1. Eine erfolgreiche Anhörungsrüge setzt nach § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG voraus, dass das Gericht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Gericht hat zwar die Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Es muss aber nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen.
2. Gegen eine unanfechtbare Entscheidung des Landessozialgerichts im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Gegenvorstellung unzulässig.
Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 27. März 2023 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 27. März 2023 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung in seiner im Zeitpunkt der Entscheidung regulären, nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgegebenen Besetzung. Dass er den angegriffenen Beschluss noch in anderer Besetzung getroffen hat, ist unerheblich (Flint: in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage 2022, § 178a Rn. 94, unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 18. Februar 2020, 1 BvR 1750/19, juris).
I.
Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. April 2023 erhobene Anhörungsrüge nach § 178a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zulässig. Gegen den Beschluss des Senats ist ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nach § 177 SGG nicht gegeben. Die Rüge ist innerhalb der Zweiwochenfrist des § 178a Abs. 2 Satz 1 SGG erhoben worden.
Die Anhörungsrüge ist insoweit zulässig, als der Antragsteller geltend macht, dass der Senat hätte berücksichtigen und entscheiden müssen, ob eine Ausnahmesituation vorliegt, die zur Erweiterung der Leistungspflicht des Antragsgegners und zu einer erleichterten Anerkennung eines Impfschadens führt. Der Antragsteller trägt insoweit auch eine Entscheidungserheblichkeit vor. Außerdem hat er geltend gemacht, dass das Gericht seinen Vortrag, ihm sei nicht zuzumuten und zu erdulden, dass er nicht arbeiten und kein normales Alltagsleben führe könne, und damit sein Grundrecht/Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen sei, im Rahmen der Prüfung der Eilbedürftigkeit nicht berücksichtigt habe. Er trägt weiter vor, dass die darin von ihm gesehene Verletzung des rechtlichen Gehörs auch entscheidungserheblich sei, da sie zur Verurteilung des Antragsgegners hätte führen müssen. Schließlich macht der Antragsteller mit der Anhörungsrüge geltend, das Gericht habe keinen Hinweis erteilt und seine Entscheidung überraschend u.a. damit begründet, dass ein Anordnungsanspruch wegen unzureichender Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht glaubhaft gemacht sei. Ein Hinweis des Gerichts und ggf. vorzulegende Nachweise hätten zu einer Verurteilung des Antragsgegners geführt und seien daher entscheidungserheblich.
Die Anhörungsrüge ist aber unbegründet. Eine erfolgreiche Anhörungsrüge setzt nach § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG voraus, dass das Gericht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Grundgesetz (GG) und §§ 62, 128 Abs. 2 SGG soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen und Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 8. November 2006, B 2 U 5/06, juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nur wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zwar hat das Gericht bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken, ohne dass darin eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt. Wenn aber ein bestimmter Vortrag eines Beteiligten den Kern seines Vorbringens darstellt und für den Verfahrensausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen (Flint, a.a.O., Rn. 20). Allerdings ist das Verfahren der Anhörungsrüge nicht dazu vorgesehen, Begründungen, die vor der angegriffenen Entscheidung nicht vorgetragen worden sind, nunmehr nachzuholen, und/oder zu ergänzen und/oder zuvor vorgetragene Begründungen zur erneuten gerichtlichen Überprüfung zu stellen (Flint, a.a.O., Rn. 87). Soweit die Darlegungen zur Begründung einer gerügten Gehörsverletzung nur darauf abzielen, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu beanstanden, verfehlt dies den Zweck der Anhörungsrüge (Flint, a.a.O., Rn. 85). Denn das durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierte Recht, sich im Verfahren äußern zu können und gehört zu werden, gewährt keinen Anspruch auf eine richtige Entscheidung. Die Anhörungsrüge kann deshalb nicht dazu dienen, das Gericht unabhängig vom Vorliegen eines Gehörsverstoßes zur Überprüfung der Rechtsauffassung zu veranlassen. Auch die Behauptung, das Gericht habe den vorgetragenen tatsächlichen Umständen nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu begründen (Flint, a.a.O., Rn. 85).
Der Senat hat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Sein Kernargument, es liege hier eine Ausnahmesituation vor, die zur Anerkennung eines Impfschadens und damit zur Leistungspflicht des Antragsgegners führen müsse, hat der Senat ausdrücklich in seinen Tatbestand aufgenommen (Seite 3 des Senatsbeschlusses) und sich damit auch auseinandergesetzt. Bereits das SG hat die Ausnahmesituation in Bezug auf HBO-Therapie in seinem Beschluss gewürdigt, indem es außerhalb der Katalogleistungspflicht nach Anspruchsgrundlagen gesucht hat (Seite 8: Ausführungen zur „Nikolausentscheidung“ sowie zum Härteausgleich - auch analog - nach § 89 Bundesversorgungsgesetz). Auf die Ausführungen des SG hat der Senat in der Begründung des Beschlusses ausdrücklich Bezug genommen. Auch hat bereits das SG auf Seite 10 seines Beschlusses ausführlich unter Heranziehung des Berichts des Paul-Ehrlich-Instituts ausgeführt, dass es sich zwar andeute, dass es ein sog. „Post-Vac-Syndrom“ gebe, daraus aber für den Antragsteller keine Beweiserleichterung folge. Darauf, dass die vom Antragsteller vorgetragene Ausnahmesituation keine Beweiserleichterung rechtfertigt, hat der Senat mithin auch Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Senat sich ausdrücklich damit auseinandergesetzt, dass die hohe Bedeutung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit in Frage stehe, wenn die HBO-Therapie nicht durchgeführt werde (Seite 8 des Senatsbeschlusses). Der Einwand des Antragstellers, dass das Gericht sein Grundrecht/Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit im Rahmen der Prüfung der Eilbedürftigkeit nicht berücksichtigt habe, ist somit unzutreffend. Für (noch) weitere Ausführungen hat der Senat keine Veranlassung gesehen, da die Ausführungen des SG zutreffend und überzeugend waren.
In diesem Zusammenhang ist zum erforderlichen Umfang der Entscheidungsgründe darauf zu verweisen, dass ein Gericht im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erwägung des Vortrags von Beteiligten nicht schon gehalten ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen. Es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen. Je umfangreicher das Vorbringen ausfällt, desto stärker besteht nämlich die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und auf die ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen oder gar abwegigen Fragen zu verzichten (BSG, Beschluss vom 20. Juli 2016, B 12 KR 3/16 C, Rn. 18 m.w.N., juris). In Anbetracht der überaus ausführlichen Begründung des Antragstellers hat sich der Senat auf die aus seiner Sicht wesentlichen Argumente bei Abfassung der Entscheidungsgründe beschränkt, aber selbstverständlich darüber hinaus den gesamten Vortrag des Antragstellers zur Kenntnis genommen und zum Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gemacht (so ausdrücklich auch Seite 7 des Senatsbeschlusses).
Angesichts des Fehlens eines Anordnungsanspruchs geht die Anhörungsrüge in Bezug auf den Anordnungsgrund ins Leere. Diese ist selbst bei einer unterstellten Gehörsverletzung in Bezug auf den Anordnungsgrund nicht entscheidungserheblich. Denn der Senat hat keinen Anordnungsanspruch im einstweiligen Rechtsschutz gesehen - weder für die HBO-Therapie noch für die Anerkennung des Impfschadens - und auch nicht unter Berücksichtigung der Ausnahmesituation. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht werden. Selbst wenn das Gericht in Bezug auf den Anordnungsgrund noch einen weiteren Hinweis erteilt und der Antragsteller Unterlagen vorgelegt hätte, hätte keine Entscheidung zu seinen Gunsten erfolgen können.
II.
Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats ist unzulässig. Eine Gegenvorstellung kann höchstens noch gegen eine - vorliegend nicht gegebene - abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden (BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190-210, Rn. 39; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 6. Dezember 2011, IX S 19/11, BFH/NV 2012, 438, Rn. 1; BSG, Beschluss vom 6. Juni 2017, B 1 KR 3/17 C, Rn. 9, juris). Die Gegenvorstellung ist nämlich kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf. Es ist ausgeschlossen, gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen nach § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 318 Zivilprozessordnung (ZPO) ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage zu übergehen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 39; BSG, Beschluss vom 19. März 2013, B 1 KR 6/13 C, Rn. 5, juris; BSG, Beschluss vom 8. August 2018, B 1 KR 12/18 C, SozR 4-1500 § 60 Nr. 11 Rn. 8; Schmidt: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020 § 178a Rn. 12 m.w.N.; Flint, a.a.O., Rn. 132 ff; Ulmer: in Hennig, SGG, vor § 51 Rn. 17a). Zu den nicht abänderbaren Entscheidungen gehören auch die gemäß § 177 SGG unanfechtbaren Entscheidungen des Landessozialgerichts im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die in materielle Rechtskraft erwachsen (LSG B./B., Beschluss vom 22. April 2016, L 9 KR 150/16 B ER RG; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Juli 2021, L 15 U 314 / 21 B ER RG, juris).
Selbst wenn zugunsten des Antragstellers eine Gegenvorstellung noch als zulässig angesehen würde, wäre sie jedenfalls unbegründet. Es kann seinen Darlegungen nicht entnommen werden, dass die angegriffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht, insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, oder zu einem groben prozessualen Unrecht führt (vgl. insoweit BSG, Beschluss vom 22. Februar 2023, B 12 KR 1/23 S, Rn. 2 m.w.N., juris). Außer der Gehörsverletzung macht der Antragsteller keine verfahrensrechtlichen Fehler geltend. Seine gesamten Ausführungen zielen darauf ab, die Entscheidung des Senats in Frage zu stellen, indem er nochmals ausführlich seine Rechtsansicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats ergänzt, vertieft und vermeintliche Widersprüche in der Argumentation des Senats geltend macht. Dies genügt zur Begründung einer Gegenvorstellung in keinem Fall.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
IV.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG, § 177 SGG).