S 7 AS 405/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 405/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beklagte hat der Klägerin die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen entsprechend der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 zu 6/10 zu erstatten.

 

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe:

 

I.

Im zugrundeliegenden Verfahren ging es um eine Untätigkeitsklage.

 

Im Zusammenhang mit einer drohenden Räumung am 18.10.2017 und einem Umzug in eine neue Wohnung ab 01.11.2017 hatte der Lebenspartner der Klägerin als Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit 4 Personen am 18.10.2017 per Mail auf die Zwangsräumung an diesem Tag hingewiesen. Man habe am 01.12.2017 eine neue Wohnung, unter den gegebenen Umständen habe man nicht erst auf Genehmigung warten können. Sodann heißt es: „Bitte teilen Sie mir die weitere Vorgehensweise mit. Was müssen wir tun. Können wir einen Termin mit Ihnen vereinbaren?“

Mitübersandt wurde die Räumungsandrohung vom 18.09.2017, zugestellt am 19.09.2017, und der Mietvertrag ab 01.11.2017 vom 11.10.2017.

 

Am 26.10.2017 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten der Umzugskartons. Diese wurden am 08.11.2017 bewilligt.

 

Mit Schreiben vom 10.11.2017 wurde von beiden Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft die Übernahme der Kosten für den Miettransporter, der für den Umzug gebraucht wurde, i.H.v. 254,08 Euro beantragt. Beigefügt war eine Rechnung über 254,98 Euro für die Zeit vom 08.11.2017, 10:15 Uhr bis 09.11. 2017, 14:30 Uhr, mit einem Betrag von 94,38 Euro für 286 gefahrene Kilometer a 0,33 Euro und ein Zahlungsbeleg.

 

Mit Schriftsatz vom 16.11.2017 wurden Leistungen für die Verpflegung der Umzugshelfer (ohne weitere Angaben) beantragt.

 

Mit Bescheid vom 21.11.2017 lehnte die Beklagte die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten vom 16.11.2017 ab. Zu den Kosten für den Umzugswagen wies sie darauf hin, dass aufgrund der Ankündigung der Räumungsvollstreckung vom 19.09.2017 genug Zeit verblieben sei, mindestens 3 Angebot für Umzugswagen einzuholen und dem Jobcenter zur Prüfung vorzulegen. Der Posten i.H.v. 94,38 Euro über 286 gefahrene Kilometer sei angesichts der einfachen Wegstrecke zwischen den Wohnungen von 11 km und der Darstellung, dass durch die scheinbar überraschend erfolgte Räumung nur Kleidung und einige Kinderzimmermöbel mitgenommen werden konnten, nicht gerechtfertigt. Aus den genannten Gründen sei auch die Gewährung einer Umzugshelferpauschale für 4 weitere Personen nicht notwendig.

 

An 26.11.2017 legten die beiden volljährigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft schriftlich Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.11.2017 bezüglich der Kostenübernahme für den Miettransporter ein und wandten sich unter Hinweis auf die am 18.10.2017 übersandte Mail, zusätzlich auch in einem gesonderten Schreiben, gegen den Vorwurf, das Verfahren nicht eingehalten zu haben. Auf die Bitte um Information bzw. einen Termin sei nicht reagiert worden. Ihnen sei nichts Anderes übriggeblieben, als einen Transporter, der angemessen erschienen und zugleich noch verfügbar gewesen sei, zu mieten.

 

Am 15.12.2017 wurde durch die Bevollmächtigten für die Klägerin für sich und als Vertreter für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut Widerspruch erhoben bzw. ergänzend vorgetragen. Mit dem Bescheid werde die Übernahme der Kosten für einen Umzugswagen abgelehnt. Die Voraussetzungen hierfür lägen aber vor. Da die Zustimmung für den Umzug von der Beklagten erteilt worden sei, seien grundsätzlich alle im Zusammenhang mit und wegen des Umzugs anfallenden Kosten zu übernehmen gewesen. Hierunter fielen auch die unmittelbaren Transportkosten.

 

Nach einer internen Prüfung (vergleiche Vermerk vom 09.01.2018) hatte die Beklagte am 11.01.2018 um Mitteilung gebeten, welche konkreten Wegstrecken mit dem gemieteten Transporter zurückgelegt worden seien, da die Menge der gefahrenen Kilometer nicht nachvollziehbar sei. Für die Rückantwort hatte sie sich eine Frist bis zum 02.02.2018 notiert. Hieran erinnerte sie mit Schreiben vom 09.03.2018. Sie haben nun für die Rückantwort eine Frist bis zum 04.04.2018 notiert.

 

Am 19.03.2018 hatte der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Die Beklagte habe nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG über den Widerspruch entschieden. Unterlassene Mitwirkungspflichten des Klägers seien kein zureichender Grund für eine fehlende Entscheidung, denn in diesem Fall hätte die Beklagte über den Versagungsbescheid reagieren können. Dazu verwies er auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 19.02.2008 – L 28 B 244/08 AS PKH.

 

Die Beklagte hatte die Auffassung vertreten, sie habe mit Schreiben vom 11.01.2018 Unterlagen angefordert, die zwingend zur Entscheidung über den Widerspruch benötigt würden. Erst am 21.03.2018 seien die Unterlagen bei ihr eingegangen. Damit liege ein zureichender Grund im Sinne des § 88 SGG vor. Am 27.04.2018 teilte sie mit, es hätten sich neue Fragen hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen ergeben, die Klägerseite sei am gleichen Tag um entsprechende Erläuterung gebeten. Sie halte die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg nicht für einschlägig.

 

Mit Bescheid vom 14.06.2018 bewilligte die Beklagte Wohnungsbeschaffungskosten/Umzugskosten i.H.v. 222,72 Euro. Mangels Rückmeldung auf die Anfrage, ob dem Widerspruch mit Erteilung des Bewilligungsbescheides vom 14.06.2018 vollumfänglich abgeholfen wurde oder das Verfahren weiterbetrieben werden solle, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 den Widerspruch zurück. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden auf Antrag zu 6/10 erstattet.

 

Daraufhin hat die Klägerin die Untätigkeitsklage am 09.08.2018 für erledigt erklärt.

 

Sie beantragt,

         

                    der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                    zu entscheiden, dass Kosten nicht zu erstatten sind.

 

Sie meint, da die angemahnten Nachweise erst nach Eingang der Klage eingegangen seien und auch danach weitere Erläuterungen angefordert werden mussten, liege ein zureichender Grund im Sinne des § 88 SGG vor.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen. Diese haben bei der Entscheidung vorgelegen.

 

 

 

 

II.

Kosten war über die bereits von der Beklagten anerkannten anteiligen Kosten des Widerspruchsverfahrens hinaus nicht zu erstatten.

 

Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird, auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Bei Erledigung des Rechtsstreits z.B. durch Klagerücknahme entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, insbesondere der Erfolgsaussichten der Klage, nach billigem Ermessen (Bundessozialgericht <BSG>, Beschlüsse vom 01.04.2010 – B 13 R 233/09 B, juris Rn. 8f und 04.07.1990 – 1 RA 15/89, juris Rn. 25; Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Rn. 13 zu § 193). Dabei ist es – nach dem Rechtsgedanken des § 91 a ZPO - in der Regel billig, dass der die Kosten trägt, der unterliegt. Bei teilweisem Erfolg ist eine Quotelung angemessen (vergleiche auch die Regelung in § 63 Abs. 1 Satz des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X), dies muss aber nicht so sein. Allerdings muss das Gericht alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen und darf nicht nur auf das Ergebnis des Rechtsstreits abstellen. So kann nach dem Veranlassungsprinzip derjenige zur Kostentragung verpflichtet werden, der Anlass für eine unzulässige oder unbegründete oder eine von vornherein durch Mitwirkungshandlungen vermeidbare Klage gegeben hat (Leitherer, aaO. Rn. 12a, 12b mwN.).

Für eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist ergänzend der Rechtsgedanke des § 161 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) heranzuziehen: Danach fallen der Beklagten bei einer Untätigkeitsklage die Kosten dann zur Last, wenn die Klage sowohl zulässig als auch begründet war und der Kläger nach dem ihm bekannten Umständen mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass bei entsprechender Mitwirkung im Verwaltungs- bzw. Vorverfahren ein Klageverfahren vermeidbar gewesen wäre, kann dies im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Mai 2013 – L 19 AS 535/13 B –, Rn. 20, juris, m.w.Nw.). Eine Kostenerstattung scheidet in der Regel aus, wenn die Beklagte aus zureichenden Gründen nicht entschieden hatte und der Widerspruchsführer diese Gründe kannte oder kennen musste und deshalb nicht mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. Mai 2003 – L 3 B 7/02 RJ –, Rn. 10, juris m.w.N.; Beschluss vom 05. März 2007 – L 17 B 26/06 U –, Rn. 9, juris m.w.Nw.).

 

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze waren Kosten des Klageverfahrens nicht aufzuerlegen.

 

Grundsätzlich gilt zum einen, dass hier allenfalls ein Bruchteil der Kosten des Klageverfahrens im Raum gestanden hätten, da die Klägerin nur als ¼ der Bedarfsgemeinschaft Klage erhoben hat. Anders als im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren ist die Klage im Namen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu erheben. Da die Klägerin anwaltlich vertreten war, ist viele Jahre nach der obergerichtlichen Klarstellung hierzu auch kein Raum für eine anderweitige Auslegung der eindeutig formulierten Klage.

 

Soweit die Klägerin sich auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.02.2008 – L 28 B 244/08 AS PKH beruft ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der dortige Sachverhalt von dem hier zu entscheidenden nicht unerheblich abweicht.  Offensichtlich wurde aus der Entscheidung tatsächlich nur ein Zitat des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26.08.1994 übernommen, dieses aber nicht gelesen. Zur Klärung, auf welche Rechtsauffassung man sich beruft, ist es immer sinnvoll, die dort in Bezug genommenen Entscheidungen selbst zu lesen und sodann mit dem individuell zu entscheidenden Fall zu vergleichen. Textbausteine können eine Hilfe sein, müssen aber auf den individuellen Fall abgestimmt und ggfs. angepasst werden.

In der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94) ging es nicht um die Kostenentscheidung. Gegenstand der Klage war noch die Untätigkeitsklage selbst, da ein Widerspruchsbescheid im Zeitpunkt der Entscheidung des BSG noch immer nicht ergangen war. Das BSG hatte zunächst festzustellen, dass eine Untätigkeitsklage, die vor Ablauf der (dortigen Sechs-Monats-) Frist eingelegt wird, im Laufe des Verfahrens zulässig werden kann. Es hatte sodann darauf hingewiesen, dass – bei der fehlenden Entscheidung mehr als 3 Jahren nach Antragstellung absolut nachvollziehbar - die Untätigkeit nicht mit Rücksicht darauf gerechtfertigt werden kann, dass ein Antragssteller im Zusammenhang mit der Antragstellung möglicherweise seinen Mitwirkungspflichten iS von §§ 60 ff des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht ausreichend nachgekommen ist, und dass die Beklagte, wenn sie denn infolge unzureichender Angaben der Klägerin an einer Sachentscheidung über den Anspruch gehindert war, nach § 66 SGB I hätte vorgehen können und müssen, um einer Untätigkeitsklage der Klägerin die Grundlage zu entziehen (vgl. Rn.20). Dass die Tatsache, dass die Beklagte dort die Voraussetzungen für eine Versagung der Leistung gemäß § 66 SGB I durch Hinweis und Fristsetzung nach § 66 Abs. 3 SGB I noch nicht geschaffen hatte, gerade auf der vom Gesetz missbilligten Untätigkeit beruht hat (Rn. 23) ist für die dortige Fallkonstellation offensichtlich. Das BSG hat dazu ausgeführt (Rn. 22):

„Wegen der Möglichkeit einer Bescheiderteilung nach § 66 SGB I kann eine Mitwirkungspflichtverletzung für sich genommen grundsätzlich noch kein zureichender Grund dafür sein, dass die Behörde einen Antrag unbeschieden gelassen hat. Sie ist lediglich insoweit beachtlich, als der Leistungsträger infolge der dadurch eingetretenen Verzögerungen auch bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise noch keinen Bescheid nach § 66 SGB I hätte erteilen können. Dafür fehlen im vorliegenden Fall jegliche Anhaltspunkte, da die Beklagte für ein derartiges Vorgehen inzwischen mehr als drei Jahre Zeit hatte.“

 

Ähnliches würde gelten, wenn jedenfalls zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Beklagten erkennbar gewesen wäre, dass die Klägerin die von ihr gemachten Angaben für ausreichend hielt, zu keinen weiteren Angaben bereit war und nunmehr auf einer Bescheidung bestand. Weigert sich die Beklagte in einem solchen Fall weiterhin, den Widerspruch zu bescheiden, und geht nicht nach §§ 60ff SGB I vor, liegt richtigerweise ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung nicht vor (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Mai 2013 – L 19 AS 535/13 B –, Rn. 20f, juris).

 

So lag der Fall hier aber nicht. Im vorliegenden Fall liegt weder eine Weigerung seitens der Klägerin bzw. eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft vor, noch sonst ein Hinweis, dass eine zweite Erinnerung keine Aussicht auf Erfolg haben werde und daher Anlass zum unverzüglichen Vorgehen nach § 60ff. SGB I bestanden hat. Dies ergab sich weder aus dem Widerspruch der Bedarfsgemeinschaft noch aus dem Widerspruchsschreiben der Bevollmächtigten, deren Ausführungen pauschal und allgemein ohne Bezugnahme auf den Streitfall blieben. Das BSG – und auch das LSG NRW – haben jedenfalls nicht erklärt, dass grundsätzlich stets innerhalb der 3 Monate Frist des § 88 SGG das Verfahren nach §§ 61 SGB I eingeleitet und abgeschlossen werden muss. Eins solche Forderung hätte für viele Antragssteller unangemessene Folgen, da in vielen Fällen durch Erinnern und Einräumen einer weiteren Frist eine  schnellere,  auch zugunsten der Antragsteller ausfallende Entscheidung ermöglichen würde, die nicht mit dem Risiko der Tragung von Kosten durch ein (unnötiges) Gerichtsverfahren belastet wird.  Außerdem würde eine solche pauschale Forderung zu einer unnötigen Überfrachtung des Widerspruchsverfahrens führen. Die Frage, ob im jeweiligen Einzelfall die Einleitung des Verfahrens nach §§ 60 SGB I vorzunehmen gewesen wäre, um dem Vorwurf der Untätigkeit zu entgehen, ist vielmehr im Rahmen der Prüfung des zureichenden Grundes vorzunehmen.

 

Aber selbst wenn hier der Beklagten vorzuwerfen wäre, dass die 1. und die 2. Erinnerung jeweils zeitlich verzögert nach Widerspruch und Ablauf der Frist der 1. Erinnerung erfolgt sind, und auch die Tatsache außer Acht zu lassen wäre, dass in dieser Zeit im Falle der Klägerin und ihrer Bedarfsgemeinschaft diverse weitere, eiligere und für die Bedarfsgemeinschaft erheblich relevantere Anträge und Widersprüche zu bescheiden waren, sind anders als für die Frage der Zulässigkeit und Begründetheit einer Untätigkeitsklage in der hier zu treffenden Kostenentscheidung nicht nur die Erfolgsaussichten, sondern weitere Umstände zu beachten. Es bleibt trotz der o.a. Rechtsprechung dabei, dass sich dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass bei zumutbarer Mitwirkung im Verwaltungs- bzw. Vorverfahren ein Klageverfahren vermeidbar gewesen wäre, dies im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt werden kann (so zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Mai 2013 – L 19 AS 535/13 B –, Rn. 20, juris, m.w.Nw.).

 

Das ist hier der Fall. Denn für die Klägerin war seit Anfang Januar klar, dass die Beklagte eine Erläuterung der gefahrenen Kilometer erwartete, was angesichts der Umstände auch nachvollziehbar war, bevor sie über den Anspruch entscheiden wird. Die Anforderung wurde schließlich erfüllt – allein durch die Übersendung einer Kopie eines Routenplaner und Erläuterung der jeweiligen Fahrten. Hierfür war weder eine aufwändige Recherche noch Nachfragen bei Dritten erforderlich, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum dieser Mitwirkung nicht unmittelbar nachgekommen wurde. Gründe, die diese Mitwirkungshandlung als unzumutbar erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich – es sei denn man berücksichtigt die gleichermaßen auf Seiten der Klägerin und der Bedarfsgemeinschaft angesichts der Vielzahl im Zusammenhang mit dem Umzug stehenden, vorrangig zu klärenden Fragen möglicherweise vorgenommene Priorisierung; dann ist aber erst recht nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Versagungsentscheidung durch die Beklagte erforderlich gewesen wäre.

 

Auch bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass Kosten dann nicht zu erstatten sind, wenn der Widerspruchsführer die (sachlich vorliegenden) Gründe für die noch unterlassene Bescheidung kannte oder kennen musste und deshalb nicht mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Das ist hier der Fall, denn aufgrund der Erinnerung unter Fristsetzung bis zum 04.04.2018 war deutlich erkennbar, dass die Beklagte bis dahin noch die Antwort der Klägerin bzw. der Bedarfsgemeinschaft abwarten wird. Die Klägerin und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft konnten daher zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage nicht mit einer Bescheidung rechnen.

 

Insofern erscheint die Erhebung der Untätigkeitsklage vor Ablauf dieser Frist kurz vor der Erfüllung der Mitwirkungshandlung allein unter dem pauschalen Hinweis auf die Entscheidung „nach objektiven Kriterien“, dem Ablauf der Frist, ohne Berücksichtigung der Umstände des Falles, als Ausdruck des Versuchs, möglicherweise sogar im Rahmen eines Geschäftsmodells, ohne den Aufwand einer (in allen Fällen einer Klageerhebung) erforderlichen individuellen Prüfung Kosten zu generieren.

 

Diese Kostengrundentscheidung ist unanfechtbar (§ 172 Abs 3 Nr. 3 SGG).

Rechtskraft
Aus
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