Die Entschädigung des Antragstellers anlässlich der Wahrnehmung des Erörterungstermins am 12.07.2023 im Verfahren L 5 KR 857/23 wird auf 310,40 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Entschädigung von Fahrkosten für die Wahrnehmung eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 12.07.2023.
Mit Terminsbestimmung vom 23.06.2023 wurde das persönliche Erscheinen des Antragstellers zum Termin am 12.07.2023 angeordnet. Bereits mit Schreiben vom 28.06.2023, eingegangen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 30.06.2023, teilte der Antragsteller unter Vorlage eines ärztlichen Attestes R1 mit, dass er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Termin kommen könne, sondern mit einem Mietwagenunternehmen. Eine Antwort des Gerichts erhielt der Kläger hierauf nicht.
Nach Durchführung des Termins, in dem der Antragsteller die Berufung zurücknahm, legte er die Rechnung der Firma Mietwagenverkehr H1 über 310,40 € vor und bat um Erstattung.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Entschädigung am 03.08.2023 auf 79,80 € fest und legte hierbei die Kilometerpauschale zugrunde (228 km x 0,35 €). Bei der Anreise mit einem Kfz, das nicht das eigene sei, würden die tatsächlichen Auslagen ersetzt, jedoch nur bis zur Höhe der in § 5 Abs. 2 Satz 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) genannten Beträge.
Der Antragsteller hat richterliche Festsetzung beantragt und darauf hingewiesen, dass er bereits vor der Verhandlung ein Attest eingereicht habe, aus dem ersichtlich sei, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen könne. Vom Sozialgericht Ulm (SG) habe er nach Vorlage eines Attestes auch die gesamten Fahrkosten erstattet bekommen. Er habe keinen Führerschein und niemanden gehabt, der ihn hätte fahren können. Es habe sich um eine Taxifahrt eines Mietwagenunternehmens gehandelt.
Der Antragsgegner hat ausgeführt, der Antragsteller habe vor dem Termin zwar keine weitere Nachricht des Gerichts erhalten, ausweislich des Merkblatts sei nach einer Anzeige allerdings die Antwort des Gerichts abzuwarten. Zudem sei nach dem Attest zwar die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgeschlossen, jedoch hätte ggf. auch die Möglichkeit bestanden, sich von Bekannten zum Termin fahren zu lassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte L 5 KR 857/23 und die Akte des SG S 13 KR 1307/21 Bezug genommen.
II.
Die dem Antragsteller zustehende Entschädigung ist antragsgemäß auf 310,40 € festzusetzen.
Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch die Einzelrichterin. Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor.
Nach § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werden einem Beteiligten, der - wie hier der Antragsteller - zu dem durch Kostenfreiheit privilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört und dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet; hierzu gehört auch der Fahrtkostenersatz nach § 5 JVEG. Nach § 5 Abs. 1 JVEG werden die Kosten für öffentliche Beförderungsmittel, nach Abs. 2 die Kosten für Kraftfahrzeuge mit 0,35 € pro gefahrenen Kilometer ersetzt. Höhere als die in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichneten Fahrtkosten werden nach § 5 Abs. 3 JVEG nur ersetzt, soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind.
Derartige besondere Umstände liegen hier vor. In dem neurologischen Attest R1 vom 28.06.2023 wird ausgeführt, dass der Antragsteller wegen eines unzureichend therapierten Lagerungsschwindels und einer psychischen Vorerkrankung (Residualsyndrom einer paranoiden Schizophrenie) nicht in der Lage sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Verhandlung nach S1 zu gelangen. Einer nochmaligen Nachfrage des Antragstellers vor dem Termin, ob die Kosten übernommen werden, bedurfte es vorliegend nicht. Von Seiten des LSG erfolgte keinerlei Reaktion auf seinen Hinweis und das SG hatte aufgrund eines vergleichbaren Attestes im erstinstanzlichen Verfahren die Taxikosten des Mietwagenverkehrs H1 übernommen. Der Antragsteller konnte bei diesem Ablauf nach alledem darauf vertrauen, dass die Kosten übernommen werden (zu Vertrauensschutz als „besondere Umstände“ vgl. Simon/Pannen in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., JVEG, § 5 Rn. 17 m.w.N.). Davon abgesehen kann nicht unterstellt werden, dass Beteiligte die Möglichkeit haben, sich unentgeltlich von Familienmitgliedern oder Bekannten fahren zu lassen, zumal bei einer Entfernung von hier mehr als 100 Kilometern zwischen Wohnort und Gerichtsstandort. Die Taxikosten sind daher aufgrund der besonderen Umstände erforderlich gewesen und zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10.
1. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 KO 2306/23
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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