L 10 KR 500/24 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KR 472/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 500/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

 

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 01.08.2024 geändert.

 

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig, längstens bis zum 28.05.2025 oder bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren S 24 KR 514/24, Sozialgericht Detmold, mit einer Lipidapherese zu versorgen.

 

Die Antragsgegnerin trägt die dem Antragsteller in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten.

 

 

Gründe:

 

I.

 

Der Antragsteller, der bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert ist, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die weitere Gewährung einer Apheresebehandlung.

 

Er leidet an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), einer koronaren Herzerkrankung in Gestalt einer Dreigefäßerkrankung und einer deutlichen Erhöhung des Lipoprotein (a)-Wertes (kurz: Lp(a)-Wertes). Zuletzt diagnostizierte das Krankenhaus G., Klinik für Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie, unter dem 02.10.2024 insbesondere eine pAVK vom Mehretagentyp beidseits Stadium IIB sowie Stenosen im Bereich der Arteria iliaca externa beidseits.

 

Ein erster Antrag auf Durchführung einer Lipidapherese bei der Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) im September 2020 führte, nachdem die Kommission die Indikation zur Durchführung als gegeben angesehen hatte, zur im Wesentlichen regelmäßigen Durchführung der Behandlung seit 2021, auch im Rahmen von Folgeanträgen, wobei die Antragsgegnerin immer die Auffassung vertrat, es bestehe trotz des positiven Votums der Kommission kein Anspruch auf die Therapie. Diese wurde gleichwohl durchgeführt, nachdem der Antragsteller sein Begehren in mehreren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (zuletzt aufgrund Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.08.2023 bis zum 31.05.2024) durchsetzen hatte können; Entscheidungen zu den dazugehörigen, in erster Instanz anhängigen Hauptsacheverfahren sind bisher nicht ergangen.

 

Ein mit Schreiben des behandelnden Arztes X., Facharzt für Innere Medizin/Nephrologie, vom 02.03.2024 gestellter Folgeantrag für den Zeitraum ab 01.06.2024 wurde von der Apherese-Kommission der KVN mit Schreiben vom 29.05.2024 erneut befürwortet. Die Antragsgegnerin lehnte es gleichwohl mit Bescheid vom 04.06.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2024 erneut ab, die Kosten für die begehrte (ambulante) Apheresebehandlung zu übernehmen. Dagegen erhob der Antragsteller am 24.07.2024 Klage beim Sozialgericht Detmold (S 24 KR 514/24).

 

Einen bereits am 24.06.2024 beim Sozialgericht Hannover gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht Detmold nach Verweisung (Beschluss des SG Hannover vom 02.07.2024 – S 2 KR 393/24 ER –: der Antragsteller war im März 2024 in den Zuständigkeitsbereich des SG Detmold verzogen) mit dem angegriffenen Beschluss vom 01.08.2024 ab. Der Antragsteller habe bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil eine klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierte progrediente kardiovaskuläre Erkrankung nicht hinreichend belegt sei. Auch ein Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V sei nicht glaubhaft gemacht, da vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar seien, dass eine akut lebensbedrohliche Erkrankung bestehe.

 

Mit der hiergegen am 09.08.2024 erhobenen Beschwerde hält der Antragsteller an seinem Begehren fest. Zur weiteren Glaubhaftmachung hat er zuletzt insbesondere eine fachärztliche Stellungnahme des die Lipidapherese durchführenden Nephrologen X. vom 02.10.2024 und einen Arztbericht des Krankenhauses G., Klinik für Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie (im Folgenden: Krankenhaus G.), in dem der Antragsteller sich vom 01.10.2024 bis 02.10.2024 in stationärer Behandlung befand, ebenfalls vom 02.10.2024 vorgelegt.

 

II.

 

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

 

Die Voraussetzungen der vom Antragsteller begehrten einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG liegen – im Umfang der Tenorierung – vor.

 

Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (S. 2). Vorliegend begehrt der Antragsteller der Sache nach die vorläufige Versorgung mit einer bestimmten Therapie. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Die Erfolgsaussichten eines Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In solchen Fällen ist, wenn sich die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 –, Rn. 24 ff.).

 

Nach diesen Grundsätzen ist die Antragsgegnerin jedenfalls aufgrund einer Folgen-abwägung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig in dem tenorierten Umfang mit der begehrten Lipidapherese zu versorgen. Eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung ist zulässig, wenn der Sachverhalt unklar ist und seine Aufklärung in der mit Blick auf das Rechtsschutzbegehren angemessenen Zeit unter Berücksichtigung der gebotenen Prüfungsintensität objektiv unmöglich ist (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG <Stand: 16.09.2024>, Rn. 504). Dies ist vorliegend der Fall. Der Ausgang des anhängigen Hauptsacheverfahrens ist offen und die notwendigen weiteren Ermittlungen sind im Eilverfahren wegen der Dringlichkeit der Sache nicht möglich, so dass die geforderte Interessenabwägung vorzunehmen ist.

 

Dem Antragsteller steht nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung, vorbehaltlich des Ergebnisses einer weiteren Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren, weiterhin ein Anspruch auf die Durchführung einer extrakorporalen Lipidapherese nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V i.V.m. § 3 Abs. 2 der Anlage 1 zur Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung <MVV-RL>) zu. Hiernach können LDL-Apheresen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung nur durchgeführt werden bei Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen).

 

Das bisherige Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen, auch in den Vorverfahren, und die Gesamtschau der vorliegenden ärztlichen Befunde und medizinischen Stellungnahmen spricht dafür, dass die genannten gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Lipidapherese sowie die weiteren gesetzlichen Vorgaben, vorbehaltlich des Ergebnisses einer weiteren Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren, erfüllt sind.

 

Die Apherese-Kommission der KVN hat das Vorliegen einer Indikation nach § 3 der Anlage 1 MVV-RL und damit die Durchführung der Apheresen beim Antragsteller, wie bereits in drei vorherigen Verfahren, bejaht, so dass die erforderliche Genehmigung nach § 2 der Anlage 1 MVV-RL vorliegt. Zugleich spricht damit zur Überzeugung des Senats ein gewichtiges Indiz für den geltend gemachten Anspruch, auch wenn eine Bindungswirkung des Votums der Apherese-Kommission gegenüber der abschließend entscheidenden Krankenkasse nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.05.2024 – B 1 KR 40/22 R –, Rn. 14) nicht besteht. Dem Votum der Apherese-Kommission als funktionsbedingt und qua Besetzung besonders sachkundigen Gremium – noch dazu unter Einbeziehung des Sachverstandes des MD (vgl. § 6 Abs. 1 der Anlage 1 MVV-RL) – kann jedenfalls im Rahmen des eine abschließende Klärung schwieriger (insbesondere medizinischer) Tatsachenfragen regelhaft ausschließenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – wie vorliegend – besondere und maßgebliche Bedeutung zukommen, auch wenn dem Votum der Apherese-Kommission bei der Tatsachenfeststellung nicht a priori ein höheres Gewicht als einem Gutachten des MD beigemessen werden kann (BSG a.a.O. Rn. 26). Aus dem Umstand, dass es den Krankenkassen und im Streitfall den Tatsachengerichten insbesondere im Hauptsacheverfahren obliegt, umfassend zu prüfen, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Apherese-Behandlung erfüllt sind (BSG a.a.O.), ergibt sich jedoch keinesfalls eine geringere Aussagekraft der Einschätzung der Apherese-Kommission.

 

Dabei kommt der aktuellen Einschätzung der Apherese-Kommission schon deshalb besonderes Gewicht zu, als sie sich mit den Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs seit Erstantragstellung des Antragstellers im Jahr 2020 mehrfach befassen musste und durchweg zu einem positiven Votum gelangte.

 

Das Votum der Apherese-Kommission entspricht im Übrigen nicht allein der Einschätzung des behandelnden Nephrologen X.. Vielmehr ist auch die Sachverständige I. in ihrem auf Veranlassung des Sozialgerichts Hannover im Verfahren S 2 KR 275/21 erstellten Gutachten vom 11.01.2022 zu dem Ergebnis gelangt, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Anspruch auf die begehrte Lipidapherese vorliegen. Dies gilt auch für die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegte, undatierte „fachärztliche lipidologische Stellungnahme“ des Nephrologen und Lipidologen R. aus H. (nach Angaben des Antragstellers aus August 2024), die vom behandelnden Arzt X. als Reaktion auf die medizinisch abweichende Einschätzung des MD veranlasst wurde, als Privatgutachten gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben kann.

 

Die Ausführungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren sind zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, die Einschätzung des behandelnden Arztes, der Apherese-Kommission sowie des genannten (wenn auch nicht den aktuellen Gesundheitszustand abbildenden) Gutachtens der Sachverständigen I. derart zu entkräften, dass der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs nicht für glaubhaft gemacht hielte.

 

Vielmehr geht der Senat in der Gesamtschau für die Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass bei dem Antragsteller neben der (wohl unstreitigen) isolierten Lp(a)-Erhöhung (vgl. insoweit den behandelnden Arzt Dr. Schüler vom 15.07.2024) über 60 mg/dl ein LDL-Cholesterin im Normbereich (a), gleichzeitig eine klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierte progrediente kardiovaskuläre Erkrankung (b) sowie schließlich eine Ultima-ratio-Situation vorliegen, die die begehrte Apherese-Behandlung erforderlich machen.

 

a) Bereits in dem Gutachten von Frau I. vom 11.01.2022 wird darauf hingewiesen, dass der leitliniengestützt geforderte Zielwert des LDL-Cholesterins im Fall des Antragstellers nicht erreicht werden könne, weil bei hohen Lp(a)-Konzentrationen diesbezüglich ein Auswertungsproblem bestehe. Insgesamt sei es jedoch im Fall des Antragstellers zu einer erheblichen cholesterinsenkenden Wirkung gekommen, so dass davon auszugehen sei, dass die erreichte LDL-Cholesterineinstellung im therapeutischen Bereich liege. Insoweit lag dem Sachverständigengutachten ein mit dem im aktuellsten (vorliegenden) Blutbild vom 22.08.2024 durchaus vergleichbarer Wert (von aktuell 69 mg/dl) zugrunde. Ob es (auch unter Berücksichtigung der insoweit von der Antragsgegnerin vorgelegten chronologischen Tabelle zu den LDL-Cholesterinwerten) vollends zutrifft, wenn X. unter dem 02.10.2024 darlegt, dass das LDL-Cholesterin über den gesamten Zeitraum der bereits durchgeführten Apherese-Behandlung im maßgeblichen Zielbereich < 55 mg/d1 lag, und nun nur deshalb – knapp - über dem Zielbereich gemessen werde, weil die hohen Lp(a)-Werte zu Fehlmessungen des LDL-Cholesterins führten, kann im Ergebnis daher dahinstehen.

 

Das BSG hat jüngst überdies ausgeführt, der Normbereich liege „in Abgrenzung zu niedrigeren Zielwerten" für Hochrisikopatienten nach der ESC/EAS-Leitlinie“ bei < 100 mg/dl und das Heranziehen von niedrigeren Zielwerten würde überdies im Ergebnis zu einer doppelten Berücksichtigung einer Ultima-ratio-Situation (neben § 1 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL) führen, für die der Wortlaut des § 3 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL keine Anhaltspunkte bietet (BSG, Urteil vom 16.05.2024 – B 1 KR 40/22 R –, Rn. 330 bis 34). Folgerichtig hat die Antragstellerin insoweit im Beschwerdeverfahren einräumen müssen, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG davon auszugehen sei, dass bei den vorliegenden LDL-Cholesterinwerten von ca. 70 mg/dl bei dem Antragsteller die Indikation einer isolierten Lp(a)-Erhöhung vorliegt.

 

b) Das Vorliegen einer klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierten progredienten kardiovaskulären Erkrankung hält der Senat jedenfalls durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten aktuellen Befunde für belegt. So bescheinigt X. einen sehr drastischen Progress der bekannten arteriellen Verschlusskrankheit des Antragstellers. Zudem diagnostizierte das Krankenhaus G. im Rahmen einer stationären Behandlung des Antragstellers vom 01.10.2024 bis 02.10.2024 eine PAVK vom Mehretagentyp beidseits Stadium IIB mit aktuell Stenosen im Bereich der Arteria iliaca externa beidseits (vorläufiger Arztbrief vom 02.10.2024). Insoweit kann hier dahinstehen, ob die sachverständige Einschätzung von I. die eingehend zur Progredienz ausgeführt hatte, allein wegen Zeitanlaufs überholt ist. Ebenso kann der Senat offenlassen, ob ein progredienter Verlauf nicht nur bei Erst-, sondern auch bei Folgeanträgen gesondert festzustellen ist (in diesem Sinne wohl LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2021 – L 11 KR 865/20 B ER, juris Rn. 38). Den Mutmaßungen der Antragsgegnerin zur denkbaren Kausalität ggf. nicht durch adäquate Medikation erreichter leitliniengerechter Zielwerte des LDL-Cholesterins kommt zur Überzeugung des Senats jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung angesichts der obigen Ausführungen (siehe a) sowohl in medizinischer Hinsicht als auch mit Blick auf die höchstrichterliche rechtliche Einschätzung keine maßgebliche Bedeutung zu.

 

c) Schließlich ist im Rahmen der summarischen Prüfung auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer sich in einer Ultima-ratio-Situation (§ 1 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL) befindet, weil die genetisch bedingte Lp(a)-Erhöhung durch Medikamente oder Ernährung nicht zu beeinflussen ist. Auch dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats nicht allein aus der Einschätzung des behandelnden Arztes X. (in seinen Arztbriefen vom 14.12.2020, 10.02.2021, 19.06.2023 und 11.06.2024), sondern auch aus den übrigen aktenkundigen Befunden und gutachterlichen Einschätzungen. Für den Beschwerdeführer bestehen danach außer der Lipidapherese keine Therapiealternativen mehr zur Absenkung des krankhaft erhöhten Lp(a)-Spiegels und er ist dringend auf eine Apherese-Behandlung angewiesen, da ihm ansonsten erneute, ggf. tödliche Ereignisse drohen. Dies entspricht nicht zuletzt der weiderholten Einschätzung der Apherese-Kommission KVN.

 

Die gegenteilige Auffassung der Antragsgegnerin die wegen des Nichterreichens der Zielwerte unter Verweis auf die Ausführungen des MD (zuletzt vom 11.09.2024) eine Ultima-ratio-Situation verneint, rechtfertigt eine abweichende rechtliche Bewertung zur Überzeugung des Senats nicht. Denn die durch die behandelnden Ärzte sowie die Sachverständige I. aufgeworfene Auswertungsproblematik bzw. Fehlerhaftigkeit der Bestimmung des Wertes des LDL-Cholesterins bleibt insoweit außen vor. Zudem bedarf auch der Ausgangspunkt der Überlegungen des MD der Überprüfung, soweit gefordert wird, auch im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf LDL-Apheresen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung müssten die leitliniengerechten Zielwerte des LDL-Cholesterins unter 55mg/dl über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr vorgelegen haben. Diese Forderung scheint mit dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL zu den Normwerten des LDL-Cholesterins und den rechtlichen Schlussfolgerungen des BSG (a.a.O.) hierzu nicht ohne Weiteres vereinbar. Ohnehin lassen die Ausführungen der Antragsgegnerin vielfach eine Auseinandersetzung mit dem individuellen Gesundheitszustand des Antragstellers vermissen, wenn den konkreten Fall nicht betreffende sozialgerichtliche Entscheidungen und medizinische Veröffentlichungen in Bezug genommen werden. Der Verweis auf die durch Medikation ggf. nicht erreichbare Senkung des LDL-Cholesterins und das Abwarten bei entsprechender Absenkung für mindestens ein Jahr, um feststellen zu können, ob die isolierte Lp(a)-Erhöhung eine weitere Progredienz zeitigt, erscheint angesichts der konkreten gesundheitlichen nicht zielführend und gherechtfertigt.

 

Zur Überzeugung des Senats hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Selbiges gilt für einen Anordnungsgrund. Er verfügt nicht über Einkommen und Vermögen, das ihn in die Lage versetzt, die kostenintensive Apherese-Therapie mit Kosten von ca. 4.000 € monatlich vorläufig selbst zu finanzieren. Letzteres räumt auch die Antragsgegnerin ein. Überdies drohen dem Antragsteller ohne schnellen vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen in Gestalt eines schweren gesundheitlichen Schadens. X. hat insoweit in der Bescheinigung vom 02.10.2024 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein weiteres Aussetzen der Apherese-Behandlung den Antragsteller dem großen Risiko aussetze, weitere Gefäßverschlüsse zu erleiden, die im Falle eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles lebensbedrohlich sein könnten. Die Verschlimmerung der pAVK, die im Oktober 2024 eine operative Intervention erforderlich machte, ist ungeachtet der Einzelheiten medizinischer Kausalitätsbeurteilungen zur Überzeugung des Senats geeignet dieses Risiko zu belegen.

 

Schließlich weist der Senat darauf hin, dass eine verfassungsrechtlich ggf. gebotene Folgeabwägung bei der gegebenen Sachlage angesichts der dargestellten gesundheitlichen lebensbedrohlichen zugunsten des Antragstellers ausginge. Dabei lässt der Senat im Ergebnis dahinstehen, ob ein Abbruch der nunmehr bereits seit Jahren durchgeführten Behandlung aus gesundheitlichen Gründen dem Antragsteller möglichweise nicht zumutbar ist. Die abschließende Klärung der sich stellenden medizinischen Fragen und ggf. verbleibender Zweifel durch eine ggf. notwendige medizinische Beweisaufnahme kann und muss den (zum Teil bereits seit Jahren anhängigen) Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die Befristung der zugesprochenen vorläufigen Versorgung mit Apherese-Behandlungen nicht nur bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, sondern auch bis längstens 28.05.2025 folgt aus § 8 Abs. 1 S. 1 der Anlage 1 Nr. 1 MVV-RL (vgl. auch BSG, Urteil vom 16.05.2024 – B 1 KR 40/22 R –, Rn. 32). Die dort genannte Jahres-Frist berechnet sich ab der Entscheidung der Apherese-Kommission (vgl. etwa. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.02.2022 – L 4 KR 27/22 B ER, m.w.N).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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