L 10 KO 662/24 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KO 3665/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 KO 662/24 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Der für die Begutachtung maßgebende Zeitaufwand für tabellarische Darstellungen zur Beurteilung und Beantwortung von Beweisfragen (hier: Module zur Ermittlung des Pflegegrads) kann nur eingeschränkt nach den Grundsätzen der Plausibilitätsprüfung geprüft werden.
2. Durch Pflegefachkräfte erstellte Gutachten zur Feststellung des Pflegegrads nach dem SGB XI werden i.d.R. nach Honorargruppe M2 vergütet.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2024 abgeändert. Die Vergütung der Antragstellerin für ihr Gutachten vom 27.10.2022 wird auf 1.643,10 € festgesetzt.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.



Gründe

I.

In dem beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängig gewesenen Klageverfahren S 28 P 1374/22, in dem es um den Pflegegrad der dortigen Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) ging, wurde die Antragstellerin zur gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines (Pflege-)Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung der Klägerin im Rahmen eines Hausbesuchs gebeten. Im Oktober 2022 erstattete sie ihr Gutachten, wofür sie eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.643,10 € verlangt hat (Rechnung vom 27.10.2022). Abgerechnet hat die Antragstellerin 1 Stunde Aktendurchsicht, 2 Stunden Untersuchungszeit, 1,5 Stunden Fahrzeit, 11 Stunden Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen, 1,5 Stunden Korrektur, insgesamt 17 Stunden nach der Honorargruppe M2, Fahrtkosten (80 x 0,42 € = 33,60 €), Schreibgebühren (64,50 €) und die Portopauschale (15 €).

Die Kostenbeamtin hat Fahr- und Untersuchungszeit antragsgemäß und nach der Plausibilitätsprüfung errechnete 7,49 Stunden für die Abfassung des Gutachtens berücksichtigt (Aktenstudium 0,67 Stunden, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen 5,5 Stunden, Korrektur 1,32 Stunden), insgesamt 11 Stunden nach der Honorargruppe M2. Zusätzlich hat sie jeweils antragsgemäß Fahrtkosten, Schreibgebühren und Porto, insgesamt einen Betrag von 1.103,10 € vergütet.

Mit ihrem Antrag auf richterliche Festsetzung hat die Antragstellerin an ihrer Forderung festgehalten und ausgeführt, entgegen der Auffassung der Kostenbeamtin würden im Begutachtungsverfahren nach SGB XI nicht lediglich gesundheitliche Einschränkungen des Alltags ermittelt und schon gar kein Grad der Behinderung. Zudem spiele die ärztliche Diagnosestellung zunächst überhaupt keine Rolle bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit, sondern es würden die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ermittelt und anhand in der Begutachtungsrichtlinie definierten Modulen gewertet. Die Beantwortung der Beweisfragen sei nicht lediglich mit der Eingabe in den Pflegegradrechner und dem Ausdruck der Tabellen und dem ermittelten Pflegegrad erledigt, sie habe 17 Beweisfragen zu beantworten gehabt. Auch die notwendige lückenlose Betrachtung und Bewertung aller Hinweise, Tatsachen und Hilfstatsachen erledige der Pflegegradrechner nicht mit. Tatsächlich habe sie bei der Durchsicht der Akten und der Korrektur sehr viel mehr Zeit benötigt. Die Gesamtzeit für die Erstellung des Gutachtens habe tatsächlich 17 Stunden weit überschritten.

Das SG hat mit Beschluss vom 17.01.2024, der Antragstellerin zugestellt am 27.01.2024, das Honorar in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin auf 1.103,10 € festgesetzt. Es hat u.a. ausgeführt, dass vorliegend eine genaue Beurteilung nur eingeschränkt möglich sei, da die Antragstellerin nicht wie üblich die Anamnese und die Beurteilung bzw. die Beantwortung der Beweisfragen getrennt im Gutachten aufgelistet habe. Dass in dem Kürzungsschreiben der Kostenbeamtin die Darstellung der Module und die Wiedergabe der Aktenlage abgezogen worden sei, sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da die Wiedergabe der Aktenlage bereits im Zeitaufwand für das Aktenstudium berücksichtigt worden sei. Dass die Position Aktenlage nicht doppelt vergütet werden könne, liege auf der Hand. Das Gericht ziehe die Angabe der Antragstellerin nicht in Zweifel, dass sie tatsächlich 17 Stunden für die Erstellung des Gutachtens gebraucht habe, jedoch sei lediglich die „erforderliche“ Zeit vergütungsfähig und nicht die Zeit, die der Sachverständige im konkreten Fall benötigt habe.

Mit ihrer hiergegen am 26.02.2024 eingelegten Beschwerde hat die Antragstellerin moniert, es sei nicht beschrieben worden, an welchen Stellen sie die Module „dargestellt“ und Aktenlage wiedergegeben haben solle. Der Abzug sei willkürlich erfolgt. Bei der Beantwortung erwähne sie stets die Stelle in der Aktenlage, zu der sie Stellung nehme. Die Module führe sie ebenfalls i.d.R. nicht auf, sondern erwähne lediglich die maßgebende Stelle in den Begutachtungsrichtlinien. Ganz selten führe sie den genauen Wortlaut der Anamnese oder der Richtlinien zum besseren Verständnis aus und ganz sicher vorliegend nicht in einem Umfang, der einen Abzug von sechs Stunden rechtfertige. 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte und die beigezogenen Akten S 10 KO 3665/22 und S 28 P 1374/22 Bezug genommen.

II.


Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 3 JVEG durch seine berufsrichterlichen Mitglieder ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter, da die Einzelrichterin das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen hat.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen bemessen ist. Dementsprechend wird es gem. § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages.

Zur Prüfung der „erforderlichen“ Stunden hat der Kostensenat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg anhand der Prüfung einer Vielzahl von Gutachten und eigener Erfahrung Erfahrungssätze entwickelt. Danach gilt (ständige Rechtsprechung des Kostensenats, vgl. Beschluss vom 22.09.2004, L 12 RJ 3868/04 KO-A, u.a. in juris und MedR 2006, 118 und Beschluss vom 14.01.2014, L 12 KO 4491/12 B, u.a. in juris und GesR 2014, 555), dass in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die Angaben des Sachverständigen zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand, wie sie von ihm in den mit dem Gutachtensauftrag übersandten Hinweisen unter Versicherung deren Richtigkeit verlangt werden, zutreffen und dass die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Vor diesem Hintergrund findet lediglich eine Plausibilitätsprüfung nach den vom Kostensenat in den genannten Entscheidungen aufgestellten Kriterien statt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sachverständige eine Abrechnung vorlegt, anhand derer eine solche Prüfung vorgenommen werden kann.

Dabei ist aber immer zu beachten, dass das rechnerische Ergebnis der Plausibilitätsprüfung nicht den erforderlichen und damit zu vergütenden Zeitaufwand ausweist. Das wäre eine Abrechnung nach Pauschalen, der der Kostensenat eine Absage erteilt hat (Beschluss vom 05.04.2005, L 12 SB 795/05 KO-A, in juris). Dem entsprechend ist zu prüfen, ob Besonderheiten erkennbar sind, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung erfordern. Solche Besonderheiten liegen selbstverständlich dann vor (weil die Plausibilitätsprüfung nicht den erforderlichen Zeitaufwand ausweist) und der Sachverständige ist insoweit antragsgemäß zu vergüten, wenn er weniger Stunden zur Abrechnung stellt, als nach der Plausibilitätsprüfung errechnet. In diesem Fall ist aber auch zu prüfen, ob und inwieweit ggf. geringerer Zeitaufwand für einen Teil des Gutachtens durch einen höheren Zeitaufwand in einem anderen Teil des Gutachtens ausgeglichen wird und daher die rechnerischen Ergebnisse der Plausibilitätsprüfung anzupassen sind.

Zusammengefasst gestaltet sich dieser Teil der kostenrechtlichen Prüfung so, dass in einem ersten Schritt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung das Gutachten und seine einzelnen Teile auf sogenannte Standardseiten mit 2.700 Anschlägen je Seite umgerechnet wird.

Anhand von Erfahrungswerten (Blätter je Stunde im Falle der Aktendurchsicht bzw. Seiten je Stunde) ist dann für die jeweilige Tätigkeit (Aktendurchsicht, Diktat von Anamnese und Befunden, Beurteilung einschließlich Beantwortung der Beweisfragen, Korrektur) ein Zeitaufwand zu ermitteln, der im Falle eines Routinegutachtens zu erwarten ist. Nach der Rechtsprechung des Kostensenats sind folgende Werte anzusetzen:
Für die Durchsicht der Akten einschließlich Diktat des für das Gutachten erforderlichen Akteninhalts bei Gutachten auf Grund ambulanter Untersuchung für bis zu 150 Aktenseiten mit bis zu 50 % gutachtensrelevantem Anteil eine Stunde,
für das außerhalb der Untersuchung erfolgte Diktat der Anamnese und der Befunde eine Stunde für acht Standardseiten (s.o.) im Falle der Darstellung standardisiert erhobener Anamnese und Befunde (häufig in orthopädischen Gutachten) bzw. eine Stunde für sechs Seiten bei ausführlicher und komplizierterer Darstellung (beispielsweise in psychiatrischen Gutachten),
für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen (ohne deren Wiedergabe) eine Stunde für eineinhalb Standardseiten und
für die Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht eine Stunde für zwölf Standardseiten.

Entsprechend der Berechnung der Standardseiten sind auch die einzelnen Teile der Plausibilitätsprüfung mathematisch korrekt, zumindest auf eine Dezimalstelle genau durchzuführen und erst danach ist in einem weiteren Schritt über Abweichungen zu befinden. Insbesondere die Rundungsregel des § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG findet erst am Ende der Prüfung auf die Gesamtstundenzahl Anwendung (Jahnke/Pflüger, JVEG, 28. Aufl., § 8 Rn. 17 m.w.N.; Schneider in Schneider, JVEG, 4. Aufl., § 8 Rn. 68).
Sofern der Sachverständige innerhalb des durch die Plausibilitätsprüfung gezogenen Rahmens bleibt oder diesen Rahmen nur geringfügig (10 %) überschreitet, wird er antragsgemäß entschädigt. Verlangt er erheblich mehr als die sich nach der Plausibilitätsprüfung ergebenden Stunden vergütet, muss diese Überschreitung nachvollziehbar sein, entweder auf Grund ohne weiteres erkennbarer oder auf Grund vom Sachverständigen vorgetragener besonderer, eine Abweichung von den allgemeinen Erfahrungswerten rechtfertigender Umstände.

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies:

Für die Aktendurchsicht sind 0,67 Stunden anzusetzen. Für die Fahrzeit und die Untersuchung setzt der Senat antragsgemäß 1,5 bzw. 2 Stunden an, allerdings unter Zurückstellung von Bedenken, weil diese „glatten“ Stundenangaben darauf hindeuten, dass die Antragstellerin ihren - wie sie versichert hat - tatsächlichen Zeitaufwand auf halbe bzw. volle Stunden aufgerundet hat, was unzulässig wäre (s.o.).

Für die Abfassung des Gutachtens (Diktat von Anamnese und Befunden sowie Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen) sind nach der Plausibilitätsprüfung im Ergebnis die geforderten 11 Stunden anzusetzen. Dabei ist die Prüfung vorliegend dadurch erschwert, dass die Antragstellerin ihr Gutachten nicht in der Form aufgebaut hat, die bei medizinischen Gutachten üblich ist mit einer deutlichen Unterteilung im Aufbau von Darstellung der Aktenlage, der Anamnese und Untersuchungsbefunde sowie der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen.

Allerdings hat das SG vorliegend nicht berücksichtigt, dass die Ausführungen im Gutachten von S. 2 bis 28 nur zu einem sehr geringen Teil eine Darstellung der Aktenlage bzw. der Anamnese und Untersuchungsbefunde enthalten und es sich vielmehr weitgehend bereits um die eigentliche Beurteilung handelt. Soweit der Textteil des Gutachtens betroffen ist, beläuft sich die Darstellung der Aktenlage über den Text verteilt auf ca. eine Seite (= 0,57 Standardseiten), die bereits mit der Aktendurchsicht vergütet ist. Eine Darstellung von Anamnese und Befunden findet sich auf 2 1/3 Seiten (u.a. Seite 2, 3, 13 des Gutachtens = 1,32 Standardseiten). Die Antragstellerin hat diese Position zwar nicht gesondert ausgewiesen, allerdings ist der entsprechende Aufwand unter dem Punkt „Beurteilung“ von ihr geltend gemacht worden. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist hier ein Zeitaufwand von 0,37 Stunden zu berücksichtigen.

Die Ausführungen der Antragstellerin zur Bewertung des Grades der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten anhand der Module mit der Einstufung anhand der vom Gesetzgeber in den §§ 14 und 15 sowie der Anlage 1 zu § 15 SGB XI vorgegebenen Maßstäbe in Punkten ist durch die Antragstellerin - wie sie zutreffend dargelegt hat - auf der Grundlage der von ihr erhobenen und dargelegten Anamnese und Befunde erfolgt. Mit der bloßen Darstellung von Befunden hat die Darstellung dieses Bewertungs- und Beurteilungsprozesses nichts gemein. Auch in medizinischen Gutachten ist die Beschreibung der aus den Befunden abgeleiteten qualitativen Einschränkungen der „Beurteilung“ zugeordnet.

Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass grundsätzlich die gesamte Darstellung der einzelnen Module und der Beurteilung der Fähigkeiten anhand dieser Module in die Plausibilitätsprüfung einfließt. Insbesondere bei Verwendung von Textvorlagen oder Bausteinen zur Konkretisierung der in den Modulen verwendeten Kriterien ist der sonst für die Beurteilung angenommene Zeitaufwand nicht angefallen. Dementsprechend sind solche Textpassagen, wenn sie einen erheblichen Umfang haben, aus der Ermittlung des Zeitaufwandes auszunehmen, wobei grundsätzlich nicht kleinlich vorgegangen werden soll. Im konkreten Fall ist allerdings ein entsprechender Anteil an der Diskussion der Module, der keine besondere gedankliche Arbeit erfordert, nicht festzustellen. Insbesondere hat die Antragstellerin vorliegend davon abgesehen, Textbausteine zum Inhalt der Module oder der Beurteilungsrichtlinien zu verwenden. Vielmehr enthalten ihre Ausführungen die konkrete Subsumtion der bestehenden Einschränkungen und Fähigkeiten in Auseinandersetzung mit den Vorgutachten des Medizinischen Dienstes und unter kritischer Würdigung der erhobenen Untersuchungsbefunde und (fremd-)anamnestischen Angaben. Der Textteil der Beurteilung beläuft sich im Gutachten damit insgesamt auf 16,83 Seiten (= 9,59 Standardseiten), was nach der Plausibilitätsprüfung einem Zeitaufwand von 6,39 Stunden entspricht.

Damit bleibt noch zu klären, wie die tabellarische Darstellung der Module im Rahmen der Plausibilitätsprüfung berücksichtigt werden kann. Es steht der Antragstellerin grundsätzlich frei, diese Bewertung entweder in Textform vorzunehmen, also jedes Kriterium einzeln wörtlich mit der Punktzahl nach § 15 Abs. 2 SGB X zu bewerten, oder sich zur Vereinfachung und im Sinne einer übersichtlichen Darstellung der tabellarischen Form der Anlage 1 zu § 15 SGB XI zu bedienen. Der zeitliche Aufwand für die gedankliche Vorbereitung dieser Bewertung unterscheidet sich nicht nach der Art der Darstellung im Gutachten. Es handelt sich insoweit nicht um eine einfache tabellarische Darstellung ohne Beurteilung. Vielmehr enthält die Darstellung jeweils Aussagen dazu, ob und inwieweit die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten der Klägerin gesundheitlich beeinträchtigt sind. Dazu ist für jedes Kriterium ein Punktwert angekreuzt, der den Grad der Einschränkung der Selbstständigkeit oder Fähigkeit entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ausdrückt. Jedes einzelne Kriterium ist mit dem jeweiligen Schweregrad dabei durch die Begutachtungsrichtlinien näher definiert und erfordert insoweit eine konkrete Subsumtion. Es handelt sich also nicht um die bloße Wiedergabe von Diagnosekriterien, Zitaten aus der Literatur, Bilder oder Grafiken, sondern um die Darstellung eines Beurteilungsergebnisses zur Beantwortung der Beweisfragen (so auch Bayerisches LSG 11.01.2021, L 12 SF 113/19, in juris). Die im Allgemeinen für die Kontrollberechnung des objektiv erforderlichen Zeitaufwandes gewählte Bezugnahme auf den Umfang des Gutachtens muss in einem Fall versagen, in dem der Sachverständige seine Beurteilungen komprimiert und übersichtlich in Tabellenform zusammenfasst, statt eine durchgehende wörtliche Darlegung seiner Überlegungen zu wählen. Denn anhand des Platzbedarfes einer wörtlichen Darstellung würde sich rechnerisch ein erheblich größerer Zeitaufwand ergeben als mit einer tabellarischen Darstellung. Aufgrund dieser Besonderheit ist bei Gutachten zu Fragen der Pflegebedürftigkeit und zur Bestimmung des Pflegegrades, bei denen gerade die Übertragung der Feststellungen aus der Untersuchung in die Bewertung nach § 15 SGB XI einschließlich der Anlage 1 zu § 15 SGB XI entscheidende Bedeutung zukommt, die bloße Anwendung der Erfahrungswerte, die mit der Anknüpfung an die Zahl der Anschläge auf eine rein wörtliche Darstellung abstellen, problematisch (weitergehend Bayerisches LSG 11.01.2021, a.a.O. Rn. 52: unmöglich). Ein Abweichen von dem vom Sachverständigen angegebenen Zeitaufwand erfordert daher belastbare Anhaltspunkte, dass dieser objektiv nicht notwendig war, z.B. weil bei einem geringen Anteil tabellarischer Darstellung der für die wörtliche Darstellung ermittelbare Zeitaufwand erheblich überschritten wird oder aus einem Vergleich mit anderen Gutachten zur gleichen Fragestellung (Bayerisches LSG 11.01.2021, a.a.O.). Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass der Zeitaufwand für die Bearbeitung der sechs Module (Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) umso höher ist, je mehr und je schwerwiegendere Einschränkungen bei der zu begutachtenden Person vorliegen.

Im konkreten Fall beläuft sich unter Berücksichtigung der ermittelten Werte nach der Plausibilitätsprüfung ausgehend von den insgesamt angegebenen 11 Stunden im Ergebnis der geltend gemachte Zeitaufwand für die tabellarische Darstellung der sechs Module auf 4,24 Stunden (11 Stunden abzüglich 0,37 Stunden und 6,39 Stunden). Dies erscheint angesichts der vielfältigen körperlichen Einschränkungen der Klägerin, die zusätzlich an Demenz litt und letztlich in Pflegegrad 4 eingestuft worden ist, nicht unverhältnismäßig. Anlass für eine Kürzung besteht nach alledem nicht.

Für die Korrektur errechnet sich ein Zeitaufwand von 1,32 Stunden.

Damit ergibt sich folgender vergütungsfähiger Zeitaufwand:

 

Aktendurchsicht einschl. Darstellung der Aktenlage

 0,49 Stunden

Fahrzeit (antragsgemäß)

   1,5 Stunden

Untersuchung (antragsgemäß)

      2 Stunden

Diktat von Anamnese und Befunden

  0,37 Stunden

Beurteilung einschl. Beantwortung der Beweisfragen

10,63 Stunden

Korrektur

  1,32 Stunden

Gesamtzeitaufwand

16,31 Stunden


Somit wären - gerundet (§ 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG) - 16,5 Stunden zu vergüten. Da dieser Zeitaufwand nur unerheblich (weniger als 10 %) von dem geltend gemachten Aufwand abweicht, sind die von der Antragstellerin geforderten 17 Stunden zu vergüten.

Entsprechend der Rechtsprechung des Kostensenats ist das Gutachten zum Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nach Honorargruppe M2 zu vergüten, wie auch vom SG zugrunde gelegt (vgl. Senatsbeschluss vom 04.08.2020, L 10 KO 1946/20 B, www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Baden-Württemberg 29.04.2005, L 12 P 1314/05 KO-B, n.v.; vgl. auch die Nachweise von Reyels, juris-PR-SozR 6/2018 Anm. 6; Schneider, a.a.O., § 9 Rn. 59).

Der Vergütungsanspruch der Antragstellerin setzt sich somit wie folgt zusammen:

 

Honorar 17 Stunden zu 90 €

  1.530,00 €

Schreibauslagen

  64,50 €

Auslagen pauschal

  15,00 €

Fahrtkosten

   33,60 €

Gesamtvergütung

   1.643,10 €


Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).


 

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