gerichts tätig wird und einen Beteiligten zur Untersuchung einlädt (Lange in jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 191 Rn. 15, Stand 15.06.2022). Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet; hierzu gehören Fahrtkostenersatz (§ 5), Entschädigung für Aufwand (§ 6), Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).

Fahrtkostenersatz
Nach § 5 Abs. 1 JVEG werden die Kosten für öffentliche Beförderungsmittel, nach Abs. 2 die Kosten für Kraftfahrzeuge mit 0,35 € pro gefahrenen Kilometer ersetzt. Die insoweit zu berücksichtigenden Kosten belaufen sich auf 191,10 € (546 km à 0,35 €).

Entschädigung für Aufwand
Als Entschädigung für Aufwand ist nach § 6 Abs. 1 JVEG ein pauschaliertes Tagegeld i.H.v. 14 € bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden vom Wohnort - wie im vorliegenden Fall gegeben - zu gewähren.

Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten pauschal abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht bis unter 24 Stunden am Kalendertag ist ein Pauschalbetrag von 14 € anzusetzen (§ 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG). Auf die tatsächliche Höhe der Aufwendungen kommt es nicht an.

Kosten für die Begleitperson
Der dem Ehemann der Antragstellerin als Begleitperson entstandene Verdienstausfall ist zu entschädigen.

Gemäß § 7 Abs. 1 JVEG werden auch die in den §§ 5, 6 und 12 nicht besonders genannten baren Auslagen ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen. Die Notwendigkeit der Begleitung und der dabei entstandenen Kosten im Sinne einer doppelten Notwendigkeitsprüfung sind nach objektiven Kriterien zu ermitteln, es handelt sich um eine Tatfrage, die vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden ist (vgl. Weber in Toussaint, a.a.O., § 7 JVEG Rn. 15; Schneider in Schneider, JVEG, 4. Aufl., § 7 Rn. 39 f.). Objektiv erforderlich ist eine Begleitperson z.B., wenn der Herangezogene wegen gesundheitlicher Einschränkungen, starker Belastungen, aufgrund seines jugendlichen Alters oder einer Betreuung einer Begleitung bedarf (Schneider in Schneider, a.a.O. Rn. 40). Davon abgesehen sind die Kosten einer Begleitung auch dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme einer Begleitperson aus wirtschaftlichen Gründen, d.h. bei Berücksichtigung der entstehenden Gesamtkosten, angezeigt ist. Daran ist z.B. dann zu denken, wenn durch die Anreise mit einer Begleitperson höhere Kosten vermieden werden können, etwa für Übernachtung oder Taxifahrten (vgl. Bayerisches LSG 24.05.2012, L 15 SF 24/12 B, zitiert - wie sämtliche Rechtsprechung - nach juris). Derartige objektive Gründe für eine Kostenübernahme liegen hier im konkreten Fall nicht vor, wie auch der Sachverständige ausdrücklich bestätigt hat.

Ausnahmsweise sind über die Regelungen des JVEG hinaus, die die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Begleitperson voraussetzen, zudem aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die Kosten einer Begleitperson zu erstatten. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er in Begleitung anreisen durfte. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich das Gericht daher zurechnen lassen muss (vgl. Bayerisches LSG 18.07.2016, L 15 SF 176/16; Schneider in Schneider, a.a.O. Rn. 41). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Aufforderung des Sachverständigen an die Antragstellerin, zur Begutachtung mit einer Begleitperson zu erscheinen, ist dem Gericht zuzurechnen. Denn der Sachverständige wird nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 404 Abs. 1 Satz 1, § 404a Zivilprozessordnung als „Gehilfe“ (Bundessozialgericht - BSG -  27.10.2022, B 9 SB 1/20 R, Rn. 26; 07.09.2017, B 10 ÜG 1/16 R, Rn. 41; Senatsurteil vom 14.12.2023, L 10 R 2331/23, Rn. 50 m.w.N.) bzw. als „Berater“ (Bundesgerichtshof 03.03.1998, X ZR 106/96, Rn. 24) des Gerichts tätig, weil diesem die Sachkunde für den zu begutachtenden Bereich fehlt. Die mit der Einbestellung der Antragstellerin verbundene Aufforderung des Sachverständigen, eine Begleitperson zur Untersuchung mitzubringen, hat damit eine dem Gericht zuzurechnende Vertrauensposition der Antragstellerin begründet, welche die Entschädigung der insoweit entstandenen Kosten dem Grunde nach gebietet.

Die Kosten einer Begleitperson werden ersetzt, wenn diese objektiv notwendig waren und dem Herangezogenen dadurch Aufwendungen entstanden sind. Der Ersatz von Aufwendungen verlangt grundsätzlich „bare Auslagen“ des Beteiligten und damit den Nachweis eines Zahlungsflusses (Bayerisches LSG 03.06.2014, L 15 SF 402/13 E). Ist der Verdienstausfall einem Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandten in gerader Linie, mit dem der zu Begleitende in einem gemeinsamen Haushalt lebt und gemeinsam wirtschaftet, entstanden und liegt darüber ein Nachweis des Arbeitgebers des Ehegatten usw. vor, reicht dieses aus. Zwar ist dann nicht belegt, dass es sich um Aufwendungen des Herangezogenen handelt. Es wäre aber bloßer Formalismus, wenn der Herangezogene dem Begleiter diese Aufwendungen zunächst erstatten müsste, um sie dann bei Gericht als seine Auslagen geltend zu machen (Bayerisches LSG 21.10.2015, L 15 RF 38/15; Sächsisches LSG 08.09.2014, L 8 SF 144/13 E; Weber in Toussaint, a.a.O. Rn. 17).

Die Höhe der Kosten für die Begleitperson richtet sich nicht unmittelbar nach den Vorschriften des JVEG. Es gilt der Grundsatz der vollen Kostenerstattung, eine Begrenzung sieht § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG nicht vor. Insbesondere werden die für die Begleitperson berücksichtigungs- und damit entschädigungsfähigen Kosten nicht den Vorgaben unterworfen, die für die Entschädigung von Zeugen und Beteiligten selbst gemäß § 19 JVEG in Verbindung mit den jeweiligen Entschädigungstatbeständen gelten. Maßgeblich sind daher die tatsächlich dem begleiteten Zeugen oder Beteiligten für die Begleitung entstandenen Kosten, nicht eine (fiktive - z.B. die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG -, pauschale - z.B. die Regelung zum Tagegeld gemäß § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG - oder begrenzte - z.B. die Entschädigung für Verdienstausfall auf einen Höchstsatz von 25 € je Stunde gemäß § 22 JVEG -) Entschädigung, wie sie die Begleitperson, die ohnehin keinen eigenen Anspruch nach dem JVEG hat, nach den Regelungen des JVEG erhalten würde, wenn sie selbst Zeuge oder Beteiligter wäre (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Saarbrücken 08.08.2022, 4 W 12/22; Bayerisches LSG 21.10.2015, L 15 RF 38/15, Rn. 38; Schneider in Schneider, a.a.O. Rn. 43; Weber in Toussaint, a.a.O. Rn. 16; a.A. Thüringer LSG 25.05.2011, L 6 SF 152/11 E; Hartmann, Kostengesetze online, Stand 11/2022, JVEG § 7 Rn. 11).

Nach diesen Grundsätzen ist der vom Arbeitgeber bestätigte Verdienstausfall des begleitenden Ehemannes i.H.v. 215,46 € für acht Stunden zu erstatten. Es handelt sich bei dem hier bescheinigten Stundenlohn von 26,93 € nicht um ungewöhnlich hohe Kosten, weshalb es vorliegend keiner Entscheidung bedarf, welche Folgen eine fehlende vorherige Mitteilung des Berechtigten an das Gericht hinsichtlich drohender Mehrkosten hätte (vgl. Schneider in Schneider, a.a.O.  Rn. 41; Bleutge in BeckOK Kostenrecht, Stand 01.07.2024, JVEG § 7 Rn. 21).

Weitere Kosten sind für die Begleitperson nicht zu erstatten. Das Tagegeld als pauschale Entschädigung nach § 6 JVEG kommt nicht in Betracht, wie dargelegt (vgl. auch OLG Saarbrücken, 08.08.2022, 4 W 12/22; Sächsisches LSG 08.09.2014, L 8 SF 144/13 E). Konkrete Aufwendungen für Verzehr hat die Antragstellerin weder dargelegt, noch gar belegt.

Entschädigung für Zeitversäumnis
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis steht der Antragstellerin nicht zu. Unerheblich ist, dass der Antragstellerin seitens der Urkundsbeamtin für eine Zeitversäumnis von 10 Stunden eine Entschädigung in Höhe von 40 € zugestanden wurde. Bei einem Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 JVEG ist das Gericht nicht an die vormalige Festsetzung gebunden, wie bereits dargelegt.

Die Voraussetzungen für eine solche Entschädigung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG beträgt 4 € je Stunde, soweit weder für einen Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung zu gewähren ist, es sei denn, dem Zeugen oder Beteiligten ist durch seine Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden. Zwar hat die nicht erwerbstätige Antragstellerin weder einen zu entschädigenden Verdienstausfall erlitten, noch sind Nachteile bei der Haushaltsführung zu entschädigen

Indes erleidet ein Prozessbeteiligter, dessen Verfahrensstellung und eigenes Interesse am Verfahrensausgang sich deutlich von der Situation eines Zeugen unterscheidet, durch die Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu einem Gerichtstermin oder einem Untersuchungstermin wegen einer Begutachtung in eigener Sache keinen Nachteil. Aufgrund seines Interesses am Verfahrensausgang muss ein Prozessbeteiligter bereit sein, mehr hinzunehmen, als einem Zeugen zugemutet werden kann. Eventuelle Einschränkungen in der Freizeitgestaltung infolge der Durchführung eines Gerichtstermins in eigener Sache können bei einem Prozessbeteiligten daher nicht als entschädigungspflichtiger Nachteil angesehen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.12.2023, L 10 KO 2265/23 B; Thüringer LSG 30.06.2020, L 1 JVEG 122/20 und 28.11.2019, L 1 JVEG 967/19; SG Karlsruhe 26.10.2017, S 1 KO 3624/17; Bleutge a.a.O., JVEG § 20 Rn. 10; Krauß in BeckOGK SGG, Stand 01.08.2024, § 191 Rn. 33; Lange in jurisPK-SGG, a.a.O. Rn. 36; a.A. Bayerisches LSG 24.11.2016, L 15 RF 31/16 und 30.07.2012, L 15 SF 439/11). Dies gilt auch für eventuelle Einschränkungen in der Freizeitgestaltung infolge der Durchführung einer Begutachtung in eigener Sache (Thüringer Thüringen 15.04.2021, L 1 JVEG 122/19).

Die zu entschädigenden Kosten belaufen sich damit auf 191,10 € Fahrtkosten, 14 € Tagegeld und 215,46 € Verdienstausfall der Begleitperson, insgesamt somit 420,56 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).


 

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