L 3 R 334/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 R 277/16
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 3 R 334/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Für das Klageverfahren verbleibt es bei der Kostenquote von 3/22.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug in der Zeit vom 9. November bis zum 31. Dezember 2005 hat.

Der am ... 1949 geborene Kläger war als Viehpfleger und Kraftfahrer beschäftigt sowie zeitweise mit einem Imbiss und Getränkehandel selbstständig tätig. Zuletzt ging er bis zum 30. September 2002 einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach und entrichtete hierfür Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung. Ab dem 1. Oktober 2002 war er arbeitslos und erhielt nach Ablauf einer Sperrzeit ab dem 24. Dezember 2002 bis zum 29. März 2003 Arbeitslosengeld von der Beigeladenen. In der Folgezeit bezog er aufgrund des die maßgebenden Grenzen übersteigenden Einkommens seiner Ehefrau keine Sozialleistungen mehr. Lediglich am 8. Oktober 2003 kam für einen Tag ein Arbeitsverhältnis zustande, für welches ein Pflichtbeitrag in seinem Versicherungskonto gespeichert ist.

Bereits am 27. Oktober 2003 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Januar 2005 ab, da der Kläger die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle. Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau ([SG] S 1 R 61/05) sowie die Berufung vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ([LSG] L 3 R 148/07) blieben erfolglos, da nach dem Urteil des 3. Senats des LSG vom 23. November 2011 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausgehend von einem Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung am 19. Dezember 2008 (schwere sensible Neuropathie und kognitive Einbußen nach Schlaganfall 2008) nicht erfüllt seien.

Am 8. März 2012 sprachen der Kläger und seine Ehefrau bei der Beigeladenen vor und legten zahlreiche Unterlagen vor, mit denen Vorsprachen bei der Beigeladenen belegt werden sollten. Aufgrund dieser Unterlagen und der Darstellung des Klägers meldete die Beigeladene der Beklagten folgende Zeiten als beitragsfreie Zeiten (Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug): 30. März bis 7. Oktober 2003, 12. Dezember 2003 bis 8. November 2005, 16. Mai bis 20. August 2007 sowie 27. September 2007 bis 31. Dezember 2011. Mit Schreiben vom 8. März 2012 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, sie habe der Beklagten die betreffenden Zeiten gemeldet. Dagegen erhob der Kläger „Beschwerde“ bei der Beigeladenen. Diese habe ihn falsch beraten, indem ihm gesagt worden sei, nach der Rentenantragstellung sei die Beklagte für ihn zuständig und er müsse sich nicht mehr bei der Beigeladenen melden. Gleichwohl habe er sich immer wieder bei der Beigeladenen gemeldet und um Arbeit bemüht. Er begehre daher die Meldung der fehlenden Zeiten vom 9. Oktober bis zum 11. Dezember 2003, vom 9. November 2005 bis zum 15. Mai 2007 und vom 21. August bis zum 17. September 2007 an die Beklagte. Die Beigeladene wertete das Schreiben als Überprüfungsantrag und lehnte diesen (bestandskräftig) mit Bescheid vom 19. Juli 2012 ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2012 wies die Beigeladene die auch als Widerspruch gegen die gemeldeten Zeiten gewertete „Beschwerde“ mangels einer Verwaltungsaktqualität als unzulässig zurück. Dagegen erhob der Kläger am 20. August 2012 Klage vor dem SG, welche unter dem Aktenzeichen S 15 AL 149/12 geführt wurde.

Mit Vormerkungsbescheid vom 27. August 2012 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten des Klägers mit Bindungswirkung für die Daten bis zum 31. Dezember 2005 nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) verbindlich fest. Die Verbindlichkeit der übrigen Daten werde zu gegebener Zeit in einem weiteren Bescheid geregelt werden. Die Zeit vom 12. Dezember 2003 bis zum 8. November 2005, vom 16. Mai bis zum 20. August 2007 und vom 18. September 2007 bis zum 31. Dezember 2011 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei.

Dagegen erhob der Kläger am 28. September 2012 Widerspruch. Die Beigeladene sei ihrer Meldungs- und Weiterleitungspflicht nach § 43 SGB VI nicht nachgekommen und habe keine ordnungsgemäße Meldung von versicherungspflichtigen Zeiten an die Beklagte vorgenommen. Das Widerspruchsverfahren solle bis zur Entscheidung des SG in dem Verfahren S 15 AL 149/12 ruhend gestellt werden. Dem entsprach die Beklagte.

Am 22. Oktober 2012 beantragte der Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab Oktober 2012. Die Beklagte stellte mit Einverständnis des Klägers auch das Verfahren hinsichtlich dieser Rente ruhend, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt seien und daher der Ausgang des Verfahrens gegen die Beigeladene abzuwarten sei.

Auf seinen Antrag vom 6. November 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2014 Regelaltersrente ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von monatlich 510,71 €. Der Bescheid enthielt den Hinweis, die Regelaltersrente werde bis zur Entscheidung über den Antrag auf Altersrente wegen Schwerbehinderung vorläufig geleistet. Nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens gegen die Beigeladene werde der Anspruch auf Rente für schwerbehinderte Menschen geprüft. Die Zeit vom 12. Dezember 2003 bis zum 8. November 2005, vom 16. Mai bis zum 20. August 2007 und vom 18. September 2007 bis zum 31. Dezember 2011 könne nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden, weil eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei. Der Kläger hat gegen den Bescheid keinen Widerspruch erhoben.

In dem Verfahren S 38 (15) AL 149/12 wies das SG die Klage des Klägers bezüglich der Meldung von Zeiten der Arbeitslosigkeit durch die Beigeladene an die Beklagte mit Urteil vom 26. November 2015 ab. Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers sei die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die hierfür erforderliche Korrektur seiner Anrechnungszeiten könne er schneller und direkt im Streit gegenüber dem Rentenversicherungsträger erreichen. Der Kläger müsse daher vorrangig die Verfahren gegen die Beklagte als Rentenversicherungsträger betreiben, welche derzeit ruhend gestellt seien. In diesen Verfahren habe die Beklagte die ungeklärten Zeiten umfassend aufzuklären.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Voraussetzung für die Anerkennung von Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug sei die Meldung des „Arbeitsuchenden“ bei einer deutschen Agentur für Arbeit. Die Arbeitslosigkeit könne unter anderem nachgewiesen werden, sofern diese nicht von der Agentur für Arbeit gemeldet worden sei, durch Meldekarten oder Bescheinigungen der Agenturen für Arbeit, Kommune oder Arbeitsgemeinschaft, Bescheinigungen des öffentlichen Trägers der Sozialhilfe oder sonstige amtliche Bescheinigungen (z.B. Bestätigung der Krankenkassen). Der Nachweis der Arbeitslosigkeit könne darüber hinaus auch durch andere Beweismittel geführt werden. Würden Zeiten der Arbeitslosigkeit durch Zeugen bestätigt, müsse sich aus der Zeugenerklärung ergeben, dass die Tatsachenmerkmale des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI vorgelegen hätten. Eine bloße Bestätigung oder nur vage Angaben reichten nicht aus. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.

Auf Nachfrage teilte die Agentur für Arbeit Dessau-Roßlau der Beklagten mit vorgedrucktem Antwortschreiben vom 7. März 2016 mit, der Kläger sei in dem genannten Zeitraum vom 9. November 2005 bis zum 15. Mai 2007 nicht bei ihr arbeitslos gemeldet gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 28. September 2012 gegen ihren Bescheid vom 27. August 2012 zurück. Der Widerspruch sei hinsichtlich der Zeiten vom 9. Oktober bis zum 11. Dezember 2003 und vom 9. November bis zum 31. Dezember 2005 zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die im Versicherungsverlauf zum Bescheid vom 27. August 2012 festgestellten Daten seien nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Anerkennung weiterer Anrechnungszeiten bis zum 31. Dezember 2005 seien nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger vorgetragen, nach dem Wegfall des Leistungsanspruchs bei der Beigeladenen ab dem 30. März 2003 durchgängig arbeitslos gemeldet gewesen zu sein, sodass die fehlenden Zeiträume als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI anzuerkennen seien. Die Beigeladene habe diese Aussage jedoch nach umfangreich geführten Ermittlungen nicht bestätigen können. Geeignete Beweismittel, die eine Anerkennung unabhängig von der fehlenden Meldung der Agentur für Arbeit herbeiführen könnten, seien trotz des nochmaligen Hinweises nicht eingereicht worden. Hinsichtlich der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 15. Mai 2007 sei der Widerspruch unzulässig, weil Regelungen mit Bindungswirkung für Zeiten nach dem 31. Dezember 2005 mit dem angefochtenen Vormerkungsbescheid nicht getroffen worden seien. Die verbindlichen Aussagen des Bescheids vom 27. August 2012 beinhalteten nach der gesetzlichen Regelung des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ausschließlich die Feststellung von rentenrechtlichen Tatbeständen, welche länger als sechs Kalenderjahre zurücklägen.

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner Klage vor dem SG (S 12 R 277/16) vom 19. August 2016 gewandt und vorgetragen, er begehre die Feststellung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug für die Zeit vom 9. Oktober bis zum 11. Dezember 2003 sowie vom 9. November bis zum 31. Dezember 2005. Die Beigeladene habe mit Schreiben vom 8. März 2012 für ihn Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bei der Beklagten als Anrechnungszeiten nachgemeldet. Weitere Meldungen seien durch die Beigeladene jedoch abgelehnt worden. Nach erfolglosem Klageverfahren habe er gegen das Urteil des SG vom 26. November 2015 (S 38 AL 149/12) Berufung eingelegt, welche beim LSG unter dem Aktenzeichen L 2 AL 5/16 anhängig sei. Er habe sich sowohl am 6. Oktober als auch am 9. Oktober 2003 persönlich bei der Beigeladenen arbeitslos gemeldet. Diese habe ihm zuvor mit Schreiben vom 1. Oktober 2003 ein Vermittlungsangebot übersandt. Daraufhin sei am 8. Oktober 2003 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, welches jedoch durch Aufhebungsvertrag vom 9. Oktober 2003 wieder beendet worden sei. Die Meldung im Oktober 2003 wirke bis zum 11. Dezember 2003, der nächsten Vorsprache bei seiner Arbeitsvermittlerin, fort. Auch danach habe er sich regelmäßig ordnungsgemäß gemeldet. Die Meldungen seien im Beisein seiner Ehefrau erfolgt, da er aus gesundheitlichen Gründen auf deren Hilfe angewiesen gewesen sei. Er habe am 8. November 2005 keine Abmeldung vorgenommen. Die Beklagte habe nichts unternommen, um weitere rentenrechtliche Zeiten aufzuklären oder anzuerkennen.

In der nichtöffentlichen Sitzung vom 19. April 2018 vor dem LSG hat die Beigeladene in dem Verfahren L 2 AL 5/16 die Erklärung abgegeben, den Zeitraum vom 9. Oktober bis zum 11. Dezember 2003 der Beklagten als Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) zu melden. Zudem hat der Berichterstatter des 2. Senats darauf hingewiesen, in dem Vermerk der Beigeladenen vom 16. Mai 2007 über eine persönliche Vorsprache des Klägers hieß es: „Kunde möchte sich wieder arbeitslos melden. Er hat zwischendurch keine Beschäftigung aufgenommen. Er ist auf die Pflicht zur 3-monatigen Meldung hingewiesen worden.“ In Kombination mit der Leistungsabmeldung und der Wiederanmeldung und dem Fehlen entgegenstehender Tatsachen dürfe hinreichend klar sein, dass eine positive Feststellung einer durchgehenden Arbeitsuchendmeldung vom 9. November 2005 bis zum 15. Mai 2007 nicht mehr belegt oder bewiesen werden könne.

Die Beklagte hat den anerkannten Zeitraum nach der Meldung durch die Beigeladene in das Versicherungskonto des Klägers als Anrechnungszeit übermittelt. Eine Neufeststellung der Altersrente unter Berücksichtigung der nachträglich gemeldeten Zeiten erging bislang nicht.

Mit Urteil vom 22. November 2018 hat das LSG die Berufung des Klägers in dem Verfahren L 2 AL 5/16 zurückgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Die Mitteilung der Beigeladenen über die Meldung von bestimmten Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 8. März 2012 sei kein Verwaltungsakt, so dass der Kläger sein Begehren nur mit einer Leistungsklage verfolgen könne. Für eine solche Leistungsklage bestehe jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar fehle für eine Klage auf Meldung rentenrechtlicher Zeiten nicht schon per se das Rechtsschutzbedürfnis, denn die Meldung von Anrechnungszeiten durch die Beigeladene müsse inhaltlich zutreffend erfolgen und könne im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens gegen den Rentenversicherungsträger bedeutsam sein. Daher könne ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der richtigen Meldung bestehen. Dieses sei jedoch spätestens mit der Klage des Klägers gegen die Beklagte (S 12 R 277/16) entfallen. Denn dadurch verfüge er über eine einfachere Möglichkeit, sein Rechtsschutzbegehren durchzusetzen. Mit Erlass des Altersrentenbescheids vom 19. Dezember 2014 habe sich das Verfahren des Klägers zur Kontenklärung erledigt, denn in diesem seien sämtliche für die Berechnung der bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen. Der Rentenbescheid ersetze insoweit die Feststellungen des Vormerkungsbescheids. Der Rentenbescheid sei gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens geworden. In dem Verfahren S 12 R 277/16 bestehe im Ergebnis Streit über die Höhe der Altersrente, in der alle relevanten Zeiten Gegenstand seien. Dieses rentenrechtliche Verfahren sperre ein paralleles Verfahren gegen die Beigeladene auf Mitteilung von rentenrechtlichen Zeiten. Dies gelte auch, obwohl das rentenrechtliche Verfahren später als das Verfahren gegen die Beigeladene anhängig gemacht worden sei. Es sei überzeugend, dass die Klage gegen die Beklagte als Rentenversicherungsträger vorrangig sei.

Der Kläger hat am 24. September 2020 weitere Unterlagen eingereicht, u.a. einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 23. Mai 2008, wonach er nach deren Aufzeichnungen im Behandlungszeitraum vom 29. November 2005 bis zum 25. April 2008 nicht „krankgeschrieben“ gewesen sei.

Mit Urteil vom 7. September 2021 hat das SG die Klage des Klägers in dem Verfahren S 12 R 277/16 abgewiesen. Das SG folge den Ausführungen des LSG in dem Verfahren L 2 AL 5/16, dass der Rentenbescheid vom 19. Dezember 2014 den Vormerkungsbescheid vom 27. August 2012 ersetzt habe. Damit sei auch der Zeitraum vom 9. November 2005 bis zum 15. Mai 2007 im Sinne einer Klageänderung sachdienlich streitgegenständlich. Die Meldung bei einer deutschen Agentur für Arbeit sei auch dann Voraussetzung für die begehrte Berücksichtigung einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, wenn der Versicherte keine öffentlich-rechtlichen Leistungen (mehr) bezogen habe. Dies setze voraus, dass sich der Versicherte bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet habe, weil nur diese die Verfügbarkeit des Versicherten prüfen könne. Bei der Meldung als arbeitsuchend handle es sich um eine reine Tatsachenerklärung, an die keine besonderen formalen Anforderungen gestellt werden könnten. Es genüge die Angabe, dass eine Beschäftigung gesucht werde. Nach Auskunft der Agentur für Arbeit, welche am 14. März 2016 bei der Beklagten eingegangen sei, habe sich der Kläger im Zeitraum vom 9. November 2005 bis zum 15. Mai 2007 dort nicht arbeitslos gemeldet. Weder in dem Verfahren gegen die Beigeladene noch gegen die Beklagte habe er nachweisen können, sich in dieser Zeit arbeitslos gemeldet zu haben.

Gegen das ihm am 18. Oktober 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. November 2021 Berufung beim LSG eingelegt und vorgetragen, er habe regelmäßig vierteljährlich eine Meldung an die Beigeladene vorgenommen. So habe er sich am 22. September und am 22. Dezember 2005 bei der Beigeladenen arbeitslos gemeldet. Seine „Abmeldung“ zum 8. November 2005 in dem Programm Compas der Beigeladenen könne er, auch nach Einsichtnahme in deren Verwaltungsakte, nicht nachvollziehen. Problematisch sei auch, dass er während der gesamten Zeit nicht ein einziges Mal darauf hingewiesen worden sei, seine rentenrechtlichen Zeiten seien ungeklärt oder lückenhaft. Er habe keine Information darüber erhalten, bei der Beigeladenen abgemeldet bzw. aus dem System genommen worden zu sein. Zudem sei er ab dem 29. November 2005 arbeitsunfähig gewesen, was seine Hausärztin, Frau Dr. K., nachweisen könne. Er sei davon ausgegangen, hierüber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu benötigen, da er zu Hause gewesen sei.

Mit Beschluss vom 20. Mai 2022 hat der Senat die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.

Im Erörterungstermin am 3. März 2023 hat die Ehefrau des Klägers mitgeteilt, am 22. September und am 22. Dezember 2005 habe sich der Kläger aufgrund seiner Erkrankung telefonisch bei der Beigeladenen arbeitslos gemeldet. Sie habe sich die Termine in ihrem Kalender notiert und darauf bestanden, dass er sich persönlich arbeitslos melde.

Am 19. April 2023 hat der Kläger einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. O. vom 11. Juni 2008 vorgelegt. Dieser hat darin mitgeteilt, der Kläger sei im Berichtszeitraum vom 25. Januar 2007 bis zum 10. April 2008 durchgehend arbeitsunfähig gewesen, wobei diese „AU“ nicht durch ihn bescheinigt worden sei. Zudem hat der Kläger nochmals den Befundbericht der Dr. K. vom 23. Mai 2008 vorgelegt, welcher mit einem Nachtrag vom 14. März 2023 versehen ist, dass der Kläger seit November 2005 „krank - also arbeitsunfähig“ gewesen sei. Eine offizielle AU-Bescheinigung sei damals nicht erforderlich gewesen, da der Kläger ohne Arbeit zu Hause als „Hausmann“ gewesen sei. Gleichwohl habe dieser den Umstand der Arbeitsunfähigkeit erfüllt. Zu den übersandten Unterlagen wird auf Blatt 345 bis 348 der Gerichtsakte Band III verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. September 2021 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2016 sowie in der Gestalt des Altersrentenbescheids 19. Dezember 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 9. November bis zum 31. Dezember 2005 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug festzustellen.       

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. September 2021 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden und zulässig. Sie ist auch statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG, denn sie bedarf keiner Zulassung.

Streitgegenstand ist nur noch der Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 27. August 2012 in der Gestalt des Altersrentenbescheids vom 19. Dezember 2014 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2016. Insbesondere ist der Altersrentenbescheid insoweit gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens zum Vormerkungsbescheid vom 27. August 2012 geworden, als um die im Vormerkungsbescheid verbindlich festgestellten Zeiten gestritten wird und der Kläger weiterhin die Anerkennung dieser Zeiten als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug begehrt.

Denn die streitbefangenen Feststellungen von Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten im Vormerkungsbescheid vom 27. August 2012 sind während des Widerspruchsverfahrens durch den Rentenbewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2014 ersetzt worden, soweit die getroffenen Feststellungen zum Versicherungsverlauf des Klägers vollumfänglich in den Altersrentenbescheid vom 19. Dezember 2014 übernommen worden sind. Dadurch haben sie ihre Funktion der Beweissicherung für künftige Leistungsfeststellungsverfahren erfüllt und damit jegliche rechtliche Bedeutung verloren (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. August 2005, B 4 RA 21/04 R, juris Rn. 41). Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt, doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit der „Feststellung einer Leistung" über Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheiden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung nur vorbereitenden Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigen sich ungeachtet ihrer Anfechtung „auf andere Weise" (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz [SGB X]) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 5 R 36/11 R, juris Rn. 12 zur Anwendung von § 96 SGG, ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2020, L 8 R 3896/19, juris Rn. 24; Hessisches LSG, Urteil vom 17. Juni 2016, L 5 R 497/12, juris Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Mai 2014, L 13 R 4388/12, juris Rn. 32; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. April 2013, L 22 R 1173/10, juris Rn. 48). Das insofern zuvor angestrengte Widerspruchsverfahren findet seine Fortsetzung im Streit über dasjenige Rechtsverhältnis, dessen vorbereitender Klärung der bisher ergangene Verwaltungsakt gerade gedient hatte.

Obwohl § 86 SGG anders als § 96 Abs. 1 SGG seinem ausdrücklichen Wortlaut zufolge die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsakts in ein laufendes Widerspruchsverfahren nur für den Fall anordnet, dass der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert wird, ist diese Vorschrift entsprechend der für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des § 96 Abs. 1 SGG dahin auszulegen, dass jene ebenso wie diese nicht nur abändernde, sondern auch ersetzende Verwaltungsakte in das laufende Verfahren einbezieht (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2017, B 14 AS 36/16 R, juris Rn. 18; Hessisches LSG, Urteil vom 7. Mai 2021, L 5 R 74/17, juris Rn. 47).

Damit gilt der Verwaltungsakt über die Regelaltersrente als unmittelbar kraft Gesetzes angegriffen, soweit dieser seinerseits auf den bereits ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 5 R 36/11 R, juris Rn. 12). Dagegen besteht nach Erlass eines Rentenbescheids kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid. Ein solches Verfahren ist unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 118/08 R, juris Rn. 16 m.w.N.).

Der Kläger hat den Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht zutreffend auf Zeiten bis zum 31. Dezember 2005 begrenzt, denn im Vormerkungsbescheid sind nur Zeiten bis zu diesem Zeitpunkt verbindlich nach § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI festgestellt worden. Im Übrigen ist der Regelaltersrentenbescheid vom 19. Dezember 2014 mangels Widerspruch des Klägers bestandskräftig geworden und die Klage wäre bei Einbeziehung eines Zeitraums über den 31. Dezember 2005 hinaus insoweit unzulässig. Diese Bestandskraft steht auch einer Einbeziehung der Zeiten vom 1. Januar 2006 bis zum 15. Mai 2007 im Wege einer Klageerweiterung entgegen.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angegriffene Rentenbescheid der Beklagten ist im Hinblick auf die berücksichtigten Anrechnungszeiten bis zum 31. Dezember 2005 rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Berücksichtigung weiterer Anrechnungszeiten. Bei der Gewährung der Altersrente, welche dem Kläger nach § 35 SGB VI zusteht, ist die Zeit vom 9. November bis zum 31. Dezember 2005 nicht zusätzlich als Anrechnungszeit zu berücksichtigen, denn sie erfüllt nicht den Anrechnungszeittatbestand der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug.

Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder bei einem kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Eine Anrechnungszeit liegt nach § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI jedoch nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst unterbrochen ist. Eine Unterbrechung liegt nach der Rechtsprechung des BSG vor, wenn zwischen dem Ende der versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bzw. dem Wehr- oder Zivildienst und dem vorzumerkenden Anrechnungszeittatbestand (bzw. Anrechnungszeit) kein voller Kalendermonat liegt.

Die hier streitige Zeit vom 9. November bis zum 31. Dezember 2005 erfüllt danach nicht den Anrechnungszeittatbestand der Arbeitslosigkeit, weil die von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI vorausgesetzte Meldung bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender nicht erfolgt ist. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger in dieser Zeit bei der Beigeladenen tatsächlich als arbeitsuchend gemeldet hat.

Das Erfordernis der Meldung bei einer deutschen Agentur für Arbeit in § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI trägt dem Umstand Rechnung, dass die Anrechnungszeit nur tatsächlich arbeitsuchenden Versicherten zugutekommen soll und deshalb von diesen ein regelmäßiges Bemühen um Erlangung eines Arbeitsplatzes gefordert wird. Dementsprechend ist ein bloß passives Abwarten nicht ausreichend, sodass auch Arbeitslose, die keine Leistungen beziehen, sich regelmäßig als arbeitsuchend zu melden haben.

Die Beigeladene hat bereits im März 2016 gegenüber der Beklagten mitgeteilt, dass ihr für den streitigen Zeitraum keine Meldung des Klägers als arbeitsuchend vorliegt. Es erscheint lebensfremd, dass sich der Kläger alle drei Monate bei der Beigeladenen persönlich arbeitsuchend gemeldet haben will und diese über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren keine einzige dieser Meldungen aktenkundig gemacht haben soll. Auch der Vortrag des Klägers, er habe sich am 22. September und am 22. Dezember 2005 ausweislich des Eintrags im Kalender seiner Ehefrau telefonisch bei der Beigeladenen gemeldet, ist nicht geeignet, den Senat zu überzeugen. Ein entsprechender Telefonvermerk findet sich nicht in den Akten der Beigeladenen. Der Kläger hat auch nach eigenem Vortrag nicht die Möglichkeit genutzt, durch eine persönliche Vorsprache bei der Beigeladenen seine objektive und subjektive Verfügbarkeit unter aktiver Nutzung der Möglichkeiten der Arbeitsverwaltung um berufliche (Wieder-)Eingliederung zu erklären und aktenkundig zu machen. Dies wäre jedoch bei einer ernsthaften Meldung als arbeitsuchend zu erwarten und nach der Regelung des § 38 Abs. 4 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) in der damals gültigen Fassung auch rechtlich erforderlich gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2004, B 13 RJ 16/03 R, juris Rn. 27 m.w.N.). Der Kläger hat weder hinreichend vortragen und nachgewiesen, sich in dieser Zeit ernsthaft bemüht zu haben, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 SGB III) noch den Vermittlungsbemühungen der Beigeladenen zur Verfügung (Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III) gestanden zu haben. Der Senat vermag sich insbesondere nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger im umstrittenen Zeitraum bereit war, jede Beschäftigung anzunehmen und auszuüben. Erhebliche Zweifel daran ergeben sich für den Senat schließlich aus dem aktualisierten Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren, im genannten Zeitraum gar nicht arbeitsfähig gewesen zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des geringen Obsiegens des Klägers im Klageverfahren verbleibt es bei der dortigen Kostenentscheidung.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Rechtskraft
Aus
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