L 14 KR 103/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1751/18 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KR 103/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Unterbleibt nach einem Prüfverfahren eine Minderung des Abrechnungsbetrages, entsteht der Anspruch auf Aufwandspauschale erst mit Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Abrechnungsminderung.

 2. Für einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale können nicht nur Prozesszinsen, sondern auch Verzugszinsen geltend gemacht werden. (entgegen BSG, 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R und BSG, 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R)

Hinweis: nachgehend B 1 KR 19/24 R sonstige Erledigung: Rücknahme

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2021 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2021 geändert und die Beklagte zusätzlich verurteilt, an die Klägerin auf den Betrag von 300,00 Euro Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2017 zu zahlen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 300,00 Euro festgesetzt.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nebst Zinsen.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Klinikums, in dem eine Versicherte der Beklagten vom 11. Januar 2012 bis 15. Januar 2012 stationär behandelt wurde. Mit Rechnung vom 25. Januar 2012 forderte die Klägerin von der Beklagten für die Behandlung der Versicherten die Vergütung. Die Beklagte zahlte den abgerechneten Betrag im Jahr 2012 vollständig und leitete eine Prüfung zur Notwendigkeit der stationären Behandlung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Hierfür übersandte die Klägerin an den MDK am 20. Februar 2012 Unterlagen. Der MDK erstellte am 6. März 2012 eine sozialmedizinische Stellungnahme, in welcher er die Notwendigkeit des stationären Aufenthalts der Versicherten bestätigte. Von dieser Stellungnahme erhielt die Klägerin keine Kenntnis, das Ergebnis der Prüfung des MDK wurde ihr nicht mitgeteilt.

Am 5. Oktober 2017 stellte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung für eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 Euro im vorstehend benannten Behandlungsfall. Die Beklagte wies diese Rechnung im Rahmen des Datenträgeraustauschverfahrens mit dem Hinweis „MDK-Gutachten aus 2012, verfristet 12/2016“ zurück. Nachfolgend forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Rechnung bis zum 29. November 2017 zu begleichen. Hierauf zahlte die Beklagte nicht.

Am 22. Januar 2018 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung von 300 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30. November 2017 zu verurteilen. Sie hat vorgetragen, eine Verjährung der Forderung sei nicht eingetreten, da der Anspruch auf die Aufwandspauschale erst am 1. Januar 2017 entstanden sei. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der mögliche Rückforderungsanspruch der Beklagten verjährt, sodass erstmals festgestanden habe, dass sich der Abrechnungsbetrag nicht mehr mindern würde. Tatbestandsmerkmal des § 275 Abs. 1c SGB V (in der im Streitzeitraum geltenden Fassung, im Folgenden SGB V a.F.) sei nicht die Meinung des MDK in einem Prüfverfahren, sondern die nicht erfolgte Minderung des Abrechnungsbetrages. Der Anspruch entstehe erst, wenn positiv feststehe, dass sich der Abrechnungsbetrag nicht mehr mindere. Ansonsten hätte es der MDK in der Hand, über das Entstehen der Aufwandspauschale zu bestimmen (Verweis auf Sozialgericht Berlin, Urteil vom 23. Januar 2020 – S 51 KR 917/18).

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die im Sozialrecht vier Jahre betragende Verjährungsfrist beginne im Fall der Aufwandspauschale mit dem Ablauf des Jahres, in welchem das für die Krankenkasse negative Gutachten des MDK vorliege, welches nicht zur Reduzierung des Abrechnungsbetrages führe. Aus dem Gutachten des MDK vom 6. März 2012 ergebe sich unstreitig, dass das Prüfverfahren nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Die Verjährung habe daher mit Ablauf das Jahres 2012 begonnen und habe mit Ablauf des Jahres 2016 geendet. Für die Verjährung sei allein die Entstehung des Anspruchs und nicht die tatsächliche Kenntnis der Klägerin entscheidend. Es sei daher unerheblich, dass die Stellungnahme des MDK der Klägerin nie übermittelt und ihr das Ergebnis auch nicht mitgeteilt worden sei.

Mit Urteil vom 10. März 2021 (die Urteilsausfertigung nennt versehentlich den „10. Mai 2021“) hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a.F. sei entstanden und auch nicht verjährt. Die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) beginne mit der Entstehung der Forderung. Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale entstehe entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits mit der Erstellung eines Gutachtens durch den MDK. Denn § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a.F. stelle darauf ab, ob die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Während der MDK lediglich eine gutachterliche Stellungnahme erstelle, habe die Krankenkasse zu entscheiden, ob eine Minderung des Abrechnungsbetrages vorzunehmen sei oder nicht. Da die Beklagte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt über den Abschluss der Prüfung informiert habe, sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Prüfung erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen sei, in welchem die Beklagte wegen der Verjährung eine eventuelle Minderung der Vergütung nicht mehr habe geltend machen können, also am 1. Januar 2017. Die Kammer folge nicht der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 8. Dezember 2016 – L 1 KR 508/14), wonach der Anspruch auf die Aufwandspauschale bereits mit der Verursachung des Aufwandes des Krankenhauses entstanden sei und nachträglich entfalle. Aus dem Wortlaut ergebe sich gerade, dass die Aufwandspauschale zu entrichten sei, falls, nicht jedoch, „solange“ die Prüfung nicht zu einer Minderung führt. Gegen die Fälligkeit der Aufwandpauschale bereits mit Entstehen des Aufwandes des Krankenhauses spreche auch, dass das Krankenhaus bei Übersendung der für die Prüfung durch den MDK notwendigen Unterlagen keine Kenntnis davon habe, dass der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstehen könnte. Die Verjährungsfrist würde in einem Fall wie dem vorliegenden ohne Kenntnis oder die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu laufen beginnen. Ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen bestehe hingegen nicht. Die spezielle Zinsvorschrift des § 12 des Berliner Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung umfasse nur die Vergütungsforderung, nicht aber die Aufwandspauschale. Ein Rückgriff auf zivilrechtliche Vorschriften komme neben dieser speziellen Regelung nicht in Betracht.

Gegen das den Beteiligten am 11. März 2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. März 2021 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt und ihre Ansicht weiter verfolgt, der Anspruch sei verjährt. Für den Beginn der Verjährung sei auf die Erstellung des Gutachtens des MDK abzustellen. Die Klägerin hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, den MDK oder sie, die Beklagte, nach dem Ausgang der Begutachtung zu fragen, diese Nachlässigkeit gehe zu ihren Lasten. Die Entscheidung des Sozialgerichts laufe der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 8. Dezember 2016 – L 1 KR 508/14) zuwider.

 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2021 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 6. April 2021 Anschlussberufung eingelegt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 2021 abzuändern, soweit es die Klage im Übrigen bezüglich der Zinsforderung zurückgewiesen hat, und die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, Zinsen auf den Betrag von 300,00 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2017 zu zahlen.

Sie hält – soweit ihrer Klage stattgegeben wurde – die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Das Entstehen der Aufwandspauschale sei an den objektiv festzustellenden Erfolg der Abrechnungsprüfung als Tatbestandsvoraussetzung geknüpft, es handele sich nicht um eine auflösende Bedingung. Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin hätte fristgerecht verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen können, sei gerade vor dem Hintergrund rechtsfehlerhaft, dass erst mit der Verjährung eines vermeintlichen Rückforderungsanspruchs der Beklagten erkennbar gewesen sei, dass sich der Abrechnungsbetrag nicht mehr mindern werde. Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale sei weder Annexanspruch zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses noch dessen Bestandteil, sondern unterliege eigenen tatbestandlichen Voraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lege im Rahmen eines gestreckten Tatbestandes erst die Anzeige des MDK beim Krankenhaus den Rechtsboden für die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale (Verweis auf BSG, Urteil vom 16. Juli 2020 – B 1 KR 15/19 R). Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts folge der Zinsanspruch aus dem Gesetz, da Zinsen erst ab Verzugseintritt geltend gemacht würden. Er bestehe in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

 

Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig erhobene Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die zulässige Anschlussberufung (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung) ist hingegen begründet. Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung und die Anschlussberufung entscheiden.

 

Gegenstand des Verfahrens ist neben der Entscheidung des Sozialgerichts der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Aufwandspauschale sowie auf Verzugszinsen. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage in einem Gleichordnungsverhältnis nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft und zulässig.

 

1.
Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 300,00 Euro verurteilt.

 

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro aus § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a.F. Danach galt: Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten.

 

Zu Recht steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind. Die Beklagte hatte hinsichtlich der Schlussrechnung für die Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten im Krankenhaus der Klägerin eine Abrechnungsprüfung durch den MDK im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a.F. durchgeführt, welche eine Datenerhebung beim Krankenhaus erforderte und durch Übersendung der angeforderten Unterlagen Aufwand verursachte. Die Prüfung führte im Ergebnis nicht zur Minderung des Abrechnungsbetrages.

 

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Aufwandspauschale ist nicht verjährt.

 

Dieser Anspruch unterliegt der vierjährigen Verjährung entsprechend § 45 SGB I. Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bis zum Inkrafttreten von § 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2020 die in § 45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips war, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche diente und bei allen Ansprüchen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen nach dem Vierten Kapitel des SGB V zu beachten war (BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 11/15 R –, juris Rn. 13 f; zur neueren Entwicklung vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2023 – B 1 KR 32/22 R –, juris Rn. 41 ff.) Auch der Gesetzgeber ist bei Einführung von § 109 Abs. 5 SGB V von einer Anwendbarkeit der vierjährigen Verjährung in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten ausgegangen (BT-Drucks. 19/5593, S. 105; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2023 – B 1 KR 32/22 R –, juris Rn. 42).

 

Nach § 45 Abs. 1 SGB I verjähren die Ansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Nach § 40 Abs. 1 SGB I entstehen die Ansprüche, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

 

Der hier streitige Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale ist mit Ablauf des 31. Dezember 2016 entstanden. Erst zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass die Prüfung der Abrechnung durch die Beklagte nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt. Es handelt sich bei der Voraussetzung „falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt“, um ein für die Anspruchsentstehung maßgebliches Tatbestandsmerkmal (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. August 2023 – L 5 KR 179/22 –, juris Rn. 23; Sozialgericht (SG) Stralsund, Urteil vom 26. August 2022 – S 3 KR 191/21 –, juris Rn. 27).

 

Dieses Tatbestandsmerkmal ist beispielsweise erfüllt, wenn die Krankenkasse – einem Anerkenntnis gleichstehend – dem Krankenhaus mitteilt, dass die Abrechnungsprüfung beanstandungslos abgeschlossen sei bzw. eine Rechnungskorrektur nicht verlangt, mithin eine Minderung des Abrechnungsbetrages nicht erfolgen werde.

 

In einem gerichtlichen Streit um die Höhe der geschuldeten Vergütung ist das Tatbestandsmerkmal erst dann erfüllt, wenn die Krankenkasse entweder aufgrund eigener Entscheidung oder aber aufgrund eines rechtskräftigen Urteils den vollen Rechnungsbetrag endgültig gegen sich gelten lässt (hierzu LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. August 2023 – L 5 KR 179/22 –, juris Rn. 21 und Rn 24 m.w.N; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Oktober 2023 – L 16 KR 141/20 –, juris).

 

Unterbleibt hingegen – wie hier – eine Minderung des Abrechnungsbetrages in Folge der Abrechnungsprüfung ohne eine entsprechende Entscheidung der Krankenkasse, hängt die Entstehung des Anspruchs auf Aufwandspauschale nicht vom Eintritt eines Ereignisses, sondern von dessen Unterbleiben ab. In diesem Fall kann der Anspruch erst entstehen, wenn feststeht, dass das Ereignis nicht mehr eintreten wird (SG Mainz, Urteil vom 04. Mai 2015 – S 3 KR 428/14 –, juris Rn. 77; SG Speyer, Urteil vom 28. Juli 2015 – S 19 KR 588/14 –, juris Rn. 48, und Urteil vom 22. April 2016 – S 19 KR 370/15 –, juris Rn. 38, dem folgend SG Stralsund, Urteil vom 26. August 2022 – S 3 KR 191/21 –, juris Rn. 27, und LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. August 2023 – L 5 KR 179/22 –, juris Rn. 24).

 

Endet die Abrechnungsprüfung ohne eine abschließende Entscheidung der Krankenkasse oder durch eine nur kasseninterne Erkenntnis über die Nichtbeanstandung der Abrechnung, ohne dass dies dem Krankenhaus kommuniziert wird, ergibt sich daraus nicht schon ein Unterbleiben der Abrechnungsminderung. Denn die tatbestandlich vorausgesetzte Minderung des Abrechnungsbetrages erfolgt durch eine Erklärung der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus, den Abrechnungsbetrag nicht in voller Höhe anzuerkennen, eine Rückzahlung zu begehren oder – soweit zulässig – durch Erklärung einer Aufrechnung mit einer anderen Vergütungsforderung. Eine nur kasseninterne Entscheidungsfindung ist – wie bei der Wirksamkeit von Willenserklärungen (§ 130 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) bzw. der Wirksamkeit von Verwaltungsakten (§ 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) – ohne Entäußerung gegenüber dem Krankenhaus im Rechtsverkehr ohne Belang. Ohne die einem Anerkenntnis gleichstehende Mitteilung der Entscheidung besteht zudem – außerhalb der Verfahrensvorgaben der ggf. geltenden Prüfverfahrensverordnung – kein rechtlicher Hinderungsgrund, die interne Entscheidung zu revidieren und innerhalb der Verjährungsfristen nachträglich eine Abrechnungsminderung geltend zu machen. Erst wenn auch rechtsverbindlich feststeht, dass im Ergebnis der Prüfung der Rechnungsbetrag nicht gemindert wird, entsteht der Anspruch auf Aufwandspauschale (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. August 2023 – L 5 KR 179/22 –, juris Rn. 25; sowie Urteil vom 24. August 2023 – L 5 KR 49/23 –, juris Rn. 19 f).

 

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nach Auswertung des MDK-Gutachtens entweder keine Entscheidung über eine Abrechnungsminderung getroffen oder sich nach Auswertung des Gutachtens gegen eine solche entschieden, ohne dies gegenüber der Klägerin zu kommunizieren, was unstreitig ist. Somit stand erst mit Ablauf der Verjährungsfrist des etwaigen Rückerstattungsanspruchs der Beklagten für die Beteiligten rechtsverbindlich fest, dass eine (erfolgversprechende) Minderung des Abrechnungsbetrages nicht mehr erfolgen wird. Der Rückerstattungsanspruch der Beklagten verjährte mit Ablauf des Jahres 2016. Auch er unterlag der vierjährigen Verjährung nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist. Dieser Anspruch der Beklagten entstand mit Ablauf des Jahres, in welchem die unverminderte Vergütung für die Behandlung der Versicherten an die Klägerin gezahlt worden war, d.h. mit Ablauf des Jahres 2012. Die vierjährige Frist lief somit mit Ablauf des 31. Dezember 2016 ab.

 

Der Senat folgt nicht der in einer Entscheidung des 1. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vertretenen Auffassung, der Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 c SGB V a.F. sei auflösend bedingt und werde bereits fällig, sobald dem Krankenhaus der Aufwand entstanden sei (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Dezember 2016 – L 1 KR 508/14 –, juris Rn. 23). Denn diese Auffassung findet weder im Wortlaut der Norm noch in der Rechtsprechung des BSG eine Stütze. Bei der Formulierung der vom LSG in Bezug genommenen Entscheidung des BSG („Führt eine Einzelfallprüfung dagegen zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags, entfällt die Aufwandspauschale“, vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R –, juris Rn. 27) handelt es sich um eine wenig präzise Formulierung, die nicht erkennbar im Sinne einer auflösenden Bedingung verwendet wurde und der angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht die vom LSG gesehene Bedeutung beigemessen werden kann (Knispel NZS 2024, 239; Seifert in Becker/Kingreen, 8. Aufl. 2022, SGB V § 275c Rn. 16). Vielmehr entsteht der Anspruch erst, wenn alle Voraussetzungen eingetreten sind. Daher können weder die Prüfanzeige noch die Anforderung von Unterlagen durch den MDK den Anspruch auf eine Aufwandspauschale entstehen lassen.

 

Wegen der Entstehung des Anspruchs der Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2016 ist keine Verjährung dieses Anspruchs eingetreten, da die Klägerin mit der am 22. Januar 2018 erhobenen Klage den Verjährungslauf gehemmt hat, § 204 Abs. 1 BGB.

 

2.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern gelten die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, soweit nicht in Verträgen etwas anderes geregelt ist (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2019 – B 1 KR 5/19 R –, juris Rn. 39 m.w.N.).

 

Zutreffend verweist das Sozialgericht darauf, dass die Zinsregelung in § 12 Nr. 5 des Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 1. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 (im Folgenden Sicherstellungsvertrag) nur die Vergütungsforderung umfasst, nicht aber den Anspruch auf Aufwandspauschale. Denn der Anspruch auf eine Aufwandspauschale ist kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 14). Zu Unrecht folgert das Sozialgericht jedoch daraus, dass wegen der Vereinbarung eines Zinsanspruchs betreffend Vergütungsforderungen für andere Ansprüche der Rückgriff auf die Regelungen des BGB ausgeschlossen sei. Krankenkassen und Krankenhäuser können gegenseitig sowohl Verzugs- als auch Prozesszinsen beanspruchen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 71/12 R –, juris Rn. 24; Bockholdt in Hauck/Noftz SGB V, 4. Ergänzungslieferung 2024, § 109 SGB 5, Rn. 208 m.w.N.).

 

Entgegen der Auffassung des BSG (Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R –, juris Rn. 27; BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 14) können auch für einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nicht nur Prozesszinsen, sondern auch Verzugszinsen geltend gemacht werden. Der Ansicht des BSG, es fehle eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Verzugszinsen, steht entgegen, dass der Anspruch – wie bei den nach ständiger Rechtsprechung anerkannten Prozesszinsen – gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V aus der Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB folgt (SG Mainz, Urteil vom 19. September 2014 – S 3 KR 35/14, juris Rn. 61; SG Speyer, Urteil vom 18. Juni 2014 – S 19 KR 229/12 –, juris Rn. 43; ebenso Bockholdt in Hauck/Noftz SGB V, 4. Ergänzungslieferung 2024, § 109 SGB 5, Rn. 208 aE). Es gibt keinen Grund, die Vorschriften über die Verzugszinsen im Kontext des Anspruchs auf die Aufwandspauschale im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V nicht mit den Aufgaben und Pflichten der Beteiligten für vereinbar zu halten (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. August 2023 – L 5 KR 49/23 –, juris Rn. 23).

 

Die Beklagte befand sich nach der Mahnung der Klägerin und ihrer Aufforderung zur Zahlung bis zum 29. November 2017 ab dem 30. November 2017 in Verzug (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 286 Abs. 1 BGB).

 

Die Höhe des Zinsanspruchs beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 300,00 Euro (§§ 288 Abs. 1, 247 BGB) und ist nicht in entsprechender Anwendung des Sicherstellungsvertrages auf 2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beschränkt. Ob ein höherer Zinsanspruch nach § 288 Abs. 2 BGB besteht (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 24. Mai 2016 – L 6 KR 89/12 –, juris Rn. 24 entgegen BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 15; hierzu Bockholdt in Hauck/Noftz SGB V, 4. Ergänzungslieferung 2024, § 109 SGB 5, Rn. 208), kann dahinstehen, da ein höherer Zinsanspruch von der Klägerin nicht geltend gemacht wurde.

 

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

 

4.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Abweichung von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R –, juris Rn. 27; BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 15) zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG.

 

5.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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